AUSGABE 04 | 2014 Medizin mit Herz Herzgewinnend Herzergreifend Herzerfrischend Zusammen wissen Ärzte einfach mehr Die spannende Welt der Herzchirurgie Worauf es Kardiologen wirklich ankommt « Von der Socke bis zur Locke. Das nenne ich echte Herz- und Gefäßmedizin. » Blaubuch. Von ganzem Herzen EDITORIAL Es gibt nur wenige Wörter, die so kreativ und vielfältig für Redewendungen und Sprichwörter verwendet werden. Auf Herz und Nieren wird man geprüft, so manches Mal rutscht einem das Herz in die Hose, sein Herz kann man verlieren oder jemandem schenken, es im Sturm erobern oder aus ihm keine Mördergrube machen, am Ende fasst man sich ein Herz oder macht seinem Herzen Luft. Medizinisch gesehen ist es jedoch nur « ein Organ, das den Blutkreislauf durch regelmäßige Zusammenziehung und Dehnung antreibt und in Gang hält ». Ein gesundes, kräftiges Herz hätte jeder gerne, oft aber ist es angegriffen und schwach. Dann stockt einem das Herz vor Schreck. Er oder sie hat es am Herzen! Dieses Blaubuch hat sich ganz dem Herzen verschrieben. Wie es pocht, klopft, hämmert, flattert, unregelmäßig schlägt, bis hin zum Ernstfall, wo es versagt. Dann treten die Kardiologen und Herzchirurgen in Aktion. Mit Katheter, Stents und Ballonen treffen sie im wahrsten Sinne des Wortes mitten ins Herz und befreien es von lebensgefährlichen Verengungen und Verschlüssen. In ihrem Beruf zählen Geschwindigkeit, Genauigkeit und Entscheidungsfreude genauso wie Verantwortung und Vertrauen. Alle Ärzte in diesem Blaubuch fühlen sich dieser Verantwortung gewachsen, sie nehmen das Herz in beide Hände und sind mit ganzem Herzen dabei. Das Blaubuch mit Herz! Begleiten Sie uns dieses Mal auf eine Reise mitten ins Herz, lernen Sie die modernen Operationen und Therapien kennen und erfahren Sie von den besten Chefärzten, was ihnen auf dem Herzen liegt. Die Kardiologie und Herzchirurgie machten derzeit wie- E D I T O R I A L B L A U B U C H 03 « Ein Blaubuch über Herz und Gefäße. Wie es pocht, klopft, hämmert, flattert, unregelmäßig schlägt, bis hin zum Ernstfall, wo es versagt. » der rasante Fortschritte. Um in dieser Wissenswelt mithalten zu können, haben die Sana Kardiologen und Herzchirurgen ein Netzwerk gebildet, um voneinander und miteinander lernen zu können. Kooperieren ist überhaupt das große Schlagwort in der Königsdisziplin der Medizin. Denn das Wissen um das Herz ist mittlerweile so komplex, dass die einzelnen Spezialisten auf das Wissen ihrer Kollegen angewiesen sind. Sie haben das Herz, vom anderen zu lernen und ihren Horizont zu erweitern. Das kommt am Ende jedem Patienten zugute, der die beste aller Medizinen für sich in Anspruch nehmen will. Dieses Blaubuch ist eine Herzensangelegenheit. Es klärt auf, vermittelt und redet vom Herzen. Es ist persönlich, medizinisch und voller interessanter Geschichten. Es würde uns freuen, wenn manchem Leser bei der Lektüre das Herz höherschlägt oder wir gar die Herzen im Sturm erobern können. Auf jeden Fall freuen wir uns über Ihr Feedback, denn Sie wissen ja: Sie liegen uns wirklich am Herzen! W I R W Ü N S C H E N V I E L S PA S S M I T UNSEREM VIERTEN BLICK IN DIE ZUKUNFT D E R G E S U N D H E I T. HERZLICHST IHR DR. MICHAEL PHILIPPI 04 B L A U B U C H I N H A LT Ärzte, die zu Herzen gehen Menschen und Themen 04 | 2014 OSTHOLSTEIN THOMAS HOFMANN H E R Z I N FA R K T N O T FA L L FRANZ HARTMANN S TA N D A R D O P E R AT I N G PROCEDURES PETER KRAEMER CARDIOMED NORD LÜBECK PINNEBERG JOACHIM WEIL R E N A L E D E N E R VAT I O N VOLKER HIPPLER WOHNORTNAHE VERSORGUNG WISMAR C H R I S T O P H A LT M A N N HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN HENRIK SCHNEIDER VORHOFSEPTUMDEFEKT DUISBURG HAMELN LICHTENBERG HUBERT TOPP K AT H E T E R A B L AT I O N THORSTEN DILL CARDIALE RESYNCHRONISIERUNG OLAF GÖING FA C H G R U P P E H E R Z M E D I Z I N REMSCHEID DIRK FRITZSCHE MITRALKLAPPENREKONSTRUKTION DÜSSELDORF UWE WIEGAND RHYTHMUSSPRECHSTUNDE COTTBUS A X E L H A R N AT H AORTENKLAPPENSTENOSE DOROTHEA DREIZEHNTER HERZNETZ NRW KRISTIN ROCHOR MITRACLIPPING JÜRGEN KRÜLLS-MÜNCH AORTENKLAPPENSTENOSE NICOLAS DOLL TAV I STUTTGART WOLFGANG HEMMER N AT Ü R L I C H E R K L A P P E N E R S AT Z RUTH STRASSER HERZINSUFFIZIENZ DRESDEN CHRISTOPHER PIORKOWSKI EKG-CHIP K L A U S M AT S C H K E KUNSTHERZUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM I N H A L T B L A U B U C H 05 Inhalt EDITORIAL VON GANZEM HERZEN SEITE 03 H E R Z M Y T H O L O G I E . D E R M U S K E L , D E R D I E W E LT B E W E G T S E I T E 5 8 06 KOOPERIEREN 08 Reise ins Herz Vom antiken Herz-Tabu über die erste Blutdruckmessung im Jahr 1733 bis zur heutigen interventionellen Kardiologie: Eine kleine Geschichte der Herzmedizin. 12 KONZENTRIEREN IMPRESSUM SEITE 59 44 KOMMUNIZIEREN 4 6 Frank Schwertfeger hatte als Rettungsarzt einen Unfall. Die Karriere als Allgemeinarzt war zu Ende, heute ist er Chefkardiologe im Spreewald. 4 7 Hartmut Hanke hat die letzten 25 Jahre Kardiologie nicht nur begleitet, sondern auch wissenschaftlich geprägt. Und zwar von A bis Z. 4 8 Jan Torzewski will die kardiologische Versorgungs- 14 Klappe, die erste Die Ross-Operation wird in Deutschland in nur wenigen Kliniken angeboten. Zum Beispiel in Stuttgart. 18 Klappe, die zweite Alte Menschen leiden oft an einer Verkalkung der Herzklappe. TAVI ist eine neue Operationstechnik. 21 Klappe, die dritte Wenn die Mitralklappe nicht mehr richtig schließt, kommt es zu einem gefährlichen Blutstau. In Cottbus löst man das Problem via Schlüsselloch. 24 Direkter Kontakt zum Herzen Patienten mit Herzschwäche brauchen enge Betreuung. In Dresden geht man neue Wege. 30 Versorgung im Netzwerk Sana betreibt gezielt herzmedizinische Netzwerke zur besseren Versorgung. 32 Herzmedizin für alle Lebenslagen Bluthochdruck ist weitverbreitet in Deutschland. In Lübeck kommt ein neues Verfahren zum Einsatz: die renale Denervation. 38 Herzen unter Strom Herzrhythmusstörungen sind heute heilbar. Mit der Katheterablation setzt man dafür gezielt Herzgewebe außer Kraft. qualität im Allgäu entscheidend voranbringen und verbessern. 4 9 Nour Eddine El Mokhtari forscht über den Einfluss der Gene auf den Herzinfarkt. Er erhofft sich große Fortschritte auf diesem Gebiet. 5 0 Für Burkhard Sievers steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit in und außerhalb der Klinik ganz oben. 5 1 Oliver Hader kümmert sich besonders um die peripheren, kleinen Gefäße. Und sorgt sich um die Medizin und Ethik der Zukunft. 5 2 Für Rainer Jaax und Kollegen steht Kooperation weit oben. Auf diese Weise hat ein kleines Krankenhaus den Wirkungskreis vergrößert. 5 3 Anil-Martin Sinha ist ein vielseitiger Kardiologe. Der zweifache Doktor — in Medizin und Philosophie — ist ein Pionier bei Herzrhythmusstörungen. 5 4 Thomas Brummer ist ein Meister der unbüro- kratischen Lösungen. Mit dem Kardiophone sind Hausärzte direkt mit ihm verbunden. 5 5 Peer-Ekkehart Waurick ist ein Vorreiter der Herz-CT-Technologie. So hat er die Effizienz der Herzkatheterintervention gesteigert. 5 6 Olaf Altmann garantiert in der Lausitz eine hochrangige medizinische Versorgung. Trotz Bevölkerungsrückgang. 5 7 Bernd Hardmann hat die Entwicklung des Herz- ultraschalls von Anfang an miterlebt. Er hat sich stürmisch entwickelt. take care … you're in my heart KOOPERIEREN Die Geschichte der Herzmedizin ist geprägt von Pionierleistungen Einzelner. Die Herzspezialisten der Sana Kliniken gehen heute andere Wege: Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. 08 KOOPERIEREN REISE INS HERZ REISE INS HERZ Der wichtigste Muskel Eine kleine Geschichte der Herzmedizin. fig.: Herzerkrankungen steigen mit dem Alter. Die Fortschritte in der Kardiologie sind jedoch bahnbrechend — von der Diagnose über die Operation bis zur Nachbehandlung. Das Herz ist ein faustgroßer Hohlmuskel. Pro Tag pumpt er 10.000 Liter Blut durch das Adernetz, fast vier Millionen Liter im Jahr. Im Brustkorb schlägt eine pausenlos laufende Hochleistungsmaschine, die schon in der frühen Embryonalentwicklung quasi wie von Geisterhand ihren Betrieb aufnimmt. Noch keinem Ingenieur ist es gelungen, diese geniale Pumpenkonstruktion identisch nachzubauen. Kein Wunder, dass die Menschheit das Herz seit jeher nicht als schlichten Muskelsack betrachtet, sondern als das geheimnisvollste und kostbarste Organ schlechthin. Das Herz war und ist in den meisten Kulturen das wichtigste Symbol. Alle Sprachen der Welt kennen zahllose Redensarten, die sich auf das Herz beziehen. Das Herz hüpft, stockt und bricht, wird schwer, blutet oder fliegt jemandem zu. Wir nehmen es in beide Hände, verlieren es oder erobern es im Sturm. Niemand käme auf die Idee, den Nieren, der Leber oder dem Gehirn ähnliche Symbolkraft einzuhauchen. Der besondere Stellenwert des Herzens spiegelt sich auch in dem Ritual der separaten Herzbestattung wider. Ob Richard Löwenherz, Napoleon oder Kaiserin Maria-Theresia, die Herzen von hohen Persönlichkeiten fanden ihre letzte Ruhe oft weit getrennt von ihren Körpern — beigesetzt in kostbaren Gefäßen an einem würdigen Platz. Dieser Herzkult hat den medizinischen Fortschritt eher gebremst als vorangebracht. Jahrtausendelang war das Herz für den ärztlichen Zugriff tabu, eine Art Schweigegelübde lag über diesem Organ. Von der Antike bis zur Renaissance bestritten Gelehrte kategorisch, dass das menschliche Herz anfällig für Schädigungen sein könnte. « Es ist das einzige aller inneren Organe, das nicht von Krankheit betroffen werden kann », pos­ tuliert Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert nach Christus. Selbst in der um 1760 erschienenen berühmten französischen Encyclopédie heißt es: « Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Krankheiten des Herzens ziemlich selten sind. » Todesursache Nummer eins Eine derartige Ignoranz ist in unserer modernen Gesellschaft nicht mehr vorstellbar. In kaum mehr als einem Jahrhundert hat die Erforschung des Herzens und seiner Krankheiten ebenso rasante Fortschritte gemacht wie die Herzmedizin. Seit Jahren ist die Zahl der Krankenhausfälle infolge von Herzkrankheiten rückgängig, auch die Sterblichkeit von herzkranken Patienten ist seit 1970 um 25 Prozent gesunken. Dennoch gehören Herzprobleme in allen hoch entwickelten Gesellschaften zu den häufigsten Krankheiten. Und trotz der Erfolgsgeschichte der Herzmedizin sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen hierzulande mit 40 Prozent aller Sterbefälle immer noch die häufigste Todesursache. Nicht zuletzt ist das der Preis dafür, dass die Gesellschaft immer älter wird. Aber auch Übergewicht und Bewegungsmangel in sehr jungen Jahren schaffen die Voraussetzung für spätere Herzkrankheiten. Das Herz ist eben nicht nur der wichtigste Muskel, sondern ein recht anfälliges Organ. R E I S E I N S H E R Z K O O P E R I E R E N 09 Meilensteine der Herzmedizin Diese Erkenntnis blieb der Medizin durch das Autopsie­verbot der Kirche über Jahrhunderte verborgen. Erst im 16. Jahrhundert begann sich der Schleier zaghaft zu lüften. Nachdem der Begründer der Anatomie, der flämische Arzt Andreas Vesalius, 1543 die erste systematische Darstellung des menschlichen Innenlebens veröffentlicht hatte, ließen die Spekulationen über die Funktion des Herzens allmählich nach. Den ersten Meilenstein auf dem Weg zu einer wissenschaftlich begründeten Herzmedizin setzte William Harvey. 1628 beschrieb der englische Arzt erstmals den menschlichen Blutkreislauf und versetzte damit die Fachwelt in helle Aufregung. Er erkannte, dass das Blut, angetrieben vom Herzen, in einem geschlossenen Gefäßsystem zirkuliert. Zu Lebzeiten erntete er für seine bahnbrechende Theorie nur den Spottnamen « Circulator ». Erst nach seinem Tod setzte sich die Betrachtung des Herzens als Motor des Blutkreislaufs langsam durch. Der Wissensgewinn rund um die Herzmedizin blieb jedoch weiterhin bescheiden. 1733 gelang dem Briten Steven Hales die erste Blutdruckmessung — ein brachiales Unterfangen, bei dem er eine Kanüle in die Halsschlagader eines Pferdes einführte und den Blutdruck mit einem Glaszylinder ermittelte. Erst mehr als 150 Jahre später, 1896, erfand der italienische Arzt Scipione Riva-Rocci die unblutige Blutdruckmessung mit einer Armmanschette. Nach ihm wird der gemessene Blutdruck in der Praxis bis heute RR genannt. Auch ein anderes immer noch aktuelles herzmedizinisches Diagnosegerät feierte gegen Ende des 19. Jahrhunderts Premiere: das Stethoskop mit zwei flexiblen Schläuchen. Sein Vorgängermodell, ein simpler hölzerner Zylinder zum Abhören der Herz- und Lungengeräusche, hatte der französische Arzt René Laënnec schon 1816 konstruiert. Die schlichte, aber wirksame Methode der Auskultation hat sich bis heute bewährt. Mithilfe des Stethoskops und des geschulten Ohrs des Arztes lassen sich Defekte der Herzklappen oder der Herzscheidewand ebenso deuten wie Entzündungen des Herzbeutels oder Gefäßverengungen. fig.: Herzkatheter, kombiniert mit modernen bildgebenden Verfahren, sind eine schonende Alternative für die Operation am offenen Herzen. « Mit der mutigen Tat eines Frankfurter Chirurgen schlug die Geburtsstunde der modernen Herzchirurgie. » Doch während die Medizin von heute über ein reich gefülltes Methodenarsenal zur Behandlung solcher Herzkrankheiten verfügt, standen die Ärzte des 19. Jahrhunderts quasi mit leeren Händen da. Selbst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts galten Eingriffe am Herzen als aussichtslos. « Ein Chirurg, der die Naht einer Herzwunde versuchen wollte, sollte den Respekt seiner Kollegen sicher verlieren », so urteilte damals der berühmte Wiener Hofrat Theodor Billroth. Der Erste, der mit diesem uralten medizinischen Dogma brach, war der Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn. 1896 wurde ein junger Gärtnerbursche mit einem Messerstich in die Brust in seine Klinik gebracht. Entgegen dem Rat seiner Kollegen öffnete Rehn den Brustkorb des Schwerverletzten und schloss die knapp zwei Zentimeter lange Stichwunde — mit der ersten Herznaht, die jemals ein Chirurg des Abendlands gewagt hatte. Zur Verwunderung der Fachwelt erholte sich der fast ausgeblutete Patient rasch. Mit der mutigen Tat des Frankfurter Chirurgen schlug die Geburtsstunde der modernen Herzchirurgie. Doch ihre 10 KOOPERIEREN REISE INS HERZ « Die Herzmedizin hat sich enorm entwickelt. Umso wichtiger sind die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Ärzten . Bei Sana gibt es dazu die Fachgruppe Herzmedizin . Hier agieren wir in Netzwerkstrukturen über Klinikgrenzen hinweg. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen und Methoden aus und legen Verfahrensweisen fest. Durch diese Vernetzung optimieren wir unsere Arbeit und schaffen die bestmögliche Versorgung für unsere Patienten. » Dr. Olaf Göing ist seit Mai 2000 Chefarzt der Klinik für Innere Medizin II mit Schwerpunkt Kardiologie des Sana Klinikums in BerlinLichtenberg und zudem seit 2013 Sprecher der Sana Fachgruppe Herzmedizin. größten Triumphe sollte die Herzmedizin erst ab den 1950er-Jahren feiern. Die Gefahren, die dem Herzen durch einen ungesunden Lebensstil drohen, sind heute hinlänglich bekannt: Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, zu viel Alkohol und Stress. Die moderne Herzmedizin ist auch deshalb so erfolgreich, weil die Kenntnis der Risikofaktoren für Herzkrankheiten oft hilft, sie zu lindern oder zu vermeiden. Dieses Wissen lag nach dem Zweiten Weltkrieg noch im Dämmerschlaf. Die Gesellschaft genoss das Wirtschaftswunder und qualmte, schlemmte und schluckte nach Herzenslust. Für ihre Herzgesundheit aber war das überhaupt nicht lustig. Allein von 1952 bis 1958 verdoppelte sich die Zahl der Todesfälle durch Herzinfarkt. Parallel zu der hochschnellenden Herztodrate arbeitete die Herzmedizin fieberhaft an neuen Methoden und Verfahren zur Therapie von Herzkrankheiten. Anfang der 1950er-Jahre setzte sich die Herzkatheteruntersuchung endgültig durch, die der deutsche Arzt Werner Forßmann bereits 1929 erfunden hatte. 1952 meldete Denis G. Melrose die erste Herz-Lungen-Maschine zum Patent an. 1958 implantierte der schwedische Herzchirurg Åke Senning den ersten Herzschrittmacher. Der noch junge Patient, der an einer lebensbedrohlichen Herzblockade litt, starb erst im Alter von 86 Jahren. 1961 implantierten die beiden Amerikaner Albert fig.: Innovative Impulse: Wenn das Herz aus dem Takt gerät, helfen implantierbare Herzschrittmacher oder Defibrillatoren. R E I S E I N S H E R Z K O O P E R I E R E N 11 Starr und Lowell Edwards zum ersten Mal eine künstliche Herzklappe. Und 1967 erregte Christiaan Barnard mit seiner ersten Herztransplantation in Kapstadt weltweit Aufsehen. Zehn Jahre später gelang dem Kardiologen Andreas Grüntzig die erste Ballondilatation zur Aufdehnung verengter Herzkranzgefäße, und er entfesselte den Siegeszug der interventionellen Kardiologie. 