Folie 1 - faskinder

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Folie 1
Frontalhirnsyndrom
Oder
Exekutivstörung
Die Summe der Erkenntnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen sowie klinischen
Befunden lassen daraufschließen, daß der frontale Cortex eine Leitungs- und teuerfunktion
hat, die für das Planen, Ausführen und Kon-trollieren von Handlungen wesentlich ist
("executive func- tion", Stuss u. Benson, 1986). Die Funktionen des Stirnhirnsbetreffen die
Aufnahme und Verarbeitung von sensorischen Informationen für Wahrnehmung,
Denken,Sprache, moto-rische Operationen, Aktivitäts-, Bewegungs- und Handlungssteuerung, Willkürbewegungen und -handlungen, Bewußt-sein, mnestische und höhere
intellektuelle Prozesse sowie emotionell-affektive Aspekte des Verhaltens (Luria,
1970).Darüberhin-aus gibt es zahlreiche Hinweise darauf, daß bei chronisch
lkoholabhängigen neben diffusen und verschiedenen spe-zifischen hirnorganischen
Veränderungen die Frontalhirn- region in besonderem Maße beeinträchtigt ist. Forscher
nehmen eine neurologische Pathologie frontaler Hirnregionen bei chronisch
Alkoholabhängigen
an. Abhängige mit alkoholbedingtem amnestischen Syn- drom zeigen in verschiedenen
neuropsychologischen Dia-gnoseverfahren die gleichen Schädigungsmuster wie Patien-ten
mit frontalen Hirnschädigungen.
Frontalhirnsyndrom,
Das Frontalhirn oder Stirnhirn ist zuständig für die exekutiven Funktionen und das
Arbeitsgedächtnis. Es steuert damit auch unseren Antrieb und unsere Handlungsmotivation
und unsere moralische und soziale Kompetenz. Es gibt verschiedene reine und gemischte
Formen (außer bei primär temporalen und parietalen Verläufen) des Frontalhirnsyndroms.
Konvexitätstyp: Antriebsarmut bis Apathie (z.T. "Pseudodepression"), Sprachverarmung bis
Mutismus, Echolalie/Palilalie, Defizite von Denk-Flüssigkeit, Konzentration, Denk- und
Urteilsvermögen. Wenn große Teile des linken und rechten Frontalhirns geschädigt sind
kann es zum akinetischen Mutismus kommen. Es fehlt dann jeder Antrieb zu eigenem
Handeln, die Betroffenen handeln ausschließlich auf Kommando - wie Roboter. Basaltyp:
Wesensänderung mit Disinhibition, Unruhe, Hyperoralität, mangelnder Hygiene,
emotionaler Labilität (z.B. Euphorie, Dysphorie, Angst, Indifferenz), Zwangshandlungen,
Bewegungsstereotypien. Patienten mit Frontalläsionen zeigen generelle Verschlechterung
in komplexen Aufgaben, nicht jedoch in Routine-Tätigkeiten. Dieselben frontalen Regionen
scheinen jedoch keinen Einfluss auf reine Behaltensprozesse zu haben, da die Patienten
zumeist normale Kurzzeitgedächtnisspannen haben.
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Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund
einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des
Gehirns (F07)
Definition
 Das Krankheitsbild umfasst psychische Krankheiten
mit nachweisbarer Ätiologie in einer zerebralen
Krankheit, einer Hirnverletzung oder einer anderen
Schädigung, die zu einer Hirnfunktionsstörung führt.
Die Funktionsstörung kann primär sein, bei
Krankheiten, Verletzungen oder Störungen, die das
Hirn direkt oder in besonderem Maße betreffen; oder
sekundär, z.B. bei Systemerkrankungen oder
Störungen, die auf das Gehirn nur als eines von
vielen anderen Organen oder Körpersystemen
übergreifen.
Frontalhirnsyndrom und seine Auswirkungen
Kaum eine Struktur des Gehirns kann bei einer Läsion eine solche Bandbreite an
verschiedenen, widersprüchlichen und paradoxen Symptomen und Interpretationen darüber
pro- duzieren wie die Frontallappen
Walsh
(1978) unterteilt die Auswirkungen des Frontalhirnsyn-droms in zwei Hauptgruppen:
Persönlichkeits- veränderun-gen und kognitive Veränderungen. Folie 3
Persönlichkeitsstörungen

