Der Gauß-Algorithmus Vektoren und Matrizen Beispiel 11.9 (Reaktionsgleichung in der Chemie) Ethanol C2 H5 OH verbrennt bei Zugabe von Sauersto↵ O2 zu Kohlendioxyd CO2 und Wasser H2 O. Wie lautet die Reaktionsgleichung? Es soll gelten x · C2 H5 OH + y · O2 ! z · CO2 + w · H2 O . ~v = w ~ Unbekannte sind x, y, z, w. Die Bestimmungsgleichungen ergeben sich durch Vergleich der Atomanzahlen der beteiligten Elemente. I Kohlensto↵: 2x z = 0, I Wassersto↵: 6x 2w = 0, I Sauersto↵: x + 2y 2z Eine Lösung hier lautet (vgl. Vorl.) G. Skoruppa (TU Dortmund) September 2017 150 / 165 G. Skoruppa (TU Dortmund) Vektoren und Matrizen n-Tupel: Praktisch zur Notation von LGS-Lösungen! Konzept hat große Bedeutung in vielen Bereichen, wie in der Physik zur Beschreibung gewisser physikalischer Größen: I Temperatur: Beschreibung durch eine reelle Zahl, sog. Skalar. Eine Kraft hat eine Richtung und Stärke. Beschreibung durch ein Tripel von Zahlen ! Vektor in R3 . Geometrisch: Auf den Punkt P = (p1 , p2 ) weist“ der Ortsvektor ” hin“: Pfeil vom Nullpunkt 0 zum Punkt P . Schreibweise: ” ✓ ◆ ! p1 0P = 2 R2 . p2 152 / 165 ✓ p1 p2 ◆ Addition: Pfeilaneinandersetzung, Skalarmulti. mit c 2 R: Streckung um |c| und falls c < 0: Richtungsänderung. (v1 , . . . , vn )> 2 Rn heißt Vektor (in Rn ). Die vi heißen Koordinaten oder Komponenten von ~v . Der Nullvektor ~0 2 Rn hat alle Einträge Null. G. Skoruppa (TU Dortmund) September 2017 Parallel verschobene ✓ Exemplare eines solchen Ortsvektors sympolisieren ◆ p1 den gleichen Vektor . Die Darstellung von Vektoren als Pfeile darf p2 also an beliebigen Punkten starten. Definition 12.1 (Vektor) Ein n-Tupel von reellen Zahlen 0 1 v1 B .. C ~v := @ . A =: vn Mathematischer Vorkurs Vektoren und Matrizen 12. Vektoren und Matrizen I für alle i = 1, . . . , n (Elemente c 2 R heißen Skalare.) 2 · CO2 + 3 · H2 O . Mathematischer Vorkurs vi = wi 1 v1 + w1 B C .. ~v + w ~ := @ (Vektoraddition) A . vn + wn 0 1 c · v1 B C c · ~v := @ ... A (Skalarmultiplikation) c · vn w=0 ! genau falls 0 3 Gleichungen und 4 Unbekannte? Keine eindeutige Lösung? C2 H5 OH + 3 · O2 Definition 12.2 (Vektorgleichheit, Vektoraddition, Skalarmultiplikation) 0 1 0 1 v1 w1 B .. C B .. C Für ~v = @ . A , w ~ = @ . A aus Rn und c 2 R definiert man vn wn Mathematischer Vorkurs September 2017 151 / 165 G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 153 / 165 Vektoren und Matrizen Vektoren und Matrizen Satz 12.3 Definition 12.6 (Lineare Abhängigkeit, lineare Unabhängigkeit) Für alle ~v , w, ~ ~u 2 Rn und a, b 2 R gilt: Sei V ein R-Vektorraum und ~v1 . . . , ~vn 2 V . 1. (~v + w) ~ + ~u = ~v + (w ~ + ~u) 2. ~v + w ~ =w ~ + ~v ~ 3. ~v + 0 = ~v 4. Zu ~v ex. (Assoziativgesetz) (Kommutativgesetz) 1. ~v1 , . . . , ~vn heißen linear abhängig (l.a.), wenn es Koeffizienten 1 , . . . , n gibt, die nicht alle 0 sind und so dass gilt: (Neutrales Element) ~v := ( 1) · ~v mit ~v + ( ~v ) = ~0 (Inverses Element) 5. a(b~v ) = (ab)~v 6. 