Ärztliche Beratungsstelle Jahresbericht 2014 Ärztliche Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern e.V. Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5, 45711 Datteln www.aeb-datteln.de Heile Welt? - Nur eine Seite des Elternseins… 2 Inhaltsverzeichnis 1. Die vergessenen Kinder - Kinder psychisch erkrankter Eltern 2. Organisation und Zielsetzung der Ärztlichen Beratungsstelle 3. Konzeption 4. Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Fortbildungen 5. Finanzierung und Danksagung 6. Verteilung der Anmeldungsgründe 7. Fallzahlen und Wege der Kontaktaufnahme 8. Wohnorte der Familien 9. Die Kinder und Jugendlichen 9.1. Geschlechterverteilung 9.2. Altersverteilung 10. Mehrfache Belastung der Kinder 11. Bestätigung der Verdachtsmomente 3 1. Die vergessenen Kinder - Kinder psychisch erkrankter Eltern Wir möchten in diesem Artikel den Fokus auf eine Gruppe von Kindern richten, deren gesunde psychische und physische Entwicklung stark gefährdet ist, die jedoch häufig in unserem psychosozialen Versorgungsnetz übersehen werden - die Kinder psychisch kranker Eltern. Psychische Erkrankungen von Eltern führen bei betroffenen Kindern oft zu erheblichen psychischen Belastungen und Störungen, die meist nicht sofort ersichtlich sind. Darüber hinaus werden sie nach wie vor in unserer Gesellschaft, von den Betroffenen selbst und deren Angehörigen, aus Angst vor Stigmatisierung und Unverständnis, stark tabuisiert. Nach Expertenmeinung wachsen in Deutschland 3 - 4 Millionen Kinder, also fast jedes vierte Kind, bei zumindest einem psychisch erkrankten Elternteil auf. Auch bei 17 % der Kinder, die uns im Jahr 2014 in unserer Ärztlichen Beratungsstelle vorgestellt wurden, wies mindestens ein Elternteil eine psychische Erkrankung auf. Dabei handelte es sich vorwiegend um Depressionen und Persönlichkeitsstörungen (N= 10), in 12 Fällen lag ein Alkohol oder Drogenmissbrauch vor. Mattejat und Remschmidt stellen heraus (Deutsches Ärzteblatt 2008), dass die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an einer psychischen Störung zu erkranken, bei betroffenen Kindern um das Vierfache erhöht ist. Neben genetischen Faktoren, spielen insbesondere die Belastungen der Kinder, die sich aus dem Krankheitsbild der Eltern mit all den Symptomen ergeben und zeigen, für ihre Entwicklung eine maßgebliche Rolle. Dabei zeigt sich: Je jünger das Kind bei der Ersterkrankung der Eltern ist, desto schwerwiegender können die Folgen für seine Entwicklung sein. Eine junge Erwachsene beschreibt sehr anschaulich, wie die Erkrankung ihrer Mutter ihr kindliches Erleben geprägt hat: „Mit ihrem Blick durchleuchtete sie mich innerhalb von Sekunden und es war sicher, dass sie wie immer etwas finden würde, was an mir falsch war. Das konnte alles sein. So rügte sie mich beispielsweise dafür, dass mein Lachen hässlich aussehe oder dumm klinge. Allgemein waren ihr alle Zeichen von Lebendigkeit zu viel – ich kann mich nicht erinnern, dass ich in ihrer Gegenwart mal unbekümmert oder überhaupt Kind sein durfte.