Information Engineering WS 2014/15 - LS1

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Logik
Gabriele Kern-Isberner
LS 1 – Information Engineering
TU Dortmund
Wintersemester 2014/15
WS 2014/15
G. Kern-Isberner (TU Dortmund)
Logik
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PL – Weitere Ergebnisse
Übersicht Prädikatenlogik
8. Strukturen & Syntax
9. Modellierung und Normalformen
10. Erfüllbarkeit: Grundresolution
11. Prädikatenlogische Resolution
12. Logische Programmierung und Prolog
13. Weitere Ergebnisse
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PL – Weitere Ergebnisse
Teil C
C – Prädikatenlogik (PL)
Kapitel 13: Weitere Ergebnisse
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PL – Weitere Ergebnisse
Übersicht
• Zuerst zeigen wir den in Kapitel 11 schon formulierten
PL-Resolutionssatz
• Daraus folgern wir dann den Gödelschen Vollständigkeitssatz, eines der
wichtigsten Ergebnisse der Prädikatenlogik
• Danach werden wir einige Resultate kennen lernen, die Grenzen der
Beweisbarkeit von Aussagen über die Arithmetik aufzeigen
• Wir werfen schließlich einen kurzen Blick auf algorithmische Probleme
im Zusammenhang mit der Prädikatenlogik
– Auswertung von Formeln
∗ Diese ist recht aufwändig
– Testen von Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit etc.
∗ Diese Tests sind algorithmisch nicht umfassend lösbar
• Außer der Resolution gibt es noch viele andere Beweiskalküle für die
Prädikatenlogik
– Wir betrachten zwei dieser Kalküle:
∗ Hilbertkalkül und Sequenzenkalkül
• Zuletzt vergleichen wir die Prädikatenlogik mit der Aussagenlogik und
der Modallogik
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PL – Weitere Ergebnisse
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Vorbemerkung zur Orientierung (1/2)
Wir müssen noch zeigen, dass die prädikatenlogische Resolution
(a) korrekt und
(b) vollständig
ist.
Für die Korrektheit zeigen wir im Wesentlichen, dass jeder einzelne
Resolutionsschritt korrekt ist.
Das ist der Inhalt des Resolutionslemmas:
• Wenn zwei Klauseln K und K 0 in einer Struktur für alle Belegungen
wahr werden, dann wird auch ihre Resolvente R für alle Belegungen
wahr
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Vorbemerkung zur Orientierung (2/2)
Die Vollständigkeit führen wir auf die schon bewiesene Vollständigkeit der
Grundresolution zurück.
Dazu beweisen wir das Lifting-Lemma:
• Es sagt im Prinzip, dass es zu jedem Resolutionsschritt eines
Grundresolutionsbeweises mit Resolvente R einen prädikatenlogischen
Resolutionsschritt gibt, dessen Resolvente R umfasst
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Prädikatenlogische Resolvente: Wiederholung
Definition 11.19 (Wdh.)
• Seien K, K 0 prädikatenlogische Klauseln
• Seien τ, τ 0 Variablenumbenennungen, so dass H =def τ (K) und
H 0 =def τ 0 (K 0 ) keine Variablen gemeinsam haben
• Seien A1 , . . . , Ak Atome in H und ¬A01 , . . . , ¬A0m Literale in H 0 , so
dass {A1 , . . . , Ak , A01 , . . . , A0m } unifizierbar ist mit MGU σ
• Dann heißt R =def σ((H − {A1 , . . . , Ak }) ∪ (H 0 − {¬A01 , . . . , ¬A0m }))
prädikatenlogische Resolvente von K und K 0
K0
τ0
H0
K
τ
H
σ
σ
R
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Das prädikatenlogische Resolutionslemma
Lemma 13.7 (PL-Resolutionslemma)
• Seien K, K 0 , τ, τ 0 , H, H 0 , σ und R wie in der Definition von
prädikatenlogischen Resolventen
• Sei A eine zu K und K 0 passende Struktur
• Wenn
(a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K und
(b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0 ,
dann gilt auch für alle passenden Belegungen γ : (A, γ) |= R
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
PL-Resolutionslemma: Illustration der Beweisidee
Beweisidee
L
K = {. . . ,
, . . .} {. . . ,
τ
H = {L1 , . . . , Ln , A1 , . . . , Ak }
, . . .} = K 0
L’
τ0
{¬A01 , . . . , ¬A0m , L01 , . . . , L0l } = H 0
σ
σ
R = {σ(L1 ), . . . , σ(Ln ), σ(L01 ), . . . , σ(L0l )}
• Sei A eine Struktur, so dass
(a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K, und
(b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0
• Sei γ eine passende Belegung für R; zu zeigen: (A, γ) |= R
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Illustration der Beweisidee (Forts.)
Beweisidee (Forts.)