1 · ~v = ~v 7. (a + b)~v = a~v + b~v (Distributivgesetz 1) 8. a(~v + w) ~ = a~v + aw ~ (Distributivgesetz 2) Definition 12.4 (R-Vektorraum) Ist in einer Menge V eine Verknüpfung +“ von Elementen und eine ” Skalarmultiplikation ·“ von reellen Zahlen mit Elementen aus V erklärt, ” die beide wieder Elemente aus V liefern, so heißt V ein R-Vektorraum, wenn (mit einem gewissen ~0 2 V ) in V die Aussagen des Satzes 12.3 G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 154 / 165 gelten. v1 1~ = ~0. D.h.: v1 1~ + ... + vn n~ = ~0 gilt nur genau falls alle i = 0. Satz 12.7 1. Kann der Vektor ~v als Linearkombination von n vorgegebenen l.u. Vektoren dargestellt werden, so sind die Koeffizienten dabei eindeutig: ~v = v1 1~ ) i G. Skoruppa (TU Dortmund) + ... + = µi , vn n~ = µ1~v1 + . . . + µn~vn i = 1, . . . , n. Mathematischer Vorkurs September 2017 156 / 165 Vektoren und Matrizen Beispiel 12.5 (R-Vektorräume) 2. n vorgegebene Vektoren sind genau dann l.a., wenn wenigstens einer von ihnen sich als Linearkombination der anderen darstellen läßt. I Rn , I F(R, R) sei die Menge aller reellwertigen und auf ganz R definierten Funktionen. Man schreibt diese symbolisch so: f : R ! R. Verwende als +“ die übliche Addition von Funktionen f, g: ” f + g ist die Funktion, die x 2 R den Wert f (x) + g(x) 2 R zuordnet: (f + g)(x) := f (x) + g(x). Verwende als ·“ die übliche Multiplikation von 2 R mit einer ” Funktion f : f ist die Funktion, die x 2 R den Wert · f (x) 2 R zuordnet: ( · f )(x) := · f (x). Die Vektorraumnull ~0 ist hier die konstante Funktion f mit f (x) = 0. Man prüft problemlos alle 8 Eigenschaften eines Vektorraums, z.B. gilt die Gleichheit f + g = g + f (als Funktionen), weil für alle x 2 R auf Zahlenebene f (x) + g(x) = g(x) + f (x) gilt, etc. Mathematischer Vorkurs vn n~ 2. Sind ~v1 bis ~vn nicht linear abhängig, so heißen sie linear unabhängig (l.u.). Vektoren und Matrizen G. Skoruppa (TU Dortmund) + ... + September 2017 155 / 165 3. Zwei Vektoren ~v , w ~ sind genau dann l.a., wenn ~v ein Vielfaches von w ~ oder umgekehrt ist. Geometrisch: Sie haben gleiche oder umgekehrte Richtung (= kollineare Vektoren). Blau/grün bzw. rot/gelb kollinear, nicht aber rot/blau! 4. Geometrische Deutung bei 3 Vektoren: Drei Vektoren ~v , w, ~ ~u sind genau dann l.a., wenn sie in einer Ebene liegen. (= komplanare Vektoren). Beweis: Zu 1. vgl. Vorlesung. G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 157 / 165 Vektoren und Matrizen Vektoren und Matrizen Beispiel 12.8 Zu 2. Sind ~v1 . . . , ~vn l.a., so gibt es eine Darstellung v1 + . . . + n~vn = ~0 wobei ein k 6= 0. Es folgt: 1~ ~vk = 1 k · ~v1 k 1 ... k · ~vk 1 k+1 k · ~vk+1 ... n k · ~vn . Bei einer Darstellung ~vk = µ1~v1 + . . . + µk 1~vk 1 + µk+1~vk+1 + . . . + µn~vn folgt umgekehrt sofort die L.A. der Vektoren ~v1 . . . , ~vn . Zu 3./4. Einfache Folge von 2. h := a · f + b · g = 0-Funktion. Können also a, b 2 R, nicht beide 0, gefunden werden, so dass für alle Argumente x 2 R gilt: Aufgabe: 1. Man untersuche folgende Vektorssysteme in R3 auf lineare Unabhängigkeit. 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 1 1 1 1 0 a) @ 1 A , @ 0 A , @ 0 A, b) @ 0 A , @ 1 A , 1 1 1 0 0 G. Skoruppa (TU Dortmund) Sind die Vektoren f, g 2 F(R, R) mit f (x) := x, g(x) := x2 l.u.? f, g sind ja Funktionen: sie stammen aus dem Funktionenraum F(R, R). Der Nullvektor“ in diesem Raum ist die 0-Funktion. ” Der Test auf L.A. beginnt wie üblich: f, g sind genau dann l.a., wenn es a, b 2 R mit (a, b) 6= (0, 0) gibt, so dass Mathematischer Vorkurs h(x) := a · f (x) + b · g(x) = ax + bx2 = 0 0 1 0 @ 0 A. 0 September 2017 158 / 165 Nein, das ist nicht möglich, denn wenn a, b nicht beide 0 sind, ist h(x) o↵ensichtlich ein Polynom 1. Grades oder gar 2. Grades. Solche Polynome