EMDR - Patienteninformation - psychosomatikpraxis

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Psychosomatisch-Psychotherapeutische Praxis Leonberg
Cornelius Sipple, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
Listtrasse 1/2 , 71229 Leonberg, Tel.: 07152 / 335224
E-Mail: [email protected]
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Patienteninformation zu
EMDR – Eye Movement Desensitization and Reprocessing
Liebe Patientin, lieber Patient,
bevor Sie sich in Ihrer psychotherapeutischen Behandlung auf die von mir
vorgeschlagene EMDR-Methode weiter einlassen, möchten Sie sich sicherlich
informieren. Hier möchte ich Ihnen einiges über die Methode vermitteln.
Dieses Therapiewerkzeug wurde von der amerikanischen Psychologin Francine
Shapiro entdeckt und entwickelt. Daher auch der amerikanische Name. Es gibt bis
jetzt keine deutsche Übersetzung. Mein Versuch zu übersetzen führt zu folgendem
uneleganten Begriff: Desensibilisierung und Informationsneuverarbeitung mittels
Augenbewegungen. Ich hoffe, dass ihnen folgende Erläuterungen weiterhelfen.
Gegenwärtig ist noch zu wenig über die Funktionsweise des Gehirns bekannt, um
für irgendeine Psychotherapie eine wirklich endgültige und umfassende
wissenschaftliche Erklärung geben zu können. Es gibt jedoch schon viele interessante
Forschungsergebnisse und Erklärungsansätze.
EMDR bezieht Erkenntnisse aus verschiedenen Wissensgebieten ein. Eine Annahme
beinhaltet, dass negative oder traumatische Lebenserfahrungen auf das biochemische
Gleichgewicht des Gehirns störend wirken, so dass die angemessene Verarbeitung
der Information, d. h. der traumatischen Erfahrung, blockiert wird. Wie bei Muskeln
sind sehr häufig verwendete Areale im Gehirn größer (nach schwerem Trauma ist
dies die Amygdala, die Feuerwehr im Gehirn), überlastete Areale sind im Vergleich
zum normalen Gehirn eher zu klein (nach schwerem Trauma ist dies der
Hippocampus, das Areal, was für Verarbeitung zuständig ist). Heute weiß man, dass
sich dies im laufe einer Psychotherapie wieder verändern kann - teils sind dazu
jedoch Jahre notwendig.
Die ehemals traumatisierende Information wird gleichsam „eingefroren“, nicht
„verdaut“ und entfaltet so unbewusst hemmende Einflüsse, die sich im Leben und
Erleben des Menschen, auch über lange Zeit, bemerkbar machen. Aktuelle
Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Sinngebungen entsprechend trotz oder
gerade wegen des „Eingefrorenseins“ den alten, negativen Erfahrungen; diese sind
„stecken geblieben“ und können zwar durch spätere positive Lebenserfahrung
abgemildert und verdrängt, aber nicht wirklich gelöst werden.
Es ist gut bekannt, dass Menschen Erfahrungen zu einem großen Teil im Schlaf
verarbeiten und zwar besonders während der Traum-Phasen, die durch rasche
Bewegungen der Augen (rapid-eye-movements - rem ) gekennzeichnet sind.
Bei der EMDR-Methode regt der Therapeut beim Patienten rasche
Augenbewegungen an, indem er den Patienten bittet, z. B. seiner Handbewegung
mit den Augen zu folgen. Man kann auch die Fingerspitzen durch Vibration
stimulieren. Dadurch wird das informationsverarbeitende System im Gehirn
angeregt (Hippocampus) und durch die Gestaltung der Therapie eine Verarbeitung
negativer Erfahrung unterstützt.
EMDR unterstützt einen Gleichgewichtszustand zwischen den genannten Teilen des
Gehirns und vermindert Blockaden in der Informationsverarbeitung. Neben den
Augenbewegungen können auch Töne oder andere Stimuli hilfreich sein. Dabei wird
auch auf die Stärkung von Ressourcen im EMDR-Vorgang zurückgegriffen. Kurz
gefasst kann man sagen, dass der Therapeut den Patienten in der Mobilisierung von
Selbstheilungskräften unterstützt. Ihr Nervensystem leistet die eigentliche
therapeutische Arbeit.