Voraussetzung:
(a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K, und
(b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0
Wegen (a) gilt: (A, γ ◦ σ ◦ τ ) |= L für mindestens ein Literal L aus K
• Fall (i): τ (L) = Li , für ein i ⇒ (A, γ ◦ σ) |= Li ⇒ (A, γ) |= σ(Li )
⇒ (A, γ) |= R
• Fall (ii): τ (L) = Ai , für ein i
⇒ für alle j gilt dann (A, γ ◦ σ) 6|= ¬A0j
(da σ(Ai ) = σ(A0j ))
0
0
0
0
⇒ (A, γ ◦ σ ◦ τ ) |= L für ein Literal L aus K und τ 0 (L0 ) = L0p , für ein
p (wegen (b))
⇒ (A, γ ◦ σ) |= L0p ⇒ (A, γ) |= σ(L0 ) ⇒ (A, γ) |= R
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Das Lifting-Lemma (1/3)
Das prädikatenlogische Resolutionslemma hilft uns zu beweisen, dass die
PL-Resolution korrekt ist, indem es zeigt, dass jeder einzelne
Resolutionsschritt korrekt ist.
Wir müssen noch zeigen, dass sie vollständig ist, dass also für jede
unerfüllbare Formel die Unerfüllbarkeit mit PL-Resolution nachgewiesen
werden kann.
Da die Grundresolution ein solches vollständiges Verfahren ist, genügt es
uns zu zeigen, dass die PL-Resolution „nicht weniger vollständig“ ist als die
Grundresolution.
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Das Lifting-Lemma (2/3)
Das folgende Lifting-Lemma zeigt uns, wie wir aus einem Schritt eines
Grundresolutionsbeweises einen Schritt eines PL-Resolutionsbeweis
gewinnen können.
Eine Substitution σ heißt Grundsubstitution für eine PL-Klausel K, falls
σ(K) keine Variablen enthält
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Das Lifting-Lemma (3/3)
Lemma 13.8 (Lifting-Lemma)
• Seien K1 , K2 prädikatenlogische Klauseln mit Grundsubstitutionen
σ1 , σ2
• Seien K10 = σ1 (K1 ) und K20 = σ2 (K2 )
• Dann gilt: Falls R0 aussagenlogische Resolvente von K10 und K20 ist, so
gibt es eine PL-Resolvente R von K1 und K2 und eine
Grundsubstitution σ mit σ(R) = R0
K1
σ1
K10
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R
σ
0
R
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K2
σ2
0
K2
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Lifting-Lemma: Illustration
Beispiel: Illustration des Lifting-Lemmas
K1 = {P (x, y), ¬R(g(x), f (y))} K2 = {R(x, y), R(g(a), z)}
x 7→ g(a)
x 7→ a
y 7→ b
x 7→ a
y, z 7→ f (u)
x 7→ g(a)
y, z 7→ f (b)
y 7→ u
R = {P (a, u)}
K10 = {P (a, b), ¬R(g(a)), f (b))}
K20 = {R(g(a), f (b))}
u 7→ b
R0 = {P (a, b)}
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229 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Prädikatenlogische Resolution
Der nicht schwierige aber etwas technische Beweis des Lifting-Lemmas
findet sich in [KuK].
Zu beachten: die Vollständigkeit können wir nur garantieren, weil wir
MGUs verwenden!
Für PL-Klauselmengen K haben wir definiert:
– Res(K) =def K ∪ {K | K ist PL-Resolvente zweier Klauseln aus K}
– Res0 (K) =def K
– Resk (K) =def Res(Resk−1 (K)), für alle k ≥ 1
S
– Res∞ (K) =def k≥0 Resk (K)
Satz 11.14 (PL-Resolutionssatz, Whlg.)
Eine prädikatenlogische Formel ϕ ist genau dann unerfüllbar, wenn für ihre
Matrixklauselform K gilt: ∈ Res∞ (K).
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PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Der Resolutionssatz der Prädikatenlogik: Beweis
Sei ∀K die Formel, die aus der KNF zur Klauselmenge K durch
All-Quantifizierung aller vorkommenden Variablen entsteht.
Beweisskizze für Satz 11.14
• Korrektheit des PL-Resolutionskalküls:
Zu zeigen: ∈ Res∞ (K) ⇒ ϕ unerfüllbar
• Wir zeigen zuerst, dass für jede PL-Klauselmenge K0 gilt: ∀K0 erfüllbar
⇒ ∀Res(K0 ) erfüllbar
–
–
–
⇒
Sei A ein Modell für ∀K0
Sei K ∈ Res(K0 ) Resolvente von K1 , K2 ∈ K0
Wegen Lemma 13.7 gilt dann: A |= ∀K
A ist ein Modell für ∀Res(K0 )
• Der Rest des Korrektheits-Beweises erfolgt wie in Lemma 3.7 und Satz
3.8 durch Induktion
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231 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Beweis des PL-Resolutionssatzes
Der Resolutionssatz der Prädikatenlogik: Beweis
(Forts.)
Beweisskizze für Satz 11.14 (Forts.)
