Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Weiterbildung für Intensivpflege & Anästhesie 2008/2010 Hausarbeit Schlaf und Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation Andrea Oswald Osterstrasse 89a 48163 Münster Tel.: 0251 - 98 161 90 März 2010 Inhaltsverzeichnis……………………………………………………..……….....1 Kurzfassung……………………………………..………………………………. 3 1. Einleitung……………………………………………………………………..4 2. Fallbeispiel - Teil 1…………………………………………….…………….. 5 3. Schlaf…………………………………………………………..…………....... 6 3.1. Definition……………………………………………………………...... 6 3.2. Geschichte des Schlafs…………………………………………………. 6 3.3. Schlafarchitektur………………………………………………………... 7 3.3.1. EEG…………………………………………………………….. 9 3.4. Schlafsteuerung/Tag-Nacht-Rhythmus…………………………………. 11 3.5. Hormone regulieren den Schlaf und den Stoffwechsel……………….... 13 3.5.1. Melatonin………………………………………………………. 13 3.5.2. Prolaktin………………………………………………………... 16 3.6. Funktionen des Schlafens……………………………………………..... 16 3.7. Schlafbedürfnis…………………………………………………………. 18 4. Schlafstörungen………………………………..……………...……………...19 4.1. Insomnien und deren Ursachen…………………………………….…... 19 4.1.1. Akute Insomnien…………………………………………….…. 20 4.1.2. Chronische Insomnien…………………………………………..21 4.2. Weitere Arten von Schlafstörungen………………………………...…...21 4.3. Schweregrade………………………………………………………….... 22 5. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation…………………….22 5.1. Mögliche Ursachen für Schlafstörungen auf der Intensivstation……..... 23 5.1.1. Physische und Psychische Einflüsse………………………….... 23 5.1.2. Äußere Einflüsse……………………………………………….. 25 5.2. Symptome……………………………………………………………..... 27 5.2.1. Physische Symptome…………………………………………... 27 5.2.2. Psychische Symptome…………………………………………..28 2 6. Diagnostik………………………………………………...………………...... 29 7. Therapie……………………..…...…………………………………………... 30 7.1. Nichtmedikamentöse Therapien…………………………….………….. 30 7.2. Medikamente gegen Schlaflosigkeit…………………………….…….... 35 7.3. Pflegerische Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität von Intensivpatienten…………………................................................................... 38 8. Fallbeispiel - Teil 2………………………………………...………………… 41 Schlussfolgerung………..…………...…………………………………………... 45 Literaturverzeichnis………………………….…………………………………. 46 Zitatverzeichnis………………………………………………………………….. 48 Versicherung über die Ausfertigung schriftlicher Leistungsnachweise……... 49 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abfolge der Schlafstadien während des Schlafs (Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/)……….....8 Abbildung 2: EEG-Frequenwellen des Menschen (Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/...................9 Abbildung 3: Steuerung der Melatoninsekretion (Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm).…………………..... 13 Abbildung 4: Melatoninproduktion in Abhängigkeit des Lebensalters (Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm).................................. 14 Abbildung 5: Auf und Ab verschiedener biologischer Rhythmen (Quelle: http://www.schlafgestoert.de/site-53.html)...............……. 17 3 Kurzfassung In dieser Arbeit möchte ich die Auswirkungen von Schlafmangel und mögliche therapeutische Interventionen vorstellen. Die Arbeit soll veranschaulichen, wodurch Schlafstörungen auf der Intensivstation entstehen und wie sie sich äußern können. Sie soll medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen aufzeigen, die ergriffen werden können um die Symptomatik zu lindern und auslösende Faktoren bereits im Vorfeld zu vermeiden. Das Therapiespektrum reicht vom einfachen Sockenanziehen bei kalten Füßen, über die Erstellung eines Tagesstrukturplans mit Berücksichtigung individueller »zu-Bett-geh-Rituale« bis hin zur Therapie mit schlafinduzierenden Medikamenten. Es wird deutlich, dass eine individuelle Betreuung des Patienten sowie eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Pflegeperson unerlässlich sind. 4 1. Einleitung Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation sind ein bedeutendes Problem, da sie zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen haben können und Schlaf unter anderem für die Erholung von Erkrankungen entscheidend ist. Meines Erachtens wird jedoch dieser Thematik im therapeutischen Team der Intensivstation nicht genügend Beachtung geschenkt, obwohl gerade die Umgebungsbedingungen der Intensivstation, die diagnostisch, pflegerisch oder therapeutisch erforderlichen Maßnahmen und die verabreichten Sedativa, zum Teil erheblich von der Norm abweichende Schlafzyklen und Schlafmuster bewirken. Mit dieser Arbeit möchte ich bei den Lesern das Bewusstsein für die Physiologie des Schlafs und für die Problematik von Schlafstörungen, speziell bei Patienten auf der Intensivstation, sensibilisieren und Möglichkeiten zur Förderung der Schlafqualität in diesem speziellen Bereich aufzuzeigen. Diese Facharbeit besteht aus mehreren Teilen, die alle für das Verständnis von Schlafstörungen auf der Intensivstation von Bedeutung sind. Im ersten Teil werden die physiologischen Grundlagen dargestellt, die zum besseren Verständnis des Phänomens Schlaf dienen sollen. Der zweite Teil stellt unterschiedliche Arten von Schlafstörungen vor. Im dritten Teil werden mögliche Ursachen für Schlafstörungen auf der Intensivstation und deren Auswirkungen erläutert. Der Bereich der Diagnostik wird im vierten Teil kurz dargelegt. Im fünften und letzten Teil werden verschiedene therapeutische Möglichkeiten und mögliche pflegerische Interventionen, zur Verbesserung der Schlafqualität von Intensivpatienten übermittelt. Um die Problematik und die möglichen Maßnahmen ein wenig zu veranschaulichen, habe ich in diese Arbeit ein Fallbeispiel aus meiner praktischen Erfahrung angefügt. 5 2. Fallbeispiel - Teil 1 Am Beispiel des 64 jährigen Herrn I., der nach einer Nierentransplantation mit nachfolgend sehr komplikationsreichem Verlauf auf der chirurgischen Intensivstation behandelt wurde, möchte ich Möglichkeiten zur Steigerung der Schlafqualität veranschaulichen. Ich betreute Herrn I. während des Nachtdienstes, in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten, als direkte Bezugsperson. Sein Problem war, dass er seit 72 Stunden kaum geschlafen hatte und zuvor längere Zeit analgosediert war. Er war zeitweise desorientiert, sehr unruhig und wirkte zunehmend verunsichert und ängstlich. Der Patient war im Verlauf des Aufenthaltes auf der Intensivstation bisher noch nicht mobilisiert worden. Aufgrund dieser Symptomatik war eine Behinderung der weiteren Rekonvaleszenz zu befürchten. Als Ressourcen sind zu nennen, dass der Patient trotz der Unruhe relativ gut zu führen war. Herr I. war sinusrhythmisch, normfrequent und hämodynamisch stabil. Er konnte sich gut auf verschiedene Beatmungsmodi einstellen und respiratorische Erholungsphasen nutzen. Sein Wundheilungsverlauf verlief ohne Komplikationen und er war weitestgehend schmerzfrei. Darüber hinaus konnte er alle Extremitäten bewegen und selbständig kleine Lagewechsel durchführen, verfügte über einen guten Hautzustand und alle Auflageflächen waren intakt. Die Kommunikation mit ihm war meistens mittels Schreibtafel möglich, auch konnte er sich bei Bedarf bemerkbar machen und Ja-/NeinFragen mittels Kopfnicken und -schütteln beantworten. Herr I. lag allein in einem Patientenzimmer. Mein Ziel war es, Maßnahmen zur Unterstützung eines erholsamen Schlafs zu ermitteln, damit er für den weiteren Genesungs- und Heilungsverlauf Kraft schöpfen konnte. Ihm sollen angemessene Erholungs- und Ruhezeiten (mind. 90 Min. - so lange dauert ein Schlafzyklus) eingeräumt werden und er soll in der Lage sein bzw. darin unterstützt werden, diese effektiv zu nutzen. 6 3. Schlaf 3.1. Definition des Begriffs Schlaf Schlaf scheint eine schnell reversible, reduzierte Form der Wachheit zu sein, da wir uns kaum bewegen, nicht ansprechbar und nicht bei Bewusstsein sind. Daneben zeigen wir eine deutlich reduzierte Aufnahme- und Antwortbereitschaft für Umgebungsreize. Schlaf ist kein gleich bleibender Zustand, es werden vielmehr verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Schlaftiefen durchlaufen. Gekennzeichnet ist er durch charakteristische und rhythmisch auftretende Schlafzyklen sowie alterstypische Schlafprofile. Rund ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Die tägliche Schlafdauer eines Erwachsenen liegt zwischen 6 und 9,5 Stunden. Schlaf ist für den Menschen ein zentrales und lebenswichtiges Grundbedürfnis und ein Bestandteil der sogenannten zirkadianen Rhythmik (Tag-und-Nacht Rhythmus) unseres Körpers. Als aktiver und lebenswichtiger Vorgang ist er entscheidend für die Erholung von Erkrankungen und wirkt sich positiv auf die Wundheilung, zelluläre Immunfunktion und Leistungsfähigkeit aus. 3.2. Geschichte des Schlaf In der Antike nahm man an, dass die Zustände von Schlaf und Tod miteinander verwandt sind. Hypnos ist in der griechischen Mythologie der Gott des Schlafes und der Zwillingsbruder von Thanatos, dem Gott des Todes. Sein Sohn ist Morpheus, Gott des Traumes und seine Eltern sind die Nachtgöttin Nyx und Erebos, der Gott der Finsternis. Im alten Rom wurde Somnus, der Gott des Schlafes sehr verehrt. Für die gehobene römische Gesellschaft war der Schlaf heilig. Man ruhte und schlief zu jener Zeit wann immer es möglich war, so z. B. auch tagsüber auf einer kleinen Liege, auf der man ebenso las, aß und Gäste empfing. Über viele Jahrhunderte war Schlaf eine ganz und gar öffentliche Angelegenheit. Die Menschen schliefen mit sämtlichen Verwandten und Bediensteten in einem Raum und vielfach auch in einem Bett. Durch den Einfluss der Kirche auf die Menschen wurde die Freizügigkeit aus den Schlafzimmern verbannt. Den ganzen Körper verhüllende Nachthemden samt Schlafmütze kamen in Mode. Man sollte im Bett nichts anderes tun außer, in Maßen, zu schlafen. Da der Mensch aus dem Paradies verbannt worden war um auf Erden durch Arbeit seine große Schuld zu begleichen, galt derjenige der übermäßig schlief, als Faulpelz und Sünder. 