“ Kinder psychisch kranker Eltern erleben häufig ein unberechenbar wechselndes, nicht selten auch aggressives Interaktionsverhalten ihrer Eltern. Die Kinder sind verängstigt und verwirrt, weil sie die Stimmungsschwankungen und Probleme der Eltern nicht einordnen 4 und nicht verstehen können. Nicht selten glauben sie, verantwortlich für die Probleme zu sein und etwas falsch gemacht oder sich nicht genug gekümmert zu haben. Durch krankheitsbedingte Rückzugstendenzen sind Eltern für ihre Kinder oft emotional unerreichbar, was bei diesen zu einer erheblichen sozialen Unsicherheit und Bindungsstörung führen kann. Auch Sven (11J., Name geändert) gab in Gesprächen mit uns einen Einblick in seinen Alltag: „Ich war oft wütend, aber auch traurig, wenn ich mittags aus der Schule nach Hause kam. Die Vorhänge in unserer Wohnung waren noch zugezogen, meine Mutter schlief noch und sie hatte kein Essen vorbereitet. Sie hat mich oft angeschrien, ohne dass ich wusste was sie von mir wollte. Über die Erkrankung meiner Mama hab ich mich ein wenig im Internet schlau gemacht.“ Kinder beziehen primär Affekte der Eltern auf sich und reagieren angespannt auf jeden Stimmungswechsel. Diese Kinder sind oftmals über Jahre hinweg durchgehend belastet und wirken für ihr Alter „zu reif“. Sie fühlen sich verantwortlich für ihre Bezugspersonen und deren Befindlichkeit und versagen sich eigene Bedürfnisse und Interessen. Aufgrund der fehlenden Unbeschwertheit in ihrem Familienleben sind sie in ihrer Phantasie, Spiel- und Lernfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Das kindliche Nichtverstehen des elterlichen Verhaltens und der Erkrankung und die erlebte eigene Hilflosigkeit, können bei ihnen selbst zu Depressionen, Versagensängsten und Schuldgefühlen führen. Ältere Kinder und Jugendliche können ihren Ablösungs- und Autonomiebedürfnissen zu wenig nachgehen. Nicht selten übernehmen sie bereits frühzeitig die Verantwortung für die Haushaltsführung und die Versorgung jüngerer Geschwister („Parentifizierung“), was sie massiv überfordert. Sie sind zerrissen von dem Konflikt, loyal gegenüber den Eltern und der Familie sein zu wollen und ihren Gefühlen der Scham, Schuld und Wut. Sie leiden nicht nur unter der krankheitsbedingten sozialen Isolation der Familie, sondern ziehen sich auch aus Scham von Kontakten zu Gleichaltrigen zurück. Angst vor Unverständnis und Stigmatisierung führt innerhalb wie auch außerhalb der Familie immer noch zur Tabuisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Angst, dass die Kinder bei Bekanntwerden der Krankheit fremd untergebracht werden könnten, stellt einen zusätzlichen immensen Belastungsfaktor für alle Familienmitglieder dar. Zusätzlich sind weitere Risikofaktoren wie Trennung der Eltern, Armut, Arbeitslosigkeit sowie Konflikte und Gewalt in diesen Familien überrepräsentiert. (Mattejat und Remschmidt, Deutsches Ärzteblatt 2008). Nach Einschätzung dieser Autoren besteht für betroffene Kinder ein zwei bis fünffach erhöhtes Risiko für Vernachlässigung, 5 Misshandlung und sexuelle Gewalt. Diese Einschätzung ist nach unseren Erfahrungen sicherlich zu differenzieren. Sie ist in dieser Form für Suchterkrankungen sicherlich realistisch. Im Fall anderer psychischer Erkrankungen konnten wir eher ein erhöhtes, krankheitsbedingtes Gefährdungsrisiko für Vernachlässigung und emotionale Misshandlung feststellen. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche, selbst bei einer stationären Behandlung ihrer Eltern, nicht adäquat oder gar nicht über Art und Verlauf der Erkrankung ihrer Eltern sowie über den Behandlungsprozess aufgeklärt werden, ist erschreckend. Auch in unserer Arbeit müssen wir häufig feststellen, dass in vielen Fällen betroffene Kinder keinen Ansprechpartner für ihre Ängste und Fragen haben und damit sich selbst überlassen sind. Zwei Berichte von Jugendlichen machen dies leider nur allzu deutlich: „Meine Schwester und ich haben uns oft gewünscht, mit jemandem zu reden, der uns erklären kann, warum es in unserer Familie oft so traurig und chaotisch ist und wie das verändert werden kann. Und vielleicht will das auch mein Vater wissen, der redet darüber gar nicht, der wird immer stiller.