• Vollständigkeit des PL-Kalküls:
Zu zeigen: ϕ unerfüllbar ⇒ ∈ Res∞ (K)
• Sei also ϕ unerfüllbar
• Mit Satz 10.5 folgt, dass E(ϕ) unerfüllbar ist
⇒ ∈ Res∞ (E(ϕ))
⇒ Es gibt also einen aussagenlogischen Resolutionsbeweis für , der
endlich viele Klauseln aus E(ϕ) verwendet
• Durch Anwendung des Lifting-Lemmas auf jeden einzelnen
Resolutionsschritt lässt sich daraus ein prädikatenlogischer
Resolutionsbeweis gewinnen
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232 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Folgern und Beweisen (1/2)
Zur Erinnerung: Für eine Menge Φ prädikatenlogischer Formeln und eine
prädikatenlogische Formel ψ schreiben wir Φ |= ψ, wenn für jede passende
Struktur A gilt:
• wenn A |= Φ,
• dann A |= ψ.
Dies ist der semantische Folgerungsbegriff der Prädikatenlogik.
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234 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Folgern und Beweisen (2/2)
Wir definieren auch wieder einen syntaktischen Beweisbegriff, basierend auf
dem Resolutionskalkül:
Definition 13.7 (`, beweisbar)
• Sei Φ eine Menge prädikatenlogischer Formeln und ψ eine
prädikatenlogische Formel
• Falls
– es eine endliche Teilmenge Φ0 von Φ gibt und ϕ die Konjunktion der
Formeln in Φ0 ist,
– K die Matrixklauselformel von ϕ ∧ ¬ψ ist, und
– ∈ Res∞ (K),
dann schreiben wir Φ ` ψ und sagen: ψ ist beweisbar aus Φ
Φ ` ψ bedeutet also, dass es einen prädikatenlogischen Resolutionsbeweis
für die Unerfüllbarkeit von Φ ∪ {¬ψ} gibt.
Da Resolutionsbeweise immer endlich sind, genügt es, hier endliche Teilmengen Φ
0
von Φ zu betrachten
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235 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Vollständigkeitssatz für endliche Formelmengen
Wir würden gerne zeigen, dass allgemein gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ.
Um diese Aussage für beliebige Formelmengen zu beweisen, bräuchten wir
das Auswahlaxiom
• Wir beschränken uns daher hier auf endliche und abzählbar unendliche
Formelmengen
Satz 13.9 (Vollständigkeitssatz für endliche Mengen)
• Sei Φ eine endliche Menge prädikatenlogischer Formeln und sei ψ eine
prädikatenlogische Formel
• Dann gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ
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236 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Vollständigkeitssatz: Beweis
Beweisskizze für Satz 13.9
• „Φ |= ψ ⇒ Φ ` ψ“:
–
–
⇒
⇒
Aus Φ |= ψ folgt, dass Φ ∪ {¬ψ} unerfüllbar ist
(Proposition 10.1)
Sei ϕ die Konjunktion der Formeln aus Φ
ϕ ∧ ¬ψ ist unerfüllbar
∈ Res∞ (K) für die Matrixklauselform K von ϕ ∧ ¬ψ
(Satz 11.14)
• „Φ ` ψ ⇒ Φ |= ψ“:
– Ist Φ ` ψ, so gibt es nach Definition eine Konjunktion ϕ von Formeln
aus Φ, so dass für die Matrixklauselform K von ϕ ∧ ¬ψ gilt:
∈ Res∞ (K)
⇒ ϕ ∧ ¬ψ ist unerfüllbar
(Satz 11.14)
⇒ Φ ∪ {¬ψ} ist unerfüllbar
⇒ Φ |= ψ
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237 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Der Vollständigkeitssatz für abzählbar unendliche
Formelmengen
Als nächstes beweisen wir den Vollständigkeitssatz für abzählbar unendliche
Formelmengen.
Dafür benötigen wir den Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik.
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238 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Der Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik (1/2)
Satz 13.10 (Endlichkeitssatz der PL)
• Sei Φ eine abzählbar unendliche Menge prädikatenlogischer Formeln
über einer endlichen Signatur σ
• Dann gilt: Φ ist genau dann erfüllbar, wenn jede endliche Teilmenge
von Φ erfüllbar ist
Beweisidee
• Es genügt zu zeigen:
Wenn jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist,
dann ist Φ erfüllbar
• Sei Φ = {ϕ1 , ϕ2 , . . .} also eine abzählbar unendliche Menge
prädikatenlogischer Formeln über einer endlichen Signatur σ
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239 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Der Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik (2/2)
Beweisidee (Forts.)
• Zu jeder Formel ϕi sei ϕ0i eine durch Skolemisierung erzeugte
erfüllbarkeitsäquivalente Skolemformel
– Bei der Skolemisierung verwenden wir für jede Formel ϕi eigene
Funktionssymbole f1i , f2i , . . .