7 Während der Industrialisierung wurden Maschinen erfunden, die weder Pausen noch Schlaf brauchten und rund um die Uhr arbeiten konnten. In dieser Zeit sah man das Bedürfnis des Menschen zu schlafen als Makel und überflüssigen Störfaktor an, der den Produktionsprozess unnötig lähmte. Auch bis heute betrachten viele Leute den Schlaf als ein notwendiges Übel, das man auf ein Minimum beschränken sollte. Erst langsam zeigt uns die Schlafforschung, dass der Mensch nur mit ausreichend gesundem Schlaf kreativ und leistungsfähig ist und bleiben kann. 3.3. Schlafarchitektur Der physiologische Schlaf kann mittels Polysomnografie objektiv gemessen werden und lässt sich in folgende Stadien einteilen: Stadium I: Stadium II: • Übergang zwischen Wachen und Schlafen • der Schlafende kann durch leichte Reize geweckt werden • Leichtschlaf • eigentlicher Schlafbeginn • nimmt mehr als die Hälfte der Schlafzeit ein und ist deshalb ein wichtiges Stadium Stadium III: • Beginn des Tiefschlafs • besonderes Kennzeichen ist die herabgesetzte Muskelspannung Stadium IV: Stadium V: • Tiefschlafphase • der Schlafende ist nur schwer zu wecken • Schmerzempfindung ist herabgesetzt • REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) • es kommt zu schnellen Augenbewegungen • die Muskelspannung ist völlig herabgesetzt (schnelles Aufwachen in dieser Phase kann von dem kurz dauernden, sehr unangenehmen Gefühl des »Sich-nicht-bewegenKönnens« begleitet sein)[1] • es treten vermehrt emotional betonte Träume auf • dient der Festigung von Gedächtnisinhalten 8 Im Schlaf durchlaufen wir die verschiedenen Schlafstadien in zyklischer Abfolge. Der Nachtschlaf besteht durchschnittlich aus 4 bis 5 Zyklen, ein Zyklus dauert ca. 90 Minuten. In der ersten Nachthälfte weist er vor allem Tiefschlafphasen auf, während gegen Morgen die REM-Schlafepisoden immer länger werden. Abb. 1 Abfolge der Schlafstadien während des Schlafs (Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/) Die normale Schlafarchitektur folgt diesen physiologischen Regeln und Rhythmen, was wichtig für einen erholsamen Schlaf ist. Ein weiteres Erfordernis für erholsamen Schlaf ist ca. zwei Stunden Delta- und REM-Schlaf, unabhängig davon wie lange der gesamte Schlaf dauert. Kurze Wachperioden sind normal, treten oft vor oder nach der REMPhase auf und stehen häufig mit Lagewechseln im Zusammenhang. Meist kann man sich nicht daran erinnern, es sei denn, sie waren sehr lang, man ist aufgestanden oder aus einem besonders interessanten Traum oder Angsttraum erwacht. Dieses Phänomen rührt wohl noch aus der Urzeit, wo der Mensch während des Schlafs immer wieder kurz prüfte, ob die „Luft rein“ ist, um im positiven Fall einfach weiter zu schlafen. Heute leiden ca. 30% der Erwachsenen in Industrie und Post-Industrie-Ländern unter Schlafstörungen, was auf die Störanfälligkeit dieses Systems zurückzuführen ist. Es drohen von außen zwar keine echten „Gefahren“ mehr, aber wer aufwacht und dabei sofort an alle Sorgen des Tages denkt, ist hellwach und kann nur schwer wieder einschlafen. 9 3.3.1. Elektroenzephalographie - EEG Das EEG ermöglicht eine Beurteilung des aktuellen Zustandes der Hirnfunktion. Die Potentialgeneratoren des EEG liegen in der Hirnrinde und werden durch neuronale Interaktionen auf kortikaler und subkortikaler Ebene beeinflusst. Da die Amplituden des EEG-Signals im Mikrovolt-Bereich liegen, ist die Ableitung sehr störanfällig. Bei der Untersuchung der Frequenzbereiche eines EEGs beim Menschen findet man fünf verschiedene Formen von Gehirnaktivitäten: • α-Aktivität = 8-13 Hz • β-Aktivität = größer als 13 Hz • Spindeln = 11-15 Hz • Theta-Aktivität = 4-7 Hz • Delta (δ)-Aktivität = weniger als 4 Hz Abb. 2 EEG-Frequenwellen des Menschen (Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/) 10 Im Bezug auf Schlaf kann man fünf Stadien unterscheiden, wobei der Wachzustand sich durch α-Wellen auszeichnet (8-13 Hz) und Schlaf im physiologischen Sinne erst vorhanden ist, wenn keine α-Wellen mehr auftreten: 1. Übergang vom Wachen zum Schlafen: • keine kontinuierlichen α-Wellen (8-13 Hz) mehr, sie erscheinen zunehmend gruppiert 2. Einschlafstadium: • niedrigamplitudige flache β-Wellen-Aktivität (über 13 Hz) und Theta-Wellen (4-7 Hz) • gegen Ende dieser Phase zeigen sich Vertexzacken, welche psychophysiologisch den Einschlafmoment darstellen 3. Leichter Schlaf: • niedrigamplitudige Wellen von 12-17 Hz sowie KKomplexe und Spindelgruppen (11-15 Hz) 4. Mitteltiefer Schlaf: • gelegentlich Spindeln mit unregelmäßig auftauchenden hohen Wellen von 0,5-3 Hz und 300 µV (DeltaWellen) 5. Tiefschlafstadium: • langsame Delta-Aktivität von 0,5-4 Hz • in dieser Phase sind fast ausschließlich Delta-Wellen zu beobachten 11 3.4. Schlafsteuerung / Tag-und-Nacht-Rhythmus Der Tag-und-Nacht-Rhythmus (zirkadianer Rhythmus) ist ein biologischer Rhythmus und benennt die endogenen (inneren) Rhythmen, die eine Periodenlänge von ca. 24 Stunden haben. Diesen Rhythmen unterliegen, physiologisch aufeinander abgestimmt, praktisch alle Körperfunktionen. Sie definieren einen permanenten Wechsel zwischen Leistungsbereitschaft am Tage und Erholungsbereitschaft in der Nacht. Generiert wird der Tag-und-Nacht-Rhythmus mit Hilfe des Nucleus suprachiasmaticus (SCN), einem Bestandteil des Hypothalamus, der über der Kreuzung der Sehnerven liegt. Er verfügt über eine nervale Verbindung zur Zirbeldrüse (Epiphyse) und reguliert auf diese Art die Melatoninausschüttung. Über Afferenzen aus der Retina, und somit dem Erkennen von Hell und Dunkel, wird seine Funktion gesteuert. Während des Schlafs kommt es zu einem komplexen Zusammenspiel von verschiedenen Hirnzentren, deren Aktivität sich abhängig vom Wachheitsgrad oder Schlafphase periodisch ändert: • Hirnstamm o Pons und Mittelhirn mit dem Neurotransmitter Acetylcholin o Locus coeruleus mit dem Neurotransmitter Noradrenalin o Raphe-Kerne mit dem Neurotransmitter Serotonin • Hypothalamus o Nucleus suprachiasmaticus • Thalamus o “unspezifische“ Kerne. Durch die jahreszeitlich wechselnden Tageslängen ist eine ständige Resynchronisation der Inneren Uhr notwendig, welche täglich durchgeführt wird. Durch einen raschen Wechsel der geographischen Lage, z.B. bei einem Transatlantikflug, kann es durch anfänglich fehlende Übereinstimmung (zu langsame Resynchronisation) zum bekannten Jetlag kommen. 12 Der Tag- und-Nacht-Rhythmus wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Interne Einflussfaktoren / Zeitgeber: • Melatonin (siehe Abschnitt 3.5.1.) • Periodenlänge der inneren Uhr o man geht davon aus, dass sie grundsätzlich genetisch bedingt ist o lässt die Bevölkerung in zwei Hauptkategorien unterscheiden: zum einen die „Eulen“, sie gehen gerne spät zu Bett und schlafen länger, während die „Lerchen“ früh zu Bett gehen und früh aufstehen. o wird beeinflusst durch: - das Alter des Organismus (Bei Babys z. B. wechseln sich periodisch viele kurze Aktivitäts- und Schlafphasen ab. Die Rhythmik von Kleinkindern und Erwachsenen wird zunehmend vom zircadianen System gesteuert. Mit zunehmendem Alter nimmt die Periodenlänge der inneren Uhr dann wieder ab.) - spezielle Signale, die das Schlafbedürfnis steuern (Z. B. die Körpertemperatur, die während des Tages deutlich höher ist als in der Nacht. Im niedrigen Bereich ist die Schlafbereitschaft am höchsten, gegen Morgen steigt die Körpertemperatur wieder an, die Schlafbereitschaft nimmt ab und man wacht wieder auf.) - Manipulation (Z. B. mittels Drogen, Hormonen, Medikamenten, Rausch- und Genussmittel oder Veränderung der Umwelt (künstliches Licht). Externe Einflussfaktoren / Zeitgeber: • der natürliche Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit, von Tag- und Nachtphasen (Tageslicht von mindestens 2500 Lux[2]) • das Bewusstsein der Uhrzeit • regelmäßige Mahlzeiten • soziale Kontakte und tägliche Aktivitäten (Schlaf als tägliches Ritual) • soziale Reize (z.B. Wecker) 13 3.5. Hormone regulieren den Schlaf