Angehörige von Psychosepatienten

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Angehörige von Psychosepatienten
Gesund bleiben trotz Belastung
27. Februar 2015
Anja Mackensen
Leiterin Fachstelle für Angehörige PDAG
Übersicht
• Angehöriger psychisch Kranker: Belastungen und Bedürfnisse
• Kinder psychisch kranker Eltern:
 Belastungen und Risiken
 Schutzfaktoren und Resilienz
 Psychoedukation
• Beratungsangebot der Fachstelle für Angehörige PDAG
• Fallbeispiele
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Die Rolle der Angehörigen
Einleitung
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Die Rolle der Angehörigen
Einleitung
„40% aller psychisch Kranken leben in ihren Familien!“
(Kaub, 1992)
„50 – 90 % der psychisch kranken Menschen leben unmittelbar
nach der Akutbehandlung bei ihren Angehörigen.“
(Lauber et al., 2003)
„So mancher Angehörige arbeitet – nicht unter den
Bedingungen der 40-Stunden, sondern der 168-StundenWoche – und dies ohne Bezahlung, ohne Sozialversicherungen, ohne Urlaub, ohne Supervision.“
(Koennig, 1995)
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Angehörige psychisch Kranker
Belastungen
Die Belastung Angehöriger betrifft alle Lebensbereiche:
• Zeitliche Belastung durch Betreuung
• Finanzielle Belastungen
• Informationsmangel und mangelnder Einbezug
• Unsicherheit im Umgang mit der Krankheit
• Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schuld, Trauer,
Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit
• Scham, Stigmatisierung und Diskriminierung
Isolation und Einsamkeit
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Angehörigenberatung
Häufigste Themen
• Möglichkeiten der Unterstützung des Patienten, fehlende
Handlungsmöglichkeiten der Angehörigen
• Abgrenzung, Selbstfürsorge und Hilfe in Anspruch nehmen
• realistische Erwartungen an sich und die Kranken
• Patientenverhalten / Umgang mit Symptomen




Unberechenbarkeit
Gewalt, Aggressivität
selbstverletzende und suizidale Verhaltensweisen
mangelnde Krankheitseinsicht und
Behandlungsbereitschaft
• Umgang mit Schuldgefühlen und Ängsten
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Fachstelle für Angehörige
Zahlen 2014
Die am häufigsten beratenen Gruppen von Angehörigen sind
1. Eltern(teile)
26 %
2. PartnerInnen
24 %
3. erwachsene und minderjährige Kinder 33 %
4. Geschwister
9%
26% der Fälle Diagnose den Angehörigen nicht bekannt!
Die häufigsten bekannten Diagnosen
1. Depression
32 %
2. Psychose/Schizophrenie
21 %
3. Sucht
12 %
4. Persönlichkeitsstörung
7%
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Was brauchen Angehörige?
Generelle Haltung von Fachpersonen
Es braucht oft nicht viel, damit der Kontakt mit Angehörigen
positiv verlaufen kann:
• Angehörige als Experten für genau diesen Patienten
respektieren (eine andere Sicht auf den Patienten)
• wahrnehmen, zuhören, ernst nehmen
• Not und Überforderung sehen und ansprechen
 Unterstützung anbieten
• aktive Kontaktsuche zu den Angehörigen wird sehr geschätzt
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Kinder psychisch kranker Eltern
Belastungen
Kinder aus Familien mit einem psychisch kranken Elternteil
haben ein erhöhtes Risiko für psychische Fehlentwicklungen.
Sie leiden unter
• Loyalitätskonflikten
• Schuld- und Schamgefühlen
• Sozialer Isolierung, Stigmatisierung
• „separation guilt“
• Ängsten (vor eigener Erkrankung, Verlust des Elternteils,
Gewalt)
• Parentifizierung, Hierarchieumkehr
• Informationsmangel
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Kinder psychisch kranker Eltern
Belastungen
Folgende Faktoren haben Einfluss auf das Ausmass der
Belastungen:
• Dauer und Ausprägung der elterlichen Erkrankung
• Einschränkung der Erziehungsfähigkeiten
• Beziehungsverhalten psychisch kranker Mütter
• Disharmonie auf Paarebene
• diffuse Generationsgrenzen
• Kommunikationsverbot über Erkrankung („Familiengeheimnis“)
• Fehlen von zuverlässigen/vertrauensvollen Beziehungen
• Überrepräsentation von psychosozialen Belastungen
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Kinder psychisch kranker Eltern
Beispiel Schizophrenie
Vorschulalter:
• Häufigere emotionale Symptome: vermehrt ängstlich,
zerstreut, depressiv, zurückgezogen
Schulalter:
• Aufmerksamkeitsprobleme
• Defizite in der affektiven Kontrolle: emotionale Instabilität,
Stressübererregbarkeit, leichte Reizbarkeit, Ängstlichkeit,
geringe Frustrationstoleranz
Jugendalter:
• Vermehrt kognitive Störungen
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Kinder psychisch kranker Eltern
Beispiel Schizophrenie
• Lebenszeitprävalenz für schizophrene Erkrankungen in der
Allgemeinbevölkerung : 1%
• Lebenszeitprävalenz für Kinder mit einem schizophrenen
Elternteil: 10-15%,
• Lebenszeitprävalenz für Kinder mit zwei schizophrenen
Elternteilen: 35-50%
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Kinder psychisch kranker Eltern
Resilienz
• Trotz multipler Belastungen entwickeln bei Weitem nicht alle
Kinder psychisch kranker Eltern selbst eine psychische
Störung.
