Innovative Radiotherapie (iRT) Neue Entwicklungen in der onkologischen Strahlentherapie Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs Klinik und Poliklinik für Radio-Onkologie und Strahlentherapie, Technische Universität München (TUM), Klinikum rechts der Isar, Ismaninger Straße 22, D-81675 München Institut für Innovative Radiotherapie (iRT), Helmholtz Zentrum München, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Oberschleißheim [email protected], www.radonc.med.tum.de/ Zusammenfassung Die moderne Radio-Onkologie verfügt über eine Vielzahl von Techniken und individualisierten Konzepten, die eine hochspezialisierte Behandlung ermöglichen. Ihre sichere Anwendung setzt allerdings eine ausgeprägte Expertise und Erfahrung voraus. Hierzu gehören kontinuierliche Weiterentwicklung, Schulung und Spezialisierung sowie Therapiestudien. Im interdisziplinären und universitären Umfeld können im Rahmen von Studien zu innovativer Radiotherapie (iRT) und auch Qualitätssicherung neue Konzepte umgesetzt und in der klinischen Routine etabliert werden. Die Strahlentherapie des 21. Jahrhunderts ist geprägt von Individualisierung und Innovation: Personalisierte Behandlungen ermöglichen heute eine maßgeschneiderte Therapie, die lokal sehr hohe Bestrahlungsdosen applizieren und gleichzeitig umliegendes Normalgewebe schonen kann. Dies hat zu einer signi kanten Reduktion therapiebedingter Nebenwirkungen geführt und damit eine hoch effektive und nebenwirkungsarme Behandlung möglich gemacht. In der Behandlung bösartiger Tumoren ist die moderne RadioOnkologie damit eine der zentralen Säulen neben Chirurgie und medikamentöser Onkologie. ebenso effektiv kontrollieren wie mit einem chirurgischen Eingriff. Eine besondere Situation stellt die sogenannte Oligometastasierung dar: Wir wissen heute, dass manche Tumoren sich nur an wenigen (oligo) Stellen im Körper absiedeln; in einer solchen Situation kann die Stereotaxie als nebenwirkungsarme Alternative zu einer systemischen Therapie, wie beispielsweise einer Chemotherapie, angeboten werden. Obgleich es sich um eine metastasierte Erkrankung handelt, stellt die Strahlentherapie bei Oligometastasierung ein potenziell kuratives Konzept dar. Hocheffektive Stereotaxie Fraktionierte, intensitätsmodulierte und intraoperative Strahlentherapie Die technischen Entwicklungen ermöglichen einen steilen Dosisabfall zum gesunden Gewebe: Hierdurch kann beispielsweise mit der Stereotaktischen Strahlentherapie (Stereotaxie) auch in einer einmaligen Sitzung eine lokal ablative Dosis verabreicht werden (Radiochirurgie). Diese Methode hat sich beispielsweise bei der Therapie von Hirnmetastasen erfolgreich etabliert: Nicht immer muss der ganze Kopf bestrahlt werden; bei Vorliegen von 1–3 (4) Metastasen lässt sich stattdessen eine Radiochirurgie genauso wirkungsvoll durchführen, wodurch sich gerade neurokognitive Veränderungen vermeiden oder die Zeit bis zu einer notwendigen Systemtherapie verlängern lassen. Aber auch außerhalb der Kopfes ist die Stereotaxie hocheffektiv: Bei Leber- und Lungenmetastasen sollte immer die Möglichkeit einer solchen nicht-invasiven Therapie evaluiert werden, deren Ergebnisse vergleichbar mit denen einer chirurgischen Resektion sein können. So lassen sich mit einer Hochpräzisions-Strahlentherapie kleine Lungentumoren Neue Entwicklungen in der onkologischen Strahlentherapie In manchen Fällen ist eine Fraktionierte Strahlentherapie empfehlenswert: Die Fraktionierung ist mit einem strahlenbiologischen Vorteil assoziiert: Das gesunde Gewebe kann sich zwischen den einzelnen Behandlungstagen erholen (Fraktionierungseffekt). Dies hat insbesondere dann Vorteile, wenn sehr emp ndliches Normalgewebe direkt am oder gar im Bestrahlungsfeld liegt, wie zum Beispiel im Bereich des Gehirns und der Schädelbasis, im Darmbereich oder auch