• Sei Φ0 =def {ϕ01 , ϕ02 , . . .}
• Da jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist, ist auch jede endliche
Konjunktion χ von Formeln aus Φ0 erfüllbar
⇒ Die Herbrand-Expansion E(χ) ist für jede solche Formel erfüllbar
(Satz 10.5)
• Dann ist wegen des Endlichkeitssatzes der Aussagenlogik auch die
Herbrand-Expansion E(Φ0 ) aller Formeln aus Φ0 erfüllbar
• Aus einer erfüllenden Belegung von E(Φ0 ) lässt sich dann ein Modell
von Φ gewinnen
⇒ Φ ist erfüllbar
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240 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Gödelscher Vollständigkeitssatz
Satz 13.11 (Gödel 1929)
• Sei Φ eine endliche oder abzählbar unendliche Menge
prädikatenlogischer Formeln über einer endlichen Signatur σ
und sei ψ eine prädikatenlogische Formel
• Dann gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ
Beweisskizze
• „Φ ` ψ ⇒ Φ |= ψ“:
– Wie im Beweis von Satz 13.9
• „Φ |= ψ ⇒ Φ ` ψ“:
– Es gelte Φ |= ψ
⇒ Φ ∪ {¬ψ} ist unerfüllbar
– Aus dem Endlichkeitssatz folgt, dass es eine endliche Teilmenge Φ0 von
Φ gibt, so dass Φ0 ∪ {¬ψ} unerfüllbar ist
⇒ Φ0 ` ψ
(Satz 11.14)
⇒ Φ ` ψ nach Definition von „`“
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241 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Prädikatenlogik mit Gleichheit (1/3)
Wir haben uns aus Gründen der Einfachheit auf die Prädikatenlogik ohne
Gleichheit beschränkt.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die gefundenen Resultate auf die
Prädikatenlogik mit Gleichheit übertragbar sind.
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WS 2014/15
242 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Prädikatenlogik mit Gleichheit (2/3)
In der Prädikatenlogik mit Gleichheit können Formeln ϕ wie z.B.
∀x f (x) = x formuliert werden
• Klar: diese Formel ist erfüllbar, aber sie hat kein Herbrand-Modell im
Sinne von Kapitel 9
Der Vollständigkeitssatz gilt trotzdem auch für die Prädikatenlogik mit
Gleichheit.
Der Beweis erfordert jedoch eine Modifikation der Definition von
Herbrand-Modellen:
• Statt der Menge aller Terme wird die Menge aller Äquivalenzklassen
von Termen verwendet hinsichtlich der Äquivalenzrelation
s ∼ t =def ϕ ` s = t
• Das macht den Beweis natürlich nicht gerade einfacher . . .
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243 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Der Gödelsche Vollständigkeitsatz
Prädikatenlogik mit Gleichheit (3/3)
Der Endlichkeitssatz gilt entsprechend ebenfalls für die Prädikatenlogik mit
Gleichheit.
Der Satz von Löwenheim-Skolem gilt in einer leicht modifizierten Form:
• Für jede erfüllbare Formel gibt es ein abzählbar unendliches oder ein
endliches Modell
• Ein Beispiel einer erfüllbaren Formel, die kein abzählbar unendliches
Modell hat, ist:
¬∃x ∃y ¬(x = y)
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Logik
WS 2014/15
244 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
G. Kern-Isberner (TU Dortmund)
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WS 2014/15
245 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Hilberts Programm (1/2)
Gödels 1929 bewiesener Vollständigkeitssatz steht im engen
Zusammenhang mit Hilberts Programm.
Hintergrund:
• Um 1900 durchlief die Mathematik eine schwere Grundlagenkrise
→ Russelsche Antinomie (1903)
• David Hilbert war einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit
und warb für das Ziel, eine sichere, formale Grundlegung der
Mathematik anzustreben
• Da sich viele Gebiete der Mathematik auf die Arithmetik zurückführen
lassen, stand diese im Mittelpunkt des Interesses
• Gesucht wurde ein widerspruchsfreies, entscheidbares Axiomensystem
für die wahren Sätze der Arithmetik
– Ein wahrer Satz der Arithmetik ist hier eine geschlossene
prädikatenlogische Formel ψ mit (N, +, ×, 0, 1) |= ψ
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246 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Hilberts Programm (2/2)
Das heißt, es wurde eine Menge Φ (Axiome) prädikatenlogischer Formeln
und ein Beweisbegrifff „`“ mit den folgenden Eigenschaften gesucht:
• Ist ψ ein Satz der Arithmetik, so gilt Φ ` ψ (Vollständigkeit)
• Es gibt keine prädikatenlogische Formel ψ mit Φ ` ψ und Φ ` ¬ψ
(Widerspruchsfreiheit)
• Φ ist endlich oder es lässt sich algorithmisch feststellen, ob eine
gegebene Formel χ in Φ ist
Außerdem wurde ein Verfahren gesucht, mit dem sich entscheiden lässt, ob
für eine gegeben Formel ψ gilt: (N, +, ×, 0, 1) |= ψ
(„Entscheidungsproblem der Arithmetik“)
Ein Axiomensystem wie oben würde das „Entscheidungsproblem der
Arithmetik“ lösen.
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247 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Das Scheitern von Hilberts Programm (1/4)
1930 bewies Gödel zwei Unvollständigkeitssätze, die Hilberts Programm
zerstörten:
Erster Gödelscher Unvollständigkeitssatz
Ist Φ widerspruchsfrei und „mindestens so ausdrucksstark wie die
Peano-Arithmetik“, so gibt es eine geschlossene Formel ψ der Arithmetik
mit Φ 6` ψ und Φ 6` ¬ψ
Beweisidee:
• Kodiere Formeln und Beweise durch Zahlen („Gödelisierung“) und
wähle dann eine Formel ψ, die ausdrückt, dass es für sie selbst keinen
Beweis gibt
⇒ Ein Beweissystem, wie von Hilbert erhofft, kann es also nicht geben.
