Anordnungen einer endlichen Menge Wir stellen uns n Elemente a1, a2, . . . , an vor, etwa die natürlichen Zahlen 1, 2, . . . , n. Aufgabe: Bestimme Anzahl aller möglichen Anordnungen. Für n = 3 ergeben sich 6 = 1 · 2 · 3 Anordnungen oder Permutationen: (a1, a2, a3) (a2, a1, a3) (a3, a1, a2) (a1, a3, a2) (a2, a3, a1) (a3, a2, a1) Generell definieren wir für eine natürliche Zahl n die Zahl n! (n Fakultät) als Produkt aller natürlichen Zahlen von 1 bis n. n! = 1 · 2 · · · (n − 1) · n =: n Y k k=1 1 Die Anzahl der Permutationen von n Elementen ist n! Wir zeigen die Behauptung durch Induktion nach n. Seien dazu a1, a2, . . . , an die Elemente der n-elementigen Menge M . Induktionsverankerung: Für n = 1 gibt es nur die Anordnung (a1). Induktionsschritt von n auf n + 1: Unter der Voraussetzung, dass eine n-elementige Menge n! Permutationen n ohat, zeigen wir, dass eine n + 1-elementige Menge a1, . . . , an+1 genau (n + 1)! Permutationen besitzt: 2 Der Induktionsschritt Wir betrachten hierzu die Menge A aller Permutationen von n o a1, . . . , an+1 . Für k = 1, . . . , n + 1 sei Ak die Menge der mit ak beginnenden Permutationen. Es ist also (|A| bedeutet Elementezahl von A.) |A| = |A1| + |A2| + · · · + |An+1|. Nun besteht Ak aus denjenigen Anordnungen, die ak an der ersten Stelle haben, gefolgt von einer Anordnung der n Elemente a1, . . . , ack , . . . , an+1 (b bedeutet Weglassen) Also ist |Ak | = n! für jedes k und somit wie behauptet |A| = (n + 1) · n! = (n + 1)!. 3 Die Anzahl der Teilmengen einer n-elementigen Menge M ist 2n Achtung: M und ∅ zählen mit! Auch hier Induktion nach n. Induktionsverankerung: Für n = 1 hat M = {m1} nur die Teilmengen ∅ und {m1}. Die gesuchte Anzahl ist somit 21. 4 Induktionsschritt von n aufnn + 1: Sei A oeine Teilmenge einer (n+1)-elementigen Menge m1, . . . , mn+1 und M = {m1, . . . , mn}. Wir unterscheiden zwei Fälle mn+1 ∈ /A mn+1 ∈ A In diesem Fall gilt A ⊆ M. Hierfür gibt es nach Induktionsvoraussetzung 2n Möglichkeiten In diesem Fall n hat oA die Form A = A0 ∪ mn+1 mit einer Teilmenge A0 von M . Hierfür weitere 2n Möglichkeiten Gesuchte Anzahl daher: 2n + 2n = 2 · 2n = 2n+1. Dies erledigt den Induktionsschritt und beendet den Beweis. 5 Variante des Induktionsprinzips Für praktische Zwecke ist häufig die folgende Fassung des Induktionsprinzips nützlich: Für jede natürliche Zahl n ≥ n0 sei eine Aussage A(n) gegeben. Es gelte (1) A(n0) ist wahr; (2) Falls A(k) für alle n0 ≤ k < n wahr ist, so ist auch A(n) wahr. Dann ist A(n) für jedes n ≥ n0 wahr. 6 Beweis der Induktions-Variante Wir nehmen an, unsere Behauptung sei falsch. Die Menge V aller natürlichen Zahlen n ≥ n0, für die A(n) falsch ist, ist dann nicht leer. Nach dem Prinzip der kleinsten natürlichen Zahl hat V ein kleinstes Mitglied v (kleinster Verbrecher!). Wegen (1) ist v > n0 Für alle k mit n0 ≤ k < v ist daher A(k) wahr, wegen (2) ist ist dann auch A(v) wahr, Widerspruch! Damit ist unsere ursprüngliche Annahme falsch und die obige Behauptung bewiesen. 