Was heißt hier schon normal? Hilfe für Kinder psychisch

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Pressekonferenz
der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg (LNK) und
der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ (KiJA OÖ)
Was heißt hier schon normal?
Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern
Freitag, 2. Oktober 2015, 10 Uhr
Als Gesprächspartnerinnen stehen Ihnen zur Verfügung:
Mag.a Christine Winkler-Kirchberger
Leiterin Kinder- und Jugendanwaltschaft
des Landes OÖ (KiJA)
a
Mag. Carina Grossegger
Klinische und Gesundheitspsychologin
KiJA OÖ
Mag.a Sandra Wiesinger
Heilpädagogin Landes-Nervenklinik-Linz
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Was heißt hier schon normal?
Hilfe für Kinder von psychisch kranker Eltern
LINZ. „Was heißt schon normal?“ Eine Frage, die
keine einfache Antwort zulässt. Wenn sich jedoch
Kinder
und
Jugendliche
auseinandersetzen
müssen,
mit
dieser
weil
ein
Frage
Elternteil
psychisch krank ist, braucht es eine kindgerechte
Antwort. In Kooperation zwischen der Kinder- und
Jugend-anwaltschaft
OÖ
und
der
Landes-
Nervenklinik Linz Wagner-Jauregg sind zwei neue
Broschüren entstanden, die Kinder, Jugendliche
und
Bezugspersonen
umfassend
in
dieser
schwierigen Situation unterstützen sollen. Ab sofort
stehen sie kostenlos zur Verfügung.
Neue Broschüren für Kinder, Jugendliche
Eltern und Bezugspersonen
„Wenn Eltern psychisch krank sind, kann das für die
betroffenen
Kinder
eine
enorme
Belastung
sein.
Unsicherheit, Scham, Überforderung und Angst bringt
die Welt der Kinder ins Wanken“, weiß Mag.a Christine
Winkler-Kirchberger, Leiterin der KiJA OÖ. „Durch die
gezielte
Vernetzung
Institutionen
sollen
der
Angebote
betroffene
der
Kinder
beiden
frühzeitig
unterstützt werden.“
Obwohl es keine gesicherten statistischen Daten gibt,
wie viele Kinder und Jugendliche in Österreich mit einem
psychisch kranken Elternteil zusammenleben, muss
aufgrund von Hochrechnungen von einer sehr hohen
Zahl ausgegangen werden.
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Erhöhtes Erkrankungsrisiko
für die Kinder
Kinder psychisch kranker Eltern haben ein relativ großes
Risiko, auch selbst psychische Störungsbilder zu
entwickeln. Studien sprechen von einem drei bis
siebenfach erhöhten Risiko – je nach Art, Verlauf und
Schweregrad der elterlichen Störung. Eine Reihe von
Faktoren, die unter dem Begriff „Resilienz“ (psychische
Widerstandskraft) zusammengefasst werden, sollen die
Kinder schützen. Insbesondere die Behandlung des
erkrankten Elternteiles und die Aufklärung des Kindes
über die Erkrankung stellen einen wichtigen Beitrag zur
Prävention
dar.
„Ob
Kinder
Belastungssymptome
entwickeln, hängt ganz wesentlich davon ab, wie die
Erwachsenen mit der Problematik umgehen. Daher ist
es wichtig dieses heikle Thema zu enttabuisieren, Hilfe
anzubieten und die betroffenen Kinder so zu entlasten“,
fasst die Kinder- und Jugendanwältin Mag.a Christine
Winkler-Kirchberger
die
Intention
dieser
Initiative
zusammen.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft KiJA des Landes OÖ setzt sich auf Basis der UNKinderrechtskonvention für die Wahrung der Rechte von Kindern und Jugendlichen ein.
Insgesamt 2.522 kinderrechtliche Hilfen leistete die KiJA im Vorjahr. Den beiden
Themenschwerpunkten, einerseits Trennung, Scheidung, Obsorge und Kontaktrecht und
andererseits Mobbing in den Schulen und Cybermobbing folgen Beratungen bei Eltern-KindKonflikten und Erziehungsfragen, die oftmals mit der Problematik von Gewalt und
Vernachlässigung korrelieren. Immer häufiger geht der Erstkontakt von den Kindern und
Jugendlichen selbst aus. Bei Betroffenen ab zwölf Jahren trifft dies auf beinahe jeden
zweiten Fall zu.