1990 erhielt ein Kind am Deutschen Herzzentrum in Berlin das erste Kunstherz zur Überbrückung der Wartezeit auf ein Spenderherz. Mit der ersten minimalinvasiven Bypassoperation begann vier Jahre später die Ära der « Schlüsselloch-Chirurgie ». High Tech und High Touch Die Reise durchs Herz führt Forscher inzwischen bis in die molekularen Strukturen der Herzmuskelzellen und bis in das menschliche Genom. Und dank der Fortschritte in der Herzmedizin ist diese Reise kaum noch ein hoch riskantes Abenteuer, sondern ein recht sicheres Unterfangen. Bei allen High-Tech-Errungenschaften der Kardiologie und der Herzchirurgie setzt die moderne Herzmedizin aber auch verstärkt auf « High Touch ». Das Herz gilt nicht länger nur als funktioneller Muskel, sondern als ein höchst empfindsames Organ, das in enger Beziehung mit der Gefühlswelt steht. Die junge Disziplin der Psychokardiologie widmet sich diesem komplexen Wechselspiel zwischen dem Herzen und der Seele. Und die psychosoziale Betreuung von Herzpatienten wird als immer wich- « Die Reise durchs Herz führt Forscher inzwischen bis in die molekularen Strukturen der Herzmuskelzellen und in das menschliche Genom. » tiger erachtet. Zu Recht, denn Sorgen, Ängste und Verunsicherungen sind bei Herzpatienten besonders groß, deshalb ist ihre fürsorgliche Begleitung ein oft noch unterschätzter Baustein des Behandlungskonzepts. Die Herzmedizin von morgen wird offenbar nicht nur als Gerätemedizin reüssieren, sondern auch als Medizin mit Herz. fig.: Mit wenig belastenden Verfahren lassen sich defekte Herzklappen dauerhaft ersetzen oder reparieren. Die Sana Fachgruppe Herzmedizin Dr. Christoph Altmann Duisburg Dr. Olaf Altmann Lausitzer Seenland Klinikum Dr. Thomas Brummer Biberach Prof. Dr. Thorsten Dill Düsseldorf - Benrath Prof. Dr. Nicolas Doll Stuttgart Prof. Dr. Nour Eddine El Mokhtari Imland GmbH Prof. Dr. Dirk Fritzsche Cottbus Dr. Olaf Göing Lichtenberg Dr. Oliver Hader Regio Klinikum Elmshorn Prof. Dr. Hartmut Hanke KOK Dr. Bernd Hardmann Cham Dr. Axel Harnath Cottbus PD Dr. Franz Hartmann Ostholstein Klinik Eutin PD Dr. Thomas Hofmann Regio Klinikum Pinneberg Dr. Rainer Jaax Hürth Prof. Dr. Harald Klepzig Offenbach Dr. Jürgen Krülls-Münch Cottbus Prof. Dr. Klaus Matschke Dresden PD Dr. Christopher Piorkowski Dresden PD Dr. Henrik Schneider Wismar Dipl.-Med. Frank Schwertfeger Dahme-Spreewald Prof. Dr. Burkhard Sievers Remscheid Prof. Dr. Dr. Anil-Martin Sinha Hof Univ.-Prof. Dr. Ruth Strasser Dresden Dr. Hubert Topp Hameln-Pyrmont Prof. Dr. Jan Torzewski Kempten Dr. PeerEkkehart Waurick Dahme-Spreewald Prof. Dr. Joachim Weil Lübeck Prof. Dr. Uwe Wiegand Remscheid It feels like … my heart is broken KONZENTRIEREN Herzmedizin ist nicht gleich Herzmedizin. Jede Krankheit hat fast ihre eigene Disziplin. Eines aber gilt für alle: Im entscheidenden Augenblick muss das Richtige entschieden werden. 14 KONZENTRIEREN WOLFGANG HEMMER / NICOLAS DOLL fig.: 100 Kilometer auf dem Rennrad — für Dirk Larsen kein Problem, seit sein Aortenklappendefekt von einem Stuttgarter Herzspezialisten « repariert » wurde. W O L F G A N G H E M M E R / N I C O L A S D O L L K O N Z E N T R I E R E N 15 BIOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR HERZKLAPPEN Klappe, die erste: Haute Couture fürs Herz Mit raffinierten Operationstechniken reparieren Stuttgarter Herzspezialisten defekte Aortenklappen ohne körperfremde Implantate. Eigentlich wusste Dirk Larsen seit seinem 18. Lebensjahr, dass sein Herz nicht ganz in Ordnung ist. Damals wurde ein leichter Aortenklappendefekt festgestellt — Ursache unbekannt. Doch der sportliche Unternehmer aus Hamburg fühlte sich jahrelang fit — bis er mit 46 Jahren plötzlich einen Augeninfarkt erlitt. Dieser akute Verschluss einer Augenarterie führt zur plötzlichen Sehverschlechterung, Ursache ist meistens eine Herz-KreislaufErkrankung. Bei Larsen diagnostizierten die Ärzte eine schwere Verkalkung der Aortenklappe, ein operativer Eingriff war unumgänglich. « Bei der Implantation einer künstlichen Herzklappe hätte ich lebenslang Blutgerinnungshemmer nehmen müssen, diese Abhängigkeit wollte ich auf keinen Fall », erzählt Larsen. Aber auch eine biologische Klappe aus tierischem Gewebe war für ihn keine gute Alternative, weil solche Implantate bei relativ jungen Menschen nur begrenzt haltbar sind. Herzklappentausch statt Klappenersatz Die rettende Lösung fand Larsen bei Prof. Dr. Wolfgang Hemmer, Leitender Arzt Spezielle Herzklappenchirurgie in der Sana Herzchirurgie Stuttgart. Er ist weltweit einer der wenigen langjährig erfahrenen Spezialisten für die Ross-Operation, die in Deutschland nur wenige Herzzentren anbieten. Bei diesem komplexen Eingriff, benannt nach seinem Erfinder Donald Ross, spendet sich der Patient den Ersatz für die defekte Aortenklappe quasi selbst. « Für sonst gesunde Patienten im jungen und mittleren Alter ist diese Operation der beste Weg », erklärt Hemmer. « Weil wir keinen Fremdkörper implantieren, brauchen sie keine Blutgerinnungs- « Für sonst gesunde Patienten im jungen und mittleren Alter ist die RossOperation der beste Weg. » Prof. Dr. Wolfgang Hemmer Leitender Arzt Spezielle Herzklappenchirurgie Sana Herzchirurgie Stuttgart mittel, und die transplantierte körpereigene Klappe funktioniert sehr zuverlässig und dauerhaft. » Im Prinzip geht es bei der Ross-Prozedur um einen Klappentausch: Der Herzchirurg entfernt die defekte Aortenklappe und ersetzt sie durch die anatomisch fast identische Pulmonalklappe des Patienten. An deren Stelle wird eine pulmonale Spenderklappe eingesetzt — ein sogenannter Homograft, der aus explantierten Herzen gewonnen wird. Der Clou des « Ventiltauschs »: Die anfälligere Spenderklappe leistet ihre Dienste im mechanisch weniger belastenden Niederdrucksystem des rechten Herzens und ist somit sehr haltbar. Die « geswitchte » eigene Lungenklappe wiederum hält dem hohen Blutdruck des linken Herzens problemlos stand und passt sich der 16 KONZENTRIEREN WOLFGANG HEMMER / NICOLAS DOLL « Eine sehr geübte Hand ist oberste Voraussetzung für das Gelingen dieses anspruchsvollen Eingriffs, denn wenn etwas schiefgehen würde, hätte der Patient gleich zwei Herzklappenprobleme. » Prof. Dr. Nicolas Doll Ärztlicher Direktor und Chefarzt Sana Herzchirurgie Stuttgart Arnies Ross-Kur Öffentlich sprach er nicht darüber, doch Arnold Schwarzenegger wusste von seinem angeborenen Herzfehler. Mit 50 Jahren riet ihm sein Arzt, die defekte Aortenklappe mit einer Ross-Operation zu kurieren. Schwarzenegger legte sich unters Messer — doch der Eingriff misslang. Seitdem schlägt sein Herz mit zwei körperfremden Klappenimplantaten. neuen Position sogar an, indem sie sich zunehmend verdickt. Herzklappen nachhaltig rekonstruieren Die Operation dauert etwa vier Stunden und fordert dem Chirurgen eine Vielzahl von diffizilen Schnitten und Nähten ab. « Eine sehr geübte Hand ist oberste Voraussetzung für das Gelingen dieses anspruchsvollen Eingriffs, denn wenn etwas schiefgehen würde, hätte der Patient gleich zwei Herzklappenprobleme », sagt Prof. Dr. Nicolas Doll, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Sana Herzchirurgie Stuttgart. Komplikationen sind bei den mittlerweile fast 700 Patienten, die in Stuttgart in 20 Jahren nach der Ross-Methode operiert wurden, nur sehr selten aufgetreten. « Wir kontrollieren alle Fälle nach und dokumentieren die Ergebnisse in einem unabhängigen Register. Es zeigt sich, dass unsere Patienten hinsichtlich der Lebensqualität und Lebenserwartung nicht von der gesunden Bevölkerung zu unterscheiden sind », so Hemmer. Übrigens setzen die Stuttgarter Herzchirurgen auch bei der Behandlung von Patienten mit einer reinen Insuffizienz der Aortenklappe bevorzugt auf den Erhalt der eigenen Herzklappe statt auf Klappenersatz. Diese Undichtigkeit kann zum Beispiel durch den mit Abstand häufigsten angeborenen Herzfehler entstehen, die bikuspide Aortenklappe, bei der statt drei nur zwei Klappentaschen ausgebildet werden. Rund zwei Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, doch oft tritt die Störung erst im Erwachsenenalter auf. Sofern es der Gewebezustand dann zulässt, werden die undichten Aortenklappen mit verschiedenen Operationsverfahren repariert und in ihrer Funktion wiederhergestellt. « Die Versorgung mit einer künstlichen oder biologischen Klappe wäre zwar unkomplizierter, doch für die meisten Patienten ist die Rekonstruktion der eigenen Klappe die nachhaltigere Lösung », meint Doll. Das sieht auch Dirk Larsen so. Zehn Tage nach der Ross-Operation und nach drei Wochen Reha konnte er wieder mit vollem Einsatz arbeiten. Wenige Wochen später stand er wieder auf dem Snowboard. Und heute geht Larsen auch nach 100 Kilometern auf dem Rad die Puste nicht mehr aus. Nur eine 25 Zentimeter lange Narbe erinnert ihn noch an den komplizierten Eingriff. « Ansonsten habe ich keinerlei Einschränkungen und fühle mich topfit. » W O L F G A N G H E M M E R / N I C O L A S D O L L K O N Z E N T R I E R E N 17 HERZKLAPPEN Schleusen, die das Leben regeln Herzklappen arbeiten wie Rücklaufventile und sorgen für den richtigen Blutfluss SCHEMA pe p lkla fig. links: Jede Herzhälfte hat eine Segelklappe und eine Taschenklappe. Die Segelklappen zwischen Vorhof und Kammer heißen links Mitralklappe und rechts Trikuspidalklappe. Die Taschenklappen liegen jeweils zwischen Kammer und Gefäß und heißen links Aortenklappe und rechts Pulmonalklappe. na lmo Pu ie rter nza ra rzk He ppe kla n orte A ppe lkla da spi u Trik ppe fig. oben: Das rechte Herz (blau) befördert sauerstoffarmes Blut aus dem Körper in die Lunge. Dort wird es mit Sauerstoff angereichert und strömt über das linke Herz (rot) und die Aorta in den Körper. kla ral Mit FÜLLUNGS- UND AUSWURFPHASE fig. 01: Diastole: Blut fließt durch geöffnete Segelklappen in die Kammern, die Taschenklappen sind geschlossen. fig. 02: Systole: Auswurfphase, bei der Blut in die Aorta gepumpt wird. Geschlossene Segelklappen verhindern Blutrückfluss. pe lap alk id usp Trik ppe kla l ona ulm P ort A ppe la enk ppe 01 rechte Herzkammer Trik Mit pe lap alk id usp la ralk ppe kla l ona ulm P A ppe kla n orte pe lap ralk Mit 02 linke Herzkammer rechte Herzkammer linke Herzkammer Die fünf häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland Wenn der Lebensmotor nicht mehr rundläuft 1. Bluthochdruck Die mit Abstand häufigste Herz-Kreislauf-Erkrankung. Etwa 20 Prozent aller erwachsenen Deutschen leiden darunter, im Alter sogar deutlich mehr. Die Hälfte der Betroffenen ahnt lange nichts von diesem « silent killer ». 2. Koronare Herzerkrankung Über drei Millionen Menschen in Deutschland sind von Engstellen oder Verschlüssen der Herzkranzgefäße betroffen, die schlimmstenfalls zum plötzlichen Herztod führen können. 3. Herzklappenerkrankung Bei rund zwei Prozent der über 55-Jährigen und rund 13 Prozent der über 75-Jährigen arbeiten die Herzklappen nicht effizient genug, um den Blut­kreis­lauf konstant zu halten. 4. Herzinsuffizienz Etwa zwei Millionen Deutsche leiden an chronischer Herzleistungsschwäche, einer Erkrankung, bei der die Pumpleistung des Herzens eingeschränkt ist und immer weiter nachlässt. 5.Herzrhythmusstörungen Herzrhythmusstörungen wie etwa das Vorhofflimmern gehören zu den häufigsten Gründen für den Arztbesuch. Weltweit sind etwa 5,5 Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. 18 K O N Z E N T R I E R E N A X E L H A R N AT H / J Ü R G E N K R Ü L L S - M Ü N C H A O R T E N K L A P P E N E R S AT Z P E R K AT H E T E R Klappe, die zweite: Minimale Schnitte — maximale Wirkung Viele hochbetagte Menschen leiden an einer Verkalkung der Aortenklappen. Dank eines schonenden Eingriffs gewinnen sie heute Lebensqualität und Lebensjahre. Für die Patientin war es buchstäblich kurz vor zwölf. Einen Tag vor Silvester wird die 77-Jährige in das Sana-Herzzentrum in Cottbus eingeliefert. Die Diagnose: hochgradige Aortenklappenstenose mit beginnendem Lungenödem und nur noch 20 Prozent Herzpumpleistung, dazu schwere Diabetes und gestörte Nierentätigkeit. Das Ärzteteam um Dr. Axel Harnath, leitender Oberarzt der Kardiologie, entscheidet sich rasch für einen Eingriff. Kaum eine Stunde später hat die Patientin eine neue Herzklappe, und ihr Zustand ist wieder stabil. « In diesem Fall war die kathetergestützte Intervention das einzig mögliche lebensrettende Verfahren », so Harnath. « Eine konventionelle Operation am offenen Herzen und mit mehrstündiger Vollnarkose hätten wir nicht riskiert. » Die Aortenklappenimplantation mittels Herzkatheter, kurz TAVI, ist eine schonende Behandlungsoption, die sich speziell für ältere, schwer kranke Patienten eignet. Der Eingriff am schlagenden Herzen geschieht meist ohne Vollnarkose. Über einen wenige Zentimeter kleinen Schnitt in der Leiste schiebt der Kardiologe unter Röntgenkontrolle einen Katheter durch die Aorta bis in die Herzkammer. An der Katheterspitze sitzt ein Ballon, der sich in der Aortenklappe aufdehnt und die Verengung öffnet. Dann wird der Klappenersatz millimetergenau in Position gebracht und automatisch aufgespannt. Das Implantat, eine Bioklappe aus Schweinegewebe, drückt die verkalkte Aortenklappe an die Gefäßwand und nimmt seine Arbeit als Druckventil unmittelbar auf. Die Intervention, bei der auch ein Herzchirurg mitwirkt, erfolgt in einem Hybridoperationssaal, der neben dem Katheterplatz auch mit dem Operationsinventar für eine notfalls nötige chirurgische Interfig.: TAVI schont ältere Patienten: kein großer Eingriff, aber mit höchstem Erfolg. A X E L H A R N A T H / J Ü R G E N K R Ü L L S - M Ü N C H K O N Z E N T R I E R E N 19 vention ausgestattet ist. Nach einem Tag auf der Intensivstation und einigen weiteren Tagen unter stationärer Beobachtung kann der Patient die Klinik verlassen — mit deutlich weniger Beschwerden und einer viel besseren Vitalität. « Vor dem Eingriff hatte ich bei der kleinsten Anstrengung Atemnot und kam vor Schwäche kaum mehr aus dem Sessel. Jetzt kann ich sogar wieder wandern gehen », erzählt Friedrich Popp, der in Cottbus mit der TAVI-Methode behandelt wurde. Das schonende Katheterverfahren erwies sich für den 71-jährigen Patienten als Therapie der Wahl, weil er wegen anderer Herzerkrankungen bereits mehrfach operiert worden war. Auch in diesem Fall wäre die Operation am offenen Herzen zu riskant gewesen. Andererseits war die Verkalkung der Aortenklappe bereits so weit fortgeschritten, dass sich der Gesundheitszustand des Patienten ohne Ersatzklappe rapide verschlechtert hätte. « Ohne Behandlung liegt die Lebenserwartung dieser Erkrankten bei maximal zwei Jahren. Die Prognose für sie ist mindestens so schlecht wie bei Krebserkrankungen », erklärt Dr. Jürgen KrüllsMünch. Der Chefarzt der Cottbuser Kardiologie betont aber, dass die kathetergestützte Behandlungsoption nicht für jeden Patienten geeignet ist und nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollte. Für den Behandlungserfolg entscheidend ist das enge Zusammenwirken von Kardiologen und Herzchirurgen, sowohl beim Eingriff selbst als auch bei der Diagnostik. Zunächst beurteilt das « Eine konventionelle Operation am offenen Herzen und mit mehrstündiger Vollnarkose ist bei vielen Patienten zu riskant. » Dr. Axel Harnath Leitender Oberarzt Kardiologie Sana-Herzzentrum Cottbus Framingham — Mekka der Herzforscher Eine amerikanische Kleinstadt bei Boston hat die moderne Herzmedizin maßgeblich vorangebracht. Jeder zweite Bewohner zwischen 30 und 62 Jahren, insgesamt etwa 6.000 Bürger von Framingham, wurde seit 1948 regelmäßig von Forschern des National Heart Institute untersucht und befragt. Zunächst war das Ziel, herauszufinden, warum Herz-KreislaufErkran­kun­gen in der Nachkriegszeit deutlich zugenommen hatten. Die Wahl fiel auf Framingham, weil die Bevölkerungsstruktur dort exakt dem amerikanischen Durchschnitt entsprach. Den Studienpionieren verdankt die Nachwelt sowohl den Begriff « Risikofaktor » als auch die Erkenntnis, dass Rauchen, fettreiche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel Herz und Gefäße schädigen. Seit ihrer Geburtsstunde haben sich mehrere Zehntausend Bürger von Framingham der Forschung zur Verfü- gung gestellt. Heute gilt die Framingham Heart Study (FHS) als eine der wichtigsten Medizinstudien weltweit. Mittlerweile rekrutieren die Forscher bereits die Enkelgeneration — um die Rolle der Gene bei Herz-KreislaufErkrankungen besser zu verstehen. fig.: Mit regelmäßigen Röntgen- und Blutuntersuchungen ebenso wie mit Befragungen zu den Lebensgewohnheiten der Probanten wollten die Forscher der FraminghamStudie die Ursachen für Herzkrankheiten ergründen. In den 1950er-Jahren erkrankte daran jeder vierte Mann über 55 Jahren. 