haben bekanntlich nur genau eine bzw. max. zwei, aber jedenfalls nicht unendlich viele Nullstellen. Damit sind f, g mit f (x) = x, g(x) = x2 l.u. G. Skoruppa (TU Dortmund) Vektoren und Matrizen 0 c) @ 1 1 2 A, 1 0 1 1 @ 1 A, 0 0 @ 160 / 165 Vektoren und Matrizen 1 1 2 A 3 + ... + September 2017 Definition 12.9 Sei V ein R-Vektorraum. Dann heißt eine Auswahl von Vektoren v~1 , . . . , v~n 2 V Basis von V , wenn 1. sich jedes ~b 2 V als Linearkombination von v~1 , . . . , v~n darstellen läßt und Bemerkung: Linear unabhängig oder nicht? Bei c) sollte aufgefallen sein: Test auf L.U./L.A. von Vektoren ~v1 . . . , ~vn 2 Rn ist als homogenes LGS formulierbar ! Gauß-Algorithmus. Zu betrachten ist die Gleichung v1 1~ Mathematischer Vorkurs vn n~ 2. die v~1 , . . . , v~n l.u. sind. Damit sind die Koeffizienten in der Darstellung ~b = =0 v1 1~ + ... + vn n~ eines ~b 2 V eindeutig (vgl. Satz 12.7, 1.). Hat dieses LGS nur die triviale Lösung ~0, dann sind die Vektoren l.u.. Beispiel 12.10 I Die Standardbasis für Rn lautet: e~1 := (1, 0, ..., 0)> , G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 159 / 165 G. Skoruppa (TU Dortmund) e~2 := (0, 1, 0, ..., 0)> , Mathematischer Vorkurs ... , e~n := (0, ..., 0, 1)> . September 2017 161 / 165 Vektoren und Matrizen I Vektoren und Matrizen Eine “Nicht-Standardbasis” für R3 ist z.B. a~1 := (1, 1, 1)> , a~2 := (1, 0, 1)> , a~3 := (1, 0, 1)> . Warum Basis? 1) L.u. Vektoren! Vgl. Aufgabe 1 vier Seiten zuvor. 2) Jeder Vektor ~b 2 R3 ist als Linearkombination der ~ai dargestellbar, wie man durch Anwendung des Gauß-Algorithmus sieht: Suche 1, 2, 3 2 R, die das LGS mit den Spalten ~a1 , ~a2 , ~a3 lösen: 1 k 1 1 0 k 0 k 0 1 0 1 1 1 0 1 0 1 1 b1 1 b3 2 b1 b1 b2 b3 b2 b2 b3 1 1 Beispiele und Bemerkungen: 1. dim Rn = n, denn Standardbasis hat die Länge n. 2. Die Menge der Polynome vom Grad n bildet einen (n + 1)-dim. VR. 3. Jeder VR hat eine Basis. Der Beweis ist aber mathematisch anspruchsvoll! Manchmal kann die Basis unendlich lang sein, d.h. dim V = 1. Dann muss die Basisdefinition etwas modifiziert werden. Beispielsweise ist F(R, R) unendlichdimensional. 1 Damit ist das LGS eindeutig lösbar (von unten nach oben kommt in jeder Zeile genau eine Unbekannte hinzu!). Für ~b = 0 haben wir übrigens damit nochmals die L.U. der Vektoren ~a1 , ~a2 , ~a3 verifiziert. G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 162 / 165 G. Skoruppa (TU Dortmund) Vektoren und Matrizen Mathematischer Vorkurs September 2017 164 / 165 September 2017 165 / 165 Vektoren und Matrizen Für ein und den selben Vektorraum kann man unterschiedliche Basen angeben. Eine Eigenschaft ist aber allen Basen gemeinsam: Definition und Satz 12.11 Hat der R-VR V eine Basis aus n Vektoren, dann besteht auch jede andere Basis von V aus n Vektoren. Die invariante Basislänge“ nennt ” man die Dimension von V . Symbol: dim(V ) = n . Zusätzlich definiert man dim({0}) = 0. Gilt dim(V ) = n, so sind 1. m > n Vektoren aus V sind stets l.a. . D.h. dim(V ) ist die maximale Anzahl l.u. Vektoren in V . 2. m < n Vektoren aus V können nie ganz V aufspannen. D.h. dim(V ) ist die minimale Anzahl von Vektoren mit der Eigenschaft, ganz V aufzuspannen. 3. n l.u. Vektoren aus V bilden stets eine Basis von V . G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs September 2017 163 / 165 G. Skoruppa (TU Dortmund) Mathematischer Vorkurs