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Auswirkungen einer psychischen Erkrankung
der Eltern auf ein Kind
Für Kinder ist es besonders belastend, dass sie das
Verhalten der Mutter oder des Vaters nicht mehr
einschätzen
können
(Stimmungsschwankungen,
Wahnvorstellungen, etc.) und oft gewohnte Strukturen in
der Familie verschwinden. Desorientierung und Ängste
sind die Folge. Ein psychisch erkrankter Elternteil kann
die Bedürfnisse des Kindes schlechter wahrnehmen und
erfüllen. Daher treten auch häufig Bindungsstörungen
auf. Viele Kinder entwickeln Schuldgefühle und glauben,
dass sie durch ein Fehlverhalten ihrerseits die oft
extremen
Reaktionen
des
erkrankten
Elternteils
verursacht haben. Kinder mit einem psychisch kranken
Elternteil müssen häufig mehr Pflichten im Alltag
übernehmen, als für ihr Alter angemessen wäre. Das
kann von einer vermehrten Mithilfe im Haushalt bis zur
vollständigen Pflege und Versorgung des erkrankten
Elternteils reichen.
Daher fällt es oft auch nicht so
schnell auf, dass es in der Familie Probleme gibt. „Diese
‚Parentifizierung’ überfordert Kinder und Jugendliche
jedoch und führt in weiterer Folge dazu, dass sie ihre
eigenen
Bedürfnisse
immer
mehr
zurückstellen
müssen“, weiß die Kinder- und Jugendanwältin. „Das
kann zu sozialer Isolierung führen, umso mehr, als die
Stigmatisierung psychisch kranker Eltern und ihrer
Familien
zusätzlich
noch
zu
einer
Ausgrenzung
beitragen kann.“
Eine aktuelle österreichische Studie (Nagl-Cupal et al. 2014) besagt, dass etwa 42.000
Kinder in Österreich im Alter zwischen 5 und 18 Jahren dauerhaft mindestens einen Elternteil
pflegen (Young Carers). 14 Prozent davon aufgrund einer psychischen Erkrankung.
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Wie Kinder die schwierige Situation
erleben und darauf reagieren
Anna, 14 Jahre: „Vor ein paar Monaten hat mein Papa
meiner Mama erzählt, das es ihm in der Arbeit so
schlecht gehen würde. Seine Kollegen würden ihn
mobben, und er hätte Probleme mit seinem Chef. Papa
schien richtig traurig zu sein. Das wurde dann jeden Tag
schlimmer. Beim gemeinsamen Abendessen aß er kaum
etwas, ging früh schlafen und blieb oft das ganze
Wochenende im Bett. Zu Unternehmungen mit uns hatte
er keine Lust. Das ging eine ganze Weile so. Auf einmal
hatte man den Eindruck, es würde ihm wieder besser
gehen. Eines Tages kam Papa von der Arbeit nach
Hause und war ganz aufgekratzt. Er erzählte meiner
Mama, er hätte seinem Chef mal so richtig die Meinung
gesagt und dann auch gleich gekündigt, weil in so einer
Firma wolle er nicht länger seine Zeit verschwenden.
Vor lauter Freude hatte er jedem von uns ein Geschenk
gekauft und später ein neues Auto. Mama war sauer:
eigentlich sollten wir doch sparen, da Papa noch keinen
Job gefunden hatte. Die Tage darauf schlief Papa auf
einmal kaum mehr. Er war voll gut drauf und ständig
unterwegs. Wenig später erzählte uns eine Nachbarin,
dass mein Papa letztens alle Gäste des Gasthofes im
Ort auf eine Lokalrunde eingeladen hätte. Mama habe
ich in letzter Zeit oft heimlich weinen gehört. Ich glaube,
sie weiß nicht mehr weiter.“
Annas Papa leidet unter einer Bipolaren Störung
(„Manisch-depressiven-Störung“).
„Wenn Kinder merken, dass mit ihren Eltern etwas nicht
stimmt,
können
reagieren.
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sie
ganz
unterschiedlich
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Es ist aber in jedem Fall wichtig, dass sie ehrliche und
kindgerechte Antworten auf die Fragen bekommen, die
sie
beschäftigen“,
Heilpädagogin
sagt
der
Mag.a
Sandra
Landes-Nervenklinik
Wiesinger,
Wagner-
Jauregg. Kinder stellen oft direkt Fragen. Sie brauchen
eine Vertrauensperson mit der sie alles besprechen
können. Sie sollen ermutigt werden, sich eine zu
suchen: in der Familie, im Freundeskreis oder in der
Schule.
Am besten ist es, wenn sie von den Eltern selbst
erfahren, was eigentlich los ist. „Können Kinder mit
niemanden über ihre Situation zu Hause sprechen,
grübeln sie allein darüber nach“, sagt die Heilpädagogin.