und den Stoffwechsel 3.5.1. Melatonin Melatonin ist ein Hormon, das vermehrt nachts von der Epiphyse gebildet und bei Dunkelheit freigesetzt wird. Seine maximale Serumkonzentration wird gegen drei Uhr morgens erreicht. Die Produktion von Melatonin zeigt einen klaren Jahresrhythmus. Je länger es draußen hell ist, umso weniger Melatonin zirkuliert im Blut. Im Winter, wenn es länger dunkel ist, produziert die Epiphyse länger Melatonin, so dass sich mehr im Blut anreichern kann. Melatonin senkt die Aktivität, bremst und macht müde. Abb. 3 Steuerung der Melatoninsekretion (Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm) 14 Interaktionen: • Körpertemperatur: o je niedriger die Körpertemperatur eines Menschen ist, umso mehr Melatonin wird produziert. Nimmt man künstlich Melatonin ein, sinkt die Körpertemperatur. • Neurotransmitter: o Serotonin, welches als "Glückshormon" allgemein unsere Gemütsverfassung beeinflusst und dessen Produktion als Gegenspieler des Melatonin vom Tageslicht gefördert wird o Die Beta-Endorphin Konzentration im Blutplasma wird durch Einnahme von Melatonin gesenkt, wodurch uns kalt wird und sich unsere Stimmung verschlechtert. Psychische Faktoren haben Einfluss auf die gebildete Melatoninmenge, so nimmt z. B. unter Stress das Melatonin zu und das Immunsystem arbeitet nicht mehr mit voller Kraft. Eine Störung des Melatoninhaushaltes und damit verbundene Schlafstörungen zeigen sich bei Schichtarbeit und Fernreisen. Über die Lebensspanne verändert sich die natürliche Melatonin-Konzentration im Blut. Zu Beginn des Lebens haben wir zunächst einen niedrigen, dann einen höheren Melatoninspiegel. Im Kindergarten-Alter schüttet die Epiphyse nachts weniger Melatonin aus und ab Schulbeginn wieder mehr. Die höchsten Werte der Melatonin-Konzentration werden am Ende der Pubertät erreicht und fallen dann wieder ab. Im Alter verschiebt sich der Zeitpunkt an dem die Epiphyse mit der Melatoninproduktion beginnt in die spätere Nacht, beendet diese aber weiterhin mit Tagesbeginn, wodurch die Melatoninkonzentration im Blut weiter sinkt. Abb. 4 Melatoninproduktion in Abhängigkeit des Lebensalters (Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm) 15 Melatonin als Medikament Melatonin kann künstlich hergestellt werden, hat allerdings eine extrem kurze Halbwertzeit von 30 Min. Unter der Einnahme von Melatonin zeigen sich im EEG mehr typische Gehirnaktivitäten für entspanntes Wachsein und Einschlafen (Tetra- und Alphawellen). Als normale Dosis gelten 5 mg. Man kann aber ohne ernsthafte Gefahr weit über diese hinaus gehen, da ein Mensch ab einer Dosis von 240 mg langsamer reagiert, aber dennoch komplexere kognitive Aufgaben ähnlich gut wie sonst bewältigt. Um jüngeren Personen das Einschlafen zu erleichtern, sind höhere Dosen Melatonin notwendig als bei älteren Personen. Melatonin hat eine schlafinduzierende Wirkung, ist jedoch kein echtes Schlafmittel, das einen längeren Schlaf erzwingen würde. Es scheint zwar in einigen Fällen das Einschlafen zu erleichtern, allerdings ist dies nur zu den Zeiten möglich, in denen es natürlicherweise grade nicht vorhanden wäre: am Tag und am Abend. In der Nacht scheint es dagegen ohne Wirkung zu sein, da sich ohnehin Melatonin im Blut befindet. Bei den meisten pharmazeutischen Melatoninpräparaten konnte die mehrstündige physiologische Blutspiegelerhöhung während der Nacht nicht imitiert werden, da die einfache orale Melatoningabe wegen eines hohen First-pass-Effektes in der Leber und einer kurzen Halbwertszeit nur zu einer kurzzeitigen Erhöhung des Melatoninspiegels im Blut führt. Mögliche Begleiterscheinungen: • Hautrötungen • Bauchkrämpfe • Durchfälle • migräneartige Kopfschmerzen • visuelle Gesichtsausfälle 16 3.5.2. Prolaktin Prolaktin (auch laktotropes Hormon oder Laktotropin) ist ein Hormon, welches in den laktotropen Zellen im Hypophysenvorderlappen gebildet wird und dessen Ausschüttung durch Botenstoffe (Releasing-Hormone) aus dem Hypothalamus geregelt wird. Es hat eine Vielzahl von Funktionen, wovon die Steuerung der Milchbildung in der weiblichen Brust die bekannteste ist. Der Prolaktinspiegel ist nicht nur während der Tiefschlafphase, sondern während der gesamten Nachtruhe erhöht, selbst wenn man im Halbschlaf eher döst als wirklich schläft. Bei der geringsten Ruhestörung kommt es allerdings sofort zu einem Prolaktinabfall und damit zu einer Verschlechterung der Erholungswirkung des Schlafes. Dieses Schlafdefizit wird durch zusätzliche Prolaktinanstiege am Morgen und am Nachmittag ausgeglichen. Mit einer Störung des Prolaktinspiegels geht eine Störung des Kortisonspiegels (kann Ursache für eine Insulinresistenz sein) einher. Diese wird heute für den Altersdiabetes und das Übergewicht vieler Menschen verantwortlich gemacht. Durch die Unempfindlichkeit der Körperzellen für das Hormon Insulin steigt der Glucosespiegel im Blut. Das Pankreas erhält wiederum ein Signal dafür, noch mehr Insulin auszuscheiden. Dieses zusätzliche Insulin bewirkt, dass Zucker in der Leber zu Fettsäuren umgebaut und diese dann im Fettgewebe eingelagert werden.[3] 3.6. Funktionen des Schlafens Schlaf dient • zur Erholung, • zum Sparen von Energie, • zum Auffüllen von Energiereserven (z.B. Glykogen im Gehirn), • zur Stärkung des Immunsystems, • zur dauerhaften Speicherung von Gelerntem und Löschen von unwichtigen Informationen, • zur Speicherung von Bewältigungsstrategien, auf die der Körper in bestimmten Situationen wie Stress, Konflikten und der Abwehr von Krankheitserregern zurückgreift. "Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr" (A. Schopenhauer) 17 Während des Schlafs • verlangsamen sich Atmung und Puls und der Blutdruck fällt, • werden in den ersten Stunden verstärkt Wachstumshormone produziert (mit dem Deltaschlaf verknüpft, welcher sich auf den 1. und 2. Zyklus konzentriert (erste Nachthälfte, vor 24 Uhr), • gegen Morgen vor dem Aufwachen steigt der Spiegel des Stresshormons Kortisol, • in der Nacht sinkt die Körpertemperatur ab, was wiederum die Schlafbereitschaft erhöht, • wird das appetitzügelnde Hormon Leptin freigesetzt, wodurch der Körper in der Lage ist, ohne Schwierigkeiten über Nacht bis zu 12 Stunden ohne Nahrungsaufnahme auszukommen (im Wachzustand wird das appetitanregende Hormon Ghrelin freigesetzt); bei zu wenig Nachtschlaf wird dieses Gleichgewicht verschoben, das appetitzügelnde Leptin kann seine Wirkung nicht entfalten und zu einer Gewichtszunahme führen. Abb. 5 Auf und Ab verschiedener biologischer Rhythmen (Quelle: http://www.schlafgestoert.de/site-53.html) 18 3.7. Schlafbedürfnis Das individuelle Schlafbedürfnis eines Menschen ist sehr unterschiedlich. Ein Indiz für zu wenig Schlaf ist nicht die Morgenmüdigkeit, sondern, wenn man während ruhiger Tagesphasen sehr müde wird. Durchschnittlicher Schlafbedarf: • Neugeborenes: ca. 16 Stunden • Kleinkind: ca. 14 Stunden • Schulkind: ca. 11 Stunden • Jugendlicher: ca. 9 Stunden • Erwachsener: ca. 7 Stunden Ältere Menschen schlafen weniger tief und selten die ganze Nacht durch. Die gesamte Schlaflänge entspricht jedoch der junger Erwachsener. Die Fähigkeit, während der Wachphase Daueraufmerksamkeit auch unter monotonen Bedingungen aufrechtzuerhalten, ist deutlichen tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Am frühen Nachmittag stellt sich ein relatives Leistungstief ein, das durch erhöhte Schlafbereitschaft gekennzeichnet ist und das die Grundlage für einen kurzen, erholsamen Mittagsschlaf bilden kann. 19 4. Schlafstörungen Bei Schlafstörungen besteht eine individuelle Diskrepanz zwischen dem Schlafbedürfnis und dem Schlafvermögen. Eine hohe Stabilität des Schlafs ist der wichtigste Erholungsaspekt, denn bereits kurze Unterbrechungen in Intervallen unter 10 Minuten rufen schon nach einer einzigen Nacht messbare Defizite hervor. Schlafstörungen schmälern die Erholungsfunktion des Schlafs, was Befindensstörungen, Leistungseinschränkungen oder Krankheit zur Folge hat. 4.1. Insomnien und deren Ursachen Insomnien bezeichnen Ein- und/oder Durchschlafstörungen und sind gekennzeichnet durch: • Einschlafschwierigkeiten • häufiges Erwachen in der Nacht mit Wiedereinschlafschwierigkeiten • zu frühes Erwachen am Morgen • nicht erholsamer und zu wenig Schlaf Die Gefahr der Chronifizierung einer Insomnie besteht, wenn die auslösende Situation lange anhält bzw. sich in kurzen Intervallen oftmals wiederholt. Die Ursachen für Insomnien sind sehr vielfältig. Sie reichen von Umwelteinflüssen, über verhaltensbedingte Faktoren bis zu den so genannten intrinsischen Störungen, die genetisch bedingt sein können, oder mit erworbenen organischen oder psychischen Pathomechanismen im Zusammenhang stehen. 20 4.1.1. akute (vorübergehende) Insomnien können in vier Gruppen eingeteilt werden: 1. Psychophysiologische Insomnien (primäre Insomnien) • als Reaktion auf akute stimulierende, psychische Faktoren wie Stress, Frustration, Erwartungsspannung • durch belastende Lebensereignisse wie z.B. Berufswechsel, Hausbau, Todesfall, Krankheit, finanzielle Probleme, Prüfungen • durch psychische/psychiatrische Krankheiten wie z.B. Depressionen, Manien, Schizophrenien, Angststörungen, Essstörungen, Demenzen. 