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248 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Das Scheitern von Hilberts Programm (2/4)
Der erste Gödelsche Unvollständigkeitssatz scheint im Widerspruch zum
Gödelschen Vollständigkeitssatz zu stehen:
• Für jede geschlossene Formel ψ der Arithmetik muss doch
(N, +, ×, 0, 1) |= ψ oder (N, +, ×, 0, 1) |= ¬ψ gelten
• Sagt der Gödelsche Vollständigkeitssatz nicht gerade, dass es dann
auch einen Beweis (für ψ oder ¬ψ) geben muss?
Der Kern des Problems liegt darin, dass es für jedes Axiomensystem mit
den genannten Eigenschaften mehrere Modelle gibt:
• (N, +, ×, 0, 1)
• andere, Nichtstandardmodelle
Es gibt Formeln, die in (N, +, ×, 0, 1) gelten, aber nicht in allen
Nichtstandardmodellen
• Solche Formeln sind dann nicht beweisbar (und auch nicht ihre
Negation)
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249 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Das Scheitern von Hilberts Programm (3/4)
Gödel zeigte in derselben Arbeit, dass auch hinsichtlich der
Widerspruchsfreiheit Hilberts Ansatz nicht funktionieren kann:
Zweiter Gödelscher Unvollständigkeitssatz
Ist Φ widerspruchsfrei und „mindestens so ausdrucksstark wie die
Peano-Arithmetik“, so lässt sich die Widerspruchsfreiheit von Φ
nicht aus Φ beweisen.
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WS 2014/15
250 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Hilberts Programm
Das Scheitern von Hilberts Programm (4/4)
1936 zeigten Alan Turing und Alonzo Church (unabhängig voneinander),
dass das Hilbertsche „Entscheidungsproblem“ auch nicht gelöst werden
kann.
Das heißt, es gibt kein Verfahren, mit dem sich entscheiden lässt, ob für
eine gegebene Formel ψ gilt:
(N, +, ×, 0, 1) |= ψ .
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WS 2014/15
251 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Algorithmen
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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252 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Algorithmen
Algorithmische Auswertung von PL-Formeln
(1/3)
Wie lässt sich algorithmisch testen, ob für eine Interpretation I = (A, β)
und eine prädikatenlogische Formel ϕ gilt: I |= ϕ?
Wir beschränken uns auf den Fall, dass A endlich ist.
Eine mögliche Vorgehensweise:
• Werte ϕ induktiv aus
• Berechne dazu bottom-up, für alle Teilformeln ψ von ϕ, die Menge
aller Belegungen γ der freien Variablen von ψ, die (A, β ∪ γ) |= ψ
erfüllen
Satz 13.12
(a) Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln kann in Zeit
O(|A|k+1 |ϕ|) gelöst werden, wobei k die maximale Anzahl freier
Variablen einer Teilformel von ϕ ist
(b) Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln ist
vollständig für die Komplexitätsklasse PSPACE
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Algorithmen
Algorithmische Auswertung von PL-Formeln
(2/3)
Die Komplexitätsklasse PSPACE ist eine Oberklasse von NP:
• Sie enthält alle algorithmischen Probleme, die sich mit polynomiellem
Speicherplatz lösen lassen
„Vollständig“: Das Problem ist mindestens so schwierig wie alle
PSPACE-Probleme.
• Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln ist also
vermutlich noch schwieriger als das Erfüllbarkeitsproblem für
aussagenlogische Formeln
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Algorithmen
Algorithmische Auswertung von PL-Formeln
(3/3)
Die Prädikatenlogik entspricht genau der relationalen Algebra und damit
dem Kern der Datenbank-Anfragesprache SQL.
• Zur Erinnerung: Relationale Datenbanken lassen sich durch endliche
Strukturen ohne Funktionen und Konstanten repräsentieren
• Der skizzierte Algorithmus kann also (im Prinzip) auch als
Anfrageauswertungs-Algorithmus für relationale Datenbanken
verwendet werden
• Die große Komplexität spielt in der Praxis zum Glück keine Rolle
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (1/6)
Wir haben ein Verfahren, das die Unerfüllbarkeit einer PL-Formel nachweist:
Bei Eingabe einer PL-Formel ϕ hat es
• die Ausgabe „unerfüllbar“, falls ϕ unerfüllbar ist, und
• keine Ausgabe, falls ϕ erfüllbar ist
Wir hätten gerne ein Verfahren, das bei Eingabe einer PL-Formel ϕ
• die Ausgabe „unerfüllbar“ hat, falls ϕ unerfüllbar ist, und
• die Ausgabe „erfüllbar“ hat, falls ϕ erfüllbar ist
Für die Aussagenlogik gibt es solche Verfahren:
• Wahrheitstafel
• Resolution
• und viele andere
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (2/6)
Entscheidungsproblem zu einer Menge L
Gegeben: „Kandidat“ x
Frage: Ist x ∈ L?
Zu beachten: Das Entscheidungsproblem zu einer Menge L ist nicht das
(historische) „Entscheidungsproblem“ der Arithmetik.
• L heißt entscheidbar, falls es einen Algorithmus gibt, der bei Eingabe x
– die Ausgabe „ ja“ hat, falls x ∈ L und
– die Ausgabe „nein“ hat, falls x 6∈ L
• L heißt semientscheidbar, falls es einen Algorithmus gibt, der bei
Eingabe x
– die Ausgabe „ ja“ hat, falls x ∈ L und
– nicht anhält, falls x 6∈ L
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (3/6)
Der Begriff Algorithmus wird in GTI präzisiert.
Klar: Es gibt Mengen von PL-Formeln die nicht entscheidbar sind, denn es
gibt
• nur abzählbar viele Algorithmen,
• aber überabzählbar viele Mengen von Formeln
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (4/6)
Die Menge der PL-Formeln lässt sich wie folgt strukturieren:
allgemeingültig
erfüllbar aber
nicht allgemeingültig
unerfüllbar
Wir betrachten jeweils das Entscheidungsproblem zu den folgenden Mengen
von PL-Formeln:
•
•
•
•
L1
L2
L3
L4
=
=
=
=
Menge
Menge
Menge
Menge
der
der
der
der
erfüllbaren Formeln
unerfüllbaren Formeln
allgemeingültigen Formeln (Tautologien)
durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln
Klar: L3 ⊆ L4 ⊆ L1
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (5/6)
Zur Erinnerung:
•
•
•
•
L1
L2
L3
L4
=
=
=
=
Menge
Menge
Menge
Menge
der
der
der
der
erfüllbaren Formeln
unerfüllbaren Formeln
allgemeingültigen Formeln (Tautologien)
durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln
Satz 13.13
(a) L2 , L3 , L4 sind semientscheidbar, aber nicht entscheidbar
(b) L1 ist nicht semientscheidbar
Zu beachten: Satz 13.13 gilt für Signaturen, die mindestens ein 2-stelliges
Relations- oder Funktionssymbol enthalten.
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Algorithmen
Entscheidungsprobleme für die PL (6/6)
Zur Erinnerung:
•
•
•
•
L1
L2
L3
L4
=
=
=
=
Menge
Menge
Menge
Menge
der
der
der
der
erfüllbaren Formeln
unerfüllbaren Formeln
allgemeingültigen Formeln (Tautologien)
durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln
Beweisidee zu Satz 13.13
• Dass L2 und L3 semientscheidbar sind, folgt aus dem Resolutionssatz
• Die Semientscheidbarkeit von L4 folgt, da die endlichen Strukturen
systematisch aufgezählt werden können bis ein endliches Modell
gefunden ist
• Die Unentscheidbarkeit von L2 , L3 , L4 folgt letztlich aus der
Unentscheidbarkeit des Halteproblems für Turingmaschinen
→ siehe GTI
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle
Außer dem Resolutionskalkül gibt es viele verschiedene Beweiskalküle für
die Prädikatenlogik.
Wir werfen einen Blick auf zwei solche Kalküle:
• Hilbertkalkül:
– Der Hilbert-Kalkül hat nur wenige Axiome und Regeln
– Es ist aber ziemlich schwierig, Ableitungen für Formeln zu finden
• Sequenzenkalkül:
– Es gibt eine Vielzahl von Kalkülen aus der Familie der Sequenzenkalküle
– Der hier betrachtete Sequenzenkalkül hat nur ein Axiom aber zehn
Schlussregeln
– Häufig ist es erheblich einfacher, einen Beweis im Sequenzenkalkül zu
finden
– Sequenzenkalküle werden häufig für automatische Beweise eingesetzt
Die Anwendung dieser Kalküle ist kein Prüfungsstoff, aber wichtig für das
Verständnis logischer Ableitungen.
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Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (1/3)
Definition 13.8 (Hilbertkalkül)
• AX sei die Menge aller Formeln, die sich in einer der drei folgenden
Formen schreiben lassen:
(A1) [ϕ1 → (ϕ2 → ϕ3 )] → [(ϕ1 → ϕ2 ) → (ϕ1 → ϕ3 )]
(A2) ϕ1 → (ϕ2 → ϕ1 )
(A3) (¬ϕ1 → ¬ϕ2 ) → (ϕ2 → ϕ1 )
• ψ ist Hilbert-beweisbar aus Φ (Φ `H ψ), falls es eine Folge ψ1 , . . . , ψn
gibt mit:
– ψn = ψ, und jedes ψi ist entweder
∗ aus AX, oder
∗ in Φ, oder
∗ entsteht durch Anwendung einer Schlussregel auf ψj , ψk mit j, k < i
• Die Schlussregeln sind:
– Modus ponens:
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ψ
ψ → ψ0
ψ0
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Generalisierung:
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ψ(c)
∀x ψ(x)
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (2/3)
Obwohl der Hilbertkalkül zunächst sehr natürlich wirkt, ist es recht
schwierig, mit ihm Beweise zu finden.
Wir betrachten einen Beispielbeweis des aussagenlogischen Hilbertkalküls,
der zeigt, dass
∅ `H ϕ → ϕ
gilt, dass also ϕ → ϕ für jede Formel ϕ eine Tautologie ist.
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (3/3)
AX (Whlg.):
(A1) [ϕ1 → (ϕ2 → ϕ3 )] → [(ϕ1 → ϕ2 ) → (ϕ1 → ϕ3 )]
(A2) ϕ1 → (ϕ2 → ϕ1 )
(A3) (¬ϕ1 → ¬ϕ2 ) → (ϕ2 → ϕ1 )
Beispiel: ϕ → ϕ ist Tautologie
(1) [ϕ → ((ϕ → ϕ) → ϕ)] → [(ϕ → (ϕ → ϕ)) → (ϕ → ϕ)]
(2) ϕ → ((ϕ → ϕ) → ϕ)
(A1)
(A2)
(3) (ϕ → (ϕ → ϕ)) → (ϕ → ϕ)
(MP aus (1) und (2))
(5) ϕ → ϕ
(MP aus (3) und (4))
(4) ϕ → (ϕ → ϕ)
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(A2)
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Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (1/6)
Der Sequenzenkalkül verwendet elementare Aussagen der Art Γ ⇒ ∆,
wobei Γ und ∆ Mengen von Formeln sind.
• Diese elementaren Aussagen heißen Sequenzen.
• Mengenklammern werden dabei meistens weggelassen.
Eine Aussage Γ ⇒ ∆ heißt gültig, falls jedes Modell von Γ auch Modell
von mindestens einer Formel aus ∆ ist.
Bemerkung: Es gibt viele Varianten des Sequenzenkalküls mit
unterschiedlicher Notation.
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (2/6)
Auch der Sequenzenkalkül besteht aus Axiomen und Schlussregeln:
• Axiome sind alle Sequenzen der Art Γ, ϕ ⇒ ∆, ϕ
• Für jeden logischen Operator und Quantor gibt es jeweils zwei
Schlussregeln:
– eine für die linke Seite und eine für die rechte Seite einer Sequenz
Es ist oft einfacher, Beweise im Sequenzenkalkül zu finden als im
Hilbertkalkül.
Außerdem lassen sich in vielen Fällen sogar Modelle (Gegenbeispiele)
konstruieren.
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (3/6)
Definition 13.9 (Sequenzenkalkül: aussagenlogischer Teil)
• Axiome: Γ, ϕ ⇒ ∆, ϕ
• „Aussagenlogische“ Schlussregeln:
Γ ⇒ ∆, ϕ
Γ, ¬ϕ ⇒ ∆
Γ, ϕ ⇒ ∆
Γ ⇒ ∆, ¬ϕ
Γ, ϕ ⇒ ∆ Γ, ψ ⇒ ∆
Γ, ϕ ∨ ψ ⇒ ∆
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(¬ ⇒)
(⇒ ¬)
(∨ ⇒)
Logik
Γ ⇒ ∆, ϕ, ψ
Γ ⇒ ∆, ϕ ∨ ψ
Γ, ϕ, ψ ⇒ ∆
Γ, ϕ ∧ ψ ⇒ ∆
Γ ⇒ ∆, ϕ Γ ⇒ ∆, ψ
Γ ⇒ ∆, ϕ ∧ ψ
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(⇒ ∨)
(∧ ⇒)
(⇒ ∧)
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (4/6)
Definition 13.9 (Sequenzenkalkül: prädikatenlogischer Teil)
• „Prädikatenlogische“ Schlussregeln:
– Falls c nicht in Γ, ∆ oder ϕ vorkommt:
∗
∗
Γ, ϕ[x/c] ⇒ ∆
Γ, ∃x ϕ(x) ⇒ ∆
(∃ ⇒)
Γ ⇒ ∆, ϕ(c)
Γ ⇒ ∆, ∀x ϕ(x)
(⇒ ∀)
Γ ⇒ ∆, ϕ[x/t]
Γ ⇒ ∆, ∃x ϕ(x)
(⇒ ∃)
– Falls x die einzige freie Variable von ϕ ist und t ein Grundterm ist:
∗
∗
Γ, ϕ[x/t] ⇒ ∆
Γ, ∀x ϕ(x) ⇒ ∆
(∀ ⇒)
Dies ist der Sequenzenkalkül für die Prädikatenlogik ohne Gleichheit.
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PL – Weitere Ergebnisse
Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (5/6)
Um eine Sequenz Γ ⇒ ∆ zu beweisen, wird versucht, ausgehend von
Γ ⇒ ∆ durch Rückwärtsanwendung von Schlussregeln zu einem (oder bei
Verzweigung mehreren) Axiomen zu gelangen.