7 Rückblick: Widerspruchsbeweis Sie haben bemerkt, dass das generelle Beweisschema beider Induktionsprinzipien ziemlich ähnlich ist: in beiden Fällen haben wir einen Beweis durch Widerspruch geführt. Dasselbe beruht darauf, dass jede Aussage entweder wahr oder falsch ist und ferner sich aus einer wahren Aussage durch zulässige logische Schlüsse stets wieder eine wahre Aussage ergibt. Nehmen wir hypothetisch an, eine zu beweisende Aussage A sei falsch und ferner, dass sich aus dieser Annahme durch zulässige Schlüsse eine Aussage B ergibt, die falsch ist. Dann kann unsere Annahme (A sei falsch) nicht wahr gewesen sein (siehe oben!); folglich ist diese Annahme nicht wahr und A ist somit wahr. 8 Die reellen Zahlen In diesem Abschnitt beschreiben wir die Menge R aller reellen Zahlen, das sind diejenige des Zahlenstrahls. Unser Ziel ist die Aufklärung der Struktur und des Rechnens mit diesen Zahlen. Zunächst befassen wir uns mit den Eigenschaften der Addition und Multiplikation. Wir haben daher eine Menge mit zwei Abbildungen ( Verknüpfungen ) gegeben +:R×R→R (x, y) 7→ x + y genannt Addition ·:R×R→R (x, y) 7→ x · y genannt Multiplikation gegeben, die den folgenden Anforderungen genügen: 9 Axiome der Addition (A1) Assoziativität: (x + y) + z = x + (y + z) (A2) Kommutativität: x + y = y + x (A3) Existenz der Null: Es gibt 0 ∈ R mit x + 0 = x für alle x∈R (A4) Existenz eines additiv Inversen: Zu jedem x ∈ R gibt es y ∈ R mit x + y = 0 . 10 Abgeleitete Eigenschaften Addition (1) Die Zahl 0 mit (A3) ist eindeutig bestimmt: Ist auch x + 00 = x für alle x ∈ R, so folgt 0 = 0 + 00 = 00 . (Warum?) (2) Eindeutigkeit des zu x additiv Inversen y. Schreiben y = −x . Gilt neben x + y = 0 auch x + y 0 = 0, so addiere y auf beiden Seiten der letzten Gleichung. Wir erhalten unter Verwendung von (A1), (A2) und (A3) y 0 = 0 + y 0 = (y + x) + y 0 = y + (x + y 0 ) = y + 0 = y. (3) −0 = 0 . Es ist 0 = 0 + 0, verwende nun (2). (4) −(−x) = x . Es ist x + (−x) = 0, also auch (−x) + x = 0; daher ist x zu −x additiv invers. 11 Weitere Eigenschaften Erklärung der Subtraktion: x − y := x + (−y) (5) Die Gleichung a + x = b hat die eindeutig bestimmte Lösung x = b − a. Beweis: (a) Zunächst ist x = b − a eine Lösung, denn a + x = a + (b − a) = (a + (−a)) + b = 0 + b = b. (b) Sei umgekehrt a + x = b, so addiere auf beiden Seiten −a. Es folgt (−a) + a + x = b − a, also x = b − a. (6) Es gilt −(x + y) = (−x) + (−y) . Beweis: Es ist (x + y) + ((−x) + (−y)) = 0 nach (A1) und (A2), woraus die Behauptung folgt. 12 Axiome der Multiplikation (M1) Assoziativität: (xy)z = x(yz) (M2) Kommutativität: xy = yx (M3) Existenz einer Eins: Es gibt 1 ∈ R mit x · 1 = x für alle x ∈ R. (M4) Existenz eines multiplikativ Inversen: Zu jedem x ∈ R, x 6= 0, gibt es y ∈ R mit x · y = 1 . 13 Distributivgesetz Addition und Multiplikation sind verkoppelt durch die Distributivität: (x + y)z = xz + yz für alle x, y, z ∈ R. Bemerkung: Aus der Kommutativität folgt natürlich die Distributivität auch auf der anderen Seite. Entsprechender Hinweis hinsichtlich der Inversenbildung. 14 Eigenschaften der Multiplikation (1) Die Zahl 1 mit x·1 = x für alle x ∈ R ist eindeutig bestimmt : Betrachte dazu 1 · 10 . Dieses Element ist zugleich 1 und 10 . (2) Zu jedem x ∈ R, x 6= 0, ist das multiplikativ Inverse eindeutig bestimmt. Schreibweise: x−1 := y Multipliziere dazu x · y = 1 auf beiden Seiten mit Inversem y 0 zu x. (3) 1−1 = 1 : Verwende 1 · 1 = 1 und berücksichtige die Definition des Inversen. (4) (x−1)−1 = x für alle x ∈ R, x 6= 0: Es ist x · x−1 = 1. Denke nun an die Definition des Inversen! 15 Eigenschaften Multiplikation II (5) (x · y)−1 = x−1 · y −1 : Beachte dazu xyx−1 y −1 = 1 und denke an Definition des Inversen. 1 −1 Schreibweise: An Stelle von x schreiben wir auch . Ebenso x y −1 y = yx−1 . := x x (6) Die Gleichung a · x = b , a 6= 0, hat die eindeutig bestimmte Lösung x = a−1b = ab . 16 Beweis. (a) x = a−1b ist eine Lösung, denn a · (a−1b) = (a · a−1)b = 1 · b = b. (b) Falls x der Gleichung a · x = b genügt, multipliziere (von links) mit a−1. Dies liefert x = a−1b. (7) 1 ( xy ) = xy für x, y 6= 0 Beweis: Bei der linken Seite handelt es sich um (x−1 · y)−1 = (x−1)−1 · y −1 = x · y −1; dies ist in anderer Schreibweise die rechte Seite von (7). (8) Es gilt x · 0 = 0 für alle x ∈ R: Wir verwenden 0 + 0 = 0 und multiplizieren mit x. Distributivität liefert: x · 0 + x · 0 = x · 0. Addition von −x·0 auf beiden Seiten liefert dann die Behauptung. 17 Bruchrechnen (1) a·c b d = a·c b·d b, d 6= 0 (2) a b = a·d b·d b, d 6= 0 (3) a+c b d = a·d+c·b b·d b, d 6= 0 (4) 1 = b a a, b 6= 0 a b 18 Begründung Die Regeln ergeben sich automatisch, wenn wir Brüche ab in der Form ab−1 schreiben und die uns bekannten Regeln für Addition, Multiplikation, Distributivität verwenden: Zu (1): ab · dc =ab−1cd−1 = (ac)(b−1d−1) = (ac)(bd)−1 = a·c b·d . Zu (2): ab = ab−1 = ab−1(dd−1) = (ad)(bd)−1 = a·d b·d . bc = Zu (3): ab + dc = ad + bd bd Distr. =(ad)(bd)−1 +(bc)(bd)−1 = (ad+bc)(bd)−1 = ad+bc bd . Zu (4): Hatten wir schon! 19 Erfolgstest: Mathematische Mustererkennung (a) Berechne (a + b) · (c + d) . (b) Berechne (a + b)2 . (c) Berechne (a + b) · (a − b) . (d) Wann ist a c = ? b d b, d 6= 0 (e) Ermittle a b c d b, c, d 6= 0 . 