20 K O N Z E N T R I E R E N A X E L H A R N AT H / J Ü R G E N K R Ü L L S - M Ü N C H Ärzteteam gemäß dem Alter und den Begleitkrankheiten des Patienten, ob eher ein Katheterverfahren oder eine herzchirurgische Operation empfehlenswert ist. Dabei orientieren sie sich an europäischen Leitlinien und einem Punktesystem, das die Risiken einer Operation beschreibt. « Die Leitlinien geben einen sinnvollen Rahmen vor, lassen dem Herzteam aber den Spielraum, nach dem physischen und psychischen Gesamtbild des Patienten zu urteilen », so Harnath. Wichtig seien auch die Einbindung des Patienten in das familiäre Umfeld und seine Kommunikationsfähigkeit, ergänzt KrüllsMünch: « Es wäre ein völlig falscher Weg, wenn Angehörige den kathetergestützten Eingriff für ihre Verwandten einfordern, obwohl diese in ihrer Wahrnehmung bereits sehr eingeschränkt sind. » In Deutschland werden mittlerweile knapp ein Drittel aller Aortenklappenersatz-Operationen kathetergestützt vorgenommen. Das heißt aber nicht, dass die Kardiologen die Herzchirurgen auf diesem Gebiet arbeitslos machen. Vielmehr haben Studien gezeigt, dass noch vor kaum einem Jahrzehnt 30 Prozent der älteren Patienten mit Aortenklappenstenose überhaupt nicht versorgt wurden, weil der chirurgische Eingriff persönlich nicht gewünscht oder aus ärztlicher Sicht zu riskant gewesen wäre. Diesen Hochrisikopatienten kann dank der TAVI-Intervention heute geholfen werden. Ohne diesen Eingriff hätte die Notfallpatientin vom Silvestervortag das neue Jahr wohl nicht mehr erlebt. Dank ihrer neuen Herzklappe kann sie ihren Alltag nun wieder selbständig meistern. « Ohne Behandlung liegt die Lebenserwartung von Patienten mit schwerer Aortenklappenverkalkung bei maximal zwei Jahren. » Dr. Jürgen Krülls-Münch Chefarzt Kardiologie Sana-Herzzentrum Cottbus Heldentat fürs Herz fig.: Schon während seiner Studienzeit hat sich Werner Forßmann mit der Herzdiagnostik beschäftigt. Doch seine Idee, das Herz mit einem Katheter zu untersuchen, wurde jahrzehntelang nicht ernst genommen. fig.: Das Röntgenbild der ersten Herzkatheteruntersuchung im Frühjahr 1929: Über den Oberarm schob Forßmann den Gummischlauch 65 Zentimeter weit bis in die rechte Herzkammer vor. Mit dem verwegenen Experiment wollte Werner Forßmann Karriere machen: Im Sommer 1929 schlich sich der junge Assistenzarzt in einen Operationssaal, schnitt sich in die Ellenbeuge und trieb den Schlauch eines Harnkatheters durch die Armvene bis zur rechten Herzkammer vor. Seinen heroischen Selbstversuch dokumentierte er mit einem Röntgenbild und einem Aufsatz, der sofort das Aufsehen der Boulevardpresse erregte. Weniger begeistert war sein Chef, der berühmte Ferdinand Sauerbruch von der Berliner Charité. Er entließ den beherzten Mediziner mit den Worten: « Mit solchen Kunststückchen habilitiert man sich im Zirkus und nicht an einer anständigen deutschen Klinik! » Erst 27 Jahre später wurde seine Geschichte zur Legende: 1956 erhielt Forßmann den Medizin-Nobelpreis — für die Erfindung des Herzkatheters. D I R K F R I T Z S C H E / K R I S T I N R O C H O R K O N Z E N T R I E R E N 21 REKONSTRUKTION UND MITRACLIP Klappe, die dritte: Segelkunststücke Viele Menschen leiden unter einer Insuffizienz der Mitralklappen. In Cottbus werden zur Behandlung neuartige Verfahren eingesetzt. Ihre Form ähnelt einer Bischofsmütze — der Mitra, daher der Name Mitralklappe. Die Herzklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Kammer des Herzens hat eine ziemlich komplexe dreidimensionale Struktur. Sie besteht aus dem Klappenring sowie einem vorderen und einem hinteren Klappensegel, das an Sehnenfäden hängt. Diese sind mit Vorwölbungen des Herzmuskels der linken Herzkammer verbunden. Sobald auch nur ein einzelnes Element dieser Struktur geschädigt ist, arbeitet der gesamte Mitralklappenapparat nicht mehr richtig. Im Gegensatz zur Aortenklappe, bei der meistens eine zu enge Öffnung Probleme macht, ist die Mitralklappe oft nicht dicht genug. Wenn dieses Ventil nicht mehr richtig schließt, fließt das Blut mit jedem Herzschlag in den Vorhof zurück und kann sich bis in die Lunge stauen. Etwa zehn Prozent aller über 75-Jährigen sind von einer solchen Mitralklappeninsuffizienz betroffen. Sie leiden bei fig.: Im Rahmen von regelmäßigen MitraClip-Konferenzen arbeitet die Kardiologin mit einem Herzchirurgen zusammen. Dabei wägen die Ärzte das operative Risiko des Patienten und die Erfolgschancen der unterschiedlichen Methoden gegeneinander ab. 22 KONZENTRIEREN DIRK FRITZSCHE / KRISTIN ROCHOR geringsten Belastungen unter Atemnot und an Ödemen in den Beinen oder im Bauch. « Die Mitralklappenchirurgie hat in den vergangenen Jahren innovative und schonende Operationsverfahren ohne Öffnung des gesamten Brustkorbes entwi- « Mit der Mitralklappenchirurgie können wir gerade den älteren Patienten gut helfen. » Prof. Dr. Dirk Fritzsche Chefarzt der Herzchirurgie Sana-Herzzentrum Cottbus Herzklappe aus dem Bioreaktor Man nehme Zellen aus dem Blut oder dem Knochenmark eines Erkrankten, siedle sie auf einem Gerüst in Herzklappenform an und lasse sie in einem Bioreaktor in einer pulsierenden Nährflüssigkeit zu einer echten Herzklappe heranwachsen. Noch stecken solche Methoden zur Züchtung von körpereigenen Ersatzklappen in den Kinderschuhen. Im Tierversuch mit Schafen und Ratten haben Forscher weltweit bereits Erfolge verbucht. Auch die Idee von gezüchteten Herzklappen für Menschen ist mehr als eine Vision. In den Laboren funktioniert sie bereits. ckelt, mit denen wir gerade den älteren Patienten sehr gut helfen können », erklärt Prof. Dr. Dirk Fritzsche, Spezialist für minimalinvasive Eingriffe am Herzen und Chefarzt der Herzchirurgie am Sana-Herzzentrum Cottbus. Dort werden 84 Prozent der Mitralklappen­ patienten mit der « Chirurgie durchs Schlüsselloch » behandelt, gut 20 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Dabei muss die Mitralklappe oft gar nicht ersetzt werden, sondern kann je nach Klappenschaden mit verschiedenen Operationsmethoden « repariert » werden. Bei diesen Rekonstruktionsverfahren führt der Weg zum Herzen über einen etwa fünf Zentimeter kleinen Schnitt an der rechten Brustwand. Der Herz­ chirurg operiert mit speziellen endoskopischen Instrumenten und mithilfe einer Videokamera. Das erlaubt besonders exakte Reparaturen, weil das Operationsfeld zehnfach vergrößert und gut ausgeleuchtet auf dem Monitor erscheint. Nach der erfolgreichen Rekonstruktion wird ein künstlicher Mitralklappenring eingenäht, der dafür sorgt, dass die Klappensegel stabil bleiben und gut schließen. Als eine der ersten deutschen Kliniken setzt das Cottbuser Herzzentrum einen neuartigen Klappenring ein, der nach dem Eingriff am schlagenden Herzen unter Ultraschallkontrolle von außen justiert werden kann. « Damit können wir das Operationsergebnis noch weiter perfektionieren », so Fritzsche, der diese Operation in Cottbus erstmals vorgenommen hat. Selbst wenn die Mitralklappeninsuffizienz später wieder auftritt, kann der Ring ohne weitere Operation ambulant von außen über zwei Elektroden nachgestellt werden. Es gibt allerdings Patienten, denen selbst das minimalinvasive chirurgische Verfahren zur Rekonstruktion der Mitralklappe nicht zumutbar ist, etwa Hochbetagte mit zahlreichen Begleiterkrankungen, Patienten mit hochgradiger Herzschwäche oder mehrfach am Herzen Voroperierte. Dank eines neuartigen kardiologischen Verfahrens können auch diese Hochrisikopatienten in Cottbus versorgt werden. Beim Mitraclipping wird die undichte Mitralklappe verengt, indem die Klappensegel bei schlagendem Herzen mit einer oder mehreren Klammern zusammengeheftet werden. Über einen nur einen Zentimeter langen Schnitt in der Leiste und mittels eines steuerbaren Katheters wird der Clip millimetergenau platziert. D I R K F R I T Z S C H E / K R I S T I N R O C H O R K O N Z E N T R I E R E N 23 Eine Vollnarkose ist nötig, weil die Bildgebung mittels einer in die Speiseröhre eingeführten Schluck­ ultraschallsonde geschieht. « Diese Sonde zeigt ein räumliches Bild vom Herzinneren, deshalb können wir die Bewegung der Mitralklappe genau verfolgen und den Clip an der undichtesten Stelle anbringen », erklärt Dr. Kristin Rochor, Oberärztin der kardiologischen Klinik. Deutlich geringere Klappeninsuffizienz Beim MitraClip-Eingriff, der zwischen zwei und drei Stunden dauert, arbeitet die Kardiologin mit einem Herzchirurgen zusammen, auch die Auswahl der geeigneten Patienten geschieht gemeinsam im Rahmen von regelmäßigen MitraClip-Konferenzen. Dabei wägen die Ärzte das operative Risiko des Patienten und die Erfolgschancen der unterschiedlichen Methoden gegeneinander ab. Zwar kann das Mitraclipping die Klappeninsuffizienz deutlich verringern, aber meist nicht ganz beheben. Doch die deutlich verbesserte Lebensqualität rechtfertigt den Eingriff bei der entsprechenden Patientengruppe, meint Rochor: «Einer meiner Patienten hat es so ausgedrückt: Vor dem Clipping habe er nur noch bis zur nächs­ ten Woche gedacht, danach wieder bis zum nächs­ ten Jahr und darüber hinaus. » « Einer meiner Patienten hat es so ausgedrückt: Vor dem Clipping habe er nur noch bis zur nächsten Woche gedacht, danach wieder bis zum nächs­ ten Jahr und darüber hinaus. » Dr. Kristin Rochor Oberärztin Kardiologie Sana-Herzzentrum Cottbus Mitralklappen-Clipping Klammern für die Segelklappen DER EINGRIFF fig. 01: Zwischen linkem Vorhof und linker Herzklappe dient die Mitralklappe als Einlassventil. Schließt 01 sie nicht mehr dicht, ist der Blutfluss gestört. fig. 02: Der MitraClip wird über einen flexiblen Katheter ins Herz gebracht. Beim Zurückziehen des Katheters greift der Mechanismus die Klappensegel und fixiert sie an der undichten Stelle. 02 fig.: Der weniger als ein Zentimeter kleine MitraClip, hier mit geöffneten Cliparmen, besteht aus einer KobaltChrom-Verbindung mit Polyesterbeschichtung. 24 KONZENTRIEREN RUTH STRASSER fig.: Dorit Grahl (links), zertifizierte Herzinsuffizienzschwester, in der gemeinsamen Telefonvisite mit Prof. Dr. Ruth Strasser. Das Call-and-Care-Konzept TELECOACHING – DIE IDEE fig.: Während des stationären Aufenthalts erhält der Patient Kontakt zur zertifizierten Herzinsuffizienzschwester sowie Schulung am Tablet-PC. fig.: Die Herzinsuffizienzschwester berät und schult ihre Patienten regelmäßig per TabletPC. Im Bedarfsfall koordiniert sie die Zusammenarbeit der betreu- enden Ärzte in Praxis und Klinik. Der direkte Blickkontakt mit den Patienten hilft bei der Einschätzung ihres Befindens und schafft Vertrauen. fig.: Das ärztliche Team in der Klinik erhält von der Herzinsuffizienzschwester regelmäßig Informationen über den Patientenzustand und steht zur Verfügung, wenn Spezialistenrat gefragt ist. fig.: Der Haus- oder Facharzt wird informiert, wenn der Patient eine schnelle ärztliche Vorstellung benötigt, da eine neue Dekompen­ sation droht. R U T H S T R A S S E R K O N Z E N T R I E R E N 25 TELECOACHING BEI HERZINSUFFIZIENZ Direkter Kontakt zum Herzen Patienten mit Herzschwäche brauchen eine engmaschige Betreuung. Das Herzzentrum Dresden geht ganz neue Wege. ACE-Hemmer, Betablocker, AT1-Antagonisten, Aldosteron-Antagonisten, Diuretika, Mineralocorticoide oder Blutgerinnungshemmer sind die Standardpräparate zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Bis zu einem Dutzend Medikamente müssen Patienten mit Herzschwäche jeden Tag einnehmen — exakt dosiert, zuverlässig und meist ein Leben lang. Ein Medikamentenmarathon, der ohne eiserne Disziplin kaum zu bewältigen ist. Das gilt auch für viele andere Verhaltensregeln, die bei Herzinsuffizienz zu befolgen sind, damit die Krankheit nicht entgleist. Zum Beispiel die tägliche Bewegung — obwohl jeder Schritt schwerfällt. Oder der Verzicht auf zu viel Flüssigkeit — obwohl herzschwache Patienten ständig Durst haben. Oder die kontinuierliche Gewichtskontrolle, die salzarme und maßvolle Ernährung, die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Bildung von Ödemen — und dies alles, obwohl die Betroffenen oft niedergeschlagen, antriebslos und nicht selten sogar depressiv sind. « Ein Großteil der Herzinsuffizienzpatienten ist mit dem täglichen Management seiner Erkrankung restlos überfordert », so Prof. Dr. Ruth Strasser, Direktorin der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie und Ärztliche Direktorin des Herzzentrums Dresden. « Um sie zu informieren, zu motivieren, zu geleiten und aufzubauen, braucht es eine intensive und langfristige Betreuung über den Hausarztbesuch hinaus. Auch die Notwendigkeit, eine drohende Dekompensation frühzeitig zu erkennen, ist unsere zentrale Aufgabe. » Diese Ziele stehen im Mittelpunkt eines von Strasser initiierten Forschungs- und Behandlungskonzepts, das derzeit in Dresden mit Leben gefüllt wird. Die Vision: Über ihren Fernsehbildschirm oder einen Tablet-Computer erhalten Herzinsuffizienzpatienten neben Informationen zu ihrer Krankheit einen direkten Draht zu speziell ausge- bildeten Insuffizienzschwestern. Diese zertifizierten Betreuungsexpertinnen spielen eine Schlüsselrolle beim Telecoaching: Sie kontaktieren die Patienten nach dem Klinikaufenthalt regelmäßig zu festen Terminen, beantworten Fragen und holen Informationen über deren Befinden und Verhalten ein. Gibt es Probleme mit der Tabletteneinnahme? Wie funktioniert das Bewegungsprogramm? Kontrolliert der Patient regelmäßig sein Gewicht? Solche Themen wird die Herzinsuffizienzschwester Dorit Grahl künftig regelmäßig per Videotelefonie abklären und protokollieren. « Wenn der Patient etwa rasch zunimmt, hat sich möglicherweise Wasser in seinem Körper eingelagert. Dann rate ich ihm zu einem Arztbesuch oder bitte den Hausarzt, einen Termin zu vereinbaren », erklärt Grahl. Das Wissen über das komplexe Krankheitsbild Herzinsuffizienz hat sie sich bei einer drei­monatigen speziellen Ausbildung angeeignet, die sie mit der Abschlussprüfung und dem Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie abgeschlossen hat. Telecoaching verbessert die medizinische und ärztliche Betreuung Ihre künftige Betreuungsklientel lernt Grahl bereits vor der Klinikentlas­ sung persönlich kennen und kann ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Patienten aufbauen. Bei Bedarf steht sie ihren Patienten auch außerhalb der vereinbarten Coaching-Termine mit Rat und Tat zur Seite, kann gegebenenfalls Experten des Herzzentrums zum Gespräch hinzuholen und Kontakte zu niedergelassenen Ärzten vermitteln. Dieses engmaschige und flächendeckende Kommunikationsnetz ist das Herzstück des Telecoaching-Projekts.« Es ersetzt den Arzt nicht, kann aber Notfallsituationen vorbeugen und Krankenhausaufenthalte vermeiden », so Strasser. « Die Standardmedikamente zur Therapie der Herzinsuffizienz AT1-Blocker/ ACE-Hemmer: Bewirken eine Gefäßerweiterung und damit eine Entlastung des Herzens (genannt Nachlastreduktion). Betablocker: Verlangsamen den Herzschlag und bremsen den schädlichen Sympathikotonus (die schädlichen Stresshormone). Diuretika: Reduzieren die Salzund Wasserüberladung in der Herzinsuffizienz und lindern dadurch die Luftnot und die Ödeme. Mineralocorticoide: Unterstützen die Wirkung der AT1-Blocker und ACE-Hemmer und reduzieren Salz- und Wasserüberladung. Nachweislich sind AT1-Blocker, ACEHemmer und Betablocker lebensverlängernde Medikamente für Patienten mit Herzinsuffizienz. 26 KONZENTRIEREN RUTH STRASSER Zahl der Erkrankten steigt sprunghaft, und ohne solche innovativen Ansätze werden wir diese Menschen kaum mehr angemessen betreuen können. Insbesondere in Regionen, in denen die flächendeckende und engmaschige Betreuung der Patienten gefährdet ist. » Patienten als aktive Partner in ihrer Krankheit « Ein Großteil der Herzinsuffizienzpatienten ist mit dem täglichen Management seiner Erkrankung restlos überfordert. » Univ.