am Rückenmark. Wegen der Aufteilung auf kleinere Behandlungsdosen erstrecken sich manche strahlentherapeutische Therapien über mehrere Wochen. In Bezug auf die Behandlungszeit hat sich aber in jüngster Zeit auch gezeigt, dass individuelle und auf den Patienten angepasste Konzepte vorteilhaft sind: Für die Bestrahlung von Brustkrebs konnte beispielsweise gezeigt werden, dass in bestimmten Situationen vor allem bei älteren Patientinnen auch eine zeitlich verkürzte, sprich in weniger Frak- 3 tionen unterteilte, also hypofraktionierte Strahlentherapie durchgeführt werden kann. Daher ist in jeder Situation ein personalisiertes und persönliches Beratungsgespräch durch einen erfahrenen Strahlentherapeuten unerlässlich. Komplexe Behandlungsvolumina sowie die enge räumliche Nähe zu gesundem Normalgewebe lassen sich ideal mit einer Intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) bewältigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die verwendeten modernen Geräte zur Bestrahlung und zur Bildgebung gleichermaßen geeignet sind. Nur so ist gewährleistet, dass der Patient beziehungsweise die Patientin immer an derselben Stelle liegt, und dass, wenn – wie bei anatomischen Veränderungen – notwendig, die Bestrahlung lokal angepasst werden muss. Diese bildgeführte Therapie (Image Guided Radiotherapy, IGRT) ist aufwendig und setzt spezielle Kenntnisse voraus, konnte in den letzten Jahren die Therapieergebnisse aber signi kant verbessern. Wichtig ist, dass je nach Erkrankung eine Bildkontrolle mit CT oder MRT durchgeführt wird, um eine optimale Therapieanpassung zu ermöglichen. In speziellen Situationen kommt der Strahlentherapeut auch direkt in den Operationssaal, um während eines chirurgischen Eingriffs eine Strahlentherapie durchzuführen (Intraoperative Strahlentherapie). Dies kann Vorteile haben, da der Chirurg direkt zeigen kann, wo beispielsweise Tumorzellen verblieben sind und an welcher Stelle das höchste Risiko besteht, dass der Tumor wiederkommen könnte. Darüber hinaus hat diese Technik auch den Vorteil, dass die Strahlen direkt, also ohne umgebendes Körpergewebe durchdringen zu müssen, an die zu bestrahlende Stelle gelangen. Diese Technik ist allerdings nur in speziellen Situationen vorteilhaft, beispielsweise bei bestimmten Mammakarzinomen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Wohle des Patienten Nicht nur die hochmoderne technische Ausstattung ist von großer Bedeutung, sondern auch die Quali kation des Strah­ lentherapeuten. Regelmäßige Schulungen, insbesondere in der interdisziplinären Zusammenarbeit, verbessern die Kooperation nicht nur mit Vertretern chirurgischer Fächer, sondern beispielsweise auch mit Fachkollegen aus der Bildgebung. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Kooperation 4 Abbildung 1: Patient mit Anstieg des PSA-Wertes auf 1,16 ng/ml im Verlauf. Im PSMA-PET zeigt sich eine einzelne Läsion im Knochen (oberes Bild), die mit einer Hochpräzisions-Strahlentherapie (unteres Bild) behandelt wurde. Durch diese Maßnahme el der PSA-Wert ohne zusätzliche Hormontherapie auf <0,01 ng/ml ab. ist die Hinzunahme des 68-Ga-PSMA-PETs zur personalisierten Strahlentherapie bei Patienten mit Prostatakarzinom: Die spezialisierte Diagnostik erlaubt die Detektion auch früher Lymphknotenmetastasen, die sich dann mit einer lokal gesteigerten Bestrahlungsdosis vernichten lassen. Ein ansteigender PSA-Wert kann auch Anlass für ein PSMA-PET sein, in dem sich dann oft ein begrenzter, lokaler Befall zeigt. Eine lokal-ablative Therapie, wie die Hochpräzisions­Strahlentherapie, kann in solchen Fällen für die ef ziente Behandlung ausreichend sein. Auf eine Hormonoder andere Systemtherapie und ihre oft unangenehmen Nebenwirkungen kann dann in der Regel verzichtet werden (Abb. 1). Neue Entwicklungen in der onkologischen Strahlentherapie