“ (Lara, 15J.) „Sie war zwar wie gesagt 6 Wochen stationär in Behandlung, machte aber dann nie eine Therapie. Stattdessen wurde sie über längere Zeit mit Medikamenten ruhig gestellt und nahm auch danach regelmäßig Medikamente. Damit war das Problem für sie gelöst. Ihre Haltung mir gegenüber änderte das aber nicht. Nach mir gefragt oder mit mir gesprochen hat keiner der behandelnden Ärzte. Was genau sie hatte und wo die Ursachen liegen, werde ich wohl nie erfahren. Bei mir hätte es schon gereicht, wenn mir jemand erklärt hätte, dass meine Mutter krank ist und nicht ich falsch bin.“ (Kim, 17J.) Was brauchen betroffene Kinder? Will man zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung diese Kinder und ihre Eltern effektiv unterstützen, muss auf Konzepte zurückgegriffen werden, die für die Kinderschutzarbeit unerlässlich sind. Ein multiprofessionelles Vorgehen, eine entsprechende Vernetzung Verantwortlichkeitsteilung aller am von Psychiatrie Kinderschutz und Jugendhilfe beteiligten sowie Institutionen, eine müssen angestrebt werden. Hierzu könnten die bestehenden Arbeitskreise zum Kinderschutz, auch in unserem Kreis Recklinghausen, eine erste Möglichkeit bieten, sich kennen zu lernen, auszutauschen und zu vernetzen. 6 Kinder und Jugendliche brauchen im Alltag mindestens einen emotional stabilen, zuverlässigen und vertrauten Erwachsenen, der für sie als Ansprechpartner im Alltag und bei Krankheitsschüben der Eltern zur Verfügung steht. Sie benötigen Verhaltenshinweise, um im Alltag sicherer mit den Symptomen der elterlichen Erkrankung umgehen zu können. Informationen über das Wesen und den Verlauf der Krankheit ihrer Eltern, über Heilungschancen, Medikamente und deren Wirkung sowie Perspektiven, geben Mädchen und Jungen eine bessere Orientierung über den Alltag hinaus. Letztlich ist für Kinder und ältere Jugendliche auch eine präventive Aufklärung über die Möglichkeit einer Vererbung psychischer Krankheiten wichtig, um durch eine realistische Einschätzung Ängste zu reduzieren. Mattejat führt aus: „Kinder von psychisch kranken Eltern haben dann gute Entwicklungschancen, wenn Eltern, Angehörige und Fachleute lernen, in sinnvoller und angemessener Weise mit der Erkrankung umzugehen, und wenn sich die Patienten und ihre Kinder auf tragfähige Beziehungen stützen können.“ (Mattejat, F.: Kinder mit psychisch kranken Eltern – Was wir wissen, und was zu tun ist. In Mattejat, F./Lisofsky, B. (Hg.) 2001 b, S. 71) 7 2. Organisation und Zielsetzung der Ärztlichen Beratungsstelle e.V. Im Vorstand haben sich im Juli einige Veränderungen ergeben. Herr Prof. Dr. Paulussen und Herr Pliquett haben aufgrund vieler anderweitiger Verpflichtungen darum gebeten, sie von ihren Funktionen als Vorsitzender und Geschäftsführer zu entbinden. Zum neuen Vorsitzenden der Ärztlichen Beratungsstelle ab Juli 2014 wurde Herr Barth gewählt. Herr Prof. Paulussen erklärte sich allerdings bereit, im Vorstand weiter mitzuwirken und Herr Pliquett sicherte seine Unterstützung auch weiterhin bei geschäftlichen Fragen zu. Vorstand Prof. Dr. Michael Paulussen Ärztlicher Direktor der VKJK* Vorsitzender bis Juni Gottfried Barth Dipl.