Seminar: Materielle und soziale Infrastruktur Infrastruktur und Marktversagen Wintersemester 2006/ 07 Veranstalter: Prof. Dr. Spehl, Dipl.-Geogr. Gensheimer Referat: Infrastruktur und Marktversagen am 07. Dezember 2006 Abgabe: 16. Februar 2007 Paweł Paluchowski Caspar-Olevian-Straße 143 Tel.: 0651/ 37675 Email: [email protected] 9. Fachsemester in VWL im Schwerpunkt Absatz, Markt, Konsum Matrikelnummer: 828312 II Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis...........................................................................................III Tabellenverzeichnis............................................................................................... IV 1. Vorbemerkung................................................................................................. 1 2. Infrastruktur und seine Bedeutung .................................................................. 2 3. Markt, Marktversagen und staatliche Eingriffe .............................................. 4 4. Arten des Marktversagens............................................................................... 8 4.1 Externe Effekte........................................................................................ 8 4.2 Unteilbarkeiten und natürliches Monopol............................................. 10 4.3 Informationsmängel .............................................................................. 12 4.4 Verzerrungen der Zeitpräferenzrate ...................................................... 14 5. Abschließende Betrachtung .......................................................................... 15 Literaturverzeichnis............................................................................................... 18 Anhang .................................................................................................................. 20 III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Mengen-Preis-Diagramm.................................................................. 5 Abbildung 2: Das Rentenkonzept ........................................................................... 6 Abbildung 3: Positive externe Effekte beim Konsum............................................. 9 Abbildung 4: Sinkende Durchschnittskosten ........................................................ 11 Abbildung 5: Positive externe Effekte .................................................................. 20 Abbildung 6: Wohlfahrtsverluste durch Monopolpreisbildung ............................ 21 IV Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Merkmale von Infrastruktur ................................................................. 20 1 1. Vorbemerkung Gegenwärtige Veränderungen in der Organisation europäischer Infrastruktur veranlassen dazu, sich mit der weiten Thematik der Infrastruktur zu befassen. In der Vergangenheit wurden Ausnahmebereiche der Regulierung von Infrastruktur häufig durch das Vorliegen von Marktversagen und den damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen gerechtfertigt.1 Neuere Deregulierungsdebatten machen daher eine wiederholte Betrachtung des klassischen Themas Marktversagen notwendig. Weil sich in Deutschland Infrastruktureinrichtungen in überwiegender Zahl in Staatshand befinden, stehen bei Privatisierungsüberlegungen die Vorteile einer Abkehr von der Regulierung im Vordergrund.2 Vorliegende Arbeit möchte jedoch den umgekehrten Weg einschlagen und die Betrachtung ausgehend vom freien Markt gestalten, da so die Besonderheiten einzelner Marktversagensarten als Abweichung vom Idealbild besser herausgearbeitet werden können. Wichtig war es dem Autor dabei, dem Leser eine theoretische, volkswirtschaftliche Basis der Thematik des Marktversagens zu vermitteln, anhand welcher unterschiedliche Entscheidungen im Infrastrukturbereich einer ersten Bewertung unterzogen werden können. Eine alleinige Betrachtung Infrastruktur nach unzulässig, da rein volkswirtschaftlichen gesellschaftliche Kriterien Vorstellungen ist und für Ziele berücksichtigt werden müssen. Zunächst wird der Frage nachgegangen, was unter dem Begriff Infrastruktur verstanden werden kann und welche Leistungen von Infrastruktur erbracht werden. Das daran anschließende Kapitel führt in die Funktionsweise des Marktes ein. Hier wird erläutert, weshalb der Markt als Referenzstandard angesehen wird und warum Marktversagen einen unbefriedigenden Zustand in einer Volkswirtschaft darstellt.3 Das dritte Kapitel setzt sich dann weiterführend mit vier Marktversagensarten auseinander, die vom Verfasser aufgrund ihrer Bedeutung für Infrastruktur und der Erfassung von Marktversagen in seiner 1 Vgl. Scheele, U. (1993): Privatisierung von Infrastruktur: Möglichkeiten und Alternativen, Köln, S. 26 ff. 2 Vgl. ebenda, S. 26. 3 Vgl. Fritsch, M.; Wein, T.; Ewers, H.