Depression - Schweizerische Interessengemeinschaft Notfallpflege

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Unbekannte
Depression
Frühlingsfortbildung
Schweizerische
Interessensgemeinschaft Notfallpflege
29.März 2012
Stadtsaal Wil
Dr. med. Stephan Goppel
Leitender Arzt
Psychiatrische Klinik Wil
Depressionen
sind häufig.
Depressionen sind häufig.
Zahl der Menschen, die während ihres Lebens
(mindestens) eine Depression erlebt haben:
- in der Normalbevölkerung -
12-17%
Zahl der Menschen, die im letzten Jahr eine
Depression gehabt haben:
- in der Normalbevölkerung –
5-10%
Zahl der Menschen, die eine Depression haben:
- in einer Notfallabteilung/Aufnahmestation -
deutlich
mehr
Depression kann jede und jeden treffen.
Viele Depressionen werden nicht erkannt,
selbst von Fachleuten nicht.
Depressionen
in der
Bevölkerung
davon in
hausärztlicher
Behandlung
als
Depression
diagnostiziert
suffizient
behandelt
100%
60-70%
30-35%
6-9%
(in Anlehnung: Hegerl et al, 2001)
Was ist eine Depression?
1.  Stimmung
↓
Lebensgefühl, Laune, Gestimmtheit, inneres Befinden, Affekt
2.  Antrieb
↓
Energie, Schaffenskraft, das Anpacken, das Los-legen-können, Aufgaben
erledigen, sich-bewegen
3.  Denken, inhaltlich
↓
Was man denkt, über sich und andere; womit man sich geistig beschäftigt; welche Gedanken einem
kommen; wie man über die Zukunft denkt:
Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit, negative Zukunftsperspektive, negative
Vergangenheitsperspektive, vieles wird mit einer schwarzen Brille gesehen,
vermindertes Selbstwertgefühl, hypochondrische Ideen, Ängste, Schmerzen,
Versagensgefühle, Gedanken, Dinge „falsch“ gemacht zu haben
Verarmungswahn, Schuldwahn, nihilistischer Wahn, hypochondrischer Wahn
4.  Denken, formal
↓
Wie man denkt; wie das Denken abläuft: langsam,
träge, zäh, unflexibel, haftend, Grübeln
…für (mind.) 2 Wochen…
Was ist eine Depression?
Suizidalität
Motorik:
steif, zäh, langsam
Parkinsonismus
Zittern
Stupor
sozialer Rückzug
Stimmung
↓
Wahn,
Halluzinationen
Antrieb/Interesse
Was man denkt
Wie man denkt
kognitive Störungen
Konzentration vermindert
Pseudodemenz
Kränkbarkeit
Dünnhäutigkeit
Narzissmus
(Beachte die emotionalen
Auswirkungen auf die
Mitmenschen)
Vegetative und somatische
Störungen:
  Appetitstörungen
  Gewichtsstörungen
  sex. Funktionsstörungen
  Schlafstörungen
Was ist eine Depression?
Depression
laut der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10)
Wenn folgende psychischen Symptome
(und zwar mind. 2 Hauptsymptome und mind. 2 Zusatzsymptome)
für die Dauer von 2 Wochen (oder länger) vorhanden sind,
spricht der Arzt/der Psychiater von einer „Depression“.
Depression hat viele Gesichter
Neben der typischen Depression
– bedrückte Stimmung, negatives Denken, Antriebsschwäche –
gibt es auch viele
„nicht-typische“ Depressionen.
Depressionen mit…
… Unruhe/Antriebssteigerung: agitierte Depression
… Wahnvorstellungen: psychotische Depression
… ohne traurige Stimmung: larvierte (=verborgene, versteckte) Depression
… Verlust der Bewegungsfähigkeit: stuporöse Depression
… Gedächtnisstörungen: depressive Pseudodemenz
„Moralischer“
Deprimiertheit
Trübsal
Schwermut
Burn-out
Trauer
Mutlosigkeit
Tief
Krise
Melancholie
Verzweiflung
Niedergeschlagenheit
Blues
Depression kann
jede und jeden treffen.
•  Depression = Affekt, Antrieb, Denken ins Negative verschoben für
mind. zwei Wochen
•  Einzelne depressive Symptome hat jeder von uns.
•  Depressionen sind häufig bis sehr häufig.
•  Depressionen sind sehr vielfältig.