-Psychologe/ Leiter der Beratungsstelle Vorsitzender ab Juli Dr. Dieter Hoffmann Oberarzt Sozialpädiatrie der VKJK* Stellv. Vorsitzender Gabriela Schulz Caritasverband Recklinghausen Elisabeth Ochsenfeld Thomas Pliquett Sozialdienst kath. Frauen Recklinghausen ----------------------------------------------------Geschäftsführer der AB bis Juli *VKJK: Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln Zielsetzung Ziel unserer Kinderschutzarbeit in der Ärztlichen Beratungsstelle in Datteln ist es: Gewalthandlungen gegenüber Kindern zu beenden. Den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Falle einer Kindeswohlgefährdung dauerhaft sicher zu stellen. Die Problematik der Gewalthandlungen an Kindern klar zu benennen, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz und Verantwortlichkeit zu stärken, sie zu unterstützen Konflikte konstruktiv zu lösen und Ressourcen zu aktivieren. Die Kinder und Jugendlichen therapeutisch darin zu unterstützen, die erfahrenen Gewalthandlungen/ Traumata im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung zu bewältigen. Kinder durch Präventionsangebote zu stärken und sie zu unterstützen, sich gegen Übergriffe abzugrenzen und sich Hilfe zu holen. Die Öffentlichkeit für die Problematik „Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ zu sensibilisieren und Wege der Hilfe aufzuzeigen. Unser Team Zu unserem hauptamtlichen Team gehören der Leiter Gottfried Barth (Dipl.-Psychologe/ Psychologischer Psychotherapeut), Karla Hoheisel (geb. Lücking, Dipl.-Psychologin, 8 Systemische Psychotherapeutin) und Martha Cyris (Sozialpsychologin, Master of Arts). Zu ihrem Aufgabenbereich zählt insbesondere die Durchführung unserer Präventionsprojekte gegen sexuelle Gewalt an Kindern (Gruppenarbeit mit Kindern; Power-Kids, Starke Jungen - Starke Mädchen). Ehrenamtlich sind Yvonne Becker (Dipl.-Pädagogin) und Doris Weiring (Sekretärin) bei uns tätig. Wer kann sich an uns wenden? Kinder und Jugendliche, die körperliche, emotionale und/oder sexuelle Gewalt erleben oder erlebt haben die von Vernachlässigung betroffen sind Mütter und Väter, wenn die Belastungen zu groß werden und sie sich überfordert erleben MitarbeiterInnen aus Einrichtungen und Institutionen, die mit der Erziehung und Betreuung von Kindern beauftragt sind Jeder, der sich mit dem Problem von körperlicher, seelischer oder sexueller Misshandlung und/oder Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen konfrontiert sieht. Welche Hilfen bieten wir an? * Einzel-, Paar- und Familienberatung * Präventionsgruppen gegen sex. Misshandlung * Diagnostik * Fachliche Beratung für prof. HelferInnen (§ 8b) * Krisenintervention * Fortbildungsveranstaltungen * Therapeutische Hilfen / Traumatherapie * Elternabende/ -sprechstunden in Kitas/Schulen * Hausbesuche In der therapeutischen Arbeit mit den Kindern und ihren Familien werden Methoden der systemischen Familientherapie, der Verhaltens- und Gesprächspsychotherapie, der Traumatherapie, EMDR, der Kinder-Spieltherapie sowie gestalttherapeutische Elemente genutzt. Bereitschaftszeiten: Zu den folgenden telefonischen Bereitschaftszeiten sind die MitarbeiterInnen persönlich ansprechbar. Darüber hinaus ist eine Kontaktaufnahme mit MitarbeiterInnen über den Anrufbeantworter möglich. Die Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Vestischen Kinder- und Jugendklinik ist der Ansage zu entnehmen. montags und freitags mittwochs: dienstags u. donnerstags: 8:00 - 10:00 Uhr 9:00 - 11:00 Uhr 14:00 - 16:00 Uhr 02363/975-495 9 3. Konzeption Die Beratungsstelle arbeitet unter folgenden Voraussetzungen: Wartezeiten Körperlich und sexuell misshandelte Kinder wie auch Familien in akuten Krisen können nicht warten. Daher