• Resilienten Kindern gelingt es, relativ unbeschadet mit den
belastenden Lebensumständen umzugehen und
Bewältigungskompetenzen zu entwickeln.
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R. Magritte
Der Geist der Geometrie
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R. Magritte
Die Erfindung des Lebens
Seite 15
R. Magritte
Die symmetrische List
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R. Magritte
Die Liebenden
Seite 17
R. Magritte
Entdeckung
Seite 18
R. Magritte
Die gigantischen Tage
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R. Magritte
Luce Polare
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Kinder psychisch kranker Eltern
Protektive Faktoren
• Temperament
• Soziale Kompetenzen
• Kognitive Kompetenzen
• Positive Selbstkonzept
• Kohärenzgefühl
• emotionale Bindung an Bezugspersonen
• ausreichende alters- und entwicklungsadäquate
Information über die Erkrankung des Elternteils
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Fachstelle für Angehörige
Beratungsangebot für Kinder
• Beratung von Kindern und Jugendlichen
• Beratung des kranken und des gesunden Elternteils
• Beratung weiterer Bezugspersonen
• Beratung von Fachpersonen
 Personale, familiäre und soziale Ressourcen fördern
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Beratungsangebot für Familien
Beratung der Kinder
• vertrauensvoll über die Situation zu Hause und über seine
Sorgen sprechen
• erfahren, was mit der Mutter oder dem Vater los ist
• verstehen, was krankheitsbedingte Anschuldigungen,
Kränkungen, Missachtungen durch die Eltern sind
• lernen, was man tun kann und wo man Hilfe bekommt, wenn
es der Mutter oder dem Vater einmal nicht gut geht
• Unterstützung bei der Lösung von Problemen erhalten
• erfahren, wo man Hilfe bekommt, wenn die Eltern nicht
weiterhelfen können (Netzwerkkarte, Krisenplan)
• erfahren, wie man loyal sein kann, ohne die eigenen
Bedürfnisse zu ignorieren
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Kinder psychisch kranker Eltern
Resilienz und Psychoedukation
Wissen über die Krankheit erhöht die Widerstandsfähigkeit der
Kinder gegenüber Belastungen:
• vermittelt Hoffnung und positive Zukunftserwartungen
• befähigt, ein Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit zu
entdecken ( Kohärenzgefühl) und
• gewährt Einsichten in problematische
Erklärungszusammenhänge
= spezifischer protektiver Faktor
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Psychoedukation mit Kindern
(nach A. Lenz)
Wissen befähigt Kinder: Never too young to know!
P.R. Silverman
„Psychoedukation ist ein dialogischer Prozess, in dem die
Kinder ermutigt werden, Fragen zu stellen und ihre
Informationsbedürfnisse zum Ausdruck zu bringen.“
Beardslee& MacMillan, 1993
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Beratung von betroffenen Familien
Elterngespräch
Krankheitsinformation sollte im Familiengespräch erfolgen.
Vorbereitende Gespräche sollten mit den Eltern und den
Kindern getrennt durchgeführt werden.
Häufigste Themen:
• Gesunder Elternteil: Erschöpfung, Hilflosigkeit, Wut
• Erkrankter Elternteil: Gefühl von Inkompetenz, Schuldgefühle,
Ängste, Motivation für Behandlung aufbauen
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Beratung von betroffenen Familien
Elterngespräch
Ziele der Elternberatung
• einen vertrauensvollen Rahmen bieten, um über das Erlebte
zu sprechen
• Ängste und Schuldgefühle abbauen
• Erziehungskompetenzen stärken
• Motivation zur offenen Kommunikation
• Psychoedukation
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Psychoedukation mit Kindern
Grundsätze
• Ausgangspunkt: persönliches Erleben der Kinder
• Emotionale und kognitive Ebene (Informationsmenge!)
• Kinder müssen nicht alle Details erfahren (v.a. jüngere Kinder
wären damit überfordert)
• Sie müssen aber über alle wesentlichen Veränderungen
informiert werden sowie über alle Angelegenheiten, die sie
betreffen.
• Kinder brauchen die Sicherheit, die Wahrheit erfahren zu
haben.
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Psychoedukation mit Kindern
Grundsätze
• Umgang mit Unsicherheit:
Jegliche Versprechungen sollten vermieden werden. Ein
Kind kann besser mit der Unsicherheit leben als mit falschen,
wenn auch wohlgemeinten Versprechungen.