2. Situative Insomnien • als Reaktion auf äußere Störfaktoren wie Lärm, Wetter, Schichtarbeit. 3. Pharmakogene Insomnien • als Akutreaktionen auf zentralnervöse anregende Substanzen wie Genussmittel, Stimulanzien (inklusive Appetitzügler und gewisse Antidepressiva) und durch das Absetzten von Suchtmitteln • Alkohol, das "älteste Schlafmittel" der Welt o erleichtert das Einschlafen, das Durchschlafen wird jedoch erschwert o Verminderung/Unterdrückung des REM-Schlafes (Traumschlaf) in der ersten Nachthälfte o Zunahme des REM-Schlafes (REM-Rebound, unruhige Träume) in der zweiten Nachthälfte o Beeinträchtigung der Atmung im Schlaf (Häufigkeit und Dauer von Atempausen verdoppelt sich). 4. Symptomatische Insomnien (sekundäre Insomnien) • als Begleit- oder Folgeerscheinung im Rahmen somatischer und psychiatrischer Erkrankungen wie z.B. Erkrankungen der Schilddrüse, hormonelle Störungen, Herz-Kreislauf-Störungen, Nieren- und Magen-Darm-Erkrankungen, Rheuma, Schmerzen, Hirnschäden, Epilepsie, Atemwegserkrankungen, degenerative Erkrankungen (Parkinson, Demenz). 21 4.1.2. chronische Insomnien sind durch hohe Symptomkonstanz von Nacht zu Nacht gekennzeichnet, welche durch wiederholten Schlafentzug zur Sensibilisierung und damit zur Zermürbung führt. • Primär chronische Insomnien o haben keine ersichtliche Ursache (evtl. genetische Disposition). • Sekundär chronische Insomnien o Psychophysiologische und situative Insomnien neigen zur Chronifizierung, wenn die Ursachen nicht rechtzeitig behoben werden o Pharmakologische Insomnien entwickeln sich unmittelbar chronisch bei länger andauerndem, regelmäßigem Gebrauch von Hypnotika (Toleranz) o Symptomatische Insomnien führen insbesondere bei chronischen Grunderkrankungen wie z.B. Depressionen und rheumatischen Erkrankungen zur Chronifizierung. 4.2. • Weitere Arten von Schlafstörungen Hypersomnien sind Störungen mit vermehrter Tagesschläfrigkeit, z. B. bei Schlafapnoe, "Restless Legs" oder Narkolepsie. o Kennzeichen sind ungewolltes Einschlafen oder Einnicken am Tage und das Gefühl, trotz ausreichender Schlafdauer permanent schläfrig zu sein. o Sie sind häufig verbunden mit Schnarchen in der Nacht. • Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus o Kennzeichen ist das Problem, zur "normalen" Zeit schlafen zu können. o Betroffene gehen wesentlich früher oder später zu Bett, haben dann aber in der Regel keine Schlafprobleme o In einigen Fällen ist überhaupt kein vorhersagbarer Schlaf-Wach-Rhythmus auszumachen. o Ist ein häufiges Problem bei Schichtarbeit und nach Fernreisen. • Parasomnien sind während des Schlafens auftretende Auffälligkeiten wie z.B. Schlafwandeln, Sprechen im Schlaf oder Zähneknirschen. 22 4.3. Schweregrade Die Internationale Klassifikation der Schlafstörungen unterscheidet bezüglich der Dauer folgende Schweregrade: • Akute Schlafstörungen: Dauer von 4 Wochen oder weniger • Subakute Schlafstörungen: Dauer von mehr als 4 Wochen, aber weniger als 6 Monaten • Chronische Schlafstörungen: Dauer von 6 Monaten oder länger 5. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation Patienten auf der Intensivstation leiden unter vielfältigen Störungen des Schlafs, was für sie einen relevanten Stressfaktor darstellt und vermutlich zu einer Verschlechterung des Patientenoutcomes führen kann. Der Schlaf bei Patienten auf der Intensivstation ist gekennzeichnet durch kurze Schlafepisoden, die häufig unterbrochen werden und über Tag und Nacht verteilt sind. Dies führt zu Störungen, die vor allem die Quantität, die Qualität und die Kontinuität des Schlafs betreffen. Bei vielen Patienten halten die Schlafstörungen noch Tage, Wochen oder Monate nach der Behandlung auf einer Intensivstation an. Der Prozess zum Erlangen oder Wiederherstellen von Normalität und Wohlbefinden scheint also sehr langwierig. Über die Prävalenz von Schlafstörungen bei kritisch kranken Patienten liegen keine genauen Angaben vor, da eine große Kohortenstudie fehlt. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass sie sehr hoch ist. In einigen Patientenpopulationen, die aufgrund ihrer Grunderkrankung oder der operativen Intervention Intensivpflege benötigten, wurden Schlafstörungen dezidiert beschrieben. Zum Beispiel Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen oder Schlaganfällen, Patienten mit Sepsis, akutem Lungenschaden, COPD („chronic obstructive pulmonary disease“), chronischer Herzinsuffizienz oder Epilepsie. Erste Berichte über massive Schlafstörungen bezogen sich auf Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen. Diese wurden durch erneute Untersuchungen in den 1990erJahren bestätigt und zeigten das polysomnographisch gesicherte Fehlen von REMSchlaf bei verminderten Slow-wave-Tiefschlafphasen. 23 5.1. Mögliche Ursachen von Schlafstörungen auf der Intensivstation 5.1.1. Psychische und physische Einflüsse • Innere Unruhe/Anspannung o die Patienten können sich nicht von äußeren Einflüssen und Sorgen lösen, sie können sich somit nicht fallen lassen, dem Schlaf anvertrauen und die Kontrolle abgeben. • Stress o sensorische Überstimulation durch eine Vielzahl fremder Signale in einer unbekannten Umgebung o sensorische Monotonie, durch eintönige und gleichbleibende Signale. • Ängste o es fällt den Patienten schwer, sich vertrauensvoll dem Schlaf und der Fürsorge anderer zu überlassen. • gesteigerte Aufmerksamkeit/Wachsamkeit o Sorge über den eigenen Gesundheitszustand, Unruhe und Unsicherheit wird verstärkt, da die Alarme der Geräte häufig im Unklaren bleiben o neue Ereignisse werden direkt als bedrohlich und beängstigend empfunden, da die Patienten sich in einer Krisensituation befinden und ihr Leben direkt bedroht sehen. • Grübeln o die Patienten beschäftigen sich in Gedanken mit der eigenen Erkrankung, den Familienangehörigen und dem zurückliegenden Leben (sie betrachten und bilanzieren). • Sorgen o mögliche existentielle Ängste, da der Tod plötzlich so nahe gerückt scheint o Sorgen um die zurückbleibenden Angehörigen können wachsen. • Hilflosigkeit o sie sehen keine Möglichkeit, ihre Situation zu verändern oder erträglich zu gestalten (z.B. können sie ihre gewohnte Schlafposition nicht einnehmen oder ihre vertrauten Schlafrituale durchführen). 24 • Ausgeliefert sein o Konfrontation mit ständig neuen, unvorhersehbaren, zum Teil sehr beängstigenden Ereignissen, welche die Patienten nicht bestimmen oder vermeiden können und sich diesen hilflos ausgesetzt sehen o Patienten können sich in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen fühlen, da Pflegende ihre Arbeitsabläufe häufig nach eigenen Prioritäten gestalten. • Medikamente o Medikamente, die häufig Schlafprobleme als Nebenwirkung haben sind z.B. Theophyllinderivate, β-Blocker, ACE-Hemmer, Hormonpräparate, Psychopharmaka und koffeinhaltige Schmerzmittel o Pharmakologische Substanzen die in der Intensivmedizin verwendet werden und den Schlaf verändern: - Sedativa: Benzodiazepine, Clonidin, Ketamin, Halloperidol - Kardiovaskuläre wirksame Substanzen: Katecholamine, β-Blocker, Amiodaron, Aminophyllin, - Analgetika: Nichtsteroidale Antiphlogistika, Opioide - Antibiotika: Betalactam-Antibiotika, Quinolone - Sonstige: Carbamazepine, Phenytoin, Trizyklische Antidepressiva, Ciclosporin, Serotoninwiederaufnahme-Hemmer[4] o Opioide verkürzen den langwelligen und den REM-Schlaf o Katecholamine können die Propofol-induzierte Sedierungstiefe verstärken (deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch sie die Wiederherstellung des Schlafs beeinflussen)[5]. • Entzug (z.B. von Opiaten, nach Langzeitsedierung) o nach Absetzen der intravenösen Sedierung und Analgesie kann ein Entzugssyndrom mit möglichen Agitiertheitsperioden auftreten. • Schmerzen o Schmerz kann Schlafstörungen erzeugen o nach 40-stündigem-Schlafentzug ist die mechanische Schmerzschwelle um 8% reduziert[4]. • Durst 25 • maschinelle Beatmung (CPAP Beatmung) o mangelnde Synchronisierung mit dem Beatmungsgerat und die Art der mechanischen Beatmung, insbesondere Beatmung mit positivem Atemwegsdruck führen zu: - einer erheblichen Veränderung des Wechsel der Schlafphasen und der Organisation der Schlafarchitektur - häufigen Wachphasen[5]. • die Erkrankung selbst o operative Intervention - die Schlafarchitektur kann nach operativen Eingriffen stark gestört sein (massiver Verlust des REM-Schlafes sowie der Schlafstadien 3 und 4 und vermehrte Wachphasen in den ersten postoperativen Nächten)[4] o Inflammation - im Rahmen der Aktivierung immunologischer Prozesse einer systemischen Inflammation reagiert das Schlaf-Wach-Verhalten sehr sensibel - durch die über periphere Monozyten freigesetzten proinflammatorischen Zytokine werden initial die REM-Schlafphasen unter Zunahme des Stadiums 2 (Non-REM-Schlaf) unterdrückt - es scheint, dass je grösser die Freisetzung der Zytokine, desto massiver die Veränderungen der Schlafstadien[4]. • erzwungener Verlust der körperlichen Aktivität 5.1.2. Äußere Einflüsse • permanente Lichtexposition • Lärm o permanente Geräuschexposition z.B. durch Monitore, Ventilatoren und Pumpen (insbesondere deren Alarme), klingelnde Telefone, Unterhaltung des Pflegepersonals, Klimaanlagen o lang anhaltende Alarme und häufige Fehlalarme stellen insbesondere ein Problem dar 26 o auf einer Intensivstation wurden Spitzenwerte von 75 dB gemessen (entspricht dem Lärmpegel in einem geschäftigen Restaurant)[4]. • Ruhelosigkeit o allgemeine Hektik, Unruhe und eventuell ein angespanntes Arbeitsklima auf der Intensivstation, welche auch teilweise bei der pflegerischen Versorgung zu spüren ist. • häufige Pflege- und Behandlungsmaßnahmen und Untersuchungen o viele Aktivitäten, die auch nachts durchgeführt werden[5]. • Kontrollrhythmus/Überwachungsmaßnahmen o an die Stelle der gewohnten Zeiteinteilung tritt der unbekannte, starr wirkende, stündliche Rhythmus der Behandlung und Überwachung o er nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Patienten und unterbricht ständig Schlaf- und Ruhephasen. • fehlende Orientierungshilfen (Uhren und Kalender) • fehlende Tagesstruktur o die gewohnte Tagesstruktur der Patienten geht verloren, da auf der Intensivstation kaum alltägliche und vertraute Situationen vorkommen o wichtigen Strukturelementen, wie dem Rhythmus zwischen Schlafen und Wachen oder an bestimmte Tageszeiten gebundene Aktivitäten wie dem Essen, wird nur unzureichend oder durch künstlichen Ersatz begegnet. • fehlende Ankerpunkte (Orientierungspunkte zum Einschätzen der Zeit) o da der Arbeitsrhythmus der verschiedenen Pflegepersonen unterschiedlich ist, erleben die Patienten keine gleichförmigen immer wiederkehrenden Aktivitäten und somit ist für sie der Fortgang der Zeit auf der Intensivstation nur vage zu erahnen. • Fehlende Rückzugsmöglichkeit o die ständige Anwesenheit der Pflegenden und die Nähe der Mitpatienten ermöglicht ihnen kaum das Aufrechterhalten einer Privatsphäre bzw. sich auf sich selbst zu konzentrieren. 27 • Konfrontation mit anderen Patienten o allein die Geräusche, die andere Menschen produzieren beeinträchtigt die Nachtruhe o die unmittelbare Nachbarschaft eines schwerkranken Mitpatienten führt durch nächtliche Ruhestörungen, infolge pflegerischer und ärztlicher Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem erhöhten Pflegebedarf zu erheblichen Störungen der Nachtruhe[6]. • 5.2. ungewohnte/unbequeme Lagerung Symptome Bei Schlafstörungen kommt es zur Störung der Kontinuität der Schlafzyklen und zur Veränderung der verschiedenen Schlafstadien. Dies hat zur Folge, dass die an Schlafstadien gebundenen Änderungen von Muskeltonus, Atmung, Herzschlag, Blutdruck, Blutfluss, Körperkerntemperatur, Hormonen und des Stoffwechsels beeinflusst werden. 5.2.1. Physische Symptome: • unregelmäßiger Herzschlag und Atmung • verminderter hypoxischer Atemantrieb[4] (könnte bei kritisch kranken Patienten die „Weaning-Dauer“ verlängern) • erniedrigter Blutdruck • geschwächtes Immunsystem (z.B. Gefahr der Septikämie und Veränderung der Leukozyten im peripheren Blut)[5] • Störung des Kohlenhydratstoffwechsels und Anstieg der GlukoseKonzentration im Blut • erhöhtes Risiko für Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen • Störung der Schilddrüsenhormonausschüttung • erhöhte Reaktionszeit und verminderte Reaktionsgenauigkeit • verminderte Körpertemperatur, Frieren • erheblich erniedrigte Schmerzschwelle • Gefühlsstörungen in Armen und Beinen mit Tremor, Muskelschmerzen • Sehstörungen wie z.B. doppelt sehen, Schwierigkeiten Gegenstände zu fixieren, die Umgebung genau wahrzunehmen und zu lesen. 28 5.2.2. Psychische Symptome: • Tagmüdigkeit • Abends vorzeitiger Energieverlust • Abnahme von Spontanaktivitäten, Antriebslosigkeit • Beeinträchtigung der Wahrnehmung (Orientierungsstörungen, Desorientierung, Halluzinationen) • Verlust der zeitlichen Orientierung bzw. Erleben von pathologisch abgewandelter Zeitwahrnehmung (z.B. geschrumpfte oder gedehnte Zeitwahrnehmung) • verminderter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit • Gedächtnisstörungen (Gedächtnislücken oder -verlust) • leichter Rausch und enthemmende Wirkung • Nervosität mit eventueller Agitiertheit, verminderter Stresstoleranz, erhöhter Reizbarkeit • verminderten Genussfähigkeit • Depressivität mit dem Gefühl, dies „nicht mehr lange durchstehen zu können“, Angst vor körperlichem oder psychischem Zusammenbruch, Suizidgedanken 29 6. Diagnostik Für den Erfolg einer Therapie ist es wichtig, dass im Vorfeld eine gründliche Diagnostik erfolgt. Durch Untersuchung und Befragung kann ermittelt werden, welche Art von Schlafstörung vorliegt und welche Ursachen eine Rolle spielen. Diagnostische Verfahren • Fragebögen • Schlafprotokolle bzw. Schlaftagebücher • Schlaflabore o "kardiorespiratorische Polysomnographie" (Goldstandard) • Apparative Messungen o Polygrafie - Screening schlafbezogener Atmungsstörungen o Aktigraphie o Quisi® - ambulante Schlafprofilanalyse • Schlafambulanz bzw. Schlafsprechstunde • Selbsthilfegruppen Durch die Schwere der Krankheit und Mehrfachmedikation bei kritisch kranken Patienten, sind die Bedingungen der Diagnostik auf der Intensivstation erheblich erschwert. Medizinische Geräte können die apparative Diagnostik durch störende Artefakten behindern und durch notwendige diagnostische oder therapeutische Maßnahmen besteht ein erhöhtes Risiko für die Diskonnektion der Elekroden. 30 7. Therapie Zunächst sollte der Patient nach sorgfältig erstellter Diagnose über die Zusammenhänge aufgeklärt werden. Anschließend muss ein Therapiekonzept erstellt werden, in dem therapeutische Prioritäten erwogen und mit dem Patienten besprochen werden. 7.2.1. Nichtmedikamentöse Therapien Die nichtmedikamentösen Therapien verfolgen das Ziel, die Schlafstörung aufrechterhaltenden und/oder auslösenden Faktoren dauerhaft zu beseitigen. Als Alternative zur medikamentösen Therapie stellt sie eine "Hilfe zur Selbsthilfe" dar, indem der Betroffene zum Experten in eigener Sache wird und aktiv auf seine Störung einwirken kann. Sie können als Zusatzbehandlung, insbesondere bei Schlafstörungen, die durch organische oder psychiatrische Erkrankungen verursacht werden und um das Ausschleichen von Schlafmitteln zur unterstützen, von Nutzen sein. Diese Therapien sind zeitaufwändig und verlangen vom Patienten eine aktive Mitarbeit und Durchhaltevermögen, da sich der Therapieeffekt erst nach mehreren Wochen einstellt. In der Anfangsphase kann es als »Nebenwirkung« zur Zunahme der Tagessymptomatik mit Müdigkeit und Stimmungsschwankungen kommen, was eine gewisse Zeit ertragen werden muss. Auch müssen eventuell »liebgewonnene« Gewohnheiten verändert oder auf sie verzichtet werden. Der Vorteil der Therapien ist, dass die erreichten Effekte weit über den eigentlichen Behandlungszeitraum hinaus Bestand haben. Das Anstreben einer geduldigen und entspannten inneren Einstellung bezeichnet einen Grundsatz der nichtmedikamentösen Therapien. Schlaf kann man nicht erzwingen, durch zu viel Wollen wird er eher verhindert. „Der Schlaf ist wie eine Taube: streckt man die Hand ruhig nach ihr aus, setzt sie sich drauf; greift man nach ihr, fliegt sie weg.“ (Paul Dubois) 31 Auf der Intensivstation teilweise anwendbar: • Regeln der Schlafhygiene Sie zählen zu den Grundbausteinen jeder nichtmedikamentösen Therapie. Durch sie sollen Faktoren, die den Schlaf beeinträchtigen und Gewohnheiten/Umstände, die für einen gesunden Schlaf förderlich sind, aufgezeigt werden. Gerade bei leichteren Formen und noch nicht sehr lange andauernden Schlafstörungen kann durch eine konsequente Befolgung dieser Regeln oft schon eine wesentliche Verbesserung erzielt werden. o Regelmäßige Aufsteh- und Zu-Bett-geh-Zeiten einhalten: - Regelmäßigkeit ist notwendig, damit sich die biologischen Rhythmen des Körpers aufeinander abstimmen können. o Tagsüber kein Nickerchen machen: (Ausnahme: Durch einen Wecker kontrollierter 20 minütiger Schlaf). - Führt zu unverhältnismäßig starker Reduktion des Schlafdrucks. o Bettliegezeit als Richtmaß auf ca. 7 Stunden einschränken. (Schlafrestriktion): - Langes Wachliegen mit Grübeln und Verärgerung über die Schlaflosigkeit, führt zu verhängnisvollen »Lernprozessen«. - Vermeidung von schlaffremden Aktivitäten wie z.B. Fernsehen und Essen im Bett. o Drei Stunden vor dem Zu-Bett-gehen keinen Alkohol trinken: - Alkohol verbessert zwar das Einschlafen, beeinträchtigt jedoch gravierend die Schlafqualität und führt gerade in der zweiten Nachthälfte oft zu Durchschlafproblemen. o 4-8 Stunden vor dem Zubettgehen keine koffeinhaltigen Getränke mehr trinken: - Die schlafschädigende Wirkung kann 8-14 Stunden anhalten. o Nach 19 Uhr abends nicht rauchen oder das Rauchen ganz aufgeben: - Insbesondere die Wechselwirkung aus Nikotin und Alkohol wirkt schlafstörend - Langfristig wird der Schlaf durch die vom Rauchen eingeschränkte Funktion der Lunge beeinträchtigt. 