Vermarktungsstrategien in globalisierten Märkten Dr. Reimer Mohr, Bordesholm Die Preisentwicklungen auf den internationalen Märkten für Agrarerzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte sind aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren nicht vorhersagbar. In einer wettbewerbsorientierten Landwirtschaft erlangt das aktive Management von Risiken zunehmende Bedeutung. Aufgrund nicht vorhersehbarer Preisentwicklungen müssen landwirtschaftliche Betriebe erhebliche Liquiditäts- und Gewinnschwankungen hinnehmen. Tabelle 1 spiegelt die künftigen betrieblichen Erlösschwankungen eines 300 ha Ackerbaubetriebes wider. Danach muss sich dieser Betriebstyp auf Erlösschwankungen von 204.000 EUR im Ackerbau einstellen. Im aktuellen Vermarktungsjahr 07/08 lagen die Schwankungen sogar noch um 20 bis 25 % höher. Diese Preissituationen sind bei Bewegungen nach oben wie in diesem Jahr eine große Chance. Sie können aber bei umgekehrten Vorzeichen die Liquidität des Betriebes gefährden und langfristig die wirtschaftliche Existenz des landwirtschaftlichen Betriebes bedrohen. Nur durch ein ausgefeiltes betriebliches Managementkonzept können diese Risiken gemeistert werden. Grundlage eines erfolgreichen Risikomanagements ist in erster Linie eine detaillierte Finanzplanung für das Wirtschaftsjahr. Aus der Finanzplanung leitet der Betriebsleiter sein Risikopotenzial ab. Er bestimmt kostendeckende Preise und maximal tolerierbare Preisschwankungen. Daran schließt sich die Vermarktungsplanung an, in der der Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte in Abhängigkeit der Finanzlage, der betrieblichen Lagerkapazitäten und der Markterwartung vorgeplant wird. In der Vermarktungsplanung werden letztendlich die Vermarktungsstrategien festgelegt. ◆ Vermarktung rund ums Jahr Die Vermarktung von Getreide und Ölsaaten hat sich in den letzten Jahren zu einem Ganzjahresprozess entwickelt. Jeden Tag kaufen und verkaufen die Ölmühlen rund um den Globus Ware für sofortige und spätere Lieferung. Landwirtschaft und Handel stehen den Ölmühlen und Exporteuren als Handelspartner gegenüber. Erfolgreiche landwirtschaftliche Betriebe wählen ihren Vermarktungszeitpunkt so, dass sie im Durch schnitt der Jahre das höchste Drittel der Preisverläufe erreichen. Die Wahl des Verkaufszeitpunktes wird unter Berücksichtigung der betrieblichen Einflussfaktoren durch die eigene Marktauffassung bestimmt. Hat zum Beispiel der Betrieb einen erhöhten Geldbedarf im Oktober, so muss der Betriebsleiter entscheiden, welches Produkt verkauft und welches spekulativ weiter gelagert wird. Letztendlich stellt sich die Frage: „Bei welchem Produkt erwartet die Unternehmensführung die höchsten Preissteigerungen?“. ◆ Neue Vermarktungsstrategien Bisher hieß Vermarktungsstrategie: Sofort verkaufen oder weiter einlagern. Einige Landwirte nutzten noch Liefer- oder Lager verträge. In jüngster Zeit rücken Warenterminbörsen mehr in den Mittelpunkt. Durch Warenterminbörsen sind neue Vermarktungsstrategien entstanden: Direkte Preisabsicherung an der Börse, die indirekte Nutzung der Börse bei Lieferverträgen auf Grundlage der Börsennotierungen (Basiskontrakte) oder künftig auch der Optionshandel. Selbst für Landwirte, die ein Terminbörsenengagement ausschließen, sind Kenntnisse über Börsennotierungen und deren Zusammenhänge zum Kassamarkt unerlässlich. ◆ Börsenbasierte Lieferverträge In der Rapsvermarktung ist der Abschluss von Lieferverträgen in der Zeit zwischen Aussaat und Ernte seit Jahren eine viel genutzte Vermarktungsstrategie. In vielen Betrieben wird bereits mehr als 50 % des Rapses per Liefervertrag verkauft. In der Getreidevermarktung ist der Abschluss von Lieferverträgen noch Neuland. Erste Erfassungshändler bieten bereits Lieferverträge für Gerste, Roggen und Weizen an. Durch den Abschluss von frühzeitigen Lieferverträgen kann der Betriebsleiter einem erwarteten Erntedruck ausweichen. Stattdessen können Preishochs im Winter oder Frühjahr durch z.B. die Wettermärkte in den USA und Südamerika zum Vertragsabschluß genutzt werden. Betriebe, die aufgrund fehlender Lagerkapazitäten oder eines hohen Geldbedarfes in der Erntezeit Getreide und Ölsaaten verkaufen wollen, können durch Lieferverträge ihren Verkaufszeitraum auf bis zu 18 Monate im Voraus ausdehnen. Für Landwirte mit betrieblicher Lagerung weitet sich der Vermarktungszeitraum auf bis