-J. (1999): Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns, 3. Aufl., München, S. 91 ff. 2 quantitativen, qualitativen und zeitlichen Dimension gewählt wurden. Dabei wird größtenteils auf die vorangestellten Erläuterungen zum Marktsystem zurückgegriffen, um spezifische Abweichungen vom Optimum aufzuzeigen. Ferner werden Berührungspunkte von Arten des Marktversagens und dem Infrastrukturbereich angegeben. Letztlich werden in der abschließenden Betrachtung die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit festgehalten und die Frage beantwortet, wie hoch der Nutzen der Theorie des Marktversagens für praktische Infrastruktur-entscheidungen gewertet werden kann. 2. Infrastruktur und seine Bedeutung Der Begriff „Infrastruktur“ wurde zunächst nur in Zusammenhang mit Militäranlagen und Verkehrseinrichtungen der NATO genutzt und wurde dann Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts dem Vokabelschatz der Wirtschaftswissenschaften hinzugefügt.4 Das lateinische Präfix „infra“ bedeutet im Deutschen unter oder unterhalb. Somit bedeutet Infrastruktur so viel wie Unterbau, die Grundlage des wirtschaftlichen Handelns, wie sie Hirschman mit dem Begriff des „social overhead capital“ beschreibt.5 Zusätzlich kann sich Infrastruktur positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken.6 Dies deutet die herausragende Stellung an, die Infrastruktur in jeder Volkswirtschaft einnimmt. Um für begriffliche Klarheit zu sorgen, bemühten sich zahlreiche Wissenschaftler um eine Definition. Allen voran zu nennen sind hierzu die Definitionsansätze von Jochimsen und von Stohler. Laut Jochimsen stellt Infrastruktur„…die Gesamtheit aller materiellen, institutionellen und personalen Anlagen, Einrichtungen und Gegebenheiten, die den Wirtschaftseinheiten im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft zur Verfügung stehen.“7 dar. Es wird ersichtlich, dass der Begriff von Jochimsen sehr weit gefasst wird und somit die nötige Prägnanz vermissen lässt. Stohler dagegen fokussiert auf den Kollektivgut- und Investitionscharakter von 4 Vgl. Scheele (1993), S. 18. Vgl. Hirschman, A. O. (1958): The Strategy of Economic Development, London. 6 Vgl. Frey, R. (1979): Die Infrastruktur als Mittel der Regionalpolitik: eine wirtschaftstheoretische Untersuchung zur Bedeutung der Infrastrukturförderung von entwicklungsschwachen Regionen in der Schweiz, Bern, S. 17. 7 Jochimsen, R. (1966): Theorie der Infrastruktur. Grundlagen der marktwirtschaftlichen Entwicklung, Tübingen, S. 145. 5 3 Infrastruktur, indem er in Infrastrukturausgaben Ausgaben sieht, die „für öffentliche Güter getätigt werden, jedoch insofern Investitionen darstellen, als gegenwärtigem Aufwand künftige Erträge entsprechen“.8 Bereits in der Definition von Infrastruktur ist also Marktversagen enthalten, wenn von einem öffentlichen Gut ausgegangen wird, von einem Gut, das nicht vom Markt bereitgestellt werden kann. In vorliegender Arbeit soll aber dieser Kollektivgutaspekt zunächst ausgeklammert werden, da der Autor der Ansicht ist, dass Infrastruktur nicht per se ein öffentliches Gut darstellt. Historisch betrachtet wurde nämlich ein Großteil der Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise die Wasserversorgung oder das Straßennetz zunächst von privaten Anbietern offeriert. Im Folgenden sind zwei zentrale Gründe dafür anzuführen, dass der Staat im Anschluss an die Periode privater Bereitstellung Infrastruktur nationalisierte. Zum einen waren es schlicht fiskalpolitische Erwägungen, da der Staat die profitablen Einnahmequellen für sich sichern wollte. Zum anderen sind aber die einseitige Ausrichtung der privaten Infrastrukturanbieter an Rentabilitätsaspekten und die daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die Verstaatlichungen anzufügen. Teils entstandene Versorgungslücken, Qualitätsmängel und aus Monopolstellungen resultierende überhöhte Preise, allesamt Formen von Marktversagen, konnten nicht hingenommen werden.9 Eng damit verbunden ist das Schlagwort der „Daseinsvorsorge“.10 Es bezeichnet die ausreichende Versorgung der Bürger mit Infrastruktur unter quantitativen sowie qualitativen Gesichtspunkten, die vom Staat gewährleistet werden muss. Zwar taucht der Begriff nur an einigen Stellen des Länderrechts explizit auf, jedoch stellt die Regelung der Daseinsfürsorge ein Querschnittsrecht dar, ist demgemäß in einer Vielzahl unterschiedlicher Gesetzestexte, wie dem Grundgesetz, dem Kartellrecht, dem Wettbewerbsrecht und einer Fülle von EUGesetzen, codiert. Das Recht auf Grundversorgung mit Infrastruktur und sich daraus ergebende Mindestqualitätsansprüche sind häufig Auslöser für staatliches 8 Stohler, J. (1965): Zur rationellen Planung der Infrastruktur, in: Konjunkturpolitik, Bd. 11, S. 294. 9 Vgl. Scheele (1993), S.26. 10 Vgl. Berschin, F. (2000): Daseinsvorsorge durch Wettbewerb- der öffentliche Verkehr zu Lande im Markt, Heidelberg, S. 6ff. 4 Eingreifen.11 Ferner muss der rechtliche Rahmen muss bei aktuellen Deregulierungsdebatten beachtet werden.12 Üblicherweise wird eine Unterscheidung zwischen materieller Infrastruktur getroffen, zu der Verkehr, Versorgung und Entsorgung gezählt werden, und sozialer Infrastruktur, zu der Freizeit- und Kultureinrichtungen, Bildung und Forschung und das Gesundheitswesen gehören.13 Beide Bereiche sind von Marktversagen betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und Weise. Strittig ist die Einbeziehung von militärischen Einrichtungen, Wohnungen, der öffentlichen Verwaltung, der Rechtsordnung und Einrichtungen zur Versorgung mit privaten Gütern also Warenhäusern. Wenn auch Marktversagen hierbei durchaus eine Rolle spielt, beschränken sich die Ausführungen der Arbeit auf den Bereich der materiellen und sozialen Infrastruktur. Ein Überblick über die typischen, jedoch nicht zwingend erforderlichen Eigenschaften von Infrastruktur kann aus der tabellarischen Darstellung nach Stohler gewonnen werden. Diese findet sich im Anhang wieder und grenzt technische, ökonomische und institutionelle Merkmale voneinander ab. In der Auflistung der Eigenschaften befindet sich eine Vielzahl solcher, die direkt auf ein Marktversagen hinweisen. Zunächst soll indessen im nächsten Kapitel geklärt werden, was unter Marktversagen zu verstehen ist. Dazu wird zunächst auf die Funktionsweise und Leistungsvermögen des Marktmechanismus eingegangen. 