Das Grübeln kann dazu führen, dass das Kind sich in
der Schule schlechter konzentrieren kann oder dass es
sich
verschließt
und
von
seinen
Freund/-innen
zurückzieht.
Manche Kinder machen in einer schwierigen Situation
vermehrt auf sich aufmerksam, indem sie sehr unruhig
sind, nicht gehorchen oder sich sonst irgendwie
schwierig verhalten. Sie machen vielleicht auch mutwillig
Dinge kaputt oder suchen Streit. Andere sind wiederum
sehr anhänglich. Und auch wenn es eine große
Unterstützung ist, wenn Kinder im Haushalt mithelfen,
einkaufen gehen und verständnisvoll zuhören – so
bleiben
sie
doch
Kinder.
Sie
sollen
nicht
als
Partnerersatz und Seelentröster dienen oder als Helfer
für die Erziehung der eigenen Geschwister eingesetzt
werden. Mag.a Wiesinger: „Kinder brauchen genügend
Zeit für Spiel, Sport und Hobbys!“
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Es kann auch sein, dass ein Kind keine besonderen
Auffälligkeiten zeigt. Manche Kinder wachsen – trotz der
Schwierigkeiten ihrer Eltern – recht problemlos auf. Sie
sind durch die familiäre Situation zwar belastet, können
sie aber bewältigen. In den neuen Publikationen listet
ein umfangreicher Adressteil wesentliche Hilfsangebote
und professionellen Beratungsstellen in OÖ auf, damit
betroffene Kinder und Bezugspersonen wissen, wo sie
Hilfe finden.
Wie Kinder und Jugendliche
unterstützt werden können
In beiden Broschüren finden sich zudem Informationen
zu den häufigsten psychischen Störungsbildern. Durch
die genaue Beschreibung und plakative Fallbeispiele soll
das veränderte und beunruhigende Verhalten der Eltern
für die Kinder greif- und begreifbar gemacht werden.
„Das Verhalten der Eltern ist nicht normal – aber auch
wenn sie sich möglicherweise aggressiv verhalten, ist
das nicht böswillig, sondern es ist der Krankheit
geschuldet“, sagt Mag.a Carina Grossegger, Psychologin
der KiJA. Während die Depression der Vorreiter unter
den
psychischen
Störungen
ist,
gilt
es
auch
Suchterkrankungen nicht zu unterschätzen.
In der Broschüre für Kinder und Jugendliche ab zwölf
Jahren werden neben kindgerechten Informationen über
psychische Krankheiten und ihre Behandlung ganz
gezielt unterstützende Botschaften transportiert. Diese
sollen die jungen Leser/-innen befähigen, gut auf sich zu
schauen und sich im Bedarfsfall auch Hilfe von außen
zu holen.
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Du bist nicht allein! Schau auf dich!
Es ist wichtig Betroffene darin zu bestärken, auch Dinge
zu tun, die ihnen Freude machen – und dass sie dabei
keine Angst haben müssen, dass sie ihre Familie im
Stich lassen.
Du brauchst dich nicht zu schämen!
Kinder empfinden häufig ein Gefühl von Scham, weil
sich
ihre
Eltern
anders
verhalten
als
andere
Erwachsene. Es kann auch zu Situationen kommen, in
denen die Kinder in ihrem sozialen Umfeld bloßgestellt
werden.
Du bist nicht schuld!
Besonders wichtig ist auch die Botschaft, dass die
Kinder nicht am Zustand der Eltern schuld sind, und
auch nicht alleine imstande sind, diesen Zustand zu
verändern.
Sprich mit jemandem über deine Probleme!
Den Kindern vermitteln, dass sie mit ihren Sorgen nicht
alleine sind. Wenn sie mit jemandem darüber sprechen,
können sie feststellen, dass andere oft ähnliche
Probleme
haben.
Es
wird
auch
auf
spezielle
Gruppenangebote für Kinder psychisch kranker Eltern
hingewiesen.
„Was heißt hier schon normal?“ Informationen für Eltern und Bezugspersonen
„Was heißt hier schon normal?“ Informationen für Kinder und Jugendliche ab 12
Die beiden Broschüren können ab sofort kostenlos bestellt werden und stehen
unter www.kija-ooe.at auch zum Downloaden zur Verfügung.
Bestelladresse:
Kinder-
und
Jugendanwaltschaft
OÖKärntnerstraße
0732/7720/14001 – Mobil: 0664/180 82 20
8/8
10,
4021
Linz
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