32 o Drei Stunden vor dem Zubettgehen keine größeren Mengen an Essen und/oder Getränken zu sich nehmen: - Ein voller Bauch bzw. eine volle Blase ist dem Schlaf nicht zuträglich. - Ein kleiner Snack vor dem Zu-Bett-gehen (z.B. Milch mit Honig oder eine Banane als »Betthupferl«) kann aber hilfreich sein, denn sie enthalten L-Tryptophan, ein Stoff, der im Gehirn eine Rolle bei der Schlafregulation spielt. o Körperliche Überanstrengung nach 18 Uhr vermeiden: - Anregung unseres sympathischen Nervensystems (ist für Aktivität und Stress zuständig) benötigt mehrere Stunden um wieder abzuflauen. - Umgekehrt können Menschen, die tagsüber kaum einer körperlichen Betätigung nachgehen, durch regelmäßiges körperliches Training, ihren Schlaf verbessern (gilt besonders für ältere Menschen). o Schlafumgebung angenehm und schlaffördernd gestalten: - Den Schlafraum adäquat in Bezug auf Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Lärm, Lichteinfall und Vibrationen gestalten. - Das Schlafzimmer sollte nur zum Schlafen dienen und nicht gleichzeitig z. B. als Arbeitszimmer verwendet werden. - Das Bett sollte bequem sein. o Zwischen Alltag und Zu-Bett-gehen eine »Pufferzone« schaffen: - Zwei Stunden vor dem Zubettgehen sollten Aktivitäten wie z. B. die Planung für den kommenden Tag, Arbeit und anstrengende Gespräche abgeschlossen und der Rest der Zeit der Erholung gewidmet sein. - Wenn Aufgaben des nächsten Tages, Sorgen und Grübeleien nicht loslassen, ist es oft hilfreich diese rechtzeitig am Abend z. B. in einem Tagebuch aufzuschreiben und abzulegen. 33 o Regelmäßiges persönliches Zu-Bett-geh-Ritual: - Eine Reihe regelmäßiger, in gleicher Abfolge durchgeführter Handlungen (z. B. Kontrolle ob Haustür verschlossen ist, Licht in anderen Räumen löschen, Umziehen für die Nacht, Heizung abdrehen, Zähne putzen) kann helfen, den Körper bereits im Vorfeld auf die Schlafenszeit einzustimmen. - Es sollte nicht länger als 30 Minuten dauern. o Nichts essen, wenn man nachts aufwacht: - Regelmäßiges Essen in der Nacht führt innerhalb kurzer Zeit dazu, dass der Körper von selber nachts wach wird, weil er erwartet "gefüttert" zu werden. o Kein helles Licht machen, wenn man nachts wach wird und aufstehen muss: - Es wirkt als "Wachmacher" und kann die "innere Uhr" verstellen. o Nachts nicht auf die Uhr gucken: - Löst gedankliche und körperliche Reaktionen (Anspannung, Erregung) aus und raubt den letzten Rest an Unbefangenheit gegenüber dem Schlaf. o Nach dem Aufstehen am Morgen ca. 30 Minuten lang dem Tageslicht aussetzen: - Hilft den Schlaf-Wach-Rhythmus zu stabilisieren und hat eine stimmungsaufhellende Wirkung. Angenehme Abendaktivitäten sind wichtig, weil nicht nur der Schlaf den folgenden Tag bestimmt, sondern auch der Tag die kommende Nacht. Nur ein aktiv gestaltetes Wachleben mit Arbeit, Hobbys und Interessen kann zu einem erholsamen Schlaf beitragen. 34 • Entspannungstechniken: Da bei vielen Patienten ein erhöhtes (körperliches und/oder geistiges) Erregungsniveau zur Aufrechterhaltung der Schlafstörung beiträgt, kann man sagen das »ohne Entspannung kein Schlaf« möglich ist. Entspannungstechniken wie z. B. Autogenes Training und die Progressive Muskelrelaxation nach Jakobsen fördern den Schlaf nur indirekt indem sie dem Patienten helfen besser mit den Symptomen der Schlafstörung in der Nacht umgehen zu können. Eine Grundvoraussetzung ist tägliches Üben über mehrere Wochen und Monate, um die Technik zu erlernen und in kritischen Situationen erfolgreich einsetzen zu können. Dieser Umstand erschwert vielen Patienten den Zugang zu diesen Therapien. Weitere nichtmedikamentöse Therapien: • Informationsvermittlung – Schlafedukation • Schlafrestriktion und Schlafkompression oder „Weniger ist Mehr“ • Stimulus-Kontrolle oder: "Das Bett ist nur zum Schlafen da...." • Kognitive Therapie - „Anders denken lernen“ • Psychotherapien: o Verhaltenstherapie o Psychoanalyse o Gesprächstherapie[7]. 35 5.4.2. Medikamente gegen Schlaflosigkeit Schlafmittel sind sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt den Teufelskreis rund um schlechten Schlaf und der Angst davor zu durchbrechen. Bei Patienten, die erheblich unter ihrer Schlafstörung leiden und dringend einer Entlastung durch Verbesserung des Schlafes bedürfen oder bei akuten Schlafstörungen die erst kurze Zeit andauernden (z.B. als Folge eines Stressfaktors in Beruf, Familie oder durch Krankheit) kann sie ebenfalls angebracht sein. Da durch sie kein physiologischer Schlaf herbeigeführt werden kann sollten sie nur zur Überbrückung, dabei so kurz wie möglich und so niedrig dosiert wie möglich, eingesetzt werden. Wird das Medikament abgesetzt, sollte dieses nie abrupt geschehen und immer von nichtmedikamentösen Maßnahmen begleitet werden. In diesem Fall ist die Gefahr, dass eine im Krankenhaus begonnene medikamentöse Behandlung langfristig weitergeführt wird, nicht zu unterschätzen. Auf der Intensivstation angewandte Substanzen zur Schlafinduktion: • Benzodiazepine o z.B. Lormetazepam, Flurazepam (Staurodorm®), Triazolam (Halcion®) o Schlafmittel der ersten Wahl o es gibt kurz- und langwirksame Benzodiazepine o günstiges Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkung o bewirken im Gehirn, dass Hemm-Mechanismen in ihrer Wirkung verstärkt werden (wichtigste bremsende Substanz ist die sog. Gamma-AminoButtersäure (GABA), Benzodiazepine verstärken die Wirkung von GABA) o Wirkungen: sedierend, hypnotisch, amnestisch, muskelrelaxierend, anxiolytisch, antikonvulsiv, antiaggressiv. o Nebenwirkungen: - Verminderung des Tiefschlafes, teilweise auch des REM-Schlafes - muskelentspannende Wirkung (erhöhte Sturzgefahr in der Nacht) - Atemsuppression (cave: bei Schlafapnoe, Lungenerkrankungen) - Toleranzentwicklung, Abhängigkeits- und Suchtgefahr bereits nach drei Wochen möglich (cave: bei Suchterkrankung in der Anamnese) - mögliche Reboundinsomnie (Absetzinsomnie) mit häufig verstärkt auftretender Schlafstörung, bei abruptem oder zu schnellem Absetzen - paradoxe Reaktion möglich. 36 • Benzodiazepinrezeptoragonisten o z. B. Zopiclon, Zolpidem (Stilnox®), Zaloplon o ideales Mittel zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen o kurzwirksam o wirken im Nervensystem am gleichen Wirkungsort wie Benzodiazepine o Wirkungen: sedierend, hypnotisch (Haupteffekt liegt auf der schlafanstoßenden Komponente), muskelrelaxierend, anxiolytisch, antikonvulsiv, antiaggressiv o Gewöhnungseffekte und Gefahr einer Abhängigkeit sollen wesentlich geringer ausgeprägt sein als bei Benzodiazepinen. • Propofol (Disoprivan®) o kurz wirksam, rascher Wirkungseintritt o Wirkung: beruhigend, entspannend, euphorisierend, sexuell enthemmend und aphrodisierend o Nebenwirkungen: Bradykardie, Hypotension, Apnoe, Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen nach dem Erwachen o wahrscheinlich keine körperliche, aber psychische Abhängigkeit o für die Nutzung von Propofol zur Verbesserung des Schlafes bei kritisch kranken Patienten gibt es keine polysomnographische Untersuchung. • Alpha2-Adrenozeptoragonisten o z.B. Clonidin o bewirkt eine Senkung des Sympathikotonus o Wirkungen: analgosedativ, anxiolytisch und antihypertensiv o Nebenwirkungen: bradykarde Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall, Hemmung der gastrointestinalen Motilität o Indikation: Basissedierung (insbesondere bei hypertensiven Intensivpatienten), Therapie sympathikoadrenerg-stimulierter und paradoxer Aufwachreaktionen, Prophylaxe und Behandlung von Entzugssyndromen nach Langzeitanalgosedierung oder bei vorbestehendem Alkoholabusus, Reduktion des postoperativen Shiverings o eine adjuvante Therapie kann eine Dosisreduktion von Sedativa und Analgetika induzieren und damit deren Nebenwirkungen reduzieren. 37 • Antidepressiva o z. B. Trimipramin (Stangyl®), Doxepin, Amitriptylin o Mittel der Wahl bei Schlafstörungen, die durch Depression hervorgerufen werden als auch bei solchen, bei denen es im Laufe der Zeit zu einer ausgeprägten ängstlich-depressiven Begleitsymptomatik gekommen ist o da Patienten auf der Intensivstation häufig unter Angstzuständen und Depressionen leiden wird der Gebrauch von Antidepressiva immer wieder auch für kritisch kranke Patienten erwogen o Wirkungen: depressionslösend, stimmungsaufhellend, beruhigend- dämpfend, aktivierend, antriebssteigernd, antriebsdämpfend o Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Sehstörungen, Verstopfung, Blutdrucksenkung, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheitszustände, Gewichtszunahme, Libido- und Potenzverlust, Leberfunktionsstörungen o Vorteile: geringeres Abhängigkeitspotential, keine Muskelrelaxation, können das Ausschleichen eines Benzodiazepins unterstützen o Nachteile: langwirksame Mittel, geringere schlafanstoßende Wirkung, viele Nebenwirkungen, Möglichkeit der Gewöhnung bzw. Toleranzentwicklung, Unterdrückung bzw. Verminderung des Traumschlafs (REM-Schlaf) mit Ausnahme von Trimipramin (Stangyl®). Weitere Substanzen die Schlaf induzieren können: • Neuroleptika o z. B. Melperon, Pipamperon, Levomepromazin • Antihistaminika o z. B. Diphenhydramin (Vivinox®), Doxylamin (Hoggar® N) • Alkoholderivate o z. B. Chloralhydrat (Chloraldurat®) • pflanzliche Präparate o z. B. Baldrian, Hopfen, Melisse • endogene Substanzen o z. B. L-Tryptophan (L-Tryptophan®), Melatonin • Barbiturate o z. B. Lepinal®, Luminal®, Luminaletten®, Phenaemal®. 