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Hilbert- und Sequenzenkalkül
Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (6/6)
Beispiel
Wir betrachten einen Beweis der Aussage ∃x ∀y R(x, y) |= ∀y ∃x R(x, y):
∃x ∀y R(x, y) ⇒ ∀y ∃x R(x, y)
∀y R(c, y) ⇒ ∀y ∃x R(x, y)
∀y R(c, y) ⇒ ∃x R(x, d)
R(c, d) ⇒ ∃x R(x, d)
R(c, d) ⇒ R(c, d)
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Logik
(∃ ⇒)
Γ, ϕ[x/c] ⇒ ∆
Γ, ∃x ϕ(x) ⇒ ∆
(⇒ ∀)
Γ ⇒ ∆, ϕ(c)
Γ ⇒ ∆, ∀x ϕ(x)
(∀ ⇒)
Γ, ϕ[x/t] ⇒ ∆
Γ, ∀x ϕ(x) ⇒ ∆
(⇒ ∃)
Γ ⇒ ∆, ϕ[x/t]
Γ ⇒ ∆, ∃x ϕ(x)
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272 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Vergleich der betrachteten Logiken
Inhalt Kapitel 13
13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes
13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz
13.3 Hilberts Programm
13.4 Algorithmen
13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül
13.6 Vergleich der betrachteten Logiken
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273 / 278
PL – Weitere Ergebnisse
Vergleich der betrachteten Logiken
Prädikatenlogik vs. Aussagenlogik
Vieles ist ähnlich in Aussagenlogik und Prädikatenlogik.
Aber offensichtlich ist die Prädikatenlogik mächtiger.
Wie ist denn nun das genaue Verhältnis zwischen den beiden?
• Aussagenlogik kann als Prädikatenlogik auf Strukturen aufgefasst
werden, die ausschließlich 0-stellige Prädikate haben:
Aussagenvariablen ≡ Prädikate
Vorsicht: Manches, das ähnlich heißt, hat unterschiedliche Bedeutung!
• Aussagenlogische Variablen entsprechen nicht prädikatenlogischen
Variablen
• Aussagenlogische und prädikatenlogische Substitutionen entsprechen
sich ebenfalls nicht (und die Notation ist unterschiedlich)
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Vergleich der betrachteten Logiken
Prädikatenlogik vs. Modallogik (1/2)
Gemäß Definition ist die Modallogik eine Erweiterung der Aussagenlogik.
Statt nur über eine Welt kann sie über verschiedene Welten sprechen.
Wie verhält sich die Modallogik zur Prädikatenlogik?
Zur Beantwortung dieser Frage definieren wir für jede Kripkestruktur
K = (V, E, P ) eine mathematische Struktur K0 mit
• Universum V
• der 2-stelligen Relation E und
• einer 1-stelligen Relation PX für jede AL-Variable X, die in einer
Menge P (s) mit s ∈ V vorkommt
Satz 13.14
Zu jeder ML-Formel ϕ gibt es eine PL-Formel ϕ0 (x) mit nur zwei Variablen
x, y, so dass für jede Kripkestruktur K und jede Welt s von K gilt:
K, s |= ϕ ⇔ (K0 , x 7→ s) |= ϕ0
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PL – Weitere Ergebnisse
Vergleich der betrachteten Logiken
Prädikatenlogik vs. Modallogik (2/2)
Die Formel 3A lässt sich beispielsweise übersetzen in:
ϕ0 (x) ≡ ∃y [E(x, y) ∧ (∀x (E(y, x) → PA (x)))]
Beweisskizze
• ML-Formeln lassen sich induktiv wie folgt übersetzen:
–
–
–
–
A durch PA (x)
¬χ durch ¬χ0
χ ∧ ψ durch χ0 ∧ ψ 0
3χ durch ∃y [(E(x, y) ∧ χ0 [x y])]
• Hierbei bezeichnet χ0 [x y] die Formel, die aus χ0 durch Vertauschen
aller Vorkommen von x und y entsteht
– ∀x ∃y E(x, y)[x y] ist beispielsweise ∀y ∃x E(y, x)
• Dass die Konstruktion korrekt ist, lässt sich durch Induktion nach dem
Aufbau von ϕ beweisen
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Vergleich der betrachteten Logiken
Zusammenfassung
Sie sollten die folgenden Themen und Techniken kennen und beherrschen:
• Gute Nachrichten:
– Φ |= ψ und Φ ` ψ sind äquivalente Aussagen, jede Folgerung lässt sich
also beweisen
– Um die Unerfüllbarkeit einer Formelmenge zu erkennen, genügt es, ihre
endlichen Teilmengen zu betrachten
– Diese Aussagen gelten auch für die Prädikatenlogik mit Gleichheit
– Es gibt eine Vielzahl weiterer Kalküle, die Φ ` ψ äquivalent definieren
– PL-Formeln können auf endlichen Strukturen algorithmisch ausgewertet
werden
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Vergleich der betrachteten Logiken
Zusammenfassung (Forts.)
• Schlechte Nachrichten:
– Fragen hinsichtlich der Erfüllbarkeit oder Gültigkeit von PL-Formeln
sind algorithmisch nicht allgemein lösbar
– Die Gödelschen Unvollständigkeitssätze geben weitere Grenzen der
formalen Methode an
• Literaturempfehlung:
– D.W. Hoffmann. Grenzen der Mathematik: eine Reise durch die
Kerngebiete der Mathematischen Logik. Spektrum-Akademischer Vlg,
2011
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