Erik Satie: Sports et divertissements Baden im Meer

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Baden im Meer
1. H
ört die Musik und
sucht im Notentext
nach Beziehungen
zwischen Notentext,
Bild und Text. I, 7
2. Ein Klang- und Notationsexperiment:
Versucht, ausgehend
von Saties Idee, Wellenbewegungen so in
Noten zu schreiben,
dass sie auch grafisch
als solche erkennbar
sind.
3. Informiert euch über
Saties Zusammenarbeit mit Pablo Picasso.
Zum Vergnügen
„Diese Veröffentlichung besteht aus zwei künstlerischen Elementen: Zeichnung, Musik. Der
zeichnerische Teil besteht aus Strichen – Geistesblitzen; der musikalische Teil wird durch
Punkte – schwarze Punkte – dargestellt. Diese
beiden Teile zusammen – in einem Band – bilden ein Ganzes: ein Album. Ich empfehle, diesen Band mit freundlicher und vergnügter Hand
zu durchblättern, da es sich um ein Werk der
Fantasie handelt. Man sollte nichts anderes
darin sehen.“
Erik Satie, 1922
So beginnt Erik Satie (1866–1925) sein Vorwort zu dem Band Sports et divertissements,
einem einzigartigen Multimediaprojekt, das
der Pariser Verleger Lucien Vogel als exklusives Luxusprodukt, als erlesenes Magazin
herausgibt.
Führt man den Titel auf die etymologischen
Wurzeln zurück (engl. to disport: „sich vergnügen“) und setzt diese Bedeutung in Beziehung zu den einzelnen Werktiteln (z. B. Das
Golfspiel, Der Yachtsport, Das Baden im Meer),
so zeigt sich, dass Satie keine sportlich agonalen Wettkämpfe beschreiben, sondern vor allem das gesellschaftliche, unterhaltende und
auch frivole Element unterschiedlicher Freizeitbetätigungen musikalisch betonen wollte.
Erik Satie: Sports et divertissements
Die Entstehungsgeschichte des Klavierzyklus
Sports et divertissements ist nicht eindeutig zu
klären. Für 20 kleine Bilder des Buchillustrators Charles Martin sollte ursprünglich Igor
Strawinsky die Musik komponieren. Doch dieser lehnt wegen des zu niedrigen Honorarangebots des Verlags ab und so übernahm Erik
Satie den Auftrag. Tatsächlich existieren zu
jedem der Stücke Saties zwei Bilder Martins,
ein frühes von 1914 und ein späteres wohl
aus dem Jahre 1922. Offensichtlich diente die
frühe Bildfassung Martins als Vorlage zur
Komposition, während die späte Bildfassung
von 1922 wiederum eine bildnerische Reaktion auf die Komposition Saties hervorrief.
Ein eindeutiger Beziehungsnachweis kann
aber nicht mehr erbracht werden. Interessant
ist allemal die Kettenreaktion an künstlerischen Antworten, die diese Werke untereinander auslösten.
Die Tiefe des Meeresgrundes ist musikalisch mit vier Hilfslinien nachgezeichnet (bei
„le fond“). Und auch die Wellenbewegung
des Wassers wird in Dreiklangsterzen erlebbar. Sogar die typische Körperform mit den
nach vorne gerichteten Armen beim Sprung
ins Wasser findet sich im Notenbild der linken Hand nachgezeichnet. Viele weitere visuelle Entsprechungen lassen sich bei genauer Betrachtung im Notentext erkennen.
Auch dynamische Bezeichnungen wie die Crescendo-Zeichen, Phrasierungsbögen oder die
textlichen Anmerkungen erweitern in vielfältiger Weise die Möglichkeiten der Bildaussage.
Mit dem kurzen, amüsanten Text, den Satie
zusätzlich in das Notenbild einblendet, formt
er in vieldeutiger Absicht aus der Gleichzeitigkeit von Zeichnung, Musik und Dichtung ein
multimediales Gesamtkunstwerk.
Das Baden im Meer
„Das Meer ist groß, Madame. Auf jeden Fall ist
es ziemlich tief. Setzen Sie sich nicht auf den
Grund. Da ist es sehr feucht. Hier kommen die
guten alten Wellen. Sie sind ganz voll Wasser.
Sie sind ja ganz nass! Ja, Monsieur“.
unterscheidet und darüber hinaus die Rolle
des Zuhörers neu definiert. Deshalb ist es
problematisch, wenn nicht gar „unsinnig“, Saties Werke im Rahmen eines konventionellen
Klavierabends zu musizieren. Schließlich entwickelte Satie sein musikalisches Werk aus
der inneren Abwendung von konventionellen
bürgerlichen Hörgewohnheiten. In seiner Vorrede bezeichnet er Sports et divertissements
als „Werk der Fantasie“, das als autonomes
Kunstwerk naturgemäß dem bürgerlichen
Unverständnis ausgesetzt wäre.
„Für die ‚Gekrümmten‘ und ‚Verdummten‘ habe
ich einen ernsten, anständigen Choral geschrieben. Dieser Choral ist eine Art bissige Vorrede,
eine Art strenge und züchtige Einleitung. Da
habe ich alles hineingepackt, was ich über den
Verdruss weiß. Dieser Choral sei jenen gewidmet, die mich nicht mögen.“
Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Saties
musikalische Miniaturen sowohl inhaltliche
als auch formale Elemente der Zeichnungen
Martins aufnehmen.
Die Grafik des Notenbildes kopiert Satie häufig von der Struktur der Bildvorlage: Dem
Sprungbrett der Schwimmerin hier entspricht
der großformatige Phrasierungsbogen dort.
Erik Satie, 1922
Letztendlich ist mit der mehrdimensionalen
Aufführungspraxis von Sports et divertissements eine völlig neue Art des Musizierens
gefordert, die sich von der bürgerlichen Konzertkultur des 19. Jahrhunderts grundlegend
Erik Satie, 1922
Erik Satie gehört zweifellos zu den umstrittensten Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Seine Aversion gegen bürgerliche Konventionen, seine Visionen von einer neuen
französischen Musik, seine interdisziplinäre
Kunstauffassung und seine multimedialen
Inszenierungen machten ihn zu einem der
einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, auf den sich John Cage und die
amerikanischen Minimalisten immer wieder
berufen haben.
Die Doppelseite
Le Bain de mer aus
Sports et divertissements
von Erik Satie, Musik
von Erik Satie, Zeichnung
von Charles Martin
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