-Prof. Dr. Ruth Strasser Ärztliche Direktorin und Direktorin der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie Herzzentrum Dresden Tatsächlich ist Herzinsuffizienz in Deutschland derzeit die häufigste Ursache für eine Krankenhauseinweisung. Etwa 1,3 Millionen Menschen sind davon betroffen, jährlich kommen etwa 300.000 neue Patienten hinzu. Oft leiden sie zudem unter Begleiterkrankungen wie Herzrhythmusstörungen, Blutarmut oder Lungen- und Nierenerkrankungen. Für die Behandlung der Herzmuskelschwäche gibt es zwar immer bessere Therapien, doch man weiß inzwischen auch, dass sie nachhaltig nur erfolgreich sind, wenn die Patienten selbst zu aktiven und wissenden Partnern ihrer Krankheit werden. Auch dabei hilft Telecoaching: Es trainiert das Selbstvertrauen der Betroffenen und den selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Krankheit. Sie entwickeln ein besseres Verständnis für einen gesunden Lebensstil. Sie lernen, die Alarmzeichen für eine Verschlechterung zu deuten. Und sie verstehen, dass nur ein einziges vergessenes Medikament eine lebensbedrohliche Krankheitseskalation und einen erneuten Krankenhausaufenthalt auslösen kann. step 03 — Das erschöpfte Herz step 02 — Teufelskreis Herzinsuffizienz Wenn das Herz wegen eines beschädigten Herzmuskels , ver­ ursacht etwa durch Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Herzklappenerkrankungen, nicht mehr genug Blut in die Organe pumpt, aktiviert der Körper verschiedene Notfallmaßnahmen. Bestimmte Botenstoffe treiben das Herz zu mehr Leistung an. Weitere Botenstoffe hemmen die Flüssigkeitsausscheidung der Nieren , um den Blutdruck trotz schwacher Herzleistung aufrechtzuerhalten. Dieses Alarmsystem hilft zwar kurzfristig, doch es endet längerfristig in einem Teufelskreis, der das Herz immer weiter schwächt. Mit Medikamenten kann diese Abwärtsspirale durchbrochen werden. sinkende Herzleistung (Herzzeitvolumen) step 01 — Erkrankungen beschädigen den Herzmuskel — step 12 step 11 — verschlechterte Pumpmechanik step 10 — step 08 — Ausschüttung step 09 — step 04— steigende Sympathikusaktivität, Ausschüttung von Stresshormonen step 06 — Dehnung der Herzwände Überladung des Gefäßsystems (führt zu Ödemen) verringerte Gewebedurchblutung von Hormonen, die Wasser und Blutsalze im Gefäßsystem zurückhalten erhöhter Gefäßdruck step 05— steigender Puls und Blutdruck step 07— Nierenfunktion verschlechtert sich C H R I S T O P H E R P I O R K O W S K I / K L A U S M A T S C H K E K O N Z E N T R I E R E N 27 T E L E M O N I T O R I N G G I B T H E R Z PAT I E N T E N S I C H E R H E I T Elektronische Schutzengel Keine Zukunftsmusik: Miniwächter im Patientenherz, die biologische Signale direkt in die Klinik senden. Fast 10.000 Kilometer Luftlinie trennen Dr. Christopher Piorkowski und seine Patientin, und doch hat er ihre Herzaktivität jederzeit im Blick. Die junge Frau hat eine Herzmuskelerkrankung, die zu lebensbedrohlichen Kammerrhythmusstörungen führen kann. Deshalb ist sie am Herzzentrum Dresden mit einem implantierbaren Defibrillator versorgt worden. Das etwa münzgroße Gerät, auch ICD genannt, ist mit einem Schrittmacher vergleichbar, es beendet auftretende Rhythmusstörungen automatisch durch Stromimpulse und verhindert einen drohenden Herzstillstand. Normalerweise kommen die Träger solcher Implantate alle drei Monate zur Nachkontrolle in die Klinik, so Piorkowski, Leitender Arzt der Abteilung für Invasive Elektrophysiologie: « Doch weil diese Patientin in Brasilien lebt, haben wir ihr eine Übertragungseinheit mitgegeben, mit der die Überwachung ihres Gesundheitszustands und der Gerätefunktion auch über große Distanzen hinweg funktioniert. » Dem Notfall zuvorkommen Telemonitoring — die Fernüberwachung von Patienten mit Implantaten wie Herzschrittmacher, Defibrillatoren oder EKG-Rekorder — diente ursprünglich vor allem der technischen Gerätekontrolle. Inzwischen sind die Implantate aber so « intelligent » geworden, dass sie mittels Sensoren nicht nur sich selbst, sondern auch Vitalparameter wie die Herzfrequenz, den Blutdruck oder die Atemfrequenz des Patienten überwachen können — rund um die Uhr und « just in time ». Was vor wenigen Jahren wie Science-Fiction klang, ist heute klinische Realität. Kürzlich hat Piorkowski erstmals einen neuartigen EKG-Chip implantiert, der so winzig ist, dass er mit einer Spritze unter die Haut in die Brust des Patienten injiziert wird. Dieser Minirekorder zeichnet nun « Wir erkennen an den Aufzeichnungen zum Beispiel die Vorzeichen eines Schlaganfalls oder Hinweise auf ein gefährliches Kammerflimmern. » PD Dr. Christopher Piorkowski Leitender Arzt Invasive Elektrophysiologie Herzzentrum Dresden 28 K O N Z E N T R I E R E N C H R I S T O P H E R P I O R K O W S K I / K L A U S M AT S C H K E pausenlos den Herzrhythmus auf und überträgt die Messdaten über eine Sendestation in festgelegten Intervallen an das Herzzentrum. Sobald der « elektronische Schutzengel » auf dem häuslichen Nachttisch des Patienten auffällige Werte sendet, erhalten die Kardiologen Rückmeldung und vereinbaren kurzfristig einen Termin in der Klinik. « Wir erkennen an den Aufzeichnungen zum Beispiel die Vorzeichen eines Schlaganfalls oder Hinweise auf ein gefährliches Kammerflimmern », erklärt Piorkowski. « Davon profitieren zum Beispiel Patienten mit Verdacht auf seltene Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern oder unklare Ohnmachtsanfälle. » Auch bei schwerer Herzinsuffizienz werden in manchen Fällen Defibrillatoren oder kardiale Resynchronisierungssysteme (s. S. 42) implantiert, die sowohl den Herzschlag überwachen als auch den Gesundheitszustand der Erkrankten laufend kontrollieren. Die Miniwächter liefern neben dem Herzfrequenzprofil oder den Blutdruckwerten inzwischen sogar Hinweise auf die Entstehung von Lungenödemen. Das Bestechende an der Telemonitoring-Nachsorge: Sie erfasst diese biologischen Warnsignale, bevor der Patient überhaupt erst merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und die Ärzte können der Verschlechterung der Krankheit rechtzeitig zuvorkommen, etwa durch Anpassung der Me- dikamente. Das medizinische Frühwarnsystem zeigt nachweislich Wirkung: Laut einer neuen Studie haben telemedizinisch betreute Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz und einem implantierten Defibrillator nicht nur einen stabileren Krankheitsverlauf, sondern ihre Erkrankung endet auch wesentlich seltener tödlich. Günstigere Prognosen, mehr Sicherheit, verbesserte Lebensqualität — für Herzpatienten mit implantierten Aggregaten ist Telemonitoring eine effiziente und wirksame Betreuungsoption. Doch läuft die technische Fernüberwachung nicht Gefahr, zum Beziehungskiller zwischen Arzt und Patienten zu werden? Ganz im Gegenteil, meint Piorkowski: « Wenn das Telemonitoring im klinischen Alltag konsequent und verlässlich umgesetzt wird, dann intensiviert sich das Arzt-Patienten-Verhältnis sogar. » Zum Beispiel bei einem seiner Patienten, dessen EKG-Rekorder außergewöhnlich oft Störsignale sendete. Nach etlichen Telefonaten konnten Arzt und Patient die « Störenfriede » ausfindig machen — glücklicherweise nicht im Herzen des Patienten, sondern in seinem Radio­ wecker und seinen Kühlschrankmagneten. Jetzt ist der Rekorder nachjustiert, und alle können wieder ruhig schlafen. Offenbar bleibt der Kontakt von Mensch zu Mensch trotz aller technischen Errungenschaften in der Medizin unersetzlich. Hochleistungsorgan Herz Feinfühliger Schwerstarbeiter im Dauerbetrieb Zirka 100.000 Mal schlägt das Herz jeden Tag, über 35 Millionen Mal im Jahr. Pro Minute pumpt es fünf bis sechs Liter Blut durch die Adern, rund 8.000 Liter täglich. Bei einem 70­-Jährigen sind das seit der Geburt über 200 Millionen Liter — genug, um mehr als drei große Tankschiffe zu füllen. Für diese Mammut­ leistung wendet das Herz täglich etwa so viel Energie auf, wie benötigt wird, um einen Güter­­waggon einen Meter hochzuheben . Im Laufe eines Lebens schlägt das Herz mehr als drei Milliarden Mal. Damit erzeugt der faustgroße Muskel aus eigener Kraft fast so viel Energie wie die Jahres­leistung einer modernen Windkraftanlage . C H R I S T O P H E R P I O R K O W S K I / K L A U S M A T S C H K E K O N Z E N T R I E R E N 29 « Das menschliche Herz ist keine simple mechanische Pumpe, sondern ein hochkomplexes Organ, das kaum mit einem künstlichen ‹ Ersatzteil › zu imitieren ist. » Prof. Dr. Klaus Matschke Ärztlicher Direktor der Klinik für Herzchirurgie Herzzentrum Dresden HERZUNTERSTÜTZUNGSSYSTEME Zusatzmotor für schwache Herzen Künstliche Ersatzherzen sind immer noch Vision. Eine Art Hilfspumpe kann Leben retten. Ist die Herzinsuffizienz so weit fortgeschritten, dass der Erkrankte nur noch mit einer Herztransplantation zu retten ist, kann die lange Wartezeit auf ein Spenderorgan mit einer Art « Zusatzmotor » überbrückt werden. Das Kunstherz-Unterstützungssystem ist eine mechanische Pumpkammer unter der Bauchdecke, die das Blut durch einen Zugang an der Herzspitze absaugt und über einen Schlauch oberhalb der Herzklappe in die große Körperschlagader leitet. Das System erhöht die Herzleistung und entlastet den Herzmuskel, der natürliche Herzschlag bleibt aber unverzichtbar, weil nur die Pulswelle des Herzens das Blut bis in die Kapillaren des Blutkreislaufs pumpen kann. Ein elektronisches Steuersystem überwacht die Arbeit der Pumpe, die durch Batterien angetrieben wird. Beide Komponenten trägt der Patient außerhalb des Körpers in einem Halter oder Rucksack. Herzunterstützungssysteme arbeiten sehr zuverlässig, nachteilig sind jedoch Infektionsrisiken an den Austrittsstellen der Kabel und die zwingende Einnahme von Blutgerinnungshemmern. Wird es in Zukunft ein komplett künstliches Ersatzherz geben? « Das menschliche Herz ist keine simple mechanische Pumpe, sondern ein hochkomplexes Organ, das kaum mit einem künstlichen ‹ Ersatzteil › zu imitieren ist », so Prof. Dr. Klaus Matschke, Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Herzzentrum Dresden. « Außerdem ist die Hemmschwelle hoch, weil das menschliche Herz vollständig entfernt und durch eine Maschine ersetzt würde – ein einziger technischer Ausfall, und der Patient wäre tot. » Die Weste fürs Leben Etwa 100.000 Menschen erliegen jährlich in Deutschland dem plötzlichen Herztod . Oft ist die Ursache eine Herzrhythmusstörung , die zum Herzstillstand führt. Falls rechtzeitig ein Defibrillator zur Hand ist, kann der Patient gerettet werden, doch mit jeder Minute ohne Versorgung sinken seine Überlebenschancen um zehn Prozent. Weit besseren Schutz bietet ein implantierter fig.: Wenn die LifeVest Anzeichen eines gefährlichen Kammerflimmerns erkennt, startet sie automatisch einen Behandlungsmodus. Defibrillator , aber nicht in jedem Fall ist die dauerhafte Implantation sinnvoll. Solche Patienten können zuverlässig mit LifeVest geschützt werden, einem auf dem Brustkorb getragenen Defibrillator, der lebensbedrohliche Rhythmusstörungen automatisch erkennt und per Stromstoß beendet. 30 KONZENTRIEREN PETER KRAEMER / VOLKER HIPPLER / DOROTHEA DREIZEHNTER G E M E I N S A M S TA R K Versorgung im Netzwerk — ein Ausblick Wird künftig jeder Patient vom rasanten Fortschritt der Herzmedizin profitieren? Warum nicht! Dr. Dorothea Dreizehnter Generalbevollmächtigte Region NordrheinWestfalen Volker Hippler Generalbevollmächtigter Region Nord Dr. Peter Kraemer Projektleiter und Direktor (administrativ) CardioMed Nord Die Zahl der Herzpatienten wird durch die steigende Lebenserwartung weiter zunehmen und damit auch der Versorgungsbedarf. Gefragt sind kluge Strategien zur Bewältigung dieser Zukunftsaufgabe — zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Versorgungslandschaften über Krankenhausgrenzen hinweg. Ein Gespräch mit den Initiatoren kardiologischer Netzwerke innerhalb der Sana Kliniken AG. CardioMed Nord ist eine neuartige Vernetzung zwischen verschiedenen Sana Kliniken in Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern. Wie funktioniert die Zusammenarbeit konkret? Volker Hippler: Wir haben das Wissen und die Erfahrungen der Herzmedizin an unseren Standorten in Lübeck, Eutin und Oldenburg, Wismar sowie Elmshorn und Pinneberg gebündelt. Die dort ansässigen Chefärzte für Kardiologie leiten gemeinsam das Kompetenzzentrum Sana CardioMed und kooperieren eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck sowie mit Internisten und Hausärzten vor Ort. Nach wie vor halten natürlich alle beteiligten Krankenhäuser die kardiologischen Grund- und Schwerpunktleistungen vor, damit die Patienten im Notfall unmittelbar und qualitativ hochwertig versorgt werden können. Spezialisierte Angebote wie die Elektrophysiologie oder die Behandlung von Vorhofseptumdefekten bieten die erfahrenen Experten in den jeweiligen Häusern zusätzlich standortübergreifend in der gesamten Region an. Wie profitieren die Patienten von dieser Vernetzung? Sie erhalten bei CardioMed Nord qualitativ sehr hochwertige medizinische Leistungen aus einer Hand und in der Nähe ihres Wohnorts. Im Verbund können die beteiligten mittelgroßen Krankenhäuser ein durchgängiges Behandlungskonzept mit gemeinsamen Qualitätsrichtlinien anbieten, das alle medizinischen Aspekte abdeckt — von der Erstdiagnose über die Grundbehandlung bis hin zu hoch spezialisierten Eingriffen und zur Nachsorge. Derzeit knüpfen wir das kardiologische Netz auch mit den niedergelassenen Ärzten noch dichter, denn nur so können Herzkrankheiten schnell erkannt und behandelt werden. Wie wirkt sich die neue Kooperation auf den Klinikalltag aus? Dr. Peter Kraemer: Wir hören immer wieder, dass diese Vernetzung der Motivation von Ärzten und Mitarbeitern einen Schub gegeben hat. Sie ma- P E T E R K R A E M E R / V O L K E R H I P P L E R / D O R O T H E A D R E I Z E H N T E R K O N Z E N T R I E R E N 31 chen die Erfahrung, dass man im Verbund einfach stärker ist und mehr bewegen kann. Außerdem hat der Zusammenschluss zum Kompetenzzentrum die Attraktivität der einzelnen Kliniken bezüglich der Aus- und Weiterbildung erhöht. Durch die Erweiterung unseres kardiologischen Leistungsspektrums bieten wir nun spannende Arbeitsplätze mit guten Zukunftschancen. Auch im Herznetz Nordrhein-Westfalen haben mehrere Krankenhäuser ihre kardiologische Expertise gebündelt. Welches Ziel verfolgt dieser Zusammenschluss? Dr. Dorothea Dreizehnter: Mit dem Herznetz NRW verfolgen wir eine Idee, die sich von herkömmlichen Netzwerkaktivitäten grundsätzlich unterscheidet. Ein zentraler Punkt unseres Ansatzes ist, dass der Spezialist zum Patienten kommt und nicht wie üblich umgekehrt. Wir setzen dieses Thema derzeit konsequent für das Fachgebiet Rhythmologie um. Prof. Dr. Wiegand, der diese Fachabteilung in Remscheid leitet, ist einer der wenigen ausgewiesenen Experten in Deutschland. Da liegt es nahe, dass er seine Expertise auch Patienten in Hameln, Duisburg und Düsseldorf anbietet, und zwar direkt vor Ort. Dadurch haben erstens die Patienten kürzere Wege, und zweitens trägt er sein Spezialwissen und seine Erfahrung in die Teams an den jeweiligen Standorten. Das verbessert die Qualität der Ausbildung — auch durch die Zunahme der Fallzahlen — und generiert neue Experten auf dem immer wichtiger werdenden Gebiet der Rhythmologie. Deutet diese neue Rolle des « mobilen Spezialisten » einen Paradigmenwechsel in der Organisation der Versorgung an? Durchaus. Mit dem « Silodenken » innerhalb der klinischen Versorgung, also dem isolierten Nebeneinander der verschiedenen Fachgebiete, werden die Herausforderungen der Zukunft kaum zu bewältigen sein, gerade in der Kardiologie mit ihrem immensen Patientenzuwachs und ihren immer komplexeren und oft auch interdisziplinären Diagnosen und Therapien. Entlang dieser Behandlungswege brauchen die Ärzte eine hohe Flexibilität und Kooperationsbereitschaft — stets zum Wohl des Patienten. Diesen ganzheitlichen Ansatz möchten wir im Herznetz Nordrhein-Westfalen künftig auch in anderen Fachbereichen verfolgen. Herzbericht 2013 Ost-West-Gefälle bei Herzkrankheiten 837 Stationäre Behandlungsfälle Herzkrankheiten je 100.000 Einwohner 22 1.0 515 454 20 557 6 111 wig les n 7 Sch olstei 61 H 422 406 695 116 urg enb ckl mern e M om p Vor 82 418 319 urg 853 mb Ha 71 766 n me Bre 10 1.0 428 380 69 518 454 1.0 5 606 59 91 93 68 598 6 920 rlin Be n hse 551 ac ers 123 d Nie 453 99 956 102 536 915 562 566 62 581 6 768 nhei rdr No tfalen s We 872 464 426 rg nbu nde enchs Sa nhalt A Bra 668 0 582 54 103 83 85 527 en n sse He ing hür en chs T Sa 101 dlan ein falz P 119 Rh nd arla Sa 652 684 423 371 467 458 85 90 den Ba rg e b m rtte n yer Ba Wü e isch n eite nkh kra z Her gen run sstö z u m n yth izie zrh suff Her rzin iten 504 64 He khe 4 ran k n ppe zkla Her 95 äm ch 3 Is 80 Immer weniger Deutsche sterben an HerzKreislauf-Erkrankungen, doch bei der Herzgesundheit gibt es deutliche regionale Unterschiede. Zu diesem Ergebnis kommt der Herzbericht 2013 der Deutschen Herzstiftung. Die Bewohner östlicher Bundes­ länder wie Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern etwa sind deutlich häufiger wegen Herzkrankheiten im Krankenhaus als die Bevölkerung von Hamburg, Bayern oder Baden-Württemberg. Die Ursachen: In ländlichen Gebieten ist das medizinische Versorgungsnetz längst nicht so dicht wie in den großen Ballungsgebieten. Außerdem gibt es große regionale Unterschiede bei der Altersstruktur, itt chn chs ur esd nd Bu dem Sozialstatus und dem Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung. 32 KONZENTRIEREN JOACHIM WEIL / THOMAS HOFMANN / HENRIK SCHNEIDER / FRANZ HARTMANN AM BEISPIEL SANA CARDIOMED NORD Herzmedizin für alle Lebenslagen Ob chronische Herzkrankheit, herzmedizinischer Notfall oder angeborener Herzdefekt — Kardiologen und Herzchirurgen können immer wirksamer helfen. fig.: Herzgesundheit ist ein wichtiges Thema für alle — von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter. J O A C H I M W E I L / T H O M A S H O F M A N N / H E N R I K S C H N E I D E R / F R A N Z H A R T M A N N K O N Z E N T R I E R E N 33 R E N A L E D E N E R VAT I O N Hilfe, der Arzt kommt! Auf Herz und Nieren Mindestens zwölf Millionen Deutsche haben einen zu hohen Blutdruck. Ein Kardiologe in Lübeck behandelt die Krankheit mit einem neuartigen Eingriff. Die Redensart « jemand auf Herz und Nieren prüfen » macht auch medizinisch Sinn, denn beide Organe beeinflussen sich vielfach gegenseitig. Zum Beispiel sind die Nieren maßgeblich an der Regulierung des Blutdrucks beteiligt. Dabei spielen hormonelle und neuronale Regelkreise eine wichtige Rolle. Bluthochdruck kann zum Beispiel durch eine ungewöhnlich hohe Reizübertragung der Nerven zwischen Nieren, Herz und Gehirn entstehen. Auf dieser Erkenntnis fußt die renale Denervation, ein minimalinvasives Katheterverfahren zur Behandlung von Bluthochdruck. Bei dem Eingriff wird ein steuerbarer Katheter mit Elektrodenspitze durch die Bauchschlagader bis zur Nierenarterie vorgebracht. Dort appliziert der Kardiologe mit der Elektrodenspitze an mehreren Stellen hochfrequente Energie und verödet durch die entstehende Hitze das Nervengeflecht an der Außenwand des Gefäßes. Diese « Denervation » schaltet die Verbindung zwischen Nierennervenfasern und Gehirn dauerhaft aus und damit auch jene neuronalen Überaktivitäten, die Bluthochdruck verursachen können. Die Nieren selbst bleiben unversehrt. Bluthochdruck einfach wegoperieren? Ganz so einfach ist es nicht, erklärt Prof. Dr. Joachim Weil: « Das Verfahren ist nur für Patienten sinnvoll, die eine therapieresistente Hypertonie haben, deren Blutdruck also trotz der Einnahme von drei oder mehr unterschiedlichen Medikamenten konstant über 160 mmHg liegt. » Der Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Angiologie an den Sana Kliniken Lübeck ist deutschlandweit einer der erfahrensten Experten für diesen Eingriff, dem stets sorgfältige Voruntersuchungen vorausgehen sollten. Ist der Bluthochdruck zum Beispiel durch Schilddrüsenüberfunktion oder andere behandelbare Ursachen bedingt, gibt es wirksamere Therapieoptionen. Auch ist nicht gewährleistet, dass alle Patienten gleich gut auf die renale Denervation ansprechen, die Erfolgsquote des Verfahrens liegt derzeit bei etwa 70 Prozent. Das zeigen auch neuere Daten aus den USA. Letztlich ist die Methode derzeit nur indiziert, wenn der Blutdruck nicht anders in den Griff zu bekommen ist. Nach dem Eingriff stellt sich der Effekt auf den Blutdruck erst nach ein bis drei Monaten ein, durchschnittlich erreichen die Pati- Die ärztliche Dienstkleidung ist eigentlich recht zweckmäßig, kann aber auch zu Fehldiagnosen führen. Wissenschaftlich erwiesen ist das Phänomen der Weißkittelhypertonie bei der Blutdruckmessung. Bei jedem fünften Patienten treiben Stress oder gar Panik beim Anblick des Doktors im Arztkittel die Blutdruckwerte nach oben. Überprüft der Patient seinen Blutdruck dann zu Hause, sind die Werte ganz normal. « Wenn ein Blutdruck von 140 mmHg in mittleren Jahren überschritten wird, genügt ein weiterer Anstieg von 10 mmHg, um das Schlaganfallrisiko zu verdoppeln. » Prof. Dr. Joachim Weil Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Angiologie Sana Kliniken Lübeck 34 KONZENTRIEREN JOACHIM WEIL / THOMAS HOFMANN / HENRIK SCHNEIDER / FRANZ HARTMANN enten eine Senkung von 25 mmHg. Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg ist allerdings, dass sie weiterhin Medikamente nehmen und ihren Lebensstil blutdruckfreundlich umstellen — etwa durch Gewichtsabnahme, mehr Bewegung oder eine salzarme Ernährung. Dass die Volkskrankheit Bluthochdruck so weitverbreitet ist, liegt letztlich auch daran, dass viele Menschen die damit verbundenen Risiken gewaltig unterschätzen, meint Weil: « Wenn ein Blutdruck von 140 mmHg in mittleren Jahren überschritten wird, genügt ein weiterer Anstieg von 10 mmHg, um das Risiko für einen Schlaganfall zu verdoppeln. Das ist ein enormer Stellhebel. » Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Bereits bei einer relativ geringen Blutdrucksenkung reduzieren sich die Risiken für gefährliche Folgeerkrankungen signifikant. Die größte Zukunftsaufgabe in Sachen Bluthochdruck ist für Weil deshalb neben der Entwicklung von maßgeschneiderten Medikamenten und anderen innovativen Verfahren schlicht und einfach die konsequente Prävention von Kindesbeinen an. Zauberflöte gegen Bluthochdruck Musik von Mozart, Bach und Händel senkt den Blutdruck und die Herz­frequenz. Forscher haben festgestellt, dass der Genuss von klas­sischer Musik HerzKreiskreislauf-Erkrankungen lindern kann — ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen. Doch es muss nicht immer Klassik sein. Studien haben nachgewiesen, dass sogar wilde HeavyMetal-Songs den Blutdruck senken können. Geschmackssache eben — meinen die Forscher. Musik, so die Erklärung, beeinflusst das vegeta­ tive Nervensystem und damit auch indirekt das Herz-Kreislauf-System. I N N O VAT I V E I N FA R K T V E R S O R G U N G Rendez-vous im Katheterlabor Beim Herzinfarktnotfall zählt jede Minute. Ein Projekt in Pinneberg zeigt, wie die Rettung in der Klinik beschleunigt werden kann. Der Notruf kommt um sechs Uhr morgens — ein älterer Mann mit starken Brustschmerzen und Atemnot braucht dringend Hilfe. Kaum zwölf Minuten später trifft der Rettungsdienst ein. Das EKG zeigt die typischen Zacken eines ST-Hebungsinfarkts. Der Notarzt weiß, dass bei dieser Art von Herzinfarkt keine Zeit zu verlieren ist. Zumeist ist ein Herzkranzgefäß komplett verschlossen, und mit jeder Minute verschlechtert sich die Prognose dieser Patienten. Unverzüglich ruft der Rettungsdienst den diensthabenden Arzt der Intensivstation des Regio Klinikums Pinneberg an. Während der Rettungswagen wenige Minuten später startet, informiert der Intensivmediziner die Kollegen in der Kardiologie. Eine knappe halbe Stunde später bringt der Rettungsdienst den Patienten direkt ins bereits vorbereitete Katheterlabor und übergibt ihn nach kurzer Rücksprache dem Kardiologenteam. Über einen Katheter wird das verschlossene Herzkranzgefäß des Infarktpatienten mit einer Ballonaufdehnung und einer Stent-Implantation wieder eröffnet. Um 7.30 Uhr, nur 90 Minuten nach dem Notruf, ist der Patient gerettet. Normalerweise Männerherzen Mythos Managerkrankheit Lange galt der Manager mit eng getaktetem Terminkalender als typischer Herzinfarktkandidat. Doch Studien haben gezeigt, dass das Gegenteil gilt: Je niedriger der soziale Status und der Bildungsstand, desto höher das Infarktrisiko. Inzwischen ist die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt zu erleiden, für Arbeiter zwei- bis dreimal höher als für Manager . Forscher haben herausgefunden, dass nicht der hektische Arbeitstag das Problem ist, sondern die langfristig starke Arbeitsbelastung bei gleichzeitig empfundener Arbeitsplatzunsicherheit. Außerdem ist ein ungesunder Lebensstil — Rauchen, schlechte Ernährung und Über- gewicht — bei Arbeitern weit mehr verbreitet als in höheren sozialen Schichten. Menschen mit niedrigem Einkommen, Bildungsniveau und Berufsstatus sind häufiger betroffen von Herzinfarkt und anderen Krankheiten. J O A C H I M W E I L / T H O M A S H O F M A N N / H E N R I K S C H N E I D E R / F R A N Z H A R T M A N N K O N Z E N T R I E R E N 35 beginnt die Katheterbehandlung von Herzinfarkten in Deutschland erst nach gut zwei Stunden. « Durch den direkten Weg ins Katheterlabor entfallen der Aufenthalt in der Notaufnahme und die Ableitung eines weiteren EKG », erklärt Dr. Thomas Hofmann, Chefarzt der Kardiologie am Regio Klinikum Pinneberg. « Durch die Einführung dieses Projektes konnten wir in Pinneberg die Zeit vom ersten Patienten-Rettungsdienst-Kontakt bis zur Wiedereröffnung der verschlossenen Koronararterie in unserem Herzkatheterlabor von ursprünglich im Mittel 126 Minuten auf aktuell 82 verringern. » Das multizentrisch durchgeführte Qualitätsprojekt FITT-STEMI zur Optimierung der Behandlungszeiten beim akuten Herzinfarkt wurde von Prof. Karl Heinrich Scholz (Hildesheim) entwickelt, inzwischen nehmen deutschlandweit etwa 50 Kliniken daran teil. Das Regio Klinikum Pinneberg war eines der ersten, das sich daran beteiligt hat, und dieses Projekt auch der Öffentlichkeit vorgestellt hat — mit einer unvermuteten Resonanz. Die Zahl der Patienten mit Herzinfarktsymptomen, die ohne Einschaltung des Rettungsdienstes in die Notaufnahme kommen, habe sich seitdem mehr als halbiert, so Hofmann: « Optimal wäre aber, wenn alle Betroffenen wissen, was beim Verdacht auf Herzinfarkt zu tun ist: Egal ob nachts oder am Wochenende: Sofort die 112 anrufen und professionelle Hilfe anfordern. Das erspart das Risiko, auf dem Weg in die Klinik zusammenzubrechen, ebenso wie den Zeitverzug in der Notaufnahme und rettet Menschenleben. » « Durch den direkten Weg ins Katheterlabor entfallen der Aufenthalt in der Notaufnahme und die Ableitung eines weiteren EKG. » PD Dr. Thomas Hofmann Chefarzt der Kardiologie Regio Klinikum Pinneberg Frauenherzen Weibliche Infarkte kommen durch die Hintertür Der Herzinfarkt ist keineswegs wie oft vermutet eher eine Männersache. Auch bei Frauen sind Infarkte und Schlaganfälle in Deutschland inzwischen die häufigsten Todesursachen. Der Herzinfarkt kündigt sich bei ihnen allerdings oft mit ganz anderen Warnzeichen an als bei Männern. Häufig sind es untypische Symptome wie Atemnot, Schwäche, Übelkeit, Magenverstimmungen, Schlafstörungen und körperliche Erschöpfung. Und häufig treten diese Vorzeichen bereits bis zu einem Monat vor dem eigentlichen Infarkt auf. Auch den typischen starken Schmerz im Brustkorb verspüren Frauen seltener, stattdessen haben sie eher ein Druck- und Engegefühl. Viele Frauen schätzen diese gefährlichen Symptome als eher harmlos ein — wohl auch ein Grund dafür, dass inzwischen mehr Frauen als Männer an Herzinfarkt sterben . 36 KONZENTRIEREN JOACHIM WEIL / THOMAS HOFMANN / HENRIK SCHNEIDER / FRANZ HARTMANN FRÜH ERKANNT — GUT GEBANNT Beschirmte Herzen Defekte des Vorhofseptums gehören zu den häufigsten angeborenen Herzfehlern. Manche lassen sich sogar ohne Herzoperation korrigieren. « Je frühzeitiger der Herzfehler behandelt wird, desto besser ist die Belastbarkeit der Patienten. » PD Dr. med. habil. Henrik Schneider Chefarzt der Kardiologie Sana Hanse-Klinikum Wismar « Für den allgemeinen Arzt sind angeborene Herzerkrankungen von extrem geringem Interesse. Fälle, die das Erwachsenenalter erreichen, sind äußerst selten. » Seinerzeit waren die Worte des berühmten Internisten William Osler sehr realistisch. Heute, gut ein Jahrhundert später, leben in Deutschland etwa 300.000 Menschen mit angeborenen Herzfehlern — und viele führen ein ganz normales Leben bis ins hohe Alter. Zum Beispiel jene 70-Jährige, die nach Jahrzehnten ohne Beschwerden immer öfter Atemnot hatte. Bei der Herzultraschalluntersuchung im Sana Hanse-Klinikum Wismar stellte sich heraus, dass sie ein etwa sechs Millimeter großes Loch in der Trennwand zwischen den beiden Herzvorhöfen hatte — einen sogenannten Atriumseptumdefekt. « Solche Zufallsbefunde sind bei diesem angeborenen Herzfehler nicht selten », sagt der behandelnde Kardiologe und Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Dr. Henrik Schneider. « Bei vielen Patienten kann das Herz die Symptome bis ins sechste Lebensjahrzehnt gut kompensieren, doch danach werden sie immer stärker. » Wie entstehen angeborene Herzfehler? Das Herz ist das allererste Organ, das während der Embryonalentwicklung ausgebildet wird — und gleichzeitig dasjenige, bei dem die meisten Fehlbildungen auftreten. Bereits in der dritten Schwangerschaftswoche entwickelt sich die Herzhöhle, und die Zellen, die zum Herzmuskel heranwachsen, beginnen rhythmisch zu pulsieren. Das Herz ist zu dieser Zeit ein etwa zwei Millimeter langer, gebogener Schlauch. Durch komplizierte Drehungen bildet sich das Herz schließlich vollständig aus. Viele Herzfehler entstehen in dieser Entwicklungsphase, zwischen der dritten und siebten Schwangerschafts­ woche. Die Ursachen dafür sind in den meisten Fällen unklar. In Deutschland kommt jedes 100. Baby mit einem Herzfehler zur Welt, etwa 75 bis 80 Prozent müssen operiert werden. fig.: Der Herzschlag des Embryos ist ab der achten Schwangerschaftswoche auf dem Ultraschall erkennbar, ab der 16. Woche auch ein Herzfehler. J O A C H I M W E I L / T H O M A S H O F M A N N / H E N R I K S C H N E I D E R / F R A N Z H A R T M A N N K O N Z E N T R I E R E N 37 Kleine Vorhofseptumdefekte verursachen auch langfristig kaum Beschwerden, doch ab einer gewissen Größe ist der Blutfluss im Herzen gestört. Weil der Blutdruck im linken Vorhof etwa sechsmal höher ist als im rechten, strömt eine gewisse Blutmenge durch das Loch in den rechten Vorhof und die rechte Kammer bis in den Lungenkreislauf. Dadurch gelangt weniger Blut in den Körperkreislauf, und die erhöhte Blutmenge belastet das rechte Herz und die Lungengefäße. Wegen der ständigen Volumenüberlastung vergrößert sich das rechte Herz und bildet eine Rechtsherzinsuffizienz aus, außerdem sklerosieren die Lungengefäße. Schlimmstenfalls tritt die gefährliche Eisenmenger-Reaktion ein: Wenn der Blutdruck in der Lunge den des Körperkreislaufs übersteigt, fließt das Blut irreversibel von rechts nach links statt umgekehrt. Weil das Blut dadurch weniger Sauerstoff anreichert, wird die Haut der Betroffenen bläulich. Dann hilft nur noch die Transplantation des Herzens und der Lunge. « Solche dramatischen Krankheitsverläufe sind heute aber selten, durch die intensive medizinische Beobachtung von Säuglingen und Kleinkindern werden die meisten angeborenen Herzfehler rechtzeitig erkannt und behandelt », so Schneider Standardisierte Entscheidungspfade verbessern die Qualität Nach Schema SOP Geballtes Expertenwissen auf einem Blatt Papier — die sogenannten Standard Operating Procedures , kurz SOP, sind schriftlich fixierte Abläufe, die den Ärzten helfen, sich beim Erkennen und Behandeln von Krankheitssymptomen auf das Wesentliche zu konzentrieren und richtige Prioritäten zu setzen. Kommt etwa ein Patient mit Thoraxschmerzen in die Notaufnahme, arbeitet das Behandlungsteam rasch und systematisch ein festgelegtes Untersuchungsschema ab. Wenn sich der Verdacht auf Herzinfarkt zunächst nicht bestätigt, weiß jeder im Team, dass zur Kontrolle nach vier Stunden ein weiteres EKG und eine Blutentnahme folgen müssen. « Die SOPs schaffen reproduzierbare Qualität und verbessern die Effizienz des ärztlichen Handelns », erklärt Dr. Franz Hartmann, Chefarzt der Kardiologie in den Sana Kliniken Ostholstein. Der Patient profitiert dabei auch von der besseren Organisation seines Klinikaufenthaltes. Wartezeiten etwa verkürzen sich und Doppeluntersuchungen Defektverschluss mit Schirmchen Eine der häufigsten Formen des Vorhofseptumdefekts kann heute sogar mit einem schonenden Kathetereingriff behandelt werden. Über einen kleinen Schnitt in der Leiste schiebt der Kardiologe den Katheter über die Vene bis in den linken Vorhof. Dann führt er ein zusammengefaltetes Doppelschirmchen, Occluder genannt, durch den Defekt hindurch, spannt es auf und verschließt damit das Loch von beiden Seiten. « Die Wirkung des Eingriffs hängt wesentlich davon ab, wie weit die Schädigung des rechten Herzens fortgeschritten ist », erklärt Schneider. « Je frühzeitiger der Defekt behandelt wird, desto besser ist die Belastbarkeit der Patienten. » So wie bei jener jungen Frau, die während ihrer Schwangerschaft plötzlich eine massive Rechtsherzschwäche bekam. Bei der Untersuchung entdeckten die Ärzte einen 20 Millimeter großen Vorhofseptumdefekt. Nach der Entbindung hat das Wismarer Kardiologenteam den Defekt mit einem Schirmchen verschlossen, nun kann die Patientin ohne Risiko weitere Kinder bekommen. « Standardisierte Behandlungsabläufe schaffen reproduzierbare Qualität und verbessern die Effizienz des ärztlichen Handelns. » PD Dr. Franz Hartmann Chefarzt der Kardiologie Sana Kliniken Ostholstein, Klinik Eutin werden vermieden. Erfahrene Ärzte formulieren die jeweilige SOP unter Berücksichtigung des aktuellen Fachwissens. Auch eher seltene Aspekte einer Erkrankung sind in den Entscheidungspfaden berücksichtigt und müssen nicht extra nachgelesen werden. Trotz aller Standardi­­­sierung bleibt die individuelle Situation des Patienten stets im Fokus , meint Dr. Hartmann. « Die Orientierung an festgelegten Abläufen ersetzt natürlich nicht das ärztliche Denken. » 38 K O N Z E N T R I E R E N U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A LT M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L « Heute lassen sich Herzrhythmusstörungen immer