Verlust von Initiative, Spontaneität und
Antrieb - äußert sich in




Gleichgültigkeit, Apathie, Lethargie, Verlangsmung
und Trägheit
Hyperaktivität, motorische Unruhe, Euphorie,
Impulsivität, albernes, kindisches Verhalten
Unangepaßtes Sozialverhalten, Takt- und
distanzlos
Unangepaßtes sexuelles Verhalten
Persönlichkeitsänderungen
Für Jantzen u. Jüttner (1981) ist das Frontalhirnsyndromdie "schwerste neuropsychologisch
denkbare Persönlich-keitsstörung", die sich in einem vielfältigen Bild von Persön-lichkeitsund Wesensänderungen sowie Veränderungendes Sozialverhaltens manifestiert. Häufig
zeigt sich ein Ver-lust von Initiative, Spontaneität und Antrieb, der sich inGleichgültigkeit,
Apathie, Lethargie, Verlangsamung undTrägheit äußert. Andererseits kann die
Beeinträchtigungder Steuerungs- und Kontrollinstanzen aber auch zu Hy-peraktivität,
motorischer Unruhe, Euphorie, Impulsivität,albernem, kindischem, läppischem Verhalten
und "Witzel-sucht" führen. Das Sozialverhalten wirkt unangepaßt, sozia-le Normen und
Konventionen werden nicht beachtet, Be-troffene wirken oft takt- und distanzlos
(Prosiegel, 1988;Beaumont, 1983). Die Beeinträchtigung kan sich auch insexuell deviantem
Verhalten zeigen, das sich, in Folge desVerlustes sozialer Hemmungen, etwa in
exhibitionistischenHandlungen oder öffentlicher Masturbation äußert. Blumeru. Benson
(1975) bringen eine gewisse Systematik in dieumfangreiche Liste der möglichen
Frontalsymptome, indemDie pseudopsychopathische Ausprägung (Plusvariante) istdurch
eine Störung der Impulskontrolle, distanzlos-antiso-ziales und kindlich-kindisches
Verhalten, motorische Unru-he, ungerichtetes Handeln und Verlust "sozialer Intelligenz"
gekennzeichnet. Die Störung bietet das Bild einer psycho-pathischen oder soziopathischen
Persönlichkeit.Die pseudodepressive Ausprägung (Minusvariante) desFrontalhirnsyndroms
imponiert durch Antriebslosigkeit,mangelnde Eigeninitiative, ineffektive und nachlässige
Ar-beitshaltung, affektive Indifferenz, schwerfälliges Denkenund eine reduzierte
Psychomotorik. Sie ähnelt depressivenZustandsbildern. Stuss u. Benson (1986) gehen davon
aus,daß prämorbide Persönlichkeitsmerkmale bei der Akzen-tuierung des Syndroms eine
wesentliche Rolle spielen.
Folie 4
Kognitive Leistungen


Unvermögen, Umweltreize zur
Verhaltensmodifikation zu benutzen, d.h.
etwa aus Fehlern zu lernen.
Sie „kleben“ hartnäckig an einer einmal
gewählten Strategie, auch wenn sich diese
eindeutig als falsch oder ineffektiv erweist.
)Messbar mit dem Wisconsin-Card-SortingTest (WCST) oder dem „STROOP“-Test
Kognitive LeistungenUmweltunabhängigkeit versus -abhängigkeitDas häufigste kognitive
Symptom nach Frontalhirnschädi-gung ist das Unvermögen, Umweltreize zur Verhaltensmodifikation zu benutzen, d. h. etwa aus Fehlern zu lernen oder beispielsweise in einer
Testsituation aufgrund von Rückmeldungen einen Wechsel der Antwortstrategie oder
des Lösungsverhaltens vorzunehmen. Frontalhirnbeein- trächtigte neigen zur
Perseveration: Sie "kleben" oder "haf- ten" hartnäckig an einer einmal ge ählten Strategie,
auch wenn sich diese eindeutig als falsch oder ineffektiv erweist.Messen kann man
perseveratives Verhalten mit dem Wis-consin-Card-Sorting-Test (WCST) oder dem "Stroop"Test.
Lernen
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Kognitive Leistungen

Assoziatives Lernen, Lernen einer
differentiellen Reaktion ist schon bei nur
zwei (!) unterschiedlichen Reizen
beeinträchtigt.
Das assