Logik Gabriele Kern-Isberner LS 1 – Information Engineering TU Dortmund Wintersemester 2014/15 WS 2014/15 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 1 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Übersicht Prädikatenlogik 8. Strukturen & Syntax 9. Modellierung und Normalformen 10. Erfüllbarkeit: Grundresolution 11. Prädikatenlogische Resolution 12. Logische Programmierung und Prolog 13. Weitere Ergebnisse G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 215 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Teil C C – Prädikatenlogik (PL) Kapitel 13: Weitere Ergebnisse G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 216 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Übersicht • Zuerst zeigen wir den in Kapitel 11 schon formulierten PL-Resolutionssatz • Daraus folgern wir dann den Gödelschen Vollständigkeitssatz, eines der wichtigsten Ergebnisse der Prädikatenlogik • Danach werden wir einige Resultate kennen lernen, die Grenzen der Beweisbarkeit von Aussagen über die Arithmetik aufzeigen • Wir werfen schließlich einen kurzen Blick auf algorithmische Probleme im Zusammenhang mit der Prädikatenlogik – Auswertung von Formeln ∗ Diese ist recht aufwändig – Testen von Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit etc. ∗ Diese Tests sind algorithmisch nicht umfassend lösbar • Außer der Resolution gibt es noch viele andere Beweiskalküle für die Prädikatenlogik – Wir betrachten zwei dieser Kalküle: ∗ Hilbertkalkül und Sequenzenkalkül • Zuletzt vergleichen wir die Prädikatenlogik mit der Aussagenlogik und der Modallogik G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 217 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 218 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 219 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Vorbemerkung zur Orientierung (1/2) Wir müssen noch zeigen, dass die prädikatenlogische Resolution (a) korrekt und (b) vollständig ist. Für die Korrektheit zeigen wir im Wesentlichen, dass jeder einzelne Resolutionsschritt korrekt ist. Das ist der Inhalt des Resolutionslemmas: • Wenn zwei Klauseln K und K 0 in einer Struktur für alle Belegungen wahr werden, dann wird auch ihre Resolvente R für alle Belegungen wahr G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 220 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Vorbemerkung zur Orientierung (2/2) Die Vollständigkeit führen wir auf die schon bewiesene Vollständigkeit der Grundresolution zurück. Dazu beweisen wir das Lifting-Lemma: • Es sagt im Prinzip, dass es zu jedem Resolutionsschritt eines Grundresolutionsbeweises mit Resolvente R einen prädikatenlogischen Resolutionsschritt gibt, dessen Resolvente R umfasst G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 221 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Prädikatenlogische Resolvente: Wiederholung Definition 11.19 (Wdh.) • Seien K, K 0 prädikatenlogische Klauseln • Seien τ, τ 0 Variablenumbenennungen, so dass H =def τ (K) und H 0 =def τ 0 (K 0 ) keine Variablen gemeinsam haben • Seien A1 , . . . , Ak Atome in H und ¬A01 , . . . , ¬A0m Literale in H 0 , so dass {A1 , . . . , Ak , A01 , . . . , A0m } unifizierbar ist mit MGU σ • Dann heißt R =def σ((H − {A1 , . . . , Ak }) ∪ (H 0 − {¬A01 , . . . , ¬A0m })) prädikatenlogische Resolvente von K und K 0 K0 τ0 H0 K τ H σ σ R G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 222 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Das prädikatenlogische Resolutionslemma Lemma 13.7 (PL-Resolutionslemma) • Seien K, K 0 , τ, τ 0 , H, H 0 , σ und R wie in der Definition von prädikatenlogischen Resolventen • Sei A eine zu K und K 0 passende Struktur • Wenn (a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K und (b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0 , dann gilt auch für alle passenden Belegungen γ : (A, γ) |= R G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 223 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes PL-Resolutionslemma: Illustration der Beweisidee Beweisidee L K = {. . . , , . . .} {. . . , τ H = {L1 , . . . , Ln , A1 , . . . , Ak } , . . .} = K 0 L’ τ0 {¬A01 , . . . , ¬A0m , L01 , . . . , L0l } = H 0 σ σ R = {σ(L1 ), . . . , σ(Ln ), σ(L01 ), . . . , σ(L0l )} • Sei A eine Struktur, so dass (a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K, und (b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0 • Sei γ eine passende Belegung für R; zu zeigen: (A, γ) |= R G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 224 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Illustration der Beweisidee (Forts.) Beweisidee (Forts.) Voraussetzung: (a) für alle passenden Belegungen β gilt: (A, β) |= K, und (b) für alle passenden Belegungen β 0 gilt: (A, β 0 ) |= K 0 Wegen (a) gilt: (A, γ ◦ σ ◦ τ ) |= L für mindestens ein Literal L aus K • Fall (i): τ (L) = Li , für ein i ⇒ (A, γ ◦ σ) |= Li ⇒ (A, γ) |= σ(Li ) ⇒ (A, γ) |= R • Fall (ii): τ (L) = Ai , für ein i ⇒ für alle j gilt dann (A, γ ◦ σ) 6|= ¬A0j (da σ(Ai ) = σ(A0j )) 0 0 0 0 ⇒ (A, γ ◦ σ ◦ τ ) |= L für ein Literal L aus K und τ 0 (L0 ) = L0p , für ein p (wegen (b)) ⇒ (A, γ ◦ σ) |= L0p ⇒ (A, γ) |= σ(L0 ) ⇒ (A, γ) |= R G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 225 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Das Lifting-Lemma (1/3) Das prädikatenlogische Resolutionslemma hilft uns zu beweisen, dass die PL-Resolution korrekt ist, indem es zeigt, dass jeder einzelne Resolutionsschritt korrekt ist. Wir müssen noch zeigen, dass sie vollständig ist, dass also für jede unerfüllbare Formel die Unerfüllbarkeit mit PL-Resolution nachgewiesen werden kann. Da die Grundresolution ein solches vollständiges Verfahren ist, genügt es uns zu zeigen, dass die PL-Resolution „nicht weniger vollständig“ ist als die Grundresolution. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 226 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Das Lifting-Lemma (2/3) Das folgende Lifting-Lemma zeigt uns, wie wir aus einem Schritt eines Grundresolutionsbeweises einen Schritt eines PL-Resolutionsbeweis gewinnen können. Eine Substitution σ heißt Grundsubstitution für eine PL-Klausel K, falls σ(K) keine Variablen enthält G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 227 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Das Lifting-Lemma (3/3) Lemma 13.8 (Lifting-Lemma) • Seien K1 , K2 prädikatenlogische Klauseln mit Grundsubstitutionen σ1 , σ2 • Seien K10 = σ1 (K1 ) und K20 = σ2 (K2 ) • Dann gilt: Falls R0 aussagenlogische Resolvente von K10 und K20 ist, so gibt es eine PL-Resolvente R von K1 und K2 und eine Grundsubstitution σ mit σ(R) = R0 K1 σ1 K10 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) R σ 0 R Logik K2 σ2 0 K2 WS 2014/15 228 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Lifting-Lemma: Illustration Beispiel: Illustration des Lifting-Lemmas K1 = {P (x, y), ¬R(g(x), f (y))} K2 = {R(x, y), R(g(a), z)} x 7→ g(a) x 7→ a y 7→ b x 7→ a y, z 7→ f (u) x 7→ g(a) y, z 7→ f (b) y 7→ u R = {P (a, u)} K10 = {P (a, b), ¬R(g(a)), f (b))} K20 = {R(g(a), f (b))} u 7→ b R0 = {P (a, b)} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 229 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Prädikatenlogische Resolution Der nicht schwierige aber etwas technische Beweis des Lifting-Lemmas findet sich in [KuK]. Zu beachten: die Vollständigkeit können wir nur garantieren, weil wir MGUs verwenden! Für PL-Klauselmengen K haben wir definiert: – Res(K) =def K ∪ {K | K ist PL-Resolvente zweier Klauseln aus K} – Res0 (K) =def K – Resk (K) =def Res(Resk−1 (K)), für alle k ≥ 1 S – Res∞ (K) =def k≥0 Resk (K) Satz 11.14 (PL-Resolutionssatz, Whlg.) Eine prädikatenlogische Formel ϕ ist genau dann unerfüllbar, wenn für ihre Matrixklauselform K gilt: ∈ Res∞ (K). G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 230 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Der Resolutionssatz der Prädikatenlogik: Beweis Sei ∀K die Formel, die aus der KNF zur Klauselmenge K durch All-Quantifizierung aller vorkommenden Variablen entsteht. Beweisskizze für Satz 11.14 • Korrektheit des PL-Resolutionskalküls: Zu zeigen: ∈ Res∞ (K) ⇒ ϕ unerfüllbar • Wir zeigen zuerst, dass für jede PL-Klauselmenge K0 gilt: ∀K0 erfüllbar ⇒ ∀Res(K0 ) erfüllbar – – – ⇒ Sei A ein Modell für ∀K0 Sei K ∈ Res(K0 ) Resolvente von K1 , K2 ∈ K0 Wegen Lemma 13.7 gilt dann: A |= ∀K A ist ein Modell für ∀Res(K0 ) • Der Rest des Korrektheits-Beweises erfolgt wie in Lemma 3.7 und Satz 3.8 durch Induktion G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 231 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Beweis des PL-Resolutionssatzes Der Resolutionssatz der Prädikatenlogik: Beweis (Forts.) Beweisskizze für Satz 11.14 (Forts.) • Vollständigkeit des PL-Kalküls: Zu zeigen: ϕ unerfüllbar ⇒ ∈ Res∞ (K) • Sei also ϕ unerfüllbar • Mit Satz 10.5 folgt, dass E(ϕ) unerfüllbar ist ⇒ ∈ Res∞ (E(ϕ)) ⇒ Es gibt also einen aussagenlogischen Resolutionsbeweis für , der endlich viele Klauseln aus E(ϕ) verwendet • Durch Anwendung des Lifting-Lemmas auf jeden einzelnen Resolutionsschritt lässt sich daraus ein prädikatenlogischer Resolutionsbeweis gewinnen G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 232 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 233 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Folgern und Beweisen (1/2) Zur Erinnerung: Für eine Menge Φ prädikatenlogischer Formeln und eine prädikatenlogische Formel ψ schreiben wir Φ |= ψ, wenn für jede passende Struktur A gilt: • wenn A |= Φ, • dann A |= ψ. Dies ist der semantische Folgerungsbegriff der Prädikatenlogik. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 234 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Folgern und Beweisen (2/2) Wir definieren auch wieder einen syntaktischen Beweisbegriff, basierend auf dem Resolutionskalkül: Definition 13.7 (`, beweisbar) • Sei Φ eine Menge prädikatenlogischer Formeln und ψ eine prädikatenlogische Formel • Falls – es eine endliche Teilmenge Φ0 von Φ gibt und ϕ die Konjunktion der Formeln in Φ0 ist, – K die Matrixklauselformel von ϕ ∧ ¬ψ ist, und – ∈ Res∞ (K), dann schreiben wir Φ ` ψ und sagen: ψ ist beweisbar aus Φ Φ ` ψ bedeutet also, dass es einen prädikatenlogischen Resolutionsbeweis für die Unerfüllbarkeit von Φ ∪ {¬ψ} gibt. Da Resolutionsbeweise immer endlich sind, genügt es, hier endliche Teilmengen Φ 0 von Φ zu betrachten G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 235 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Vollständigkeitssatz für endliche Formelmengen Wir würden gerne zeigen, dass allgemein gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ. Um diese Aussage für beliebige Formelmengen zu beweisen, bräuchten wir das Auswahlaxiom • Wir beschränken uns daher hier auf endliche und abzählbar unendliche Formelmengen Satz 13.9 (Vollständigkeitssatz für endliche Mengen) • Sei Φ eine endliche Menge prädikatenlogischer Formeln und sei ψ eine prädikatenlogische Formel • Dann gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 236 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Vollständigkeitssatz: Beweis Beweisskizze für Satz 13.9 • „Φ |= ψ ⇒ Φ ` ψ“: – – ⇒ ⇒ Aus Φ |= ψ folgt, dass Φ ∪ {¬ψ} unerfüllbar ist (Proposition 10.1) Sei ϕ die Konjunktion der Formeln aus Φ ϕ ∧ ¬ψ ist unerfüllbar ∈ Res∞ (K) für die Matrixklauselform K von ϕ ∧ ¬ψ (Satz 11.14) • „Φ ` ψ ⇒ Φ |= ψ“: – Ist Φ ` ψ, so gibt es nach Definition eine Konjunktion ϕ von Formeln aus Φ, so dass für die Matrixklauselform K von ϕ ∧ ¬ψ gilt: ∈ Res∞ (K) ⇒ ϕ ∧ ¬ψ ist unerfüllbar (Satz 11.14) ⇒ Φ ∪ {¬ψ} ist unerfüllbar ⇒ Φ |= ψ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 237 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Der Vollständigkeitssatz für abzählbar unendliche Formelmengen Als nächstes beweisen wir den Vollständigkeitssatz für abzählbar unendliche Formelmengen. Dafür benötigen wir den Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 238 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Der Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik (1/2) Satz 13.10 (Endlichkeitssatz der PL) • Sei Φ eine abzählbar unendliche Menge prädikatenlogischer Formeln über einer endlichen Signatur σ • Dann gilt: Φ ist genau dann erfüllbar, wenn jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist Beweisidee • Es genügt zu zeigen: Wenn jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist, dann ist Φ erfüllbar • Sei Φ = {ϕ1 , ϕ2 , . . .} also eine abzählbar unendliche Menge prädikatenlogischer Formeln über einer endlichen Signatur σ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 239 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Der Endlichkeitssatz der Prädikatenlogik (2/2) Beweisidee (Forts.) • Zu jeder Formel ϕi sei ϕ0i eine durch Skolemisierung erzeugte erfüllbarkeitsäquivalente Skolemformel – Bei der Skolemisierung verwenden wir für jede Formel ϕi eigene Funktionssymbole f1i , f2i , . . . • Sei Φ0 =def {ϕ01 , ϕ02 , . . .} • Da jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist, ist auch jede endliche Konjunktion χ von Formeln aus Φ0 erfüllbar ⇒ Die Herbrand-Expansion E(χ) ist für jede solche Formel erfüllbar (Satz 10.5) • Dann ist wegen des Endlichkeitssatzes der Aussagenlogik auch die Herbrand-Expansion E(Φ0 ) aller Formeln aus Φ0 erfüllbar • Aus einer erfüllenden Belegung von E(Φ0 ) lässt sich dann ein Modell von Φ gewinnen ⇒ Φ ist erfüllbar G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 240 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Gödelscher Vollständigkeitssatz Satz 13.11 (Gödel 1929) • Sei Φ eine endliche oder abzählbar unendliche Menge prädikatenlogischer Formeln über einer endlichen Signatur σ und sei ψ eine prädikatenlogische Formel • Dann gilt: Φ |= ψ ⇔ Φ ` ψ Beweisskizze • „Φ ` ψ ⇒ Φ |= ψ“: – Wie im Beweis von Satz 13.9 • „Φ |= ψ ⇒ Φ ` ψ“: – Es gelte Φ |= ψ ⇒ Φ ∪ {¬ψ} ist unerfüllbar – Aus dem Endlichkeitssatz folgt, dass es eine endliche Teilmenge Φ0 von Φ gibt, so dass Φ0 ∪ {¬ψ} unerfüllbar ist ⇒ Φ0 ` ψ (Satz 11.14) ⇒ Φ ` ψ nach Definition von „`“ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 241 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Prädikatenlogik mit Gleichheit (1/3) Wir haben uns aus Gründen der Einfachheit auf die Prädikatenlogik ohne Gleichheit beschränkt. Es stellt sich die Frage, inwieweit die gefundenen Resultate auf die Prädikatenlogik mit Gleichheit übertragbar sind. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 242 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Prädikatenlogik mit Gleichheit (2/3) In der Prädikatenlogik mit Gleichheit können Formeln ϕ wie z.B. ∀x f (x) = x formuliert werden • Klar: diese Formel ist erfüllbar, aber sie hat kein Herbrand-Modell im Sinne von Kapitel 9 Der Vollständigkeitssatz gilt trotzdem auch für die Prädikatenlogik mit Gleichheit. Der Beweis erfordert jedoch eine Modifikation der Definition von Herbrand-Modellen: • Statt der Menge aller Terme wird die Menge aller Äquivalenzklassen von Termen verwendet hinsichtlich der Äquivalenzrelation s ∼ t =def ϕ ` s = t • Das macht den Beweis natürlich nicht gerade einfacher . . . G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 243 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Der Gödelsche Vollständigkeitsatz Prädikatenlogik mit Gleichheit (3/3) Der Endlichkeitssatz gilt entsprechend ebenfalls für die Prädikatenlogik mit Gleichheit. Der Satz von Löwenheim-Skolem gilt in einer leicht modifizierten Form: • Für jede erfüllbare Formel gibt es ein abzählbar unendliches oder ein endliches Modell • Ein Beispiel einer erfüllbaren Formel, die kein abzählbar unendliches Modell hat, ist: ¬∃x ∃y ¬(x = y) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 244 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 245 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Hilberts Programm (1/2) Gödels 1929 bewiesener Vollständigkeitssatz steht im engen Zusammenhang mit Hilberts Programm. Hintergrund: • Um 1900 durchlief die Mathematik eine schwere Grundlagenkrise → Russelsche Antinomie (1903) • David Hilbert war einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit und warb für das Ziel, eine sichere, formale Grundlegung der Mathematik anzustreben • Da sich viele Gebiete der Mathematik auf die Arithmetik zurückführen lassen, stand diese im Mittelpunkt des Interesses • Gesucht wurde ein widerspruchsfreies, entscheidbares Axiomensystem für die wahren Sätze der Arithmetik – Ein wahrer Satz der Arithmetik ist hier eine geschlossene prädikatenlogische Formel ψ mit (N, +, ×, 0, 1) |= ψ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 246 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Hilberts Programm (2/2) Das heißt, es wurde eine Menge Φ (Axiome) prädikatenlogischer Formeln und ein Beweisbegrifff „`“ mit den folgenden Eigenschaften gesucht: • Ist ψ ein Satz der Arithmetik, so gilt Φ ` ψ (Vollständigkeit) • Es gibt keine prädikatenlogische Formel ψ mit Φ ` ψ und Φ ` ¬ψ (Widerspruchsfreiheit) • Φ ist endlich oder es lässt sich algorithmisch feststellen, ob eine gegebene Formel χ in Φ ist Außerdem wurde ein Verfahren gesucht, mit dem sich entscheiden lässt, ob für eine gegeben Formel ψ gilt: (N, +, ×, 0, 1) |= ψ („Entscheidungsproblem der Arithmetik“) Ein Axiomensystem wie oben würde das „Entscheidungsproblem der Arithmetik“ lösen. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 247 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Das Scheitern von Hilberts Programm (1/4) 1930 bewies Gödel zwei Unvollständigkeitssätze, die Hilberts Programm zerstörten: Erster Gödelscher Unvollständigkeitssatz Ist Φ widerspruchsfrei und „mindestens so ausdrucksstark wie die Peano-Arithmetik“, so gibt es eine geschlossene Formel ψ der Arithmetik mit Φ 6` ψ und Φ 6` ¬ψ Beweisidee: • Kodiere Formeln und Beweise durch Zahlen („Gödelisierung“) und wähle dann eine Formel ψ, die ausdrückt, dass es für sie selbst keinen Beweis gibt ⇒ Ein Beweissystem, wie von Hilbert erhofft, kann es also nicht geben. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 248 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Das Scheitern von Hilberts Programm (2/4) Der erste Gödelsche Unvollständigkeitssatz scheint im Widerspruch zum Gödelschen Vollständigkeitssatz zu stehen: • Für jede geschlossene Formel ψ der Arithmetik muss doch (N, +, ×, 0, 1) |= ψ oder (N, +, ×, 0, 1) |= ¬ψ gelten • Sagt der Gödelsche Vollständigkeitssatz nicht gerade, dass es dann auch einen Beweis (für ψ oder ¬ψ) geben muss? Der Kern des Problems liegt darin, dass es für jedes Axiomensystem mit den genannten Eigenschaften mehrere Modelle gibt: • (N, +, ×, 0, 1) • andere, Nichtstandardmodelle Es gibt Formeln, die in (N, +, ×, 0, 1) gelten, aber nicht in allen Nichtstandardmodellen • Solche Formeln sind dann nicht beweisbar (und auch nicht ihre Negation) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 249 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Das Scheitern von Hilberts Programm (3/4) Gödel zeigte in derselben Arbeit, dass auch hinsichtlich der Widerspruchsfreiheit Hilberts Ansatz nicht funktionieren kann: Zweiter Gödelscher Unvollständigkeitssatz Ist Φ widerspruchsfrei und „mindestens so ausdrucksstark wie die Peano-Arithmetik“, so lässt sich die Widerspruchsfreiheit von Φ nicht aus Φ beweisen. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 250 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilberts Programm Das Scheitern von Hilberts Programm (4/4) 1936 zeigten Alan Turing und Alonzo Church (unabhängig voneinander), dass das Hilbertsche „Entscheidungsproblem“ auch nicht gelöst werden kann. Das heißt, es gibt kein Verfahren, mit dem sich entscheiden lässt, ob für eine gegebene Formel ψ gilt: (N, +, ×, 0, 1) |= ψ . G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 251 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 252 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Algorithmische Auswertung von PL-Formeln (1/3) Wie lässt sich algorithmisch testen, ob für eine Interpretation I = (A, β) und eine prädikatenlogische Formel ϕ gilt: I |= ϕ? Wir beschränken uns auf den Fall, dass A endlich ist. Eine mögliche Vorgehensweise: • Werte ϕ induktiv aus • Berechne dazu bottom-up, für alle Teilformeln ψ von ϕ, die Menge aller Belegungen γ der freien Variablen von ψ, die (A, β ∪ γ) |= ψ erfüllen Satz 13.12 (a) Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln kann in Zeit O(|A|k+1 |ϕ|) gelöst werden, wobei k die maximale Anzahl freier Variablen einer Teilformel von ϕ ist (b) Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln ist vollständig für die Komplexitätsklasse PSPACE G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 253 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Algorithmische Auswertung von PL-Formeln (2/3) Die Komplexitätsklasse PSPACE ist eine Oberklasse von NP: • Sie enthält alle algorithmischen Probleme, die sich mit polynomiellem Speicherplatz lösen lassen „Vollständig“: Das Problem ist mindestens so schwierig wie alle PSPACE-Probleme. • Das Auswertungsproblem für prädikatenlogische Formeln ist also vermutlich noch schwieriger als das Erfüllbarkeitsproblem für aussagenlogische Formeln G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 254 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Algorithmische Auswertung von PL-Formeln (3/3) Die Prädikatenlogik entspricht genau der relationalen Algebra und damit dem Kern der Datenbank-Anfragesprache SQL. • Zur Erinnerung: Relationale Datenbanken lassen sich durch endliche Strukturen ohne Funktionen und Konstanten repräsentieren • Der skizzierte Algorithmus kann also (im Prinzip) auch als Anfrageauswertungs-Algorithmus für relationale Datenbanken verwendet werden • Die große Komplexität spielt in der Praxis zum Glück keine Rolle G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 255 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (1/6) Wir haben ein Verfahren, das die Unerfüllbarkeit einer PL-Formel nachweist: Bei Eingabe einer PL-Formel ϕ hat es • die Ausgabe „unerfüllbar“, falls ϕ unerfüllbar ist, und • keine Ausgabe, falls ϕ erfüllbar ist Wir hätten gerne ein Verfahren, das bei Eingabe einer PL-Formel ϕ • die Ausgabe „unerfüllbar“ hat, falls ϕ unerfüllbar ist, und • die Ausgabe „erfüllbar“ hat, falls ϕ erfüllbar ist Für die Aussagenlogik gibt es solche Verfahren: • Wahrheitstafel • Resolution • und viele andere G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 256 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (2/6) Entscheidungsproblem zu einer Menge L Gegeben: „Kandidat“ x Frage: Ist x ∈ L? Zu beachten: Das Entscheidungsproblem zu einer Menge L ist nicht das (historische) „Entscheidungsproblem“ der Arithmetik. • L heißt entscheidbar, falls es einen Algorithmus gibt, der bei Eingabe x – die Ausgabe „ ja“ hat, falls x ∈ L und – die Ausgabe „nein“ hat, falls x 6∈ L • L heißt semientscheidbar, falls es einen Algorithmus gibt, der bei Eingabe x – die Ausgabe „ ja“ hat, falls x ∈ L und – nicht anhält, falls x 6∈ L G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 257 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (3/6) Der Begriff Algorithmus wird in GTI präzisiert. Klar: Es gibt Mengen von PL-Formeln die nicht entscheidbar sind, denn es gibt • nur abzählbar viele Algorithmen, • aber überabzählbar viele Mengen von Formeln G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 258 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (4/6) Die Menge der PL-Formeln lässt sich wie folgt strukturieren: allgemeingültig erfüllbar aber nicht allgemeingültig unerfüllbar Wir betrachten jeweils das Entscheidungsproblem zu den folgenden Mengen von PL-Formeln: • • • • L1 L2 L3 L4 = = = = Menge Menge Menge Menge der der der der erfüllbaren Formeln unerfüllbaren Formeln allgemeingültigen Formeln (Tautologien) durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln Klar: L3 ⊆ L4 ⊆ L1 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 259 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (5/6) Zur Erinnerung: • • • • L1 L2 L3 L4 = = = = Menge Menge Menge Menge der der der der erfüllbaren Formeln unerfüllbaren Formeln allgemeingültigen Formeln (Tautologien) durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln Satz 13.13 (a) L2 , L3 , L4 sind semientscheidbar, aber nicht entscheidbar (b) L1 ist nicht semientscheidbar Zu beachten: Satz 13.13 gilt für Signaturen, die mindestens ein 2-stelliges Relations- oder Funktionssymbol enthalten. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 260 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Algorithmen Entscheidungsprobleme für die PL (6/6) Zur Erinnerung: • • • • L1 L2 L3 L4 = = = = Menge Menge Menge Menge der der der der erfüllbaren Formeln unerfüllbaren Formeln allgemeingültigen Formeln (Tautologien) durch endliche Modelle erfüllbaren Formeln Beweisidee zu Satz 13.13 • Dass L2 und L3 semientscheidbar sind, folgt aus dem Resolutionssatz • Die Semientscheidbarkeit von L4 folgt, da die endlichen Strukturen systematisch aufgezählt werden können bis ein endliches Modell gefunden ist • Die Unentscheidbarkeit von L2 , L3 , L4 folgt letztlich aus der Unentscheidbarkeit des Halteproblems für Turingmaschinen → siehe GTI G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 261 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 262 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle Außer dem Resolutionskalkül gibt es viele verschiedene Beweiskalküle für die Prädikatenlogik. Wir werfen einen Blick auf zwei solche Kalküle: • Hilbertkalkül: – Der Hilbert-Kalkül hat nur wenige Axiome und Regeln – Es ist aber ziemlich schwierig, Ableitungen für Formeln zu finden • Sequenzenkalkül: – Es gibt eine Vielzahl von Kalkülen aus der Familie der Sequenzenkalküle – Der hier betrachtete Sequenzenkalkül hat nur ein Axiom aber zehn Schlussregeln – Häufig ist es erheblich einfacher, einen Beweis im Sequenzenkalkül zu finden – Sequenzenkalküle werden häufig für automatische Beweise eingesetzt Die Anwendung dieser Kalküle ist kein Prüfungsstoff, aber wichtig für das Verständnis logischer Ableitungen. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 263 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (1/3) Definition 13.8 (Hilbertkalkül) • AX sei die Menge aller Formeln, die sich in einer der drei folgenden Formen schreiben lassen: (A1) [ϕ1 → (ϕ2 → ϕ3 )] → [(ϕ1 → ϕ2 ) → (ϕ1 → ϕ3 )] (A2) ϕ1 → (ϕ2 → ϕ1 ) (A3) (¬ϕ1 → ¬ϕ2 ) → (ϕ2 → ϕ1 ) • ψ ist Hilbert-beweisbar aus Φ (Φ `H ψ), falls es eine Folge ψ1 , . . . , ψn gibt mit: – ψn = ψ, und jedes ψi ist entweder ∗ aus AX, oder ∗ in Φ, oder ∗ entsteht durch Anwendung einer Schlussregel auf ψj , ψk mit j, k < i • Die Schlussregeln sind: – Modus ponens: G. Kern-Isberner (TU Dortmund) ψ ψ → ψ0 ψ0 Logik Generalisierung: WS 2014/15 ψ(c) ∀x ψ(x) 264 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (2/3) Obwohl der Hilbertkalkül zunächst sehr natürlich wirkt, ist es recht schwierig, mit ihm Beweise zu finden. Wir betrachten einen Beispielbeweis des aussagenlogischen Hilbertkalküls, der zeigt, dass ∅ `H ϕ → ϕ gilt, dass also ϕ → ϕ für jede Formel ϕ eine Tautologie ist. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 265 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Hilbertkalkül (3/3) AX (Whlg.): (A1) [ϕ1 → (ϕ2 → ϕ3 )] → [(ϕ1 → ϕ2 ) → (ϕ1 → ϕ3 )] (A2) ϕ1 → (ϕ2 → ϕ1 ) (A3) (¬ϕ1 → ¬ϕ2 ) → (ϕ2 → ϕ1 ) Beispiel: ϕ → ϕ ist Tautologie (1) [ϕ → ((ϕ → ϕ) → ϕ)] → [(ϕ → (ϕ → ϕ)) → (ϕ → ϕ)] (2) ϕ → ((ϕ → ϕ) → ϕ) (A1) (A2) (3) (ϕ → (ϕ → ϕ)) → (ϕ → ϕ) (MP aus (1) und (2)) (5) ϕ → ϕ (MP aus (3) und (4)) (4) ϕ → (ϕ → ϕ) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) (A2) Logik WS 2014/15 266 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (1/6) Der Sequenzenkalkül verwendet elementare Aussagen der Art Γ ⇒ ∆, wobei Γ und ∆ Mengen von Formeln sind. • Diese elementaren Aussagen heißen Sequenzen. • Mengenklammern werden dabei meistens weggelassen. Eine Aussage Γ ⇒ ∆ heißt gültig, falls jedes Modell von Γ auch Modell von mindestens einer Formel aus ∆ ist. Bemerkung: Es gibt viele Varianten des Sequenzenkalküls mit unterschiedlicher Notation. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 267 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (2/6) Auch der Sequenzenkalkül besteht aus Axiomen und Schlussregeln: • Axiome sind alle Sequenzen der Art Γ, ϕ ⇒ ∆, ϕ • Für jeden logischen Operator und Quantor gibt es jeweils zwei Schlussregeln: – eine für die linke Seite und eine für die rechte Seite einer Sequenz Es ist oft einfacher, Beweise im Sequenzenkalkül zu finden als im Hilbertkalkül. Außerdem lassen sich in vielen Fällen sogar Modelle (Gegenbeispiele) konstruieren. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 268 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (3/6) Definition 13.9 (Sequenzenkalkül: aussagenlogischer Teil) • Axiome: Γ, ϕ ⇒ ∆, ϕ • „Aussagenlogische“ Schlussregeln: Γ ⇒ ∆, ϕ Γ, ¬ϕ ⇒ ∆ Γ, ϕ ⇒ ∆ Γ ⇒ ∆, ¬ϕ Γ, ϕ ⇒ ∆ Γ, ψ ⇒ ∆ Γ, ϕ ∨ ψ ⇒ ∆ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) (¬ ⇒) (⇒ ¬) (∨ ⇒) Logik Γ ⇒ ∆, ϕ, ψ Γ ⇒ ∆, ϕ ∨ ψ Γ, ϕ, ψ ⇒ ∆ Γ, ϕ ∧ ψ ⇒ ∆ Γ ⇒ ∆, ϕ Γ ⇒ ∆, ψ Γ ⇒ ∆, ϕ ∧ ψ WS 2014/15 (⇒ ∨) (∧ ⇒) (⇒ ∧) 269 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (4/6) Definition 13.9 (Sequenzenkalkül: prädikatenlogischer Teil) • „Prädikatenlogische“ Schlussregeln: – Falls c nicht in Γ, ∆ oder ϕ vorkommt: ∗ ∗ Γ, ϕ[x/c] ⇒ ∆ Γ, ∃x ϕ(x) ⇒ ∆ (∃ ⇒) Γ ⇒ ∆, ϕ(c) Γ ⇒ ∆, ∀x ϕ(x) (⇒ ∀) Γ ⇒ ∆, ϕ[x/t] Γ ⇒ ∆, ∃x ϕ(x) (⇒ ∃) – Falls x die einzige freie Variable von ϕ ist und t ein Grundterm ist: ∗ ∗ Γ, ϕ[x/t] ⇒ ∆ Γ, ∀x ϕ(x) ⇒ ∆ (∀ ⇒) Dies ist der Sequenzenkalkül für die Prädikatenlogik ohne Gleichheit. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 270 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (5/6) Um eine Sequenz Γ ⇒ ∆ zu beweisen, wird versucht, ausgehend von Γ ⇒ ∆ durch Rückwärtsanwendung von Schlussregeln zu einem (oder bei Verzweigung mehreren) Axiomen zu gelangen. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 271 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Hilbert- und Sequenzenkalkül Andere Beweiskalküle: Sequenzenkalkül (6/6) Beispiel Wir betrachten einen Beweis der Aussage ∃x ∀y R(x, y) |= ∀y ∃x R(x, y): ∃x ∀y R(x, y) ⇒ ∀y ∃x R(x, y) ∀y R(c, y) ⇒ ∀y ∃x R(x, y) ∀y R(c, y) ⇒ ∃x R(x, d) R(c, d) ⇒ ∃x R(x, d) R(c, d) ⇒ R(c, d) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik (∃ ⇒) Γ, ϕ[x/c] ⇒ ∆ Γ, ∃x ϕ(x) ⇒ ∆ (⇒ ∀) Γ ⇒ ∆, ϕ(c) Γ ⇒ ∆, ∀x ϕ(x) (∀ ⇒) Γ, ϕ[x/t] ⇒ ∆ Γ, ∀x ϕ(x) ⇒ ∆ (⇒ ∃) Γ ⇒ ∆, ϕ[x/t] Γ ⇒ ∆, ∃x ϕ(x) WS 2014/15 272 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Inhalt Kapitel 13 13.1 Beweis des PL-Resolutionssatzes 13.2 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 13.3 Hilberts Programm 13.4 Algorithmen 13.5 Hilbert- und Sequenzenkalkül 13.6 Vergleich der betrachteten Logiken G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 273 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Prädikatenlogik vs. Aussagenlogik Vieles ist ähnlich in Aussagenlogik und Prädikatenlogik. Aber offensichtlich ist die Prädikatenlogik mächtiger. Wie ist denn nun das genaue Verhältnis zwischen den beiden? • Aussagenlogik kann als Prädikatenlogik auf Strukturen aufgefasst werden, die ausschließlich 0-stellige Prädikate haben: Aussagenvariablen ≡ Prädikate Vorsicht: Manches, das ähnlich heißt, hat unterschiedliche Bedeutung! • Aussagenlogische Variablen entsprechen nicht prädikatenlogischen Variablen • Aussagenlogische und prädikatenlogische Substitutionen entsprechen sich ebenfalls nicht (und die Notation ist unterschiedlich) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 274 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Prädikatenlogik vs. Modallogik (1/2) Gemäß Definition ist die Modallogik eine Erweiterung der Aussagenlogik. Statt nur über eine Welt kann sie über verschiedene Welten sprechen. Wie verhält sich die Modallogik zur Prädikatenlogik? Zur Beantwortung dieser Frage definieren wir für jede Kripkestruktur K = (V, E, P ) eine mathematische Struktur K0 mit • Universum V • der 2-stelligen Relation E und • einer 1-stelligen Relation PX für jede AL-Variable X, die in einer Menge P (s) mit s ∈ V vorkommt Satz 13.14 Zu jeder ML-Formel ϕ gibt es eine PL-Formel ϕ0 (x) mit nur zwei Variablen x, y, so dass für jede Kripkestruktur K und jede Welt s von K gilt: K, s |= ϕ ⇔ (K0 , x 7→ s) |= ϕ0 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 275 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Prädikatenlogik vs. Modallogik (2/2) Die Formel 3A lässt sich beispielsweise übersetzen in: ϕ0 (x) ≡ ∃y [E(x, y) ∧ (∀x (E(y, x) → PA (x)))] Beweisskizze • ML-Formeln lassen sich induktiv wie folgt übersetzen: – – – – A durch PA (x) ¬χ durch ¬χ0 χ ∧ ψ durch χ0 ∧ ψ 0 3χ durch ∃y [(E(x, y) ∧ χ0 [x y])] • Hierbei bezeichnet χ0 [x y] die Formel, die aus χ0 durch Vertauschen aller Vorkommen von x und y entsteht – ∀x ∃y E(x, y)[x y] ist beispielsweise ∀y ∃x E(y, x) • Dass die Konstruktion korrekt ist, lässt sich durch Induktion nach dem Aufbau von ϕ beweisen G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 276 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Zusammenfassung Sie sollten die folgenden Themen und Techniken kennen und beherrschen: • Gute Nachrichten: – Φ |= ψ und Φ ` ψ sind äquivalente Aussagen, jede Folgerung lässt sich also beweisen – Um die Unerfüllbarkeit einer Formelmenge zu erkennen, genügt es, ihre endlichen Teilmengen zu betrachten – Diese Aussagen gelten auch für die Prädikatenlogik mit Gleichheit – Es gibt eine Vielzahl weiterer Kalküle, die Φ ` ψ äquivalent definieren – PL-Formeln können auf endlichen Strukturen algorithmisch ausgewertet werden G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 277 / 278 PL – Weitere Ergebnisse Vergleich der betrachteten Logiken Zusammenfassung (Forts.) • Schlechte Nachrichten: – Fragen hinsichtlich der Erfüllbarkeit oder Gültigkeit von PL-Formeln sind algorithmisch nicht allgemein lösbar – Die Gödelschen Unvollständigkeitssätze geben weitere Grenzen der formalen Methode an • Literaturempfehlung: – D.W. Hoffmann. Grenzen der Mathematik: eine Reise durch die Kerngebiete der Mathematischen Logik. Spektrum-Akademischer Vlg, 2011 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 278 / 278