öfter nicht nur lindern, sondern wirklich heilen. » Prof. Dr. Uwe Wiegand Chefarzt Rhythmologie und Elektrophysiologie Sana-Klinikum Remscheid fig.: Die Behandlung von Herzrhythmusstörungen ist ein komplexes Thema. Umso wichtiger ist das persönliche Beratungsgespräch zwischen Rhythmologe und Patient im Rahmen der Rhythmussprechstunde. U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A L T M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L K O N Z E N T R I E R E N 39 ELEKTRIKER DES HERZENS Herzen unter Strom Die kardiologische Elektrophysiologie hat die Behandlung von Herzrhythmusstörungen revolutioniert: Nur ein kleiner Eingriff — und das Herz schlägt wieder im richtigen Takt. Ruhig, rhythmisch und regelmäßig begleitet der Herzschlag den Menschen — von der fünften Schwangerschaftswoche bis zum letzten Atemzug. Das fortdauernde Pumpen des Herzens ist kaum spürbar und entzieht sich weitgehend dem willentlichen Einfluss. Wenn dieser vertraute Rhythmus aber durcheinanderkommt — wenn das Herz plötzlich rast, stolpert oder stockt —, sind die Betroffenen oft zutiefst beunruhigt und verunsichert. Dass das Herz hin und wieder aus dem Takt gerät, muss noch kein Hinweis auf eine ernsthafte Störung sein. Solche gelegentlichen « Fehlzündungen » seien ganz normal, sagt Prof. Dr. Uwe Wiegand, Chefarzt des Spezialbereichs Rhythmologie und Elektrophysiologie am Sana-Klinikum Remscheid: « Bei anhaltenden Beschwerden muss die Herzrhythmusstörung aber von einem Fach- mann sehr exakt diagnostiziert und therapiert werden. Das ist eine äußerst komplexe Aufgabe, allein schon wegen der vielfältigen Ursachen, Entstehungsorte und Ausformungen dieser Erkrankung, deren Bandbreite von eher harmlos bis lebensgefährlich reicht. » Regelmäßige Rhythmussprechstunden Der Rhythmologe Wiegand ist ein sehr erfahrener Spezialist in dieser Disziplin, der sich seit mehr als 20 Jahren mit Unregelmäßigkeiten der elektrischen Erregung des Herzens und deren Therapie beschäftigt. Sein Fachgebiet vertritt Wiegand nicht nur in Remscheid, sondern an allen Sana Standorten in Nordrhein-Westfalen. Zum Beispiel bietet der « Elektriker des Herzens » alle zwei Wochen eine spezielle Rhythmussprechstunde im Sana fig.: Das Elektrokardiogramm (EKG), eingeführt 1903 von Willem Einthofen, zeichnet die Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern auf. So funktioniert die Elektrik des Herzens Präzisionsarbeit beim Herzschlag n ote skn u Sin n ote -Kn AV l nde Bü HIS a Taw kel hen Sc ra- Das Herz verfügt über Millionen einzelner Herzmuskelzellen, die innerhalb von 0,1 Sekunden gleichzeitig aktiviert werden müssen. Für diese Synchronschaltung sorgt ein komplexes System von spezialisierten Herzmuskelzellen. Elektrischer Taktgeber ist der Sinusknoten an der Wand des rechten Vorhofs. Von dort gelangt die elektrische Erregung zum Atrioventrikularoder AV-Knoten an der Grenze zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer. Der AV-Knoten leitet den elektrischen Impuls weiter zum HIS-Bündel , das in der Scheidewand zwischen Vorhöfen und Kammern verläuft. Dort teilt es sich in einen rechten und einen linken Kammerschenkel, auch Tawara-Schenkel genannt. Diese verlaufen entlang der Kammerscheidewand Richtung Herzspitze und zweigen sich dort weiter in die PurkinjeFasern auf. Von dort aus gehen die Erregungen direkt auf die Kammermuskulatur über. 40 K O N Z E N T R I E R E N U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A LT M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L EKG-Ableitungen direkt aus dem Herzen und spürt damit die Entstehungsorte der elektrischen Fehlimpulse millimetergenau auf. In den meisten Fällen schaltet er sie anschließend auch gleich aus. Wiegand ist der behandelnde Spezialist für diese Katheterablation, deshalb kann er die Patienten in der Rhythmussprechstunde darüber detailliert informieren. « Die Patienten schätzen sehr, dass derjenige, der die Behandlung später durchführt, im Vorfeld auch der Beratungspartner ist. So entsteht ein persönliches Vertrauensverhältnis, das gerade für Herzpatienten sehr wichtig ist », so Dr. Christoph Altmann, Chefarzt der Kardiologie im Sana Klinikum Duisburg, der die Patienten für die Rhythmussprechstunde anhand der Diagnosen im Vorfeld auswählt. Störquelle außer Gefecht « Die Patienten schätzen sehr, dass derjenige, der die Behandlung später durchführt, im Vorfeld auch der Beratungspartner ist. » Dr. Christoph Altmann Chefarzt der Medizinischen Klinik I Sana Klinikum Duisburg Klinikum Duisburg an und erspart den Patienten damit den meist langen Weg zum Experten. Viele Erkrankte, die zu der Beratung kommen, leiden unter Vorhofflimmern — der häufigsten Herzrhythmusstörung, von der in Deutschland etwa eine Million Menschen betroffen sind. Im Gegensatz zum Kammerflimmern ist diese Erkrankung nicht akut lebensbedrohlich, doch die Patienten haben, neben quälender Atemnot und Schwindelanfällen, oft ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Wenn die Behandlung mit Medikamenten keine Besserung mehr bringt, klärt Wiegand anhand der Krankengeschichte, der Begleiterkrankungen, der EKG-Befunde und anderer diagnostischer Ergebnisse, ob im nächsten Schritt ein Termin für eine elektrophysiologische Untersuchung sinnvoll ist. Bei diesem Katheterverfahren misst der Arzt Vorhofflimmern ist nur eine von vielen Herzrhythmusstörungen, die mit der Katheterablation behandelt werden können. Das Verfahren wird vor allem bei Tachykardien eingesetzt, das sind Rhythmusstörungen, bei denen das Herz zu schnell schlägt. Dazu gehören etwa Vorhofflattern, Rhythmusstörungen, die vom AV-Knoten ausgehen, aber auch solche, die in der Herzkammer entstehen. Ursprünglich ist die elektrophysiologische Untersuchung, kurz EPU, vor allem ein Diagnose­ verfahren, bei dem der Arzt die Leitungszeiten im Herzen misst und das Herz mit elektrischen Impulsen stimuliert, um der Rhythmusstörung auf die Spur zu kommen. Heute ist die EPU fast immer auch mit der Ablation, also der Verödung der Störquelle durch Hochfrequenzstrom oder Kälte, verbunden. Mit einer etwa vier bis acht Millimeter kleinen Katheterspitze setzt der Kardiologe Punkt für Punkt jenes Herzgewebe außer Gefecht, das die Fehlleitungen in der Herzelektrik verursacht. « Durch die Vernarbung schaffen wir quasi eine Isolierungsschicht, die keine Impulse mehr durchlässt », erklärt Wiegand. Die Behandlung im Katheterlabor dauert in der Regel ein bis zwei Stunden und ist für den Patienten völlig schmerzlos. Sehr gute Erfolgsraten « Die Katheterablation hat in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gemacht. Umso wichtiger ist es, dass ein ausgewiesener Experte diesen Eingriff macht. Das gibt auch unseren Patienten das nötige Gefühl der Sicherheit », sagt Dr. Hubert Topp, Chefarzt der Kardiologie am Sana Klinikum U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A L T M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L K O N Z E N T R I E R E N 41 Pulsierende Vielfalt « Die Katheterablation hat rasante Fortschritte gemacht. Umso wichtiger ist es, dass ein ausgewiesener Experte diesen Eingriff macht. » Das Pulsmessen ist eines der ältesten diagnostischen Verfahren und spielt bis heute eine wichtige Rolle bei der Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei beurteilt der Mediziner neben Pulsfrequenz und Pulsrhythmus auch die Art des Pulsschlags , etwa ob er « weich », « schwach » oder « schwirrend » ist. Wichtig zu wissen: Der Puls « tickt » keineswegs so einheitlich wie ein Uhrwerk. Bei Säuglingen ist er fast doppelt so hoch wie bei Erwachsenen, bei Männern langsamer als bei Frauen, und Ausdauersportler liegen mit 32 bis Dr. Hubert Topp Chefarzt der Kardiologie Sana Klinikum Hameln-Pyrmont Hameln-Pyrmont, das bei der EPU ebenfalls auf die Expertise des Rhythmologen Wiegand setzt. Am erfolgreichsten ist die Katheterablation bei AV-Knotentachykardien, zusätzlichen Leitungsbahnen des Herzens und bei Vorhofflattern. Sehr gute Erfolge werden auch beim anfallsweisen Vorhofflimmern erzielt. Diese Rhythmusstörung wird durch Extraschläge aus den Lungenvenen ausgelöst. Bei der Ablation werden diese Blutgefäße elektrisch vom linken Vorhof abisoliert. Die Extraschläge aus der Tiefe der Lungenvene erreichen den Vorhof dann nicht mehr und können kein Vorhofflimmern mehr auslösen. Diese Art von Ablation ist mittlerweile der häufigste Eingriff des Rhythmologen. Auch Herzflattern kann sehr wirksam mit der EPU behandelt werden. Diese Herzrhythmus- störung entsteht durch eine kreisende Störerregung im rechten Vorhof. Bei der Ablation wird der störende Erregungskreis durchtrennt, und der Patient ist von seinem Herzflattern befreit. Etwas schwieriger sind die Verhältnisse bei anhaltendem Vorhofflimmern. Hier müssen neben den Lungenvenen auch Teile des rechten und linken Vorhofs gezielt verödet werden. Dafür ist manchmal ein zweiter Eingriff nötig. « Unterm Strich liegen die Erfolgsraten der Katheterablation je nach behandelter Herzrhythmusstörung zwischen 70 und 99 Prozent », so Wiegand. « Und das ist das Besondere dieses Eingriffs — ich kann Herzrhythmusstörungen damit immer öfter nicht nur lindern, sondern wirklich heilen. » 45 Schlägen pro Minuten deutlich unter dem Durchschnittswert von etwa 70 Schlägen pro Minute. Manche Menschen haben genetisch bedingt eine höhere oder niedrigere Pulsfrequenz als normal, krank sind sie deshalb aber nicht. In der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die Pulsmessung übrigens bis heute das wichtigste Diagnosewerkzeug für Krankheiten aller Art. Ein erfahrener Therapeut unterscheidet bis zu 32 Pulsqualitäten und zieht daraus medizinische Rückschlüsse. 42 K O N Z E N T R I E R E N U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A LT M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L CARDIALE RESYNCHRONISIERUNGSTHERAPIE Ein Dirigent für die Herzkammern Bei jedem dritten Patienten mit Herzschwäche pumpen die linke und die rechte Kammer nicht mehr synchron. Mit einem neuartigen Implantat arbeiten sie wieder in Einklang. fig.: Physischer oder psychischer Herzschmerz? Den Herzinfarkt hatte er überlebt, doch auch Monate später ging es dem 56-jährigen Handelsvertreter so schlecht, dass er nicht wieder arbeiten konnte. Bei dem schweren Infarkt war ein großer Teil des Herzmuskelgewebes abgestorben, deshalb pumpte sein Herz nur noch mit halber Leistung. « Beim EKG zeigte sich dann eine Störung der Reizleitung im Herzen, die bei Herzinsuffizienzpatienten nicht selten ist — ein sogenannter Linksschenkelblock », sagt Prof. Dr. Thorsten Dill, Chefarzt der Inneren Medizin am Sana Krankenhaus Düsseldorf-Benrath. « Durch diese Störung kontrahieren sich die beiden Herzkammern für Sekundenbruchteile nicht mehr gleichzeitig, das Blut pendelt zwischen den Kammern hin und her, und die Pumpleistung des Herzens ist deutlich herabgesetzt. » Noch vor wenigen Jahren konnte solchen Patienten nur noch mit einer Herztransplantation geholfen werden. Heute sorgt eine Art Schrittmacher in Streichholzschachtelgröße dafür, dass die Herzkammern wieder synchron arbeiten. Bessere Pumpleistung Bei der cardialen Resynchronisierungstherapie, kurz CRT, stimulieren Elektroden am rechten Vorhof, der rechten Herzkammer und über der Seitenwand der linken Kammer das Gewebe, und « triggern » damit die zeitgleiche Kontraktion. Über einen kleinen Hautschnitt am Brustkorb führt der Kardiologe dünne Drähte in die Herzvene ein und Psychokardiologie Ein Herz und eine Seele Das Herz ist ein Seismograf der Gefühle, davon zeugen Redensarten wie « Das ist mir zu Herzen gegangen » oder « Es hat mir das Herz gebrochen ». Auch wissenschaftlich ist die enge Verbindung zwischen der Gefühlswelt und dem Pump­ organ erwiesen. So können der Verlust des Lebenspartners oder andere seelische Notlagen Herzkrankheiten verursachen, etwa das Broken-HeartSyndrom . Die infarktartige Störung wird durch Stresshormone ausgelöst, die Teile der Herzmuskelzellen lahmlegen. Auch traumatische Ereignisse wie Natur­katastrophen oder Terroranschläge wirken sich auf die Herzgesundheit der Bevölkerung aus: Nach 9/11 registrierten amerikanische Kardio­ logen mehr als doppelt so viele gefährliche Herzrhythmusstörungen als zuvor, ähnliche Folgen hatte der Reaktorunfall von Fukushima. Ein weiteres Risiko für Herzerkrankungen sind Depressionen — und umgekehrt sind Herzinfarkt oder Herzschwäche nicht selten der Auslöser von Depressionen. Inzwischen widmet sich sogar ein medizinisches Spezialgebiet den Zusammenhängen zwischen Herz und Psyche. Die Psychokardiologie erforscht diese Wechselwirkungen und hilft den Patienten, ihre Herzkrankheit besser zu verstehen und zu verarbeiten. U W E W I E G A N D / C H R I S T O P H A L T M A N N / H U B E R T T O P P / T H O R S T E N D I L L K O N Z E N T R I E R E N 43 aus tzm spi bpm r e 00 usk Etr ~1.0 lenkt die Elektroden an ihren Einsatzort. Dann schließt er die Elektroden an den Schrittmacher an, der zwischen dem Brustmuskel und der Haut fixiert wird. Anschließend testet das Behandlungsteam, wie viel elektrische Energie für die korrekte Kontraktion des Herzens nötig ist, und das Gerät wird entsprechend justiert. Das CRT-Implantat kann aber nicht nur die Pumpleistung des Herzens verbessern, sondern die Patienten auch vor dem plötzlichen Herztod schützen. Solche speziellen Schrittmacher sind mit einem Defibrillator kombiniert, der lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkennt und sie mit leichten Stromstößen beendet. Auch der Düsseldorfer Herzinfarktpatient wurde mit einem solchen Kombinationsimplantat versorgt, denn ein geschädigter Herzmuskel erhöht das Risiko für den plötzlichen Herztod. Nach wenigen Wochen ging es ihm wieder so gut, dass er zurück in den Beruf konnte, berichtet Dill: « Dank CRT können wir Schwerkranken mit relativ einfacher Technik eine sehr hohe Lebensqualität zurückgeben. Das ist ein wirklich großer Fortschritt. » « Dank CRT können wir Schwerkranken mit relativ einfacher Technik eine sehr hohe Lebensqualität zurückgeben. Das ist ein wirklich großer Fortschritt. » Prof. Dr. Thorsten Dill Chefarzt der Medizinischen Klinik Sana Krankenhaus DüsseldorfBenrath Herzfrequenz bei Mensch und Tier n che nin Ka Das Gesetz des Herzschlags ge hlä zsc te r fig.: Im Prinzip e u H Min gilt: Je kleiner das pro 180 Säugetier, desto höher die 170 Herzfrequenz 160 (blauer Balken) und desto niedriger die 150 Lebenserwartung 140 (grauer Balken). 130 Ausnahmen: der Mensch und die 120 Giraffe. 110 100 e fe iraf G Aff re Jah 90 85 e atz K 80 75 70 65 lfin De nd Hu 60 55 50 45 90 h c ens 80 M 40 70 35 60 30 50 ildSch e t krö 40 30 20 10 al B w lau t fan Ele 25 20 15 10 5 Liste your en to r heart! KOMMUNIZIEREN Was liegt eigentlich Herzchirurgen und Kardiologen am Herzen? Wir haben zwölf Chefärzte und leitende Ärzte befragt und einen Blick in die nächste Zukunft gewagt. 46 KOMMUNIZIEREN FRANK SCHWERTFEGER S P R E E WA L D K L I N I K L Ü B B E N Immer das Gute sehen Frank Schwertfeger hatte als Rettungsarzt einen Unfall. Die Karriere als Allgemeinarzt war zu Ende, heute ist er Chefkardiologe im Spreewald. Klinikum Dahme-Spreewald, Spreewaldklinik Lübben Schillerstraße 29 15907 Lübben Telefon 03546 75-0 www.klinikum-ds.de Als Notarzt im Einsatz einen Verkehrsunfall erleiden. Frank Schwertfeger hat es am eigenen Leib erleben müssen: Danach war alles anders. Die Karriere als Allgemeinmediziner war aufgrund der Verletzungen erledigt. Trotzdem hat sich Schwertfeger durchgebissen. Er wurde Assistenzarzt für Innere Medizin im damaligen Kreiskrankenhaus in Lübben, später Facharzt für Angiologie und Oberarzt für Kardiologie. « Als Stationsarzt in der Kardiologie war ich sofort begeistert. Ein sehr abwechslungsreiches und rasantes Arbeitsfeld. Schnell und richtig entscheiden ist der Gradmesser für Erfolg. » Im Spreewald kennt man den Chefarzt überall. Denn die Leidenschaft für die Notfallmedizin ist geblieben, jahrelang war Schwertfeger trotz seines Unfalles Leiter des Rettungsdienstes. In dieser Zeit hat er überdies viel Aufklärung betrieben. In Patienten- und Stammtischseminaren genauso wie im engen Kontakt mit den Hausärzten in der Region. « Der entscheidende Fortschritt war, die Sterblichkeitsrate bei Herzinfarkt im Spreewald zu senken. » Heute kümmert sich Schwertfeger unter anderem um das Phänomen des kryptogenen Schlaganfalls, der immerhin fast ein Drittel aller Schlaganfälle umfasst. « Die Neurologen können ihn nicht richtig erklären, und die Ursachen sind nicht genau nachzuweisen. » Schwertfeger leitet ein Pilotprojekt mit der Implantation von Aufzeichnungsrekordern, die nachweisen, ob nicht Vorhofflimmern oder anderen Rhythmusstörungen dafür Auslöser sein können. « Keine Macht der Ohnmacht. Mit implantierten Monitoren überwachen wir den Herzrhythmus als Einflussgröße für Schlaganfall. » Dipl.