• Hoffnung vermitteln und gleichzeitig die Wahrheit sagen:
Kinder müssen sich auf den wahrscheinlichsten Fall
einstellen können und deshalb mit der Realität konfrontiert
werden. Je mehr das Kind den Eltern darauf vertrauen kann,
die Wahrheit zu erfahren, desto weniger verletzbar ist es.
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Psychoedukation mit Kindern
Krankheitsbezogene Fragen
Kinder stellen sich häufig folgende Fragen
• Was ist los mit Mutter / Vater?
• Woher kommt die Krankheit der Mutter / des Vaters?
• Ist die Mutter / der Vater meinetwegen krank? Bin ich schuld,
dass Mutter / Vater wieder in die Klinik muss? Habe ich etwas
falsch gemacht? Habe ich ihr / ihm zu wenig geholfen, mich
zu wenig gekümmert?
• Wird es schlimmer werden?
• Werde ich auch krank? Werden noch andere aus meiner
Familie krank?
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Psychoedukation mit Kindern
Krankheitsbezogene Fragen
Fragen zum Wissenstand
• Weisst du schon etwas über die Erkrankung von Mutter und
Vater?
• Was weisst du denn schon?
• Gibt es etwas, das du noch fragen möchtest?
• Mit wem kannst oder konntest du denn schon darüber
sprechen?
Fragen zu Krankheitserfahrungen
• Bist du schon einmal krank gewesen?
• Was hattest du denn?
• Woran hast du gemerkt, dass du krank bist?
• Was hat dir geholfen?
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Psychoedukation mit Kindern
Fragen zum Umgang im Alltag
• Wie soll ich mich dem kranken Elternteil gegenüber
verhalten?
• Wie soll ich auf Äußerungen und Verhaltensweisen des
kranken Elternteils reagieren?
• Wie kann ich Vater oder Mutter in gesunden Phasen und
akuten Krankheitsphasenunterstützen?
• Wie verändert sich unser Familienleben?
• Wird sich mein Leben ändern und wenn ja, wie?
• Wer wird für mich sorgen?
• Was mache ich, wenn es zu Hause Schwierigkeiten gibt?
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Psychoedukation mit Kindern
Botschaften an Kinder
• Du bist nicht schuldig
• Du bist nicht verantwortlich
• Du kannst deine Eltern nicht gesund machen
• Du darfst dein eigenes Leben führen
• Deine Eltern haben dich lieb, auch wenn sie es nicht zeigen
können
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Psychoedukation mit Kindern
Hilfsmittel
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Die Fachstelle für Angehörige
Angebot
• Beratungstelefon
• Individuelle Beratungsgespräche
• Gruppenangebote
• Infothek / Bibliothek
• Vorträge und Veranstaltungen
• Spezielles Angebot für Familien mit einem kranken Elternteil
Das Angebot ist kostenlos und steht auch Angehörigen von
Personen offen, die nicht Patienten der PDAG sind.
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Die Fachstelle für Angehörige
Angebot für betroffene Familien
• Einzelberatungen
• Familiengespräche
• Helfersitzungen
• Vermittlung weiterführender Angebote (z.B. HotA, Therapie)
• Eltern-Kind-Unterstützungsgruppe
• Eltern-Informationsgruppe
• Familienwochenende
• Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen (z.B. KJPD, HotA)
• Interne und externe Weiterbildungen
• Öffentlichkeitsarbeit
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Kinder psychisch kranker Eltern
Zahlen aus der Beratung 2014
• Seit Projektbeginn: jährlich steigende Anzahl Beratungen
• 2014: 68 Fälle mit involvierten Kindern beraten, in 40% der
Fälle auch die Kinder direkt
• 2/3 der beratenen Fälle waren die Mütter erkrankt
• Fast die Hälfte seit über 5 Jahren erkrankt
• 1/5 der Kinder lebt nur mit dem kranken Elternteil zusammen
• 9% Diagnose F2, 46% F3 (teilweise mit Psychosen)
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Beratung von betroffenen Familien
Fallbeispiele
Familie S.
• Mutter mit Borderline-Erkrankung, alleinerziehend
• Tochter 4 jährig
• Grosseltern melden an
Familie M.
• Mutter mit Wahnerkrankung, aktuell in Klinik hospitalisiert
• drei Kinder, eines verstorben
• Vater meldet sich mit ältestem Sohn, welcher an einer
Panikstörung leidet
27.02.2015
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Fachstelle für Angehörige:
Kontakt
Fachstelle für Angehörige der PDAG
Areal Königsfelden, Pavillon P1
Postfach 432, 5301 Brugg
Tel
056 462 24 61
Mail [email protected]
lic. phil. Anja Mackensen, Fachpsychologin FSP
Leitung Fachstelle, Schwerpunkt Beratung und Vernetzung
Angebote für Kinder und Jugendliche
lic. phil. Andrea Rufer, Psychologin
Schwerpunkt Beratung und Vernetzung Angebote für
Erwachsene
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