20 Erfolgstest: Mathematische Mustererkennung (a) Berechne (a + b) · (c + d) : Distributivgesetz 2-mal. (b) Berechne (a + b)2 . Spezialfall von (a). (c) Berechne (a + b) · (a − b) . Spezialfall von (a). (d) Wann ist ab = dc ? Genau wenn d · a = b · c. (Erweitere mit b · d.) (e) Ermittle a b c d ? Schreibe als Produkt eines Bruchs und eines inversen Bruchs. 21 Axiome der Anordnung Reelle Zahlen kann man nicht nur addieren und multiplizieren, zwischen ihnen ist auch der Größenvergleich, eine Anordnung, erklärt. In R sind gewisse Elemente als positiv gekennzeichnet (Schreibweise: x > 0 ), so dass gilt: (P1) Für jedes x ∈ R gilt genau eine der Beziehungen x > 0, x = 0, −x > 0 . (P2) Sind x, y > 0 , so folgt x + y > 0 . (P3) Sind x, y > 0 , so folgt x · y > 0 . 22 Verabredungen, Schreibweisen Wir schreiben: a>b ⇐⇒ a−b>0 a≥b ⇐⇒ a > b oder a = b. Ferner: a<b definiert als b>a a≤b definiert als b≥a 23 Eigenschaften (1) Reflexivität: x ≤ x gilt für alle x ∈ R: x ≤ x bedeutet x < x oder x = x. (2) Transitivität: x < y und y < z =⇒ x < z : Wir haben y − x > 0 und z − y > 0, wegen (P2) daher auch (z − y) + (y − x) > 0, somit z − x > 0 und folglich x < z. (2’) Variante: x ≤ y und y ≤ z =⇒ x ≤ z (3) Antisymmetrie: Aus x ≤ y und y ≤ x folgt x = y : Annahme x 6= y. Dann ist x < y und y < x, folglich x < x und daher 0 = x − x > 0 im Widerspruch zu (P1). (4) Vollständigkeit: Für x, y ∈ R gilt x ≤ y oder y ≤ x . 24 Ordnung und Addition Ungleichungen lassen sich addieren: x < y und x0 < y 0 =⇒ x + x0 < y + y 0 Es ist nämlich y − x > 0 und y 0 − x0 > 0, wegen (P2) dann auch (y − x) + (y 0 − x0 ) > 0, somit (y + y 0 ) − (x + x0 ) > 0, was x + x0 < y + y 0 bedeutet. Variante: x ≤ y und x0 ≤ y 0 =⇒ x + x0 ≤ y + y 0 25 Ordnung und Multiplikation Hier ist Vorsicht angesagt! x < y und a>0 impliziert a · x < a · y Wir haben y − x > 0 und a > 0, daher wegen (P3) auch a(y − x) > 0, folglich ay − ax > 0, was a · x < a · y bedeutet. Variante: x ≤ y und a ≥ 0 impliziert ax ≤ ay . Aber: x < y und a<0 impliziert a · x > a · y . Es ist y − x > 0 und −a > 0, daher (P3) (y − x)(−a) > 0. Es folgt ax − ay > 0 und folglich ax > ay. 26 Weitere Ordnungsbeziehungen Variante: x ≤ y und a ≤ 0 =⇒ a · x ≥ a · y Quadrate “positiv”: Für jede reelle Zahl x gilt x2 ≥ 0 . Die Fälle x < 0, x = 0 und x > 0 sind zu unterscheiden. In jedem Fall folgt die Behauptung aus früheren Aussagen. Folgerungen: (a) Es ist 1 > 0. (b) Es gibt keine reelle Zahl x mit x2 = −1. 27 Übergang zum Inversen (1) x > 0 impliziert 1 >0. x Annahme 1x < 0: Multiplikation mit x > 0 liefert 1 = x · 1x < x · 0 = 0 , Widerspruch! (2) x < 0 impliziert 1 <0. x Es ist −x > 0, wende nun (1) an. (3) 0 < x < y impliziert 1 1 < . y x Multipliziere x < y mit Faktor 1 xy > 0. 28