sind wir stets bemüht, den Betroffenen möglichst schnell, d.h. im Rahmen einer Woche, einen ersten Beratungstermin anzubieten und auch die Folgetermine zeitnah zu vereinbaren. Schweigepflicht Die MitarbeiterInnen unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht, wenn durch die Arbeit mit der Familie der Schutz der Kinder und/oder Jugendlichen gewährleistet werden kann. Bleibt die Sorge um das Wohl des Kindes oder Jugendlichen bestehen, werden die KollegInnen der Jugendhilfe einbezogen. Kostenfreiheit Um schnell und unbürokratisch Hilfe leisten zu können, ist unser Angebot für die Betroffenen selbst kostenfrei. Dies ist unerlässlich, um grundsätzlich jedem Ratsuchenden unsere Hilfe zugänglich zu machen. Multiprofessionelle Vorgehensweise Effektiver Kinderschutz erfordert eine multiprofessionelle Arbeitsweise. Dieser wird durch die personelle Besetzung der Ärztlichen Beratungsstelle und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen der Vestischen Kinder- und Jugendklinik und KollegInnen anderer Institutionen, wie dem Jugendamt, Rechnung getragen. Die notwendige Vernetzung wird durch Arbeitskreise und interdisziplinäre Foren gewährleistet. 10 4. Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Fortbildungen Im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit haben wir folgende Aktivitäten entwickelt bzw. durchgeführt: o Beratung in Hilfeplangesprächen der Jugendhilfe in Fällen von Kindeswohlgefährdung o Durchführung des Präventionsprojekts „Power-Kids“ in der Ärztlichen Beratungsstelle, der mobilen Jugendhilfe der AWO in Dorsten, der Böckenheck Grundschule Datteln, dem Kinder und Jugendbüro Waltrop und dem ComeniusGymnasium Datteln. o Mitarbeit in den regionalen Arbeitskreisen („Frühe Hilfen“) Castrop-Rauxel, Datteln, Waltrop und Haltern, dem interdisziplinären Arbeitskreis „Gewalt gegen Kinder“ in Bochum und im überregionalen Facharbeitskreis „Hilfen bei sexueller Gewalt“ o Mitarbeit im Arbeitskreis „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit geistiger und körperlicher Behinderung“ im Kreis Recklinghausen o Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für ErzieherInnen sowie Eltern an Kindergärten und Schulen o Elternabende im Familienzentrum „wir Vier“ in Castrop-Rauxel im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung o Fortbildungsveranstaltungen für MedizinstudentInnen an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik zur Problematik „Kindesmisshandlung“ o Durchführung von Unterrichtseinheiten an der hiesigen Kinderkrankenpflegeschule zur Problematik „Körperliche und sexuelle Misshandlung an Kindern und Jugendlichen“ o Vorstandsarbeit in der „Bundesarbeitsgemeinschaft Ärztliche Beratungsstellen“ 11 5. Finanzierung und Danksagung Finanziell unterstützt werden wir vom Kreis Recklinghausen, der im Rahmen seiner Möglichkeiten schon seit vielen Jahren unsere Arbeit zum Schutz von Kindern fördert. Weiterhin beteiligt an der Finanzierung sind das Land Nordrhein-Westfalen, der Förderverein der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, sowie die Organisation „roterkeil“. Diese macht sich stark für Kinder auf der ganzen Welt, die von Kinderprostitution betroffen bzw. gefährdet sind. Sie unterstützen aber auch andere Projekte und Institutionen innerhalb Deutschlands, die sich dem Thema sexuelle Gewalt an Kindern angenommen haben. Auch mit kreativen Events haben uns viele Menschen im Kreis Recklinghausen tatkräftig unterstützt. Hierzu gehörte unter anderem Horst Niggemeier mit seiner