38 5.4.3. Pflegerische Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität von Intensivpatienten Dem interdisziplinären Behandlungsteam der Intensivpatienten müssen die möglichen Ursachen und die Relevanz von Schlafstörungen auf der Intensivstation bewusst sein, damit diese gezielt vermieden und abgestellt werden können. Um eine gezielte Schlafverbesserung von Intensivpatienten zu erreichen ist eine Strategie erforderlich, die Faktoren wie minimale Umgebungsreize, optimaler Beatmungsmodus, Anwendung von schlaffördernden Sedativa und ein Vertrauens- und Sicherheitsgefühl des Patienten umfasst. Die Ermöglichung schneller Interventionen und die gleichzeitige Gewährleistung des Patientenkomforts - zu dem auch die Erhaltung des Schlafs gehört - lassen sich nur schwer miteinander vereinbaren. Dennoch sollte alles unternommen werden, um einen guten Kompromiss zwischen Sicherheit und Ruhe der Patienten zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen sind folgende Maßnahmen notwendig: • umfassende Information über den Patienten: o um individuelle Bedürfnisse erkennen zu können o mittels detaillierter Pflegeanamnese inklusive üblichem Tagesrhythmus und Einschlafritualen erheben - z. B. Schlafposition, Schlafzeiten und -dauer, Kleidung (Socken, warme oder leichte Kleidung), komplett abgedunkelter Raum oder Nachtlicht, geschlossene oder angelehnte Tür, gibt es störende oder beruhigende Geräusche, Einschlafrituale (Zähneputzen, Hände waschen, Lesen, Radio hören, kleiner Imbiss, Beten)[8] • umfassende Information des Patienten: o z. B. über pflegerische Tätigkeiten, medizinische Maßnahmen und Behandlungen, Tagesabläufe, -struktur, medizinische Geräte, mögliche Alarme, Kontrollrhythmus/Überwachungsmaßnahmen, usw. o damit sie sich mit einbezogen und ernstgenommen fühlen o um innere Unruhe, Stress und Ängste abzubauen und Sicherheit zu geben. 39 • Vertrauen schaffen: o indem man den Patienten Schutz bietet, ihre Autonomie und Privatsphäre bewahrt und sie auffängt, ohne ihnen Kontrolle über sich selbst zu nehmen o damit sie sich sicher fühlen und den Kompetenzen und der Wachsamkeit der Pflegenden vertrauen o um ihnen zu helfen ihre momentane Abhängigkeit zu akzeptieren und sich der Hilfe anderer überlassen. • Tagesstrukturplan anlegen: o diesen individuell den Bedürfnissen des Patienten anpassen, damit er für ihn sinnvoll und nachvollziehbar erscheint o darin körperliche sowie geistige Aktivitäts- und Ruhephasen planen o eindeutige Ankerpunkte einfügen, denn gleichförmige immer wiederkehrende Aktivitäten können als eindeutige Orientierungspunkte zum einschätzen der Zeit dienen o um eine zeitliche Synchronisation mit der Umwelt zu ermöglichen und so Sicherheit und Orientierung zu schaffen. • Geräuschdämpfung: o z. B. indem die Einstellung der Alarme verändert und deren Lautstärke reduziert wird, Perfusoren frühzeitig gewechselt werden und Ärzte und Pflegepersonal auf die Lautstärke ihrer Gespräche achten. • Lichtdämpfung: o indem die Beleuchtung in der Nacht verdunkelt wird o trägt zum Erhalt des Melatonin-Sekretionszyklus bei. • Beschränkung therapeutischer Maßnahmen: o indem während der Nacht nur die absolut notwendigen therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden. • Verwendung von Uhren: o kann Patienten dabei helfen, den zirkadianen Zyklus wieder wahrzunehmen. • Synchronisation mit dem Beatmungsgerät: o indem für jeden Patienten individuell die komfortabelste Beatmungsform ermittelt wird o um in der Nacht eine Erholungsphase zu ermöglichen. 40 • Rückzug ermöglichen: o z.B. durch Abschirmung mit Hilfe von Paravents. • gezielter Einsatz von Musik: o kann zur Entspannung in der Einschlafphase hilfreich sein o um die Schlafqualität von kritisch kranken Patienten zu verbessern und eine Reduktion der Schmerzen und des Sedativabedarf zu erreichen[4][5] • verbesserte Schmerzbehandlung Folgende Maßnahmen können ebenfalls hilfreich sein: • Mobilisation auf die Bettkante mit beruhigendem Fußbad • Mobilisation um das Zu-Bett-gehen neu zu beginnen • atemstimulierende Einreibung • beruhigende Einreibung/Massage mit Lotion an den Händen, Unterarmen oder Unterschenkeln • Förderung der Geborgenheit (Nestgefühl) durch Lagerungshilfsmittel entlang der Körpergrenzen • Betthimmel um Privatsphäre zu schaffen und Lichteinfall z.B. durch Monitore zu dämpfen • Förderung eines wohligen Körpergefühls durch vorgewärmte Tücher oder Socken • dem Patienten die Sicherheit vermitteln, dass jemand da ist wenn er Hilfe benötigt, indem Zeichen verabredet werden (z. B. Fingerclip abnehmen, Patientenklingel). 41 8. Fallbeispiel - Teil 2 Erste Nacht Im Rahmen der Dienstübergabe wurde mir mitgeteilt, dass das Remergil® (Mirtazapin) 30mg, welches der Patient bereits seit einigen Tagen buccal als Nachtmedikation erhielt, nicht den gewünschten beruhigenden Effekt gehabt hatte. Nach Rücksprache mit dem diensthabenden Arzt erhielt Herr I. zusätzlich eine Melatonin-Kapsel 5mg p.o. (per os), zur Unterstützung der Einschlafphase. Im Verlauf der Nacht war bei Herrn I. eine zunehmende motorische Unruhe zu beobachten. Er nestelte an der Bettdecke und den Zugängen. Die Umgebung der Intensivstation schien ihn zunehmend zu irritieren, denn er griff in die Luft und schrieb auf Nachfrage das Wort „Monteur“ auf. Durch weiteres Nachfragen erfuhr ich, dass er versuchte die Infusionshalterungen, welche an der Zimmerdecke in einer ovalen Schiene über dem Bett aufgehängt waren, zu erreichen. Er hatte Angst, dass ihm diese auf den Kopf fallen könnten und brauchte aus diesem Grund einen Monteur. Um ihn in unruhigen Phasen zu beruhigen und ihm Sicherheit zu vermitteln, blieb ich in seiner Nähe (am Bett). Ich erklärte ihm seine Situation, die Umgebung und versicherte ihm, dass die Infusionshalterungen gut befestigt seien. Im Verlauf der Nacht sah ich die Pflegeberichte, neurologische und respiratorische Verläufe der letzten drei Tage durch. Dabei stellte ich fest, dass sich die Ruhephasen in diesem Zeitraum auf ca. drei beschränkten, welche jeweils nicht länger als 60 Min. waren. Des Weiteren schien der Wechsel zwischen den verschiedenen Beatmungsmodi wahllos und unstrukturiert erfolgt zu sein. Herr I. hatte längere Phasen HF-CPAP (High-Flow - Continuous Positive Airway Pressure) geatmet und danach deutliche Erschöpfungszeichen gezeigt. Diese äußerten sich als Tachypnoe mit Atemfrequenzen von 35-40/Min., Unruhe und deutlich sichtbar angestrengter Atmung. Die BGA zeigte darunter folgende Werte: pH 7,430, pCO2 35,8mmHg, pO2 53,6mmHg, sO2 89,2%. Um eine klare Struktur zwischen Aktivitäts- und Ruhephasen zu schaffen, entwarf ich einen vorläufigen Tagesstrukturplan, welcher den Verlauf des respiratorischen Weaning mit beinhaltete. Dies sollte dazu dienen, einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus für den Patienten zu schaffen und eine Provokation von respiratorischer Erschöpfung durch zu lange HF-CPAP Phasen zu vermeiden. Anhand entsprechender Rückmeldung durch Kollegen des Tagdienstes und meinen Beobachtungen, konnte dieser täglich überarbeitet und so den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. 