Depressionen gehen oft mit
Suizidalität einher
In der Schweiz sterben pro Jahr
ca. 370 Menschen durch Verkehrsunfälle
ca. 1304 Menschen durch Suizid
ca. 100 Menschen durch Totschlag/Mord
Depressionen gehen oft mit
Suizidalität einher
Suizidalität umfasst ein breiten Bereich zwischen
- vagen Gedanken, nicht mehr leben zu wollen,
- konkreten Plänen und Vorbereitungshandlungen für einen Suizid,
- bis zum Suizid
Abstufungen der Suizidalität:
Keine Suizidalität
Gedanken an den Tod (Wäre ich nur tot)
Gedanken an Suizid (Suizid wäre eine Lösung, aber ich würde es nicht machen)
Suizidgedanken mit mehreren Ideen/ Plänen wie man es mache könnte (Ich
könnte mich vor den Zug werfen oder Medikamente nehmen)
Konkreter Suizidplan
Vorbereitungshandlung
Suizidale Handlung
Depressive Menschen mit Suizidalität sprechen über dieses Thema teils
nicht, u.a. wegen Scham, Schuldgefühlen
Depressionen gehen oft mit
Suizidalität einher
Bei depressiven Menschen…
•  an die Suizidalität denken!
•  das Thema Suizidalität aktiv ansprechen
(Die Angst, durch das Ansprechen von Suizidalität eben solche auszulösen, ist unbegründet.)
„Wie steht es mit Gedanken, sich das Leben zu nehmen?“
„Wie wäre das für Sie, wenn Sie jetzt plötzlich tot wären, z.B. durch einen
Unfall?“
•  die Scham nehmen
„Solche Gedanken sind typisch und gehören dazu. Es ist teil der Depression,
dass solche Gedanken kommen. Es würde mich wundern, wenn Sie solche
Gedanken nicht hätten.“
•  aufklären und Stellung beziehen, auch im Hinblick auf die Zukunft
„Mir ist wichtig, dass Sie diese Gedanken nicht in die Tat umsetzen!“
„Solche Gedanken können auch in Zukunft wieder kommen! Dann Hilfe
holen!“
•  Notfallplan erarbeiten
•  ggfls. Hilfe holen: Kollegen fragen, Fachperson hinzuziehen
Nürnberger Bündnis gegen Depression
Das Hauptergebnis:
700
620
600
500
500
suizidale Handlungen
-19,4%
-24,0%
Fisher‘s exact test (one-tailed):
2000 versus 2001; p < 0,05
2000 versus 2002; p< 0,01
471
400
-0,01%
+7,7%
183
182
196
2000
2001
2002
300
200
100
0
2000
2001
Nürnberg
2002
Würzburg
Rückgang der suizidalen
Handlungen in Nürnberg im Vergleich zu Würzburg
14
Was ist eine Depression?
Gegenspieler der Depression:
Stimmung
↓
Der
Antrieb/Interesse
Was man denkt
Wie man denkt
einzelne maniforme Symptome – Hypomanie – Manie
Die Depression im
Längsschnittverlauf
depressive Episode =
einzelne/einmalige Depression
↕
rezidivierende depressive Störung =
wiederkehrende Depressionen
(ohne Auslenkungen ins Manische)
↕
manisch-depressive Erkrankung
bipolares Krankheitsspektrum
Depressionen im
Längsschnittverlauf
Depression – Was tut der Arzt?
Wie ist die ärztliche/psychiatrische Behandlung einer
Depression?
Psychoedukation
Medikamente
(und biologische Verfahren)
Antidepressiva, Schlafmittel,
Beruhigungsmittel,
Stimmungsstabilisierer
Diagnostik:
Psychotherapie
Krankschreibung/Pause/Time-out
Klinikeinweisung/Vermittlung in Therapie
•  unipolare oder bipolare
(manisch-depressive
Erkrankung) Depression?
•  Ausschluss von
behandelbaren Ursachen, z.B.
Schilddrüsenfunktionsstörung,
Anämie
Wie wirken Antidepressiva?
Was erreicht man mit einer Antidepressivabehandlung?
1.
Verum: Antidepressivum
Verum: Antidepressivum
2. Je schwerer die Depression, je besser/klarer wirken Antidepressiva.
3. Erhaltungstherapie: Wichtige Funktion in der Erhaltung einer Remission.
Depression – Was tun?
Antidepressiva…
•  …greifen in den Neurotransmitterstoffwechsel ein (Serotonin, Noradrenalin,
Dopamin, Melatonin)
•  …sind insgesamt gut verträglich und haben wenig Nebenwirkungen.