Band „Niggemeier & The Blues Explorers“, die nun bereits zum fünften Mal ein Benefizkonzert zugunsten unserer Beratungsstelle organisiert und gespielt haben. Die dadurch eingenommenen Spenden konnten erfreulicherweise durch eine Aktion der Bethe-Stiftung, initiiert von Frau Stöver (Kinderheilstätte Nordkirchen), verdoppelt werden. Auch die Sparkasse Recklinghausen und der Förderverein Bundesdeutscher Hilfsdienste haben uns 2014 mit großzügigen Spenden unterstützt. Herzlichen Dank sagen wir allen, die unsere Beratungsstelle im Jahr 2014 mit Geldund Sachspenden und ihrem Engagement unterstützt haben. Unser Dank gilt auch allen Mitgliedern des Vereins und den MitarbeiterInnen der Vestischen Kinder- und Jugendklinik für die gute Zusammenarbeit. Ihr Team der Ärztlichen Beratungsstelle G. Barth K. Hoheisel M. Cyris 12 6. Verteilung der Anmeldungsgründe 120 Familien mit insgesamt 128 Kindern waren im Berichtsjahr 2014 als Neuanmeldungen zu verzeichnen. Aus dem Vorjahr wurde die Behandlung von 16 Kindern weitergeführt. Somit wurden 2014 insgesamt 144 Kinder in unserer Beratungsstelle behandelt. Auf die Problematik erlebter sexueller Gewalt oder einen entsprechenden Verdacht entfielen 91 Meldungen (75,8% der Gesamtmeldungen) - mit 96 betroffenen Kindern ein Höchststand wie im Jahr 2012 (N= 98). Die Anzahl der Meldungen zu Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern gingen dagegen deutlich zurück. In 18 Fällen (15% der Gesamtmeldungen) war körperliche Misshandlung von Kindern oder Jugendlichen der Meldegrund, 11 Meldungen (9,2%) bezogen sich auf eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung. Abbildung 1: Prozentuale Verteilung der Meldungen 2014 N= 120 75,8 80% 70% 60% 50% 40% 15,0 30% 9,2 20% 10% 0% Sexuelle Misshandlung Misshandlung Vernachlässigung Nach wie vor zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Vernachlässigung als Meldegrund und dem tatsächlich festgestellten Ausmaß dieser Problematik in unserer Arbeit (siehe hierzu auch Seite 18). 13 7. Fallzahlen und Wege der Kontaktaufnahme Abbildung 2: Verteilung der Melder 2014 N= 120 Nachbarn/Verwandte Selbstmelder 26,0% Nachbarn/ Verwandte 4,2% Klinik Klinik 9,1% Schulen Schulen 11,7% Freie Träger 10,8% Jugendamt Kindergärten Sonstige Heime Heime 2,5% Jugendamt 26,0% Sonstige 3,9% Freie Träger Selbstmelder Kindergärten 5,8% Veränderungen zum Jahr 2013: Mit 26% hat sich die Anzahl der Meldungen durch die Jugendämter nahezu verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Anzahl vermittelter Fälle durch Schulen hat sich mit 11,7% (Vorjahr 7,4%) deutlich erhöht. Geringere Meldezahlen waren dagegen insbesondere bei den Selbstmeldern mit 26% (Vorjahr 36,7%) wie auch bei den Kindergärten und Heimen zu verzeichnen. Bei den übrigen Meldern gab es keine nennenswerten Veränderungen. 14 8. Wohnorte der Familien Abbildung 3: Wohnorte der Familien 2014 N= 120 87,5 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 12,5 30% 20% 10% 0% Städte außerhalb Kreisstädte 105 der neu gemeldeten Familien (87,5% der Gesamtmeldungen) hatten ihren Wohnsitz im Kreis Recklinghausen, 15 Familien (12,5%) kamen aus Städten außerhalb des Kreises. Abbildung 4: Wohnorte Kreis Recklinghausen 2014 N= 105 3 Dorsten 4 Herten 5 Haltern 7 Waltrop 11 Oer-Erkenschwick Marl 14 Castrop-Rauxel 14 23 Datteln 24 Recklinghausen 0 5 10 15 20 25 30 N Die meisten Familien kamen aus den Kreisstädten Recklinghausen, Datteln, Castrop und Marl. Aus Städten außerhalb des Kreises wurden uns die meisten Familien (N= 10), wie in den Jahren zuvor, aus Lünen vermittelt. 