3. Markt, Marktversagen und staatliche Eingriffe Für die nachstehenden Erläuterungen wird das neoklassische Konzept der vollständigen Konkurrenz bzw. des vollkommenen Marktes herangezogen.14 Auf einem solchen vollkommenen Markt ist es den Akteuren nicht möglich, eigene Strategievorstellungen zu realisieren. Da ihre Handlungen den Marktpreis nicht 11 Vgl. ebenda, S. 6ff. Vgl. Immenga, U. (1999): Grenzen des Wettbewerbs auf deregulierten Märkten- Generalbericht, in: Blaurock, U. (Hrsg.): Grenzen des Wettbewerbs auf deregulierten Märkten: Tagungsband, Baden-Baden, S.73 ff. 13 Vgl. Scheele (1993), S. 19. 14 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Mankiw, N. G. (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Stuttgart, S. 69 ff. 12 5 beeinflussen, müssen sie den Marktpreis akzeptieren, weshalb sie Mengenanpasser oder in der englischen Literatur price taker genannt werden. Das Konzept der vollständigen Konkurrenz setzt eine Fülle von Annahmen voraus. Diese werden in der Realität zwar nie erfüllt, jedoch ist das theoretische Konstrukt des vollkommenen Marktes sinnvoll, um darauf aufbauend Erkenntnisse für die Thematik des Marktversagens zu gewinnen, da hierbei von einem Idealfall ausgegangen wird, der als Referenzstandard fungiert. Einige Grundannahmen vollständiger Konkurrenz werden von vornherein von gewissen Eigenschaften von Infrastruktur verletzt.15 Nach Fritsch/Wein/Ewers„…versteht man unter einem Markt sämtliche Austauschprozesse, die aus dem Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern( Akteuren) erwachsen“16. Die Marktnachfrage ergibt sich hierbei aus den aufsummierten individuellen Nachfragemengen nach Gütern, die auf individuelle Präferenzen und die damit verbundene angestrebte rationale Nutzenmaximierung zurückgehen. Analog verhält es sich für das Marktangebot, das aus der Aggregation der individuellen Angebote der Verkäufer hervorgeht. Es wird davon ausgegangen, dass Unternehmer erst dann Güter anbieten, wenn das gezahlte Entgelt für die Bereitstellung der Güter deren Kosten decken kann. Deshalb sind die individuellen Angebotsfunktionen mit den Grenzkosten gleichzusetzen. Diese steigen aufgrund der Hypothese sinkender Grenzerträge. Marktangebot und Marktnachfrage lassen sich wie folgt in einem Preis-MengenDiagramm abbilden: Preis (P) Angebotskurve PG Nachfragekurve XG Menge (X) Abbildung 1: Mengen-Preis-Diagramm Quelle: eigene Darstellung nach Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 51 15 16 Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 28 ff. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 6. 6 Häufig wird wie bei vorliegender Darstellung ein linearer Verlauf der Kurven angenommen. Im Schnittpunkt beider Kurven liegt das Marktgleichgewicht. Die eingezeichnete Gleichgewichtsmenge XG wird jeweils zum Gleichgewichtspreis PG bereitgestellt und von den Nachfragern erworben. Dadurch entstehen keinerlei Angebotsüberschüsse oder -defizite. Markträumungsfunktion bezeichnet. 17 Dieser Umstand wird als die Im Bereich, wo die Nachfrage unter dem Angebot liegt, befinden sich die Akteure, die keine Transaktionen auf dem Markt tätigten. Die Nachfrager sind hier nicht bereit, den Güterpreis zu entrichten. Die Angebote auf der Gerade rechts vom Schnittpunkt sind zu teuer verglichen mit dem Marktpreis und können daher nicht verkauft werden. Eine weitere herausragende Eigenschaft eines funktionsfähigen Marktes liegt darin, dass er zu einer optimalen Allokation führt. Knappe Güter werden so durch die Kräfte von Angebot und Nachfrage bewertet und auf ihre Verwendung hin nutzenmaximierend eingesetzt. Eng verbunden mit der effizienten Allokation knapper Ressourcen ist die Theorie der Wohlfahrtsökonomik.18 Sie beschäftigt sich mit der Frage, wann die Gesamtwohlfahrt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen, maximiert wird und wie sich die Allokation der Ressourcen auf diese auswirkt. Um das Konzept der Gesamtwohlfahrt zu erläutern, müssen vorab die Begriffe der Konsumenten- und der Produzentenrente eingeführt werden. Dazu ist ein Zurückgreifen auf die Darstellung des Mengen-Preis-Diagramms( Abbildung 1) hilfreich, weil sich darauf aufbauend das Rentenkonzept gut ableiten lässt: Preis (P) Gesamtwohlfahrt Angebot Konsumentenrente G P Produzentenrente Nachfrage XG Menge (X) Abbildung 2: Das Rentenkonzept Quelle: eigene Darstellung nach Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 53 17 Vgl. Finsinger, J. (1991): Wettbewerb und Regulierung, in: Finsinger, J.; Lehmann, M.; Picot, A. (Hrsg.): Law an economics; Bd. 16, München, S. 3. 