In der Regel wenig oder keine NW nach der Eingewöhnungsphase und wenn die „richtige“
Substanz gefunden wurde.
•  …machen nicht abhängig.
•  Die Wirkung kommt innerhalb der ersten drei Wochen. Sie kommt sanft
und langsam.
•  …sollten mind. ein halbes Jahr eingenommen werden, in vielen Fällen auch
vorbeugend. (Erhaltungstherapie)
•  …kann man auch wieder absetzen.
•  …machen keine Persönlichkeitsveränderung oder „bleibende Schäden“.
•  … haben bei der Erstbehandlung in ca. 2/3 der Fälle Erfolg
Es gibt Fälle, wo eine Besserung auf sich warten lässt und wo ein Wechsel oder eine
Ergänzung des Antidepressivums statt findet.
Depression – Was tun?
Was kann man mit einer Behandlung erreichen?
•  in vielen Fällen eine deutliche Besserung oder Heilung
•  Man verhindert Suizide.
•  Man kann das Leiden teils nicht nehmen, aber leichter machen.
Was nicht?
•  Heilung und Besserung kann teils lange dauern.
•  Es gibt Rückfälle und Verschlechterungen.
•  Es braucht die Mitwirkung und aktive Arbeit des von der Depression
Betroffenen.
Und:
•  Es gibt Menschen, die rückblickend – wenn die Depression vorbei ist –
berichten, dass die Depression dazu geführt hat, dass sich Werte,
Grundhaltungen und Ziele im Leben geändert/verbessert haben.
Depressionsverdacht in der Triageabteilung,
Notfallstation, Intensivstation – Was tun?
1. psychisches
Befinden erfragen
Beispiel für einen Einstieg in das Thema:
Wie wirken sich Ihre körperlichen Beschwerden auf Ihre Psyche aus?
Wie sind die Stimmung, das Lebensgefühl, die Laune in den letzten
Wochen?
Wie sind Ihre Energie und Schaffenskraft? Wie fühlen Sie sich bei
den Aktivitäten des Tages?
Wie schlafen Sie?
Worüber denken Sie nach?
Haben Sie den Wunsch gehabt, zu sterben; oder andere Gedanken
zu diesem Thema?
Depressionsverdacht – Was tun?
Suizidalität erfragen
Gesprächsbedingungen:
•  ruhige, ungestörte Atmosphäre
•  auf Augenhöhe
•  10 Minuten Zeit
2. Depressionsverdacht
ansprechen
•  Mitbehandler/Weiterbehandler
informieren
•  Angehörige einbeziehen
•  Informationsmaterial abgeben
•  Kontakt zu Fachperson vermitteln
•  Kontaktmöglichkeiten vermitteln
Psychoedukation: Information vermitteln
dabei ein realistisches und positives Bild einer Depression zeichnen:
Besserung ist zu erwarten >> selten auch langer/wechselhafter Verlauf
Depressionsverdacht in der Triageabteilung,
Notfallstation, Intensivstation – Was tun?
Depressionsverdacht
ansprechen
Beispiel für einen Einstieg in das Thema:
„Uns ist es wichtig, dass unsere Kunden sich körperlich und
psychisch/seelisch wohlfühlen.
Unsere Patienten kommen meist wegen körperlichen Problemen zu
uns. Viele unserer Patienten haben zusätzlich psychische
Beschwerden, z.B.: Sorgen; sie haben Mühe mit dem Schlafen oder
wirken auf uns, als ob sie sich psychisch nicht wohl fühlen.
Wir wissen, dass Depressionen in unserer heutigen Zeit und bei
unseren Patienten häufig vorkommen.
Manche sagen „Depression“, man kann auch Burn-out, Tief, Krise,
Niedergeschlagenheit, „Moralischer“ dazu sagen.
Vielen Dank
für
die
Aufmerksamkeit!
Depression – Was tun?
Folgende Faktoren können
•  vor einer Depression
schützen, und
•  helfen, eine Depression zu
überwinden
„Impfung“ gegen
Depression:
•  Bewegung, Sport
•  frische Luft und Natur
•  Religiosität, spirituelle Tätigkeiten
•  zwischenmenschliche Beziehungen und
Austausch mit Mitmenschen…
•  … insbesondere auch über sogenannte
unangenehme Gefühle und Erlebnisse
•  gefordert werden; lernen, über die eigenen
Grenzen hinaus wachsen zu können
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