-Med. Frank Schwertfeger Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie, Chefarzt, Leitender Notarzt Die Zukunft der Kardiologie ist bereits Wirklichkeit, sagt der Herzmediziner. « Die Nanotechnologie wird immer mehr Einzug halten. Zum Beispiel bei den Schrittmachern. Mit einem Katheter setzt man jetzt schon den Schrittmacher direkt im Herzen ab. » Die Unvernunft der Menschen hinsichtlich der Risikofaktoren wird sich nicht ändern. « Und mit der Zunahme des metabolischen Syndroms tickt die nächste Zeitbombe für Herzinfarkt und Schlaganfall. » H A R T M U T H A N K E K O M M U N I Z I E R E N 47 KARL-OLGA-KRANKENHAUS STUTTGART Das gesamte Gefäßsystem Hartmut Hanke hat die letzten 25 Jahre Kardiologie nicht nur begleitet, sondern auch wissenschaftlich geprägt. Und zwar von A bis Z. Bereits in der elften Klasse war für Hartmut Hanke klar: « Ich will Kardiologe werden. » Als Leistungssportler faszinierte ihn das Wissen rund um Herz und Kreislauf. Und es ließ ihn nie mehr los. Nur einmal, es war im praktischen Jahr seines Medizinstudiums, zog es ihn in die Orthopädie. Aber die Attraktivität der Herzmedizin war schließlich stärker. « Die interventionelle Kardiologie ist bis heute mein Ding. » Hanke war immer mit ganzem Herzen dabei. Sei es bei den ersten Tierexperimenten rund um die Erforschung der Restenose, dann die Laserangioplastie, bei der es um das Weglasern von Engstellen in den Koronargefäßen geht, bis hin zu den Excimer-Lasern in der modernen Gefäßmedizin. Vor allem aber hat Hanke die dynamische Entwicklung der interventionellen Kardiologie als Wissenschaft miterlebt. Wobei, wie er zugibt, immer ein Problem blieb, egal ob Anfang der 1980er-Jahre mit dem Aufdehnen von Engstellen durch die Ballondilatation oder ob zehn Jahre später durch das Weglasern und die intravasale Bestrahlung: 40 bis 50 Prozent der Gefäße verengten sich anfangs wieder. « Erst die Stents brachten die Revolution », betont Hanke. Die Res­ tenoserate ging auf acht bis zwölf Prozent zurück. « Heute haben wir eine 90-Prozent-Langzeitsicher- heit für den Patienten. » Und schon stehen die nächsten Innovationen bereit. « Der nächste Sprung sind die auflösbaren Stents. Auch die Akuttherapien beim Herzinfarkt werden sich verbessern. » Und die Zukunft im Karl-Olga-Krankenhaus? « Wir betreiben hier nicht nur Kardiologie und Angiologie, sondern Gefäßmedizin allgemein. Die Gefäßchirurgie ist ganz eng mit der Kardiologie verknüpft. Das garantiert eine interdisziplinäre Behandlung der Patienten auf gemeinsamer Station mit gemeinsamen Besprechungen und Visiten. » Hinzu kommt der Einsatz des neuen ExcimerLasers, der nicht nur Schrittmachersonden entfernt, die verwachsen sind. Eine Technologie, die übrigens jetzt auch bei Gefäßverengungen am Bein wieder zum Einsatz kommt. Kritisch steht Hanke hingegen dem Einsatz moderner herzmedizinischer Technologien für Gesunde gegenüber, nur um sie präventiv zu begleiten. » Es ist nicht sinnvoll, dass bei jedem über 40-Jährigen als Screening etwa ein KoronarCT durchgeführt wird. Da muss ein Krankheitsfall dahinterstehen, sonst ist der kostenintensive Einsatz der Ressourcen nicht zu rechtfertigen. » Die Gefahr einer Zweiklassenmedizin, so Hanke, sei ihm einfach zu groß. « Die beste Vorbeugung gegen Herzinfarkt ist, dass der Patient gesund lebt. Ein täglicher Spaziergang von einer halben Stunde rettet bereits Leben. » Prof. Dr. Hartmut Hanke Facharzt für Innere Medizin, Chefarzt Innere Klinik II, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin Karl-Olga-Krankenhaus Hackstraße 61 70190 Stuttgart Telefon 0711 2639-0 www.karl-olga-krankenhaus.de 48 KOMMUNIZIEREN JAN TORZEWSKI HERZ- UND GEFÄSSZENTRUM OBERALLGÄU-KEMPTEN Stark im Kommen Jan Torzewski will die kardiologische Versorgungsqualität im Allgäu entscheidend voranbringen und verbessern. Herz- und Gefäßzentrum Oberallgäu-Kempten an der Klinik Immenstadt Im Stillen 3 87509 Immenstadt Telefon 08323 910 8950 am Klinikum Kempten Robert-Weixler-Straße 50 87439 Kempten / Allgäu Telefon 0831 530 2217 www.hgz-oa.de Der Kemptener Kardiologe hat ein großes Ziel. Er will das Allgäu mit seinen 500.000 Einwohnern und Millionen Touristen herzmedizinisch auf Vordermann bringen. « Bislang gab es hier keine optimale Versorgung. » Was wiederum mit dem weitverbreiteten Stadt-Land-Gefälle in Deutschland zu tun hat. Für Torzewski war es jedoch die entscheidende Herausforderung. Im Jahr 2008 ist er mit seinen beiden Chefarztkollegen Wulf Ito und Martin Karch ins Herz- und Gefäßzentrum Oberallgäu mit den Standorten Kempten und Immenstadt gegangen. « Ich wollte immer Internist werden und manuell tätig sein. » Zuvor war er auf wissenschaftlicher Wanderschaft: Studium in Mainz, Forschungsaufenthalt in Cambridge und schließlich kardiologische Fachausbildung in Ulm. Torzewski war einige Jahre in der experimentellen Forschung aktiv. Vor allem in der Erforschung der Gefäßverkalkung. Heute, sagt er, habe sich die medizinische Perspektive geändert. Gefäßerkrankungen werden direkter mit entzündlichen Prozessen in Zusammenhang gebracht. « Demnach ist die Arteriosklerose eine Entzündungskrankheit. Eine Entzündung in der Arterienwand. » Das Neue daran: Mitschuldig sind womöglich Moleküle, die diese Entzündung auslösen. Fast perfekt « Einer dieser Entzündungsfaktoren ist das Creaktive Protein, das CRP, das in der Leber gebildet wird und sich in den Gefäßen ablagert. » Für Torzewski stellt sich in Zukunft die Frage, ob man mit einer therapeutischen Hemmung dieses Moleküls die Krankheit beeinflussen kann. « Wir sind der Arteriosklerose neuartig auf der Spur. In den letzten 15 Jahren hat ein Paradigmenwechsel in Diagnose und Therapie stattgefunden. » Prof. Dr. Jan Torzewski Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Chefarzt Das Allgäu hat es ihm bereits in jungen Jahren angetan. Seine Bundeswehrzeit verbrachte er in den deutschen Alpen, heute lebt er mit Familie und Kindern in dieser wunderschönen Gegend. « Ein fast perfekter Ort, um aufzuwachsen », fügt er hinzu. Jan Torzewski will daraus kardiologisch den perfekten Ort machen. Dazu gehören die Einführung moderner kardiologischer Techniken wie der Herzklappenersatz durch die Leiste, resorbierbare Stents und auch eine optimale Notfallmedizin. « Es ist wichtig, dass zum Beispiel die Herzinfarktpatienten die Kliniken früh genug erreichen. Das Notfallnetzwerk muss auch Menschen oben in den Bergen schnellstens versorgen. » N O U R E D D I N E E L M O K H T A R I K O M M U N I Z I E R E N 49 IMLAND KLINIK RENDSBURG UND ECKERNFÖRDE Wir stehen erst am Anfang Nour Eddine El Mokhtari forscht über den Einfluss der Gene auf den Herzinfarkt. Er erhofft sich große Fortschritte auf diesem Gebiet. Nour Eddine El Mokhtari hatte am Ende des Medizinstudiums eine klare Erkenntnis: « Jetzt kannst du in jede Fachrichtung gehen. » Er wurde Kardiologe. « Es hat mich gereizt, auch notfallmedizinisch tätig sein zu können. » Aber noch mehr angetan war er von der handwerklichen Fingerfertigkeit in der Herzmedizin. « Wir Kardiologen sind einerseits Klempner. Wir beschäftigen uns mit der Durchgängigkeit und Funktion von Rohren und Pumpen. Andererseits sind wir Elektriker, die sich mit Reizleitungen und Rhythmusstörungen beschäftigen. » Das richtige Werkzeug El Mokhtari ist ein selbstkritischer Arzt. Vieles, was das Herz betrifft, so sein Credo, ist noch unerforscht. « Wir wissen bis heute eigentlich nicht genau, warum die Arterienverkalkung stattfindet. » Darüber hinaus sei wenig bekannt, wie unser genetischer Bauplan in die individuellen Krankheiten eingreift. « Wir wissen im Alltag nur, welches Werkzeug wir für welchen Nagel nehmen müssen. » Deshalb forscht El Mokhtari intensiv an der Universität Kiel, welchen Einfluss die Genetik auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen hat. Aktuell haben Forscher wie er ungefähr 70 verschiedene Stellen mit Genen identifiziert, die mit dem Herzinfarkt assoziiert sind. « Es gibt speziell ein bisher unbekanntes Gen, das offenbar einen Einfluss hat. » Deshalb ist es in naher Zukunft so wichtig, die Funktion der Gene zu entschlüsseln. « Dann könnten wir verstehen, warum ein Herzinfarkt überhaupt entsteht. » Und das ist dringend geraten. Denn Herzinfarkt und Schlaganfall sind ein Übel moderner Zivilisation. « Dadurch, dass die Menschen immer älter werden, haben diese Erkrankungen überhaupt die Chance, aufzutreten. » Im Klinikalltag stehen für El Mokhtari die Bedürfnisse der Patienten und Angehörigen im Blickpunkt. Ihnen gerecht zu werden, ist sein höchstes Ziel. « Wir wollen den Patienten so behandeln, wie er sich das wünscht. » Dabei verfinstert sich sein Gesicht etwas. « Trotz ökonomischer Herausforderungen muss die Qualität der Krankenversorgung und Ausbildung im Vordergrund stehen. » Als Mediziner und Ökonom mit einem MBA sieht er keinen immanenten Widerspruch in Ökonomie und Qualität. imland Klinik Rendsburg und Eckernförde Lilienstraße 20–28 24768 Rendsburg Telefon 04331 200-0 www.imland.de « Mit diesem Wissen über die Genetik werden wir zukünftig das Risiko für die Entstehung eines Herzinfarkts verringern können. » Prof. Dr. Nour Eddine El Mokhtari Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Chefarzt 50 KOMMUNIZIEREN BURKHARD SIEVERS SANA-KLINIKUM REMSCHEID Über den Tellerrand Für Burkhard Sievers steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit in und außerhalb der Klinik ganz oben. Sana-Klinikum Remscheid Burger Straße 211 42859 Remscheid Telefon 02191 13-4000 www.sana-klinikumremscheid.de Burkhard Sievers weiß, wovon er spricht. Er ist in einem Ärztehaushalt groß geworden. Seine Eltern betrieben eine Hausarztpraxis im Westfälischen. Schon mit 16 war ihm klar, dass er Medizin studieren wollte. Sein Vater schickte ihn in den Sommerferien zum Pflegepraktikum in ein Krankenhaus. Für das Medizinstudium zog es ihn nach Göttingen, die Doktorarbeit hingegen schrieb er in Paderborn. Natürlich über ein kardiologisches Thema. Der besondere Reiz der Kardiologie liegt für Sievers in der Möglichkeit, einem Patienten schnell helfen zu können. « Sie verbindet die diagnostische mit der interventionellen Medizin », sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: « Und sie ist nicht so blutig wie die Chirurgie. » Kardiologie, so Sievers, ist echtes Handwerk: « Mit minimalinvasiven Methoden kann man die kleinen Gefäße am Herzen reparieren oder Herzklappen ersetzen. Das setzt Fingerfertigkeit und Handwerk voraus. » On the road, aber noch nicht am Ziel Der Fortschritt in technischer Hinsicht ist rasant. « Die diagnostischen, bildgebenden Techniken haben sich schnell entwickelt. Heute gibt es gestochen scharfe Bilder von Herz und Gefäßen, die früher nicht möglich waren. » Überdies habe sich, so Sievers, die Kathetertechnik immens verbessert. Die Schnittstelle der kardiovaskulären Bildgebung und der interventionellen Kardiologie fasziniert den Remscheider Chefarzt am meisten. « Vor allem bei Klappenerkrankungen wird die Wahl des richtigen Klappentyps und der richtigen Klappengröße immer wichtiger, zum Wohle des Patienten. » Dafür ist eine moderne, optimale hybride Bildgebung Voraussetzung. Was die Erforschung des Herzens insgesamt betrifft, « sind wir on the road, aber noch lange nicht am Ziel ». Vieles sei noch unerforscht, insbesondere auf dem Gebiet der strukturellen Herzerkrankungen. Ein Jahr ist Sievers nun in Remscheid. Er hat viel verändert. « Das komplette Leitungsteam mit flacher Hierarchie sowie ausgewählte Schwerpunkte wie Pneumologie und Angiologie wurden neu strukturiert und etabliert. » Ein besonderes Anliegen ist ihm die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Haus und mit externen Kliniken, etwa mit der Uniklinik in Köln. Hintergrund: Um eine kardiologische Abteilung dieser Größe erfolgreich zu betreiben, benötigt man « ein Team von Spezialisten, die hervorragend zusammenarbeiten. Da muss man Berührungsängste und Verteilungskämpfe in den Hintergrund stellen. » « Mich begeistern die schnelle Entscheidung und der schnelle Erfolg am Patienten. In der Kardiologie und Angiologie ist das nachhaltig möglich. » Prof. Dr. Burkhard Sievers Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Hypertensiologie, Notfallmedizin, Chefarzt O L I V E R H A D E R K O M M U N I Z I E R E N 51 REGIO KLINIKUM ELMSHORN Der Mann fürs Feine Oliver Hader kümmert sich besonders um die peripheren, kleinen Gefäße. Und sorgt sich um die Medizin und Ethik der Zukunft. Oliver Hader ist Gefäßmediziner. Was er sofort betont, wenn er als Kardiologe angesprochen wird. In Zürich und Berlin hat er sein Handwerk gelernt. Die Kardiologie ist eher mitgelaufen, « Herz und Gefäße gehören nun mal zusammen », sagt er. Hader war in den letzten Jahrzehnten immer hautnah dabei, wenn Innovationen passierten. Egal ob im Züricher Universitätsspital, wo der Ballonkatheter erfunden wurde, ob in den 1990ern, als die Stents ihren Siegeszug antraten, oder heute, wo die ersten Stents aus Milchsäure benutzt werden, die sich innerhalb von sechs bis zwölf Monaten komplett auflösen. Und so die Gefäßeigenschaften nicht dauerhaft verändern und erneut einsetzbar sind, wenn Wiederverengungen der Gefäße auftreten. Haders Leidenschaft gehört den peripheren und kleinen Gefäßen. Verantwortungsvoll handeln « Früher », sagt Hader, « hat man am Kniegelenk aufgehört, unterhalb waren die Gefäße zu klein. Heute kann man mit filigranen Kathetern auch am Unterschenkel und Fuß tätig werden. » Zum Beispiel bei der Schaufensterkrankheit. Dabei handelt es sich um eine Durchblutungsstörung in den Beinarterien. Die Muskulatur erhält zu wenig Sauerstoff, der Patient muss wegen der einsetzenden Schmerzen regelmäßig stehen bleiben. Und betrachtet in dieser Zeit, wenn vorhanden, ein Schaufenster. « Heute kann man « Die Gesellschaft steht vor einer schwierigen Frage: Welchen Patienten werden extrem teure Ressourcen zur Verfügung gestellt? Konkret: Tauscht man die Herzklappe bei einem 90-Jährigen noch aus? » Dr. Oliver Hader Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkte Angiologie, Kardiologie, Internistische Intensivmedizin, Chefarzt diese Krankheit sehr gut behandeln. » Und so manches Raucherbein oder mancher diabetische Fuß kann vor der Amputation bewahrt werden. Hader will das Angebot in seiner Klinik up to date halten. Dazu gehören natürlich auch neue Technologien in der Kardiologie wie der interventionelle, kathetergestützte Klappenersatz, die Resynchronisationstherapie oder die neuen Antikoagulanzien, die gerade die blutverdünnende Therapie revolutionieren. Und er will auch morgen verantwortungsvoll mit den neuen Techniken in der Herz- und Gefäßmedizin umgehen. « Denn nicht alles, was geht, ist auch sinnvoll. » Bei jedem Patienten muss der Ressourceneinsatz individuell beantwortet werden. « Eine Debatte, die wir führen müssen. » Regio Klinikum Elmshorn Agnes-Karll-Allee 17 25337 Elmshorn Telefon 04121 798-0 www.klinikum-elmshorn.de 52 KOMMUNIZIEREN RAINER JAAX SANA KRANKENHAUS HÜRTH Tägliches Bemühen Für Rainer Jaax und Kollegen steht Kooperation weit oben. Auf diese Weise hat ein kleines Krankenhaus den Wirkungskreis vergrößert. Sana Krankenhaus Hürth Krankenhausstraße 42 50354 Hürth Telefon 02233 594-0 www.sana-huerth.de « Eigenbrötlerei passt nicht mehr in die Zeit. Kooperationen nutzen allen, vor allem den Patienten. » Rainer Jaax wird grundsätzlich, wenn er über medizinische Kooperationen spricht. Denn für sein Krankenhaus sind sie längst kein Fremdwort mehr. In Hürth arbeitet man beispielsweise mit einer kardiologischen Großpraxis zusammen, die in drei Nachbarstädten vertreten ist. « Damit haben wir unser Einzugsgebiet vergrößert », sagt Jaax. Die Kooperation mit benachbarten Unikliniken laufe sowieso gut, vor allem bei der interventionellen Behandlung von Herzklappenfehlern. Und auch mit dem Sana-Klinikum Remscheid stehe man in engem Austausch. Ein Urgestein in der Kardiologie Vor über 30 Jahren hat Rainer Jaax mit allgemeiner, innerer Medizin begonnen. Dann wurde er, wie er sagt, « dem kardiologischen Chefarzt zugeordnet ». Die Karriere nahm ihren Lauf. Sein Fazit nach dieser Zeit ist eindeutig: « Patienten mit damals kurzer Lebenserwartung leben heute deutlich länger, und besser. » Und Jaax weiß genau, wovon er spricht. Sein damaliger Chef gehörte in Nordrhein-Westfalen mit zu den ersten Ärzten, die 1985 Ballonkatheterausdehnungen durchgeführt haben. Eine sofortige Hilfe für Angina-pectorisPatienten. « Das war unglaublich. » Viele Jahre hat sich Jaax mit der Herzschrittmachertherapie beschäftigt. Von den Einkammer- zu den Zweikammerschrittmachern über implantierbare, automatische Defibrillatoren bis heute zu den Dreikammerschrittmachern, welche die Herzinsuffizienztherapie