18 Vgl. Mankiw (2001), S. 155 ff. 7 In dieser Graphik wird die Konsumentenrente durch das dreieckige, blaugestreifte, obere Feld abgebildet. Die Konsumentenrente wird errechnet aus dem Höchstbetrag, den die Nachfrager für ein Gut gerade noch zu zahlen bereit wären, abzüglich des Marktpreises. Also stellt die Konsumentenrente die aufsummierte Ersparnis der Nachfrager dar, die Güter auf dem Markt erwerben. Analog dazu stellt die Produzentenrente die aufaddierte Ersparnis der Anbieter dar, die ihre Güter auf dem Markt verkaufen können. Die Verkaufserlöse abzüglich der Kosten für die Bereitstellung der Güter ergeben die Rente der Produzenten, die in Abbildung 2 olivgrün und vertikal schraffiert eingezeichnet ist. Zusammengerechnet ergeben die Renten der Marktakteure die Gesamtwohlfahrt, welche in der Zeichnung durch die rote Umrandung kenntlich gemacht ist. Ziel ist es, die Wohlfahrt möglichst groß zu machen, was im Marktgleichgewicht erreicht wird.19 Ist die Effizienz eines Marktes aber nicht gewährleistet, so dass er Ressourcen nicht optimal auf ihre Verwendung hin zuteilen kann, dann liegt Marktversagen vor.20 Es bezeichnet somit die Abweichung von der optimalen Allokation. Daher wird bei Marktversagen die Gesamtwohlfahrt geschmälert. In einigen Fällen kann Marktversagen gar zu Versorgungsdefiziten führen, da ein privates Angebot nicht oder nicht in ausreichendem Maße zustande kommt, um die Anforderung der Daseinsfürsorge zu erfüllen. Außerdem können Versorgungsdefizite zu Behinderungen des Wirtschaftswachstums führen.21 Das bietet Anlass für den Staat zusätzlich zu der notwendigen Sicherstellung einer ordnungspolitischen Rahmenregelung zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit eines Marktes in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen.22 Der Staat kann prinzipiell entscheiden, ob er sich planend und lenkend einschalten will oder ob er gar die Bereitstellung eines Angebots, wie etwa von Infrastruktur, selbst übernehmen will oder muss. Der Staat besitzt die Möglichkeit, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen festzulegen. Darüber hinaus kann er versuchen, überzeugend Informationsmaßnahmen 19 auf die die Marktakteure Produktsicherheit zu einzugehen garantieren. und mit Welche Vgl. Welfens, J. J. (2005): Grundlagen der Wirtschaftspolitik: Institutionen- MakroökonomikPolitikkonzepte, 2. Aufl., Berlin, S. 470. 20 Vgl. Mankiw (2001), S. 12. 21 Frey, R. (1972): Infrastruktur: Grundlagen der Planung öffentlicher Investitionen, Tübingen, S. 39 ff. 22 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Finsinger (1991), 8ff. 8 Regulierungsmaßnahmen im Einzelnen sinnvoll sind, hängt grundlegend von der jeweiligen Art des Marktversagens ab.23 Das Kurieren von Marktversagen wird der normativen Theorie der Regulierung zugerechnet, da es anders als die positive Theorie auch wertende Aussagen und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen enthält.24 Weil bei Infrastruktur Marktversagen den Normalfall darstellt, ist staatliches Handeln gefordert. Einzelne Eingriffsmöglichkeiten werden im nächsten Kapitel angesprochen, welches sich mit unterschiedlichen Marktversagensarten auseinandersetzt. 4. Arten des Marktversagens Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln der Begriff Infrastruktur beziehungsweise Marktversagen näher gebracht wurde, wird in diesem Kapitel ein konkreterer Zusammenhang zwischen diesen zwei Begriffen hergestellt. Zunächst wird jeweils die Art des Marktversagens skizziert. Darauf aufbauend wird aufgezeigt, inwiefern die besprochene Art des Marktversagens bei Infrastruktur anzufinden ist und welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen damit verbunden sein können. Schließlich sollen staatliche Eingriffsmöglichkeiten kurz benannt und Beispiele aus dem Infrastrukturbereich skizziert werden. 4.1 Externe Effekte Unter externen Effekten sollen im Folgenden technologische externe Effekte verstanden werden. Pekuniäre Externalitäten etwa sollen außer Acht gelassen werden, da sie zwar Verteilungsverwerfungen nach sich ziehen können, aber unter dem Gesichtspunkt der Effizienz durchaus erwünscht sind.25 Außerdem ist ihre Erfassung nicht unproblematisch. Ein externer Effekt ist nach Mankiw eine „…unkompensierte Auswirkung ökonomischen Handelns auf die Wohlfahrt eines unbeteiligten Dritten“26. Externalitäten lassen sich in positive externe Effekte, die den Unbeteiligten favorisieren, und negative externe Effekte, die ihn schädigen, 23 Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 112ff. Vgl. Finsinger (1991), S. 9. 25 Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 92. 26 Mankiw (2001), S.221. 