15 9. Die Kinder und Jugendlichen 9.1 Geschlechterverteilung Die Anzahl der Jungen, die aufgrund von erlebter sexueller Gewalt oder eines Verdachts vorgestellt wurden, ist mit 37 Kindern (38,5%) gleich hoch wie im Vorjahr. Der Anteil betroffener Mädchen hat sich mit 59 vorgestellten Kindern (61,5%) noch einmal deutlich erhöht. Von körperlicher Misshandlung waren doppelt so viele Jungen betroffen wie Mädchen. Diese Tendenz zeigt sich auch bei der Problematik der Vernachlässigung. Abbildung 5: Geschlechterverteilung 2014 N= 128 N 80 70 70 58 59 60 Mädchen 50 37 Jungen 40 30 13 20 10 8 6 5 Misshandlung Vernachlässigung 0 Insgesamt Sexuelle Misshandlung 16 9.2 Altersverteilung Abbildung 6: Altersverteilung 2014 N= 128 N 35 31 30 25 21 20 Sex. Missh. 20 Körperl. Missh. 9 8 10 5 5 Vernachl. 13 15 6 3 2 3 3 1 1 0 0 1 1 0 0<3 3<6 6<9 9<12 12<15 15<18 Alter Sexuelle Misshandlung: Erwartungsgemäß waren die meisten der wegen sexueller Gewalt vorgestellten Kinder im Alter zwischen 3-9 Jahren. In allen Altersgruppen, mit Ausnahme der Altersstufe der 3-6 Jährigen, konnte eine Zunahme gemeldeter Kinder zu dieser Problematik verzeichnet werden. Diese war bei den 9-12 Jährigen mit 20 gemeldeten Kindern (Vorjahr 12) am größten. Bei den Kindern der Alterssparte 3-6 gab es dagegen einen Rückgang der Meldezahl von 29 auf 21. Körperliche Misshandlung und Vernachlässigung: Die Anzahl der Meldungen zu beiden Problembereichen war in allen Altersstufen, gegenüber dem Vorjahr, rückläufig. Insbesondere der Rückgang der Meldungen zu Misshandlung an Kindern zw. 12-15 Jahren war von 9 Fällen im Vorjahr auf 1 Kind im Berichtsjahr am deutlichsten. 17 10. Mehrfache Belastung der Kinder Abbildung 7: Mehrfache Belastung der Kinder 2014 N= 38 N 16 13 12 14 12 10 7 8 5 6 4 1 2 0 Sex. Misshandl./ Vernachlässigung Körperl. Misshandl./ Vernachlässigung Sex./körperl. Misshandlung Sex./körperl. Misshandl./ Vernachlässigung Häusliche Gew alt gegenüber anderem Elternteil Während lediglich bei 11 Kindern eine Vernachlässigungsproblematik der Meldegrund war, stellten wir bei insgesamt 25 Kindern zusätzlich zur gemeldeten Problematik auch deutliche Hinweise auf eine Vernachlässigung fest. Darüber hinaus mussten wir auch eine relativ hohe Zahl an Fällen häuslicher Gewalt (gegenüber dem anderen Elternteil) registrieren, was bei den Kindern betroffener Familien meist zu einer enorm hohen emotionalen Belastung bis hin zu existenziellen Ängsten führt. 18 11. Bestätigung der Verdachtsmomente Abbildung 8: Bestätigung der Verdachtsmomente 2014 N= 128 89,5 100% 84,6 90% Verdacht 80% 70% Bestätigt 51,0 60% Nicht bestätigt 50% 40% 30% 30,2 18,8 15,4 10,5 20% 0 0 10% 0% Sexuelle Misshandlung (N=96) Körperl. Misshandlung (N= 19) Vernachlässigung (N=13) Wie Abbildung 8 zu entnehmen ist, bestand bei den meisten Kindern kein Zweifel an erfolgter körperlicher Misshandlung oder Vernachlässigung. Bei diesen Kindern ging es daher in unserer Arbeit hauptsächlich um die therapeutische Aufarbeitung der erlebten Gewalt. Die Verteilung der Verdachtsmomente bezüglich sexueller Misshandlung weicht nur unwesentlich von denen der Vorjahre ab. 19 Besuchen Sie uns auf unserer Homepage! www.aeb-datteln.de Bitte unterstützen Sie die Arbeit der Ärztlichen Beratungsstelle: Spendenkonto IBAN: DE51 4266 1717 0132 2917 00 BIC: GENODEM1WLW Volksbank Waltrop Wir stellen Ihnen gerne eine Zuwendungsbescheinigung aus. Bitte geben Sie dazu Ihre vollständige Adresse auf dem Überweisungsträger an. 20