erheblich verbessert haben. « Die Lebensqualität und -erwartung von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz wird sich in den nächsten Jahren weiter verbessern. » Dr. Rainer Jaax Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Er kennt die ganze Bandbreite der modernen Herzmedizin. Sein Credo lautet: « Man muss bei jedem Patienten alle Erkenntnisse zur Anwendung bringen. Das komplette Spektrum bereithalten, aber letztlich eine individualisierte Medizin anstreben. Ich will den letzten Feinschliff genau abgestimmt auf das Krankheitsbild erreichen. » Das erfordert einen hohen Einsatz. Die Balance zwischen Arbeit, Freizeit und Fortbildung wird zunehmend schwierig. « Man muss sich täglich bemühen », meint Jaax zum Abschluss. A N I L - M A R T I N S I N H A K O M M U N I Z I E R E N 53 SANA KLINIKUM HOF Damit das Herz nicht aus dem Takt gerät! Anil-Martin Sinha ist ein vielseitiger Kardiologe. Der zweifache Doktor — in Medizin und Philosophie — ist ein Pionier bei Herzrhythmusstörungen. « Schon immer hat mich die Funktionsweise dieses nimmermüden Muskels fasziniert. » AnilMartin Sinha zeigt Respekt und Demut, wenn er von der unglaublichen Sisyphosleistung des Herzmuskels spricht. Seine Arztreise als Kardiologe begann er in den 1990ern. Es waren die Jahre des goldenen Zeitalters in der Herzmedizin: Stents, Schrittmacher und Defibrillatoren hielten verstärkt Einzug in den kardiologischen OP-Alltag. Hinzu kam die Kathetertechnik in der Therapie von Herzrhythmusstörungen. « Echte Pionierarbeit », lächelt Sinha. Ein Herz für Rhythmustherapie Der zweifache Doktor (in Medizin und Philosophie) und Professor für Innere Medizin ist auch als praktischer Krankenhausarzt nicht eingleisig unterwegs. Als Gründer und Sprecher des Herzinfarktnetzwerks Hochfranken interessiert er sich vor allem für die Therapie des akuten Herzinfarkts, aber auch für die Einpflanzung von Verschlusssystemen, etwa bei angeborenen Löchern in der Herzscheidewand. Darüber hinaus schlägt sein Herz für die Rhythmustherapie mit Schrittmachern. Im Blickpunkt stehen dabei Patienten mit Herzmuskelschwäche. « Meistens mit verzögerter Erregungsleitung, weil der Muskel ausgeweitet ist », sagt Sinha. Hilfe bringt die kardiale Resynchronisationstherapie. Dabei wird ein elektrischer Bypass mittels Schrittmacherelektrode gelegt, wodurch der Pumpmechanismus des Herzens wieder resynchronisiert und damit gesteigert wird. Dies bewirkt auch eine Verbesserung des sogenannten Schlafapnoesyndroms. Hier war Professor Sinha der weltweit Erste, der diesen Zusammenhang beschrieben hat. Wenn Professor Sinha in die Zukunft blickt, verweist er auf eine optimale kardiologische Versorgung der Region, in der man sich auf immer mehr ältere, multimorbide Patienten einstellen muss. « In der Altersmedizin gelten etwas andere Gesetze. » « Daneben wird es in Zukunft ältere Menschen mit gesundem Herzen geben, die in Job und Freizeit voll aktiv sein können. » Prof. Dr. Dr. Anil-Martin Sinha, MBA Klinik für Kardiologie, Nephrologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Chefarzt Sana Klinikum Hof Eppenreuther Straße 9 95032 Hof Telefon 09281 98-3505 www.sana-klinikum-hof.de 54 KOMMUNIZIEREN THOMAS BRUMMER SANA KLINIKUM BIBERACH Wir hören gut zu Thomas Brummer ist ein Meister der unbürokratischen Lösungen. Mit dem Kardiophone sind Hausärzte direkt mit ihm verbunden. Sana Klinikum Biberach Ziegelhausstraße 50 88400 Biberach Telefon 07351 55-1220 Hand aufs Herz! Thomas Brummer schmunzelt. « Im Alltag haben Haus- und Krankenhausärzte bisweilen den Wunsch, sich schnell mal abzusprechen und sich auf eine gemeinsame Behandlungsstrategie festzulegen. » Insbesondere bei akuten kardialen Fragen ist ein direkter Draht zum Spezialisten hilfreich. Aber: « Man hängt endlos in der Schleife. » Nun hat Brummer Abhilfe geschaffen. « Einer der Kardiologen im Klinikum hat immer das smarte Kardiophone bei sich, so sind wir für die Haus­ ärzte erreichbar. Viele Fragen lassen sich sofort am Telefon klären, und dem Patienten ist rasch und unbürokratisch geholfen. » Das hat in der Region eingeschlagen. In der Kardiologie, so Brummer, muss jeder Arzt aufgrund des rasanten Fortschritts immer am Ball sein. Das betrifft insbesondere die Krankenhausärzte. « Gut, dass wir bei Sana deutschlandweit so gut miteinander vernetzt sind. » Nicht selten besucht man Kollegen in anderen Regionen, um mehr zu erfahren oder sich technologisch fortzubilden. Denn eines ist klar: Nur wer als Klinik vorne dranbleibt, gewinnt im ärztlichen Wettbewerb den Patienten von morgen. « In Zeiten überbordender Bürokratie brauchen wir für unsere Patienten unbürokratische Lösungen. » Dr. Thomas Brummer Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin, Chefarzt Die fitten Alten kommen Weshalb Brummer in Biberach in den nächsten Jahren auch die Elektrophysiologie vorantreiben will. « Ein weiterer Baustein, eine noch bessere Versorgung sicherzustellen. » Was auch nötig ist, denn die Patientenzahl steigt seit einigen Jahren. Und die haben Ansprüche. Brummer ist überzeugt: « Die nächste Generation, die auf uns zukommt, sind die fitten Alten, die eine optimale Versorgung bis ins höchste Alter wollen und auch verdienen. Auch auf dieses Patientenkollektiv wollen wir in Zukunft optimal vorbereitet sein. » P E E R - E K K E H A R T W A U R I C K K O M M U N I Z I E R E N 55 ACHENBACH KRANKENHAUS KÖNIGS WUSTERHAUSEN Mehr Herz-CT wagen Peer-Ekkehart Waurick ist ein Vorreiter der Herz-CT-Technologie. So hat er die Effizienz der Herzkatheterintervention gesteigert. Wenn der neue Großflughafen in Berlin eröffnet wird, kommt mehr Arbeit auf Peer-Ekkehart Waurick und seine Kollegen zu. Denn notfallmedizinisch werden sie auch für das Berliner Prestigeobjekt zuständig sein, übrigens wie aktuell bereits für den Flughafen in Berlin-Schönefeld. Patienten mit Herzproblemen werden dann in den besten Händen sein. Denn ein Herz-CT modernster Art kann eine schnelle Diagnose bei Brustschmerzen « Mit dem Herz-CT kann man einen arteriosklerotischen Prozess sicher ausschließen. » Dr. Peer-Ekkehart Waurick Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin, Chefarzt erstellen, ohne dass man gleich eine invasive Katheteruntersuchung durchführen muss. Das gilt natürlich nur für Patienten ohne Herzinfarkt. Peer-Ekkehart Waurick ist von diesem Ansatz überzeugt. « Zuerst die effiziente Herz-CT-Diagnostik, dann gezielt intervenieren! » Kein Wunder, dass die Interventionsquote in seinen Krankenhäusern im Landkreis Dahme-Spreewald viel niedriger als anderswo liegt. Der Herzkatheter kommt dort fast nur zum Einsatz, wenn eine Intervention nötig ist. « Mit dem Herz-CT kann man einen arteriosklerotischen Prozess und Anomalien ausschließen », fügt Waurick hinzu, « wir sehen Wandstruktur, Umgebung und Verlauf der Gefäße viel besser als im Herzkatheter. » Die Vordiagnostik, so Waurick, könne deshalb viel besser über das Herz-CT abgewickelt werden. Medizinisch eine Revolution Waurick ist ein Kardiologe par excellence. Als junger Arzt war er am Deutschen Herzzentrum in Berlin, zunächst in der Herzchirurgie, dann in der Transplantationsmedizin, bevor er sein Herz im Unfallkrankenhaus in Berlin an die Kardiologie verloren hat. Für ihn habe in den letzten Jahren « eine Revolution » stattgefunden. Die Herzchirurgie trifft mit komplexeren Operationen auf kränkere Patienten. Die Kardiologie hingegen entlastet die Chirurgie mit neuen, schonenden, minimalinvasiven Methoden. Die Kombination aus moderner Diagnostik, einer Kardiologie auf höchstem Niveau sowie einer zukunftsorientierten Patientenversorgung will Waurick weiter stärken. « Wir wollen mehr Telemedizin bei Patienten mit chronischer Herzschwäche, die Schrittmachermedizin ausbauen und moderne Medizintechnik sinnvoll einsetzen », antwortet er abschließend auf die Frage nach der Zukunft. Klinikum Dahme-Spreewald, Achenbach Krankenhaus Köpenicker Straße 29 15711 Königs Wusterhausen Telefon 03375 288-0 www.klinikum-ds.de 56 K O M M U N I Z I E R E N O L A F A LT M A N N LAUSITZER SEENLAND KLINIKUM Mehr für weniger Olaf Altmann garantiert in der Lausitz eine hochrangige medizinische Versorgung. Trotz Bevölkerungsrückgang. Lausitzer Seenland Klinikum Maria-Grollmuß-Straße 10 02977 Hoyerswerda Telefon 03571 44-0 www.seenlandklinikum.de Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, könnte man bei Olaf Altmann sagen. « Mein Vater war auch Angiologe und Kardiologe. Er ist mein Vorbild gewesen. » Kein Wunder, dass Altmann seine medizinische Karriere in der Universitätsklinik Dresden begann, dort zunächst in der Gastroenterologie, dann kam er über die internistische Intensivmedizin zur Kardiologie. Die Zeiten in und rund um Dresden waren Mitte der 1980er herzmedizinisch noch hart. « Ich habe erlebt, wie hilflos wir akuten Herzerkrankungen gegenüberstanden. » In Dresden gab es damals keine Möglichkeit für eine interventionelle Behandlung. Der erste Herzkatheter wurde erst 1988 eingesetzt. « Berlin und Leipzig wären zwei der wenigen Städte gewesen, aber weit weg. » Und dort gab es schnell Kapazitätsgrenzen bei der Patientenversorgung. Die traurige Folge: « Ab einem bestimmten Alter sind die Leute auf der Strecke geblieben. » Qualität ist Trumpf! Nach der Wende erlernte der Arzt mit einem Stipendium der Deutschen Herzstiftung die interventionellen Therapien. Und erlebte hautnah mit, wie die moderne Herzmedizin die Lebenserwartung betroffener Patienten erheblich vergrößerte. Doch das nächste Problem steht längst vor der Tür. « Die Lausitz ist eine relativ schwierige Gegend, geprägt von einem starken Bevölkerungsrückgang. » Hoyerswerda hat mittlerweile über die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. Zwischen Cottbus und Dresden müssen Altmann und seine Kollegen eine große Fläche mit einer dünner werdenden Besiedelung betreuen. Und gleichzeitig eine hochrangige medizinische Betreuung aufrechterhalten. Hinzu kommt, dass « Die Innere Medizin ist die Krone der Medizin. Und die Kardiologie das Kreuz dieser Krone. » Dr. Olaf Altmann Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Chefarzt die Zahl der niedergelassenen Ärzte ebenfalls sinkt. Doch Altmann ist ein Kämpfer. « Man muss sich eben mit Qualität behaupten. » Was ihm derzeit ebenfalls Sorge bereitet, ist die steigende Zahl junger Patienten mit schweren Herzerkrankungen. « Menschen mit einem extrem hohen Risikoverhalten », fügt Altmann etwas zerknirscht hinzu. B E R N D H A R D M A N N K O M M U N I Z I E R E N 57 SANA KLINIKEN DES LANDKREISES CHAM Luft und Leben Bernd Hardmann hat die Entwicklung des Herzultraschalls von Anfang an miterlebt. Er hat sich stürmisch entwickelt. Bernd Hardmann hatte als 14-Jähriger ein nachdrückliches Erlebnis. Sein Vater musste reanimiert werden. Von da an war ihm klar, dass er Herzmediziner werden wollte. Sein Antrieb bis heute: « Den Leuten wieder Luft und Leben geben. » Dafür muss man in der Kardiologie « schnell handeln, da geht es häufig um die Wurst ». Als junger Kardiologe hat er sich besonders für Herzinsuffizienz und Kunstherz begeistert. Mittlerweile hat es den gebürtigen Düsseldorfer in den Bayerischen Wald verschlagen. Dort ist er zuständig für die Krankenhäuser in Roding, Cham und Bad Kötzting. Zwei medizinische Leidenschaften pflegt Hardmann ganz besonders. Einmal die Herzultraschalldiagnostik, die eine stürmische Entwicklung genommen hat. « Man kann heute alle Herzfunk­ tions­störungen mit Ultraschall diagnostizieren, auch Herzklappenerkrankungen. Seit einigen Monaten steht hier ein 4-D-Echo, das Bilder wie ein Kernspingerät macht. » Den Herzkatheter brauche man, so Hardmann, nur noch für die Diagnostik der Koronargefäße. Alle Herzfunktionsstörungen seien hingegen mit dem Herzultraschall zu erkennen. « Heute ist der Ultraschall eine eigene Disziplin geworden. » Zum Zweiten setzt sich Hardmann weiterhin stark mit den Themen Herzinsuffizienz, Transplantation und Kunstherz auseinander. Höchste Dringlichkeit Im Krankenhaus Roding arbeitet man eng mit der Uniklinik Regensburg zusammen. Von dort werden Hardmann Patienten mit schwerster Herzinsuffizienz geschickt, die für eine baldige Transplantation gelistet sind. « High urgency », heißt das im Fachjargon, was allerdings immer noch eine Wartezeit von sechs Monaten bedeutet. Entscheidend ist, diese Patienten über die Zeit zu bringen. Oder vielleicht so gut zu therapieren, dass sie wieder von der High-urgency-Liste herunterkommen. Vor allem brennt Hardmann das Patientenverhalten in der Region auf den Nägeln. « Herzerkrankungen werden hier oft sehr spät erkannt. Es herrscht die Mentalität vor: Passt scho. Typisch sind deshalb fortgeschrittene Herzschwächen. » Dennoch: Die Lebens- und Arbeitsqualität vor Ort habe ihn restlos überzeugt. « Da habe ich wirklich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. » « Die Entwicklung des Herz­ ultraschalls ist grandios. Früher waren die Geräte so groß wie ein Kleiderschrank, heute sind sie nur doppelt so groß wie ein iPhone. » Dr. Bernd Hardmann Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie, Chefarzt Krankenhaus Cham August-Holz-Straße 1 93413 Cham Telefon 09971 409-0 www.diekliniken.de 58 BLAUBUCH INS HERZ Herzmythologie Der Muskel, der die Welt bewegt Die wohl früheste Darstellung des Herzens fand sich in der Höhle von Pindal in Nordspanien. Die Zeichnung zeigt ein Mammut mit rotem Fleck auf der Brust und ist um 15.000 v. Chr. entstanden. Im antiken Griechenland wurden das Herz und die Brust als Zentrum der Gemütsbewegungen betrachtet, als Schauplatz für Streit, Freude, Spontanität, Triebe und Leidenschaft. Die Sprachforschung geht davon aus, dass weltweit kein Wort häufiger in Wendungen oder Sprichwörtern vorkommt wie Herz. Seit den ersten PCs ist ♥ sogar als Sonderzeichen programmiert: man drücke einfach Alt + 3 auf dem Ziffernblock. fig.: « Herz mit Flammen » — bei Seeleuten galt diese Tätowierung oft der Liebe zum Meer oder den Liebsten in der Heimat, denen man ewige Treue schwören wollte. Bei den Menschenopfern der Azteken überreichten Priester das Herz einer Sonnengottheit. Dem Glauben nach musste die Sonne mit Menschenherzen genährt werden, damit sie die Erde erleuchten kann. Im Alten Testament ist das Herz der Sitz der inneren Wahrheit und der Einsicht . Bis heute spiegelt sich die Sicht in der englischen und französischen Wendung für « auswendig lernen »: « to learn by heart », « apprendre par cœur ». Die Minnesänger und Troubadours des Mittelalters besangen das Herz als Symbol der Erotik und des verführerischen Spiels. Populäre Illustration für Liebesszenen ist das rote Efeublatt — als Sinnbild für das liebende Herz. Im alten Ägypten galt das Herz als Zentrum der Vernunft, des Denkens, des Überlegens und als unbestechlicher Zeuge des Charakters. Deshalb wurde es Verstorbenen entnommen und gewogen. Ein guter Mensch zeichnete sich durch ein großes, gewichtiges Herz aus. S E I T E R U B R I K 59 Blaubuch im Dialog Was liegt Ihnen am Herzen? Ihre Fragen zur Herzmedizin. Diskutieren Sie mit! Impressum Hier endet die vierte Ausgabe des Blaubuchs. Doch die Reise geht weiter. Herausgeber: Sana Kliniken AG Oskar-MessterStraße 24 85737 Ismaning Wir freuen uns sehr auf Ihre Meinung. Leserbriefe, Reaktionen, Lob und Kritik sowie Themenvorschläge richten Sie bitte an [email protected] Leitung (verantwortlich): Dr. Michael Philippi Susanne Heintzmann Andrea Roth Magazinentwicklung: Dr. Peter Felixberger Murmann Verlag, Hamburg Gundula Englisch Autoren und Redaktionsteam: Gundula Englisch Dr. Peter Felixberger Susanne Heintzmann Andrea Roth Christoph Schlegel Herstellung und Koordination: Amedick & Sommer, Stuttgart Art Direction: Christoph SchulzHamparian www.pkv.de Die Sana Kliniken wurden 1976 gegründet und werden von 30 privaten Krankenversicherungen getragen. Wir behandeln sowohl gesetzlich wie privat versicherte Patienten. Foto/Illustration: Andreas Elsner, Bernhard Kahrmann, Darius Ramazani, Ulf Salzmann, Christoph SchulzHamparian, Katrin Stangl S. 1, 6, 12, 22, 28, 33, 34, 41, 44: Thinkstock S. 16: Dale Frost of the Port of San Diego / Wikimedia S. 17, 20, 39: Wikimedia S. 17: iStockphoto S. 19: picture alliance/ AP Images S. 23: Abbott S. 25: Fotolia S. 28: 123RF S. 32, 36, 58: Corbis Internet: www.sana.de KOOPERIEREN « Auf dem Gebiet der Herzmedizin ist eine Reihe von neuen Technologien zu verzeichnen, die erstaunliche Ergebnisse erzielen. » KONZENTRIEREN « Das menschliche Herz ist keine simple mechanische Pumpe, sondern ein hochkomplexes Organ, das kaum mit einem künstlichen ‹ Ersatzteil › zu imitieren ist. » KOMMUNIZIEREN « Die beste Vorbeugung gegen Herzinfarkt ist, dass der Patient gesund lebt. Ein täglicher Spaziergang von einer halben Stunde rettet bereits Leben. » www.sana.de