Schizophrenie NEW Positive und negative Symptome: Positive Symptome überwiegen meist in akuten Krankheitsphasen, sie sind gut mit Medikamenten behandelbar. Negative Symptome sprechen nicht so gut auf die Therapie an und sind daher für Krankheitsverlauf äußerst relevant. Negativsymptomatik: - sozialer Rückzug - Antriebsarmut - Interessenverlust - Affektive Verflachung - Aufmerksamkeitsprobleme - Anhedonie - Alogie - Apathie Plussymptomatik (positive Symptome) - Formale Denkstörungen (desorganisiertes Denken & Sprechen): gelockerte Assoziationen, Neologismen, Perseverationen, Alliterationen - Ich Erlebnisstörung - Wahn: - Verfolgungswahn: sich als Opfer einer Verschwörung fühlen - Beziehungswahn: Handlungen anderer werden mit besonderer Bedeutung auf eigene Person interpretiert - Größenwahn: sich gottähnlich fühlen - Halluzinationen: Wahrnehmungen, die auftreten, obwohl äußere reize fehlen z.B. o auditorische Halluzinationen (Stimmen hören) o visuelle Halluzinationen (deutliche Visionen, Farbwahrnehmung) o olfaktorische Halluzinationen (seltsame Geschmacksassoziation bei Essen/ Trinken) o taktile Halluzinationen (Kribbeln, Brennen..) - Affektive Störungen: - inadäquater Affekt (Affekte passen nicht zur Situation) - abgestumpfter und verflachter Affekt (Negativsymptomatik) - Psychomotorische Störungen o Verlust der Bewegungsspontaneität o Ausbildung seltsamer Gesten und Manierismen o Katatonie (lange Zeit verdrehte, bizarre Haltungen einnehmen) Die akute Psychose – Blickwinkel des Betroffenen: Gefühl oder die Gewissheit - nahezu unbegrenzter Leistungsfähigkeit - überragender Begabung als Künstler, Wissenschaftler, Techniker - von Gott oder den Menschen auserwählt zu sein Angst oder die Gewissheit - beobachtet oder verfolgt zu werden - dass andere Menschen Gedanken lesen können - dass andere Menschen den eigenen Willen beeinflussen können Die akute Psychose – Blickwinkel der Angehörigen: Verunsicherung, Ängste, Sorgen Compliance des Patienten geht meist gegen 0 Symptome der Prodromal- (Vorläufer Anm. d. Red.)- und Residualphase (nach DSM-4) - ausgeprägte Beeinträchtigung der Rollenerfüllung - ausgeprägte soziale Isolierung und Zurückgezogenheit - erheblicher Mangel an Initiative, Interesse oder Energie - abgestumpfter, verflachter und inadäquater Affekt - abschweifende, vage, verstiegene Sprache - ausgeprägt absonderliches Verhalten - ausgeprägte Beeinträchtigung bzw. Vernachlässigung der Körperpflege - eigentümliche Vorstellungen, „magisches Denken“ (Aberglaube, Telepathie, 6. Sinn) ÄTIOLOGIE Heute geht man von einer MULTIFATORIELLEN VERURSACHUNG aus: - genetische, biochemische, hirnstrukturelle, hirnfunktionelle Faktoren - Geburtskomplikationen - Psychosoziale Stressoren Zu genetische Faktoren - Prädisposition für Schizophrenie wird genetisch weitergegeben Zu biochemische Faktoren - DOPAMIN: ANTIPSYCHOTIKA, die zur medikamentösen Therapie der Schizophrenie eingesetzt werden, blockieren postsynaptische Dopaminrezeptoren und senken so die Dopaminaktivität. Daher dachte man damals, Schizophrenie sei auf einen Dopaminüberschuss zurückzuführen. Inzwischen geht man davon aus, dass Schizophrenie im mesolimbischen Bereich des Gehirns zu viele oder überaktive Dopaminrezeptoren haben. - Die Reduktion der Hyperaktivität des Dopamins durch Antipsychotika reduziert vornehmlich die Positivsymptomatik. Wenig Wirkung auf Negativsymptomatik. - GLUTAMAT: Menge an Glutamat scheint bei Schizophrenen verringert zu sein - Verringerter Glutamatinput kann die Dopaminaktivität steigern. Fazit: Die Dopaminhypothese allein ist nicht ausreichend zur Erklärung der Schizophrenie. Zu psychosozialen Stressoren - Häufigste Vorkommnis in unteren sozialen Schichten - SOZIOGENE HYPOTHESE DER SCHIZOPHRENIE: - Die Stressoren und Benachteiligungen, denen