Der Therapeut gleicht einem erfahrenen Reiseleiter, der Erfahrung über die
Transportmittel und die Umstände des Reisens mitbringt. Ziel ist ein Durcharbeiten
und Integrieren des negativen, traumatischen („eingefrorenen“) Materials, das dann
gleichsam verschwindet und Platz macht für neue, angemessenere, wohltuendere
Erfahrungen.
Die EMDR-Sitzung:
Der Patient wählt die zu bearbeitende alte Erfahrung aus, definiert gemeinsam mit
dem Therapeuten das Ziel und meldet dem Therapeuten Veränderungen seines
Erlebens im therapeutischen Prozess zurück. Konkret unterstützt der Therapeut den
Patienten bei der Ausarbeitung einer Erinnerung, der Arbeit an angemesseneren
inneren Leitsätzen und beim Ausführen der Augenbewegungen.
Da der therapeutische Prozess notwendigerweise vergangene Erfahrung (d. h.
Erinnerung z. T. mit früher erfahrenen Gefühlen) mobilisiert, unterstützt der
Therapeut den Patienten beim bewussteren Erleben der damit verbundenen Gefühle.
Etwa 1/3 der Patienten erleben in einer EMDR Therapiestunde erneut "alte" Gefühle
in ähnlicher Intensität (also hoch belastend), aber meist kürzer und mit zunehmender
innerer Distanz. 2/3 der Patienten erleben in der EMDR-Therapie "alte" Gefühle
ohne starke Belastung. Das erneute Erleben "alter" Gefühle ist nicht absolut
vorhersehbar und auch nicht zwingend notwendig, um eine durchgreifende
Besserung zu erreichen.
Eine sorgfältig durchgeführte Behandlung mit der EMDR-Methode kann eine
Retraumatisierung vermeiden. D. h. die Behandlung führt zu einem haltbaren
Ergebnis in der Hinsicht, dass die Empfindlichkeit gegenüber ehemals
„traumatischen“ Stress auslösenden Reizen/Stimuli/Triggern für immer
verschwindet (Desensibilisierung/Desensitization).
In Studien wurde die bessere Verträglichkeit der EMDR-Methode z.B. gegenüber
Expositionsverfahren der Verhaltenstherapie nachgewiesen. Es ist noch zu
erwähnen, dass die in der EMDR-Sitzung angestoßene Informationsverarbeitung
auch zwischen den eigentlichen Sitzungen weitergehen kann, d.h. es können Gefühle
und Erinnerungen auftauchen, stärker oder milder werden (das sog.
„Nacharbeiten“). Daher trifft der Therapeut evtl. Absprachen über Kontakte
außerhalb der vereinbarten Therapiestunden.
Zum Sitzungsende leitet der Therapeut den Patienten zur Neuorientierung an und
prüft sorgfältig das Ergebnis. Die Therapie gleicht einer Zugfahrt. Gemeinsam mit
dem Zugbegleiter sieht der Reisende die Landschaft der früheren Erfahrung an sich
vorbeiziehen und nähert sich dem Ziel. Der Zugbegleiter reguliert die
Geschwindigkeit, verhindert zu frühes Aussteigen, achtet auf passende
Anschlusszüge und ist für die Sicherheit verantwortlich.
Die EMDR-Methode ist bei Störungen, die sich auf traumatische Lebensereignisse
zurückführen lassen, hilfreich. Die Anpassung an veränderte Lebensumstände oder
nach einem Verlust kann durch eine Behandlung mit der EMDR-Methode
unterstützt werden. Die Wirksamkeit der EMDR-Methode ist in wissenschaftlichen
Untersuchungen gut belegt. In Deutschland ist EMDR als wissenschaftlich fundierte
Methode zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) seit
September 2006 anerkannt. Neuere Studien weisen auch auf eine Wirksamkeit der
EMDR-Methode bei anderen Störungsbildern, wie akuten Traumafolgereaktionen,
Angststörungen und Substanzabhängigkeit hin. Ob und wann eine Behandlung mit
der EMDR-Methode für Sie in Frage kommt sollten Sie mit Ihrem ärztlichen oder
psychologischen Therapeuten klären.
Auskunft erteilt auch die Fachgesellschaft der EMDR-Therapeuten EMDRIADeutschland (www.emdria.de).
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