zu 2,5 Jahren aus. So wurden bereits im Frühjahr 2006 Lieferverträge für Mai 2008 angeboten. In Phasen steigender Preise kann es sinnvoll sein, den Raps bereits vor der Aussaat zu verkaufen. Die Grundlage für die Lieferverträge sind immer die Terminmarktnotierungen in Paris. Der Preis ab Station errechnet sich im Streckengeschäft nach folgendem Schema: Börsenpreis – Lagerkosten bis zum Erfüllungszeitpunkt des Börsenkontraktes – Transportkosten zum Verarbeitungs/Handels/Börsenplatz – Handelsspanne für den Händler +/– Preisabweichung durch die regionale Wettbewerbssituation Aufgrund der Erfahrungswerte aus der Vergangenheit kennen die Landwirte die Differenz zwischen dem Börsenpreis und dem regionalen Erzeugerpreis. Dies ermöglicht den Landwirten bei einem Blick auf die Terminnotierung in Paris den Erzeugerpreis vor Ort abzuschätzen, damit ist er auf ein Verkaufsgespräch mit den Händlern vor Ort gut vorbereitet. ◆ Basisverträge Zwischen der Landwirtschaft und den nachgelagerten Stufen von Handel und Verarbeitung gibt es viele langjährige, erfolgreiche Handelsbeziehungen. Die Harmonie wird zeitweise durch eine unterschiedliche Auffassung über die Entwicklung des Marktes getrübt. Dies führte zur Entwicklung der Basisverträge. Die Basisverträge werden teilweise auch als Prämienverträge bezeichnet. Bei den Basisverträgen wird die Preisdifferenz zwischen der Warenterminbörse und dem regionalen Erzeugerpreis festgeschrieben. Diese Differenz wird als Basis bezeichnet. Sie beinhaltet die o. a. Faktoren: Lagerkosten, Transportkosten, Handelsspanne und die regionale Wettbewerbssituation. Das besondere bei diesen Verträgen ist, dass der Preis bei Vertragsabschluss offen bleibt. Der Landwirt hat die Möglichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitfensters den endgültigen Verkaufspreis mit dem Händler festzulegen. Diese Basisverträge haben für beide Vertragspartner Vorteile. Der Händler hat bereits die Handelsmenge in den Büchern stehen und kann damit die Auslastung der Logistik und seiner Anlagen besser steuern. Der Landwirt kann sich durch den Abschluss des Vertrages eine attraktive Basis sichern und gleichzeitig auf einen Anstieg des Preises weiter spekulieren. Weiterhin ist der Verhandlungsspielraum hinsichtlich Qualitäten, Trocknungs- und Aufbereitungskosten in der Vegetation und Vorerntegeschäft erheblich größer als während der Ernte. Besonders interessant sind Basisverträge bei NawaroRaps- und Energierapsverträgen. Mit dem Vertragsabschluß bis Januar wird die behördliche Auflage erfüllt, der Preis bleibt allerdings offen. Der Liefervertrag legt fest, dass der Erzeugerpreis sich direkt vom Börsenkurs der Warenterminbörse ableiten soll. So kann z.B. ein Abschlag von 20 EUR/t gegenüber dem Börsenkurs, der eine fob-Notierung (fob = free on board) darstellt, festgelegt werden. Weiterhin kann vereinbart werden, dass der Landwirt den Preis bis spätestens November des Folgejahres fixiert haben muss. Der Basiskontrakt ermöglicht somit den Landwirten seine steigende Preiserwartung in eine Vermarktungsstrategie umzusetzen. Betriebe, bei denen kein oder zu wenig Lagerraum vorhanden ist, haben in der Vergangenheit häufig beim Handel eingelagert. Probleme traten in erster Linie bei der Preisfindung auf, dabei war es selten rentabel den Raps wieder auszulagern und an Dritte zu verkaufen, da in diesen Fällen die Kosten der Auslagerung häufig höher als die Preisdifferenz zwischen den Wettbewerbern war. Dies Problem lässt sich durch die Verknüpfung von Basiskontrakten mit Einlagerungsverträgen lösen. Durch die festgelegte Preisdifferenz erhält der Landwirt jederzeit einen fairen Verkaufspreis. Teilweise besteht auch die Möglichkeit, diese Verträge, mit Abschlagszahlungen zu verbinden. Die Basiskontrakte lassen sich auch auf Lieferverträge bei hofeigner Lagerung ausdehnen. Tabelle 1: Erlösschwankungen eines 300 ha Ackerbaubetrieb ◆ Fazit Warenterminbörsen erhöhen die Kurse der Markttransparenz an den Ölsaaten- und sich neue Getreidemärkten. Auf Basis der Warenterminbörsen haben Vermarktungsstrategien entwickelt. Sie ermöglichen den Landwirten, Händlern und Verarbeitern die regionalen Marktpreise direkt vom Börsenpreis abzuleiten. Eine faire Preisableitung des Preises ab Station von den Börsenkursen verbessert die Fairness in Verhandlungen zwischen der Landwirtschaft und der Handels- und Verarbeitungsstufe.