Menschen in niedrigeren sozialen Schichten ausgesetzt sind, tragen zur Entwicklung der Schizophrenie bei. - SOCIAL-DRIFT-HYPOTHESE: - Aufgrund ihrer Erkrankung und der damit einher- gehenden Beeinträchtigungen driften Menschen mit Schizophrenien in niedrige soziale Schichten ab. - FAMILIÄRE STRESSOREN: - gestörte Kommunikation der Eltern als ein Prädiktor o EXPRESSED EMOTION: gilt als hoch (hoch = schlecht), wenn KRITIK und FEINDSELIGKEIT gegenüber dem Patienten und/oder EMOTIONALES ÜBERENGAGEMENT bei den Angehörigen stark ausgeprägt ist. Exkurs zu Stress – Dopamin: - Stress erhöht die Rückfallgefahr - Führt zur Ausschüttung von Kortisol - Erhöht Dopaminaktivität - So dass schizophrene Symptome zunehmen Verlauf - Lebenszeitprävalenz: 1-2% Männer und Frauen gleich oft 50% der Schizophrenen missbraucht psychotrope Substanzen wie Alk /Drogen (Problem!) DSM-3-R Schizophrenie DSM-3-R schizophreniforme und sonstige psychotische Störungen Stabile Remission 8% 35% Wechselhafter Verlauf 43% 40% Chronischer Verlauf 49% 25% Schizophrene Psychose - Häufigkeit: 25%: Heilung, keine Behinderung 50%: mehrere Phasen, leichte Behinderung 25%: chronisch, schwere Behinderung Aufgrund ihrer HETEROGENITÄT wird die Schizophrenie nach den Diagnosesystemen in verschiedene Subtypen eingeteilt. -bei der paranoiden Schizophrenie (F20.0) dominieren Halluzinationen und Wahnphänomene. - hebephrene Schizophrenie (F20.1) Affekt verflacht & inadäquat, Sprache/Verhalten desorganisiert. - katatone Schizophrenie (F 20.2): siehe ICD-10 ICD-10: F 20-23 Schizophrenie Allgemeine Kriterien für paranoide, hebephrene, katatone und undifferenzierte Schizophrenie Zeitkriterium: meiste Zeit innerhalb von mindestens 1 Monat ENTWEDER: Mindestens eins der folgenden Symptome o Gedankenlautwerden, - eingebung, - entzug oder – ausbreitung o Kontroll-, Beeinflussungswahn, (..), Wahnwahrnehmung o Kommentierende oder dialogische Stimmen, die über den Patienten reden oder andere Stimmen, die aus bestimmten Köperteilen kommen o Andauernd kulturell unangemessener Wahn ODER: Mindestens zwei der folgenden Merkmale o Anhaltende, tägliche Halluzinationen jeder Sinnesmodalität o Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss, was zu Zerfahrenheit oder Danebenreden führt o Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit, Negativismus, Mutismus (psychogenes Schweigen Anm. d. Red.) und Stupor In Abgrenzung zu: - schizotype Störung (F21): im Laufe von 2 Jahren Anomalien in Denken und Fühlen, aber keine Erfüllung der Kriterien der Schizophrenie - wahnhafte Störung (F22): Verfolgungs-, Eifersuchts-, Liebes-, hypochondrischer Wahn.. - akute vorübergehende psychotische Störung (F23): Wahn, Hallus innerhalb von 2 Wochen, bildet sich in 1-3 Monaten wieder zurück - schizoaffektive Störung(F25): Vorliegen schizophrener & affektiver(depressiver) Symptome Genetisches Schizophrenierisiko: Familienstudien Eineiige Zwillinge 48% Beide Eltern betroffen 46% Zweieiige Zwillinge 13% ein Elternteil betroffen 12% Geschwister Ehepartner Allgemeinbevölkerung 8% 3% 1% HIRNENTWICKLUNGS-, HIRNFUNKTIONSSTÖRUNGEN o Leichte Verminderung der Hirnmasse o Ventrikelerweiterungen o Veränderungen im präfrontalen Kortex, im Parietallappen, in den Basalganglien, beim Thalamus, Corpus Callosum (Gehirnbalken) Erklärungspotenzial für die Schizophrenie: eher unklar, es handelt sich vielfach um kleine Unterschiede, die nicht in jeder Studie repliziert werden konnten oder die nicht spezifisch für die Schizophrenie sind! Allgemeine Anspannung hoch vs. Tief: Dadurch, dass die allgemeine Anspannung relativ hoch ist, wird bereits durch alltägliche Stressoren die Schwelle für Rückfälle überschritten. Persönliche Vulnerabilitätsfaktoren (KOMPLEXES MODELL) Dopaminerge Dysfunktionen ↨ Reduzierte Verarbeitungskapazität ↨ Autonome Hyperaktivität bei aversiven Stimulationen ↨ Schizotypische Persönlichkeitszüge Persönliche Schutzfaktoren: Bewältigung und Selbst- Effizienz ↨ Antipsychotische Medikamente Schutzfaktoren der Umwelt Familiäres Problemlösen ↨ Unterstützende psychosoziale Interventionen potenzierende und belastende Umweltfaktoren Kritisches oder emotional überinvolviertes Familienklima ↨ Über-stimulierende soziale Umwelt ↨ Belastende Lebensereignisse Zwischenstadien Defizitäres Verarbeiten sozialer Reize ↨ Tonische autonome Hypererregung ↨ Überlastung Verarbeitungskapazität Prodromale Symptome (Ergebnisse) Berufliches Funktionieren ↨ Schizophrene psychotische Symptome ↨ Soziales Funktionieren - potenzierende und belastende Umweltfaktoren, persönliche Schutzfaktoren und Zwischenstadien stehen in INTERAKTION zueinander - Feedback-Schleife Prämorbide oder Remissionsperiode → Prodromale Periode → Episode Schizophrene Psychosen: Vulnerabilitäts-Stress-Modell & Therapiemethoden Biologische Basis: Neuroleptika gegen Autonome Hypererregung Auf psychosozialer Ebene: Kognitive Therapie gegen Kognitive Defizite und Defizite in Sozialer Kompetenz Training sozialer Fertigkeiten gegen Defizite in Sozialer Kompetenz Berufliche Rehabilitation gegen Soziale Stressoren Familienbetreuung gegen negatives Familienklima und Defizite in Sozialer Kompetenz Vulnerabilitätsfaktoren Kognitive Defizite ↔ Autonome Hypererregung ↔ Defizite in Sozialer Kompetenz ↔ Soziale Stressoren ↔ negatives Familienklima (Stressoren) Möglichkeiten der Behandlung der Schizophrenie Vollständige Heilung bislang unerreicht. Compliance geht gegen 0. An erster Stelle steht medikamentöse Behandlung. - atypische Antipsychotika: Risperidon, Olanzapin, Clozapin - antidepressive Eigenschaften und Wirksamkeit bei kognitiven Störungen - ABER AUCH schwerwiegende Nebenwirkungen: o Extrapyramidalmotorische Störungen o Zentralnervöse Wirkungen o Stoffwechselstörungen o Vegetative Störungen Problematisch ist es, einen Patienten ohne Einsicht Medikamente zu verabreichen, die so schwere Nebenwirkungen haben. Nach 1 Jahr nehmen nur noch 50% der Patienten die ANtipsychotika, nach 2 Jahren 25%....... Setting o (Teil-)Stationäre Therapie/ ambulante Therapie: Nachsorge Formen der Therapie: o Psychopharmazeutische Behandlung mit Neuroleptika o Psychotherapie o Kognitive Verhaltenstherapie (Strukturierungsangebote, Expressed Emotion, Aufdecken von Frühwarnzeichen) o Kommunikations- und Problemlösetraining (Familientherapie) o Sozialtherapie o Gemeindenahe Versorgung o Kognitiv-verhaltensorientierte individuelle Therapien, z.B. so genannte „persönliche Therapien“ (Hogarty, 1995) Subjektiv erlebte Vulnerabilität und Bewältigung bei chronischen Schizophrenien Vulnerabilität (abfallender Prozentsatz) - Interpersonelle Konflikte 46% - Psychische/physische Belastung - Intensive Emotionen - Komplexe soziale Situationen - Soziale Isolation - Änderung im Lebensrhythmus - Keine Vulnerabilität 19% Bewältigungsstrategien (fallender Prozentsatz) - Vermeiden emotionaler Konflikte und Belastungen 43% - Selbstkontrolle - Sozialkontakte mit geringer emotionaler Beteiligung - Überanstrengung vermeiden - Arbeiten/Freizeitaktivitäten - Regelmäßig Neuroleptika - Regelmäßiger Lebensstil - Kann nicht machen 8% Schizophrene Psychosen: Rückfallraten BMBF-Studie (Max-Planck-Institut für Psychiatrie) Standardbehandlung Familienbetreuung Nach 12 Monaten 42% 5% Nach 18 Monaten 46% 5% Fazit Studie: Familienbetreuung/ Familieninterventionen vermindert die Rückfallrate enorm. Es verbessert darüber hinaus das Krankheitswissen der Betroffenen und auch der Angehörigen, es erhöht die Medikamenten-Compliance, reduziert Kritik und Belastung der Angehörigen. Die medikamentöse Therapie soll durch psychosoziale Interventionen ergänzt werden.