24 9 unterscheiden.27 Auf das Konzept der Wohlfahrtsökonomik zurückgreifend, kann anhand nachstehender Illustration aufgezeigt werden, dass externe Effekte die Gesamtwohlfahrt schrumpfen lassen: Preis (P) Angebot Pos. Externe Effekte POPT Wohlfahrtsverlust PA wirtschaftlich erwünschte Nachfrage Nachfrage privat XA XOPT Menge (X) Abbildung 3: Positive externe Effekte beim Konsum Quelle: eigene Darstellung In der Zeichnung liegt die wirtschaftlich erwünschte Nachfrage unter der tatsächlich auf dem Markt wirksam werdenden Nachfrage. Die mit roter Querschraffierung gekennzeichneten positiven externen Effekte resultieren daraus, dass Dritten Nutzen zugute kommen, ohne dass sie dafür ein Entgelt entrichten müssen. Eng damit verbunden ist die Problematik öffentlicher Güter, da eine Nichtausschließbarkeit vorliegt. Dies führt zu Trittbrettfahrerverhalten.28 Entscheiden sich beispielsweise private Träger dazu, einen Park in einer Gemeinde zu finanzieren, so profitieren alle Gemeindemitglieder davon, ohne notwendigerweise einen Beitrag leisten zu müssen. Aus Abbildung 3 wird deutlich, dass aufgrund positiver externer Effekte die wirtschaftlich erwünschte Menge der davon betroffenen Güter zu gering ausfällt und ein Wohlfahrtsverlust( blau gestreiftes Dreieck) unumgänglich ist. Generell wird eine Internalisierung externer Effekte angestrebt, um ein Marktgleichgewicht wiederherzustellen. Dabei ist eine vollständige Beseitigung der Effekte weder erwünscht noch möglich.29 Denkbare Eingriffe sind unter anderem moralische Appelle, Ge- und Verbote, handelbare Schädigungsrechte( Lizenzen), Steuern bzw. Abgaben und Subventionen. Bei der Wahl eines geeigneten Instruments zur Internalisierung von Externalitäten müssen die damit verbundenen 27 Verteilungswirkungen Vgl. ebenda, S. 221 f. Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 103 29 Vgl. ebenda, S. 113. 28 und Transaktionskosten berücksichtigt 10 werden. Eine staatliche Bereitstellung sollte allerdings nur im Extremfall durchgesetzt werden.30 Externe Effekte sind typische Merkmale von Infrastruktur.31 Im Verkehrswesen, der für eine Volkswirtschaft elementar ist32, dominieren negative externe Effekte, die Existenz positiver Externalitäten wird hinterfragt.33 Als negative Externalitäten des Verkehrs zu nennen sind unter anderem die Luftbelastung durch Schadstoffe, Lärmbelästigung, Energieverbrauch, Landschafts- veränderungen und Gefahren für Gesundheit und Leben. Allerdings gestaltet es sich schwierig, den Schädigungen präzise Werte zuzurechnen. Eine rein positive Betrachtung der Effizienz kann der Problematik nicht genügen. Anders als bei materieller Infrastruktur spielen negative externe Effekte keine besonders große Rolle bei sozialer Infrastruktur. Hier sind vor allem positive Externalitäten zu beachten. Um daher die Gütermengen sozialer Infrastruktur zu erhöhen, erfahren diese Einrichtungen hohe Fördergelder, wie es im Falle der Forschungs- und Technologieförderung geschieht.34 Eine staatliche Bereitstellung, wie im Falle des Großteils deutscher Hochschulen, kann aber eher mit Marktversagen in Folge von Informationsmängeln begründet werden.35 4.2 Unteilbarkeiten und natürliches Monopol Das Existieren von Unteilbarkeiten verletzt die Annahme vollständiger Konkurrenz, alle Güter und Produktionsfaktoren seien nach Belieben teilbar.36 Am häufigsten ergeben sich Unteilbarkeiten, weil Kapazitäten bestimmter Ressourcen aus technischen Gründen lediglich in großen Sprüngen variiert werden kann. Oft führen Unteilbarkeiten zu einer von Oligopolbildung und nur in seltenen Fällen zu einer Bildung von natürlichen Monopolen. Allerdings können die Oligopolisten kraft Absprachen den Wettbewerb untereinander aussetzen. 30 Hierzu: ebenda, S. 149. Vgl. Frey (1972), S. 29. 32 Vgl. Ströbele, M. (1999): Die Deregulierungswirkungen der europäischen Integration: das Beispiel der Sondermärkte( Hohenheimer volkswirtschaftliche Schriften; Bd. 34), Frankfurt am Main, S.79. 33 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Berschin (2000), S. 24f. 34 Vgl. Weida, A. (1997): Sektorale Strukturpolitik und Umweltschutz: theoretische Fundierung einer ökologisch orientierten Strukturpolitik, dargestellt am Beispiel der Europäischen Union, Frankfurt am Main, S. 111. 35 Vgl. Welfens (2005), S. 500 ff. 36 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 178 ff. 31 11 Folglich würden sie als Kartell auftreten wie ein Monopolist. Mit ähnlichen Folgen für die Wirtschaft. Im weitern Verlauf verzichtet der Autor aus Gründen der Verständlichkeit auf die Darstellung des allgemein gültigeren Falls der Subadditivität zu Gunsten der Erläuterung des spezielleren Falls der sinkenden Durchschnittskosten. Dieser deckt die Mehrheit aller in der Realität anzutreffender Fälle ab. Sinkende Durchschnittskosten können auf eine Vielzahl von möglichen Gründen zurückgeführt werden. Der häufigste ist in hohen Anfangsinvestitionen zu finden. Beim Telefonnetz etwa sind die Betriebskosten im Vergleich zu den Anfangsinvestitionen in Leitungen und Anlagen äußerst gering.37 Liegt die Nachfrage im Bereich sinkender Durchschnittskosten, dann wird der Anbieter, wenn er nicht unterboten werden kann, Monopolpreise verlangen. Das kann in Abbildung 4 nachvollzogen werden. Preis (P) Defizit bei Grenzkostenpreisen Nachfrage Grenzkosten PDK P Durchschnittskosten GK XDK XGK Menge (X) Abbildung 4: Sinkende Durchschnittskosten Quelle: eigene Darstellung nach Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 190 Die Durchschnittskosten liegen im relevanten Bereich, in dem sie von der Nachfrage geschnitten werden, über den Grenzkosten. In diesem Bereich kann ein einziger Anbieter jede beliebige Gütermenge zu den günstigsten Kosten offerieren. Eingezeichnet ist das Defizit, das entstehen würde, wenn der Anbieter Güter zum Grenzkostenpreis anbieten würde. Schon lediglich bei der kostendeckenden Variante, bei der die Durchschnittskosten von der Nachfragekurve geschnitten werden, ist die Menge geringer als die wirtschaftlich erwünschte. Zusätzlich kann der Monopolist, wenn er keine Konkurrenz erwarten muss, wie im Falle von Verkehrsinfrastrukturen38, Monopolpreise nach dem 37 38 Vgl. ebenda, 246 ff. Vgl. Berschin (2000), S. 26. 12 Cournot-Verfahren festlegen, um seinen Monopolgewinn zu maximieren. Diese liegen aber sogar unter der Menge bei Kostendeckung, so dass die bereitgestellte Menge noch kleiner ausfällt. Durch die Cournot-Preisbildung kommt es zu einem Wohlfahrtsverlust. Das Verhalten des Monopolisten kann zusätzlich noch weitere Marktversagensarten mit sich führen, wie Minderqualitäten und geringe Innovationsfreude. Die soziale Infrastruktur ist nicht von Unteilbarkeiten betroffen. Aber wegen der hohen Investitionskosten ist es im Bereich der technischen Infrastruktur die Netzinfrastruktur, zum Beispiel der Verkehr, das Telefonnetz oder die Energieversorgung, bei denen Marktversagen in Folge von Unteilbarkeiten vorliegt.39 Um die wohlfahrtsschmälernden Effekte von Unteilbarkeiten zu regulieren, sind für den Staat drei Handlungsfelder wesentlich:40 Zum einen kann der Staat Maßnahmen ergreifen, die Marktzutrittsbarrieren entgegenwirken, um für so mehr Wettbewerb zu sorgen. Zum anderen kann die Wirtschaftspolitik Schritte zur Regulierung von natürlichen Monopolen einleiten. Schließlich sollte der Staat die Monopolisierung von Oligopolmärkten verhindern, mithilfe einer funktionierenden Kartellbehörde beispielsweise. Im Falle der deutschen Energieversorgung, die für eine moderne Wirtschaft unverzichtbar geworden ist, erfolgte trotz Reformversuchen keine Verhinderung von Monopolstrukturen nach der Privatisierung des Strommarkts. Nach dem Prinzip der „geschlossenen Versorgungsgebiete“ erfolgt die Versorgung durch Gas oder Strom jeweils durch ein einzelnes Unternehmen in der Region, das somit als regionaler Monopolist auftritt. 41 4.3 Informationsmängel Das Modell vollständiger Konkurrenz geht davon aus, dass die Marktakteure über vollständige, sofortige und kostenlose Information verfügen.42 Diese Annahme aber ist utopisch.43 Insbesondere relevant für den Infrastrukturbereich ist der Bereich von „Informationsasymmetrien“, der sich mit der Qualität von Gütern befasst. Informationsasymmetrien können entweder zu Ungunsten der Nachfrager 39 Vgl. Frey (1972), S.27. Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (199), S. 216. 41 Vgl. Ströbele (1999), S. 160 f. 42 Die folgenden Asuführungen beziehen sich auf Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 262 ff. 43 Hierzu Finsinger (1991), S. 206. 40 13 oder zu Ungunsten der Anbieter ausfallen. Bei Infrastruktur ist insbesondere der erstgenannte Fall relevant. Es wird unterstellt, dass bei vollständiger Information Güter mit höherer Qualität aufgrund höherer Kosten auch einen höheren Preis mit sich führen. Potentielle Kunden werden gemäß ihrer Präferenzen entscheiden, welche Qualität sie zu welchem Preis erwerben möchten. Können die Nachfrager die wahre Qualität aber erst nach dem Kauf eines Gutes bewerten, so können sie vor dem Kauf keine Beziehung zwischen Qualität und Preis feststellen. Dieser Umstand kann zu einer „adverse selection“ führen.44 Eine adverse selection beschreibt einen Prozess, bei dem gute Qualität durch schlechte ersetzt wird. Allerdings hat der Markt selber gute Möglichkeiten, um ein solches Problem selbst zu beheben. „Screening“ stellt hierbei die aktive Informationssuche der Minderinformierten dar. „Signaling“ bezeichnet einen Informationstransfer, den besser Informierte vornehmen, um etwa der adverse selection entgegenzuwirken. Informationsökonomisch können Güter nach drei Eigenschaften eingeteilt werden.45 Die Qualität von Gütern mit vorwiegend Such- bzw. Inspektionseigenschaften wie etwa Möbel, kann bereits im Vorfeld des Kaufs bestimmt werden. Die Qualität von Gütern mit vorwiegend Erfahrungseigenschaften, wie Restaurantessen, lässt sich erst nach dem Kauf beurteilen. Am problematischsten ist die Qualitätsbestimmung bei Gütern mit vorwiegend Glaubens- bzw. Vertrauenseigenschaften. Hierbei lässt sich die Qualität für den Konsumenten in der Regel nicht bestimmen. Daraus können große Minderqualitäten resultieren oder gar Gefahren für Gesundheit und Leben erwachsen. Betroffen sind davon daher im Infrastrukturbereich die Wasserversorgung, das Gesundheitswesen, die Verkehrssicherheit und das Bildungswesen. Der Staat sieht sich verpflichtet, eine Mindestqualität zu gewährleisten.46 Dies kann mittels Einführung von Informationspflichten, öffentlicher Bereitstellung von Informationen, Erlassen von Mindeststandards, Garantieverpflichtungen, Regelungen des Haftungsrechts vorgenommen werden. In besonders gravierenden Fällen von Informationsmängeln, wie dem Bildungswesen, übernimmt der 44 Vgl. Ströbele, M. (1999), S. 24. Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S.267 ff. 46 Vgl. Finsinger (1991), S. 215 f. 45 14 deutsche Staat sogar Großteile der Bereitstellung. In Deutschland wird im Unterschied zum stärker wettbewerblich organisierten Hochschulbildungssystem der USA ein annähernd gleiches Qualitätsniveau von Hochschulen angestrebt.47 Die Frage nach Qualitätsmindeststandards ist eine normative. Sie geht über die bei externen Effekten angesprochene wohlfahrtsökonomische Sichtweise hinaus. 4.4 Verzerrungen der Zeitpräferenzrate Über die Zukunft herrscht eine hohe Unsicherheit.48 Einige Märkte, wie der Finanzmarkt etwa, versuchen, diese Unsicherheit zu fassen und berechenbar zu machen. Auf Basis von statistischen Analysen werden Eintrittswahrscheinlichkeiten für Ereignisse gebildet. Darüber hinaus werden Abdiskontierungen basierend auf Opportunitätskosten vorgenommen, um bei Investitionen Gegenwartswerte bestimmen zu können. Diese Gegenwartswerte werden in der englischen Gegenwartswert) genannt. 49 Literatur „present value“(im Deutschen: Sie entstehen aus der Aufsummierung aller abdiskontierter Cashflows, die in Zukunft erwartet werden. So lassen sich Investitionen inklusive der zeitlichen Komponente miteinander vergleichen. Generell gilt, dass gegenwärtige Cashflows zukünftigen vorgezogen werden. Je höher der Diskontfaktor angesetzt wird, desto stärker fällt dieser Effekt aus. Der freie Markt tendiert dazu, übermäßig hohe Diskontfaktoren anzusetzen. Diese weichen jedoch von einer gesellschaftlichen Zeitpräferenzrate ab.50 Schlichter gesagt, auf dem freien Markt kommt es zu Investitionen von ausgeprägt kurzfristigem Charakter. Gesamtwirtschaftlich wäre jedoch eine langfristigere Planung erwünscht. Infrastrukturentscheidungen haben nämlich eine lange Nachwirkungsdauer. Da der Markt aber bei längerfristigen Investitionen zu Versagen neigt, ist Nachhaltigkeit ist zu einem politischen Schlagwort geworden. Der Staat sieht sich als Vertreter künftiger Generationen, die ihre Interessen noch nicht wahrnehmen 47 Vgl. Welfens (2005), S. 501 ff. Vgl. Weida, A. (1997), S. 29 f. 49 Vgl. Rao, R. K. S. (1995): Financial management: concepts and applications, 3. edition, Cincinnati. 50 Vgl. Füßler, A. (1993): Die gesellschaftliche Zeitpräferenzrate: Theoretische Grundlagen, Kritik und Evidenz, Kaiserslautern, S. 2 ff. 48 15 können.51 Dies gilt besonders für die Vermeidung von Umweltschäden und des Ressourcenraubbaus, aber auch für eine Sicherstellung genügender Investitionen in Infrastruktur, auf deren Grundlage künftige Generationen wirtschaften werden. Nach der Meinung des Verfassers ist ein Beispiel für eine Fehlinvestition bei Infrastruktur die Investition in Kernkraft. Die Lagerung der Brennstäbe von äußerst langer Strahlungsdauer und die hohen Kosten des nuklearen Brennstoffkreislaufs machen diese Technologie unwirtschaftlich.52 Zusätzlich sollten soziale und wirtschaftliche Folgekosten im Falle eines Unglücks wie Tschernobyl, mit welchen die betroffenen Länder noch heute zu kämpfen haben, berücksichtigt werden Stattdessen empfiehlt sich eine Forcierung der Forschung nach erneuerbaren Energien. Bei Deregulierung von Infrastruktur hat der Staat die Aufgabe, einen Interessenausgleich von existierenden und künftigen Generationen herzustellen und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Für die tatsächliche Umsetzung besteht aber das Problem, dass künftige Generationen nicht nach ihren Präferenzen befragt werden können.53 5. Abschließende Betrachtung Es wurde festgestellt, dass Marktversagen ein typisches Merkmal von Infrastruktur darstellt.54 Für jeden Typus von Infrastruktur gelten unterschiedliche Arten von Marktversagen als zentral. Darüber hinaus sind Infrastruktureinrichtungen meist von mehreren Arten von Marktversagen zugleich betroffen. Da Infrastruktur die Grundlage des Wirtschaftens bildet und Bürger mit lebensnotwendigen Gütern versorgt, ist es enorm wichtig, dass extreme Formen von Marktversagen nach Möglichkeit korrigiert werden.55 Denn externe Effekte und Unteilbarkeiten führen bei Infrastruktur in erster Linie zur quantitativen Unterversorgung mit Gütern. Qualitative Mängel sind hauptsächlich auf Informationsmängel 51 zurückzuführen, dynamische auf Verzerrungen Vgl. Heller, P. W. (1989): Das Problem der Umweltbelastung in der ökonomischen Theorie, Frankfurt am Main, S. 188. 52 Vgl. Hansen, U. (1983): Kernenergie und Wirtschaftlichkeit: eine Analyse der erwarteten Stromkosten gebauter und geplanter Kraftwerke, Köln, S.51 ff. 53 Vgl. Heller, (1989), S. 188. 54 Vgl. Frey (1972), S. 26 ff. 55 Vgl. Weida, A. (1997), S. 28. der 16 Zeitpräferenzrate. Somit führt ein sich selbst überlassener Markt zu einer Nichterfüllung der Grundvorsorge unter zeitlichen, qualitativen als auch quantitativen Aspekten. Außerdem wirkt sich Infrastruktur positiv auf das Wirtschaftswachstum aus und kann die Standortfaktoren der Region verbessern56. Daher wird Marktversagen vom Staat als Rechtfertigung für regulierende Eingriffe aufgefasst.57 Tatsächlich befindet sich in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts der Großteil der Infrastruktur in Staatshand, nicht zuletzt wegen ungenügender privater Lösungen in der Vergangenheit.58 Die Theorie des Staatsversagen, die ein Gegengewicht zur Theorie des Marktversagens darstellt, zweifelt jedoch an einer rationalen und effizienten Ausrichtung der Politik an gesellschaftlichen Zielen.59 Es wird abgeleitet, dass Regulierungen ebenfalls mit Kosten in Form von Transaktions- und Informationskosten verbunden sind. Es ist davon auszugehen, dass der Wettbewerb im Markt eher Innovations- und Effizienzerwartungen erfüllt als staatliche Planungen. Deshalb ist der Verfasser der Meinung, dass grundsätzlich eine Ausrichtung am Marktwettbewerb zu bevorzugen wäre. Jüngste Tendenzen der Deregulierung unterstreichen dies.60 Es sollte aber vermieden werden, dem Markt allzu viel zuzumuten, da er bei Infrastruktur unweigerlich versagt. Deshalb muss separat für jeden Typ von Infrastruktur die geeignete institutionelle Struktur und Rolle von Markt und Staat gefunden werden. Möglicherweise können die Vorteile einer marktlichen und einer staatlichen Bereitstellung sowie Kontrolle von Infrastruktur kombiniert werden. Dabei ist es von großer Bedeutung zu bedenken, dass Entscheidungen, die Infrastruktur betreffen, aufgrund langer Lebensdauer nicht kurzfristig reversibel sind.61 Daher ist es sinnvoll, bei Entscheidungsprozessen wie der aktuellen Frage nach einer möglichen Trennung von Schiene und Bahn mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen. Die Theorie des Marktversagens kann zwar zu Beurteilungen als theoretischer Ausgangspunkt herangezogen werden. Die Theorie kann auf mögliche Problembereiche bei Infrastruktur hinweisen und daraus wirtschaftspolitische Empfehlungen ableiten. Allerdings sollte der Versuch vermieden werden, 56 Vgl. Frey (1972), S. 32 ff. Vgl. Berschin (2000), S. 23. 58 Vgl. Scheele (1993), S. 26. 59 Vgl. Fritsch, Wein, Ewers (1999), S. 360 ff. 60 Ströbele, M. (1999), S. 73 ff. 61 Frey (1972), S. 30. 57 17 Infrastrukturentscheidungen allein mit der Theorie des Marktversagens zu begründen. Das Konzept stößt in der konkreten Anwendung häufig wegen der Vielzahl zu beachtender Faktoren an seine Grenzen. Daher müssen rein normative wirtschaftswissenschaftliche Überlegungen wissenschaftlichen kombiniert werden. mit positiven gesellschafts- 18 Literaturverzeichnis Berschin, F. (2000): Daseinsvorsorge durch Wettbewerb- der öffentliche Verkehr zu Lande im Markt, Heidelberg, S. 6ff., S. 23 ff, S. 26 Finsinger, J. (1991): Wettbewerb und Regulierung, in: Finsinger, J.; Lehmann, M.; Picot, A. (Hrsg.): Law an economics; Bd. 16, München, S. 3, S. 8 ff, S. 206, S. 215 f Frey, R. (1972): Infrastruktur: Grundlagen der Planung öffentlicher Investitionen, Tübingen, S. 26 ff., S. 29, S. 39 ff. Frey, R. (1979): Die Infrastruktur als Mittel der Regionalpolitik: eine wirtschaftstheoretische Untersuchung zur Bedeutung der Infrastrukturförderung von entwicklungsschwachen Regionen in der Schweiz, Bern, S. 17 Fritsch, M.; Wein, T.; Ewers, H.-J. (1999): Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns, 3. Aufl., München, S. 5ff, 91 ff., S. 103, S. 112 ff., S. 149, S. 178 ff, S. 246 ff, 262 ff, S. 267 ff, S. 360 ff Füßler, A. (1993): Die gesellschaftliche Zeitpräferenzrate: Theoretische Grundlagen, Kritik und Evidenz, Kaiserslautern, S. 2 ff Hansen, U. (1983): Kernenergie und Wirtschaftlichkeit: eine Analyse der erwarteten Stromkosten gebauter und geplanter Kraftwerke, Köln, S.51 ff Heller, P. W. (1989): Das Problem der Umweltbelastung in der ökonomischen Theorie, Frankfurt am Main, S. 188 Hirschman, A. O. (1958): The Strategy of Economic Development, London, S.??? Immenga, U. (1999): Grenzen des Wettbewerbs auf deregulierten MärktenGeneralbericht, in: Blaurock, U. (Hrsg.): Grenzen des Wettbewerbs auf deregulierten Märkten: Tagungsband, Baden-Baden, S.73 ff Jochimsen, R. (1966): Theorie der Infrastruktur. Grundlagen der marktwirtschaftlichen Entwicklung, Tübingen, S. 145 Mankiw (2001), S. 1 Mankiw, N. G. (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Stuttgart, S. 12, S. 69 ff., 155 ff, s. 221 f Rao, R. K. S. (1995): Financial management: concepts and applications, 3. edition, Cincinnati Scheele, U. (1993): Privatisierung von Infrastruktur: Möglichkeiten und Alternativen, Köln, S. 18- 19, S. 26 ff Stohler, J. (1965): Zur rationellen Planung der Infrastruktur, in: Konjunkturpolitik, Bd. 11, ???, S. 294 Ströbele, M. (1999): Die Deregulierungswirkungen der europäischen Integration: das Beispiel der Sondermärkte( Hohenheimer volkswirtschaftliche Schriften; Bd. 34), Frankfurt am Main, S. 24, S. 73, S.79, S. 160 f 19 Weida, A. (1997): Sektorale Strukturpolitik und Umweltschutz: theoretische Fundierung einer ökologisch orientierten Strukturpolitik, dargestellt am Beispiel der Europäischen Union, Frankfurt am Main, S. 28 ff., S. 111 Welfens, J. J. (2005): Grundlagen der Wirtschaftspolitik: InstitutionenMakroökonomik- Politikkonzepte, 2. Aufl., Berlin, S. 470, S. 500 ff 20 Anhang Diese Tabelle mit den Eigenschaften von Infrastruktur enthält Arten des Marktversagens. Diese typischen, jedoch nicht notwendigen Merkmale von Infrastruktur sind zum Teil eng miteinander verbunden: Tabelle 1: Merkmale von Infrastruktur Quelle: entnommen aus Frey (1972), S. 18. Diese Grafik illustriert negative externe Effekte. Sie vermindern wie positive externe Effekte die gesellschaftliche Wohlfahrt ebenso: Abbildung 5: Positive externe Effekte Quelle: entnommen aus Mankiw (2001), S. 228. 21 Die folgende Abbildung zeigt den Wohlfahrtsverlust bei Monopolpreisbildung auf. Der Monopolist setzt den Preis nach dem Cournot-Verfahren. Seine gewinnmaximierende Menge liegt im Schnittpunkt des Grenzerlöses mit den Grenzkosten. Daher liegt die Monopolmenge unter der gesamtwirtschaftlich erwünschten Menge: Abbildung 6: Wohlfahrtsverluste durch Monopolpreisbildung Quelle: entnommen aus Mankiw (2001), S. 353.