42 Um eine Strategie zum Erlangen der Ziele zurecht legen zu können, befragte ich den Patienten zu seinen Schlafgewohnheiten und eventuellen Einschlafritualen. Folgend holte ich mir Rat bei erfahrenen Kollegen und studierte entsprechende Literatur. Da diese Nacht für den Patienten bis auf drei kurze Phasen von jeweils ca. 45 Min. Länge, in denen er zu ruhen schien, fast schlaflos blieb, erhielt ich eine Bestätigung der Dringlichkeit meines Vorhabens. Zweite Nacht In der Übergabe zum zweiten Nachtdienst wurde mir berichtet, dass der Patient während des Tages zunehmend unruhiger geworden war, zeitlich, örtlich und situativ nicht mehr voll orientiert zu sein schien und sich den arteriellen Zugang gezogen habe. Aus diesen Gründen sei es vorübergehend notwendig gewesen ihn, nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, zu seinem Schutz an den Händen zu fixieren. Da Herr I. während des Aufenthaltes auf der Intensivstation lange Zeit Medikamente zur Sedierung erhalten hatte, war eine dadurch bedingte Entzugssymptomatik nicht auszuschließen. Nach Abwägung von Wirkung und Nebenwirkungen, war zur Dämpfung der sympathischen Hyperaktivität (emotionale Überreaktion) eine Therapie mit Paracefan® (Clonidinhydrochlorid) 1,5mg/50ml als Perfusor begonnen worden. Der Perfusor lief derzeit auf 2ml/h. Clonidin ist ein Alpha2-Adrenozeptoragonist, welches den Sympathikotonus senkt und analgosedativ, anxiolytisch und antihypertensiv wirkt. Weiter wurde mir berichtet, dass der Patient für eineinhalb Stunden in die Thekla® mobilisiert worden war. Das Patientenzimmer war bereits im Spätdienst abgedunkelt, die elektrischen Jalousien geschlossen worden. Herr I. rutschte ruhelos in seinem Bett hin und her und er zog an seinen Fixierungen. Um meine Orientierungshilfen zu unterstützen und da ich wusste, dass der Patient üblicherweise nie vor 23 Uhr schlafen ging, erhellte ich das Zimmer zunächst wieder. Herr I. sollte mich und seine Umgebung genau ansehen können. Ich stellte mich bei Herrn I. vor, nannte Uhrzeit und Datum und erklärte ihm wo er sich befand und warum er auf der Intensivstation war. Damit er die Uhrzeit selbst lesen konnte, hängte ich die Wanduhr an den Paravent, in das Blickfeld des Patienten. Im Rahmen meines Check-up stellte ich die Lautstärke der Alarme des Monitors so leise und die Alarmgrenzen so 43 hoch/niedrig wie eben möglich ein, damit der Patient so wenig wie möglich gestört wurde. Um weitere störende Geräusche durch Alarme zu vermeiden, wechselte ich während der gesamten Nacht frühzeitig alle laufenden Infusionen und Perfusorspritzen. Als nächstes erklärte ich dem Patienten, dass er nicht an seinen Zugängen und den Kabeln des Monitoring ziehen durfte. Da er kooperativ schien, löste ich die Handfixierungen um seine Eigenmobilität zu unterstützen und eine Vertrauensbasis zwischen uns zu schaffen. Um seine Sicherheit zu gewährleisten, beobachtete ich sein Verhalten während der gesamten Nacht genau. Zur Förderung seines Wohlbefindens und als persönliches Ritual vor dem Einschlafen, führte Herr I. seine Gesichts- und Mundpflege mit etwas Unterstützung, auf der Bettkannte sitzend durch. Dieses Vorgehen sollte auch die Gelegenheit bieten, das Zu-Bettgehen noch einmal neu zu beginnen. An diesem Abend verzichtete ich auf eine konventionelle Lagerung des Patienten. Herr I. verfügte bekanntlich über ausreichend Eigenmobilität, konnte ohne Probleme kleine Lagewechsel selbständig durchführen und seine Auflageflächen waren intakt. Um sich auf die rechte Seite, seine Einschlafseite, zu drehen bedurfte er keiner Hilfe. Ich bot ihm jedoch an, ihn jederzeit auf Wunsch in seinen Bewegungen und seiner Lage durch Kissen und Hilfsmittel zu unterstützen. Um ihm eine gewisse Geborgenheit, ein Nestgefühl, zu geben und ihn nicht verloren zwischen den Bettgittern liegen zu lassen, legte ich rechts und links zusammengerollte Bettdecken an die Bettränder. Die Montage von Bettgittern war auf dieser Station eine oberärztliche Anordnung und hatte bei allen Patienten zu erfolgen. An einer Infusionshalterung über dem Bett befestigte ich ein Bettlaken, sodass er als Betthimmel diente. Zuhause schlief Herr I. immer ganz abgedunkelt und sollte somit zusätzlich vor störendem Lichteinfall geschützt werden. Um dem Patienten ein warmes und wohliges Körpergefühl zu geben, wickelte ich seine kalten Füße in vorgewärmte Tücher. Da er normalerweise nachts im Bett Socken trug, hielt ich meinen Kollegen des Frühdienstes an, die Ehefrau zu bitten ein Paar mitzubringen. Auf Wunsch des Patienten gab ich ihm ein normales Steppbett als Bettdecke und stellte die Raumtemperatur auf, für ihn angenehme, 19°C ein. Herr I. atmete derzeit noch HF-CPAP mit Atemfrequenzen um 23/Min. und hatte eine periphere Sauerstoffsättigung von 98%. Zu Beginn der Nachtruhe, gegen 23.30 Uhr, verband ich den Patienten mit dem Respirator und ließ ihn BIBAP/ASB atmen, da er sich auf diese unterstützenden Beatmung gut einstellen und sich fallen lassen konnte. In 44 dem von mir entworfenen Weaningplan, war die Nacht als Ruhe- und Erholungsphase geplant. Dies sollte den Schlafkomfort verbessern und ihn Kraft schöpfen lassen. Um dem Patienten Sicherheit zu vermitteln, versicherte ich ihm, dass ich gut auf ihn achten und regelmäßig nach ihm schauen würde. Um ihn nicht unnötig zu stören, würde ich versuchen dabei so leise wie möglich zu sein und ihn so weit wie möglich in Ruhe zu lassen. Als Zeichen, dass er etwas benötigte, verabredeten wir das Lösen des Pulsoxymetrie-Clip vom Finger. Nachdem ich mich versichert hatte, dass der Patient keine Wünsche mehr hatte, bequem lag, gut Luft bekam und keine Schmerzen hatte, wünschte ich ihm eine gute Nacht. Das Licht im Zimmer und im Vorraum löschte ich und ließ die Tür zum Zimmer auf Wunsch des Patienten einen kleinen Spalt offen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich alle notwendigen pflegerischen Tätigkeiten durchgeführt, um dem Patienten eine weitestgehende Einhaltung der Nachtruhe zu ermöglichen. Die während der Nacht notwendigen Maßnahmen versuchte ich genau zu planen, mehrere miteinander zu kombinieren und so die Zahl der Störungen, so gering wie möglich zu halten. In diesem Sinne versuchte ich auch die Aktivitäten der anderen Mitarbeiter des multiprofessionellen Teams auf der Intensivstation zu koordinieren, traf z. B. entsprechende Absprachen mit den behandelnden Anästhesisten und Allgemeinchirurgen. Ergebnis Während der Nacht waren nur kurze Unterbrechungen notwendig geworden, z. B. bei der Blutabnahme zur BGA Kontrolle oder zur Verabreichung der Antibiotika. Er hatte sich einige Male zur Unterstützung eines Lagewechsels gemeldet. Insgesamt konnte er mehrere und längere Phasen schlafen und machte am nächsten Morgen einen ruhigeren und gelasseneren Eindruck. Nachdem diese Strategie in den folgenden Nächten weiter verfolgt wurde zeigten sich positive Auswirkungen. Herr I. erlangte einen relativ normalen Tag-Nacht-Rhythmus und lies sich nicht mehr so sehr durch die Aktionen auf der Intensivstation stören und irritieren. Das Konzept sah vor, eine ruhige, vertrauensvolle und angenehme Situation für den Patienten zu schaffen und ihm so die Ruhe zur Erholung zu geben. Zum Erfolg verhilft, die Beachtung der individuellen Bedürfnisse des Patienten und die Minimierung sowie Strukturierung der Maßnahmen während der Nachtruhe. 45 6. Schlussfolgerung Meine Idee war es, die Bedeutung von Schlafstörungen und Schlafmangel bei Patienten auf der Intensivstation zu verdeutlichen und Möglichkeiten zur Förderung der Schlafqualität und -quantität in dieser speziellen Umgebung aufzuzeigen. Es entstand eine komplexe Arbeit, in der neben praktischen Hinweisen zur Unterstützung des Schlafkomforts, Fakten und Zusammenhänge zwischen dem physiologischen Schlaf, Schlafstörungen und deren mögliche Auswirkung auf die physiologischen Funktionen und die Psychologie des Intensivpatienten zum Ausdruck gebracht werden. Der mit Abstand schwierigste Teil war die Recherche für diese Arbeit, da ich die Fülle von Informationen, die es zu diesem Thema gibt, auf wenige Seiten zusammenzufassen musste. Es wird verdeutlicht, dass Schlafstörungen bei Intensivpatienten ein relevanter Stressfaktor sind und möglicherweise zu einer Verschlechterung des Patientenoutcomes führen können. Um die exogenen Ursachen gezielt zu vermeiden und so eine Schlafverbesserung für Intensivpatienten zu erreichen, werden verschiedene Möglichkeiten zur bewussten Gestaltung von Schlafmöglichkeiten bzw. umwelthygienische Maßnahmen vorgestellt. Die Ausführung scheint bei Beachtung der Ursachen recht einfach. Dabei ist zu beachten, dass sie ein klares Zeitfenster für Ruhe z. B. mit Reduktion der Alarmintensität, Verdunkelungsmöglichkeit, gedämpfter Kommunikation des Personals und Adaptation der mechanischen Ventilation umfassen sollten. Weiter sollten sie individuell nach den Bedürfnissen des Patienten ausgewählt, kontinuierlich und strukturiert ausgeführt werden um das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Ich glaube, dass man mit relativ einfachen Maßnahmen, dem Patienten einen angenehmeren Schlaf ermöglichen kann und dass Schlafförderung gerade im Bereich der Intensivstation ein wichtiger Bestandteil pflegerischer Arbeit sein sollte. Es würde mich freuen, wenn diese Arbeit Pflegende anregt, ihre Pflegepraxis zu reflektieren, um so Änderungen zu bewirken und einen weiteren kleinen Schritt in Richtung ganzheitliche und individuelle Patientenversorgung zu gehen. 46 Literaturverzeichnis Verwendete Literatur [1] DocCheck Flexikon: Schlaf. http://flexikon.doccheck.com/Schlaf?q=schlaf (23.02.2010) [2] Zulley J, Knab B. Unsere Innere Uhr. Frankfurt am Main:Mabuse-Verlag, 2009: 93, 164 [3] Meyer R. Wie Hormone den Schlaf und den Stoffwechsel regulieren. Deutsches Ärzteblatt 1996; 93 Heft 18: A-1170 (30) http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&p=Schlaf&id=1375 (23.02.2010) [4] Walder B, Haase U, Rundshagen I. Schlafstörungen bei kritisch kranken Patienten. Anästhesist 2007; 56: 7-17 [5] Jean Mantz. Ansichten zu Schlaf und Schlafstörungen bei Intensivpatienten. Intensetimes. 2009; 7: 2-6 [6] Beaujean O. Erlebnisinhalte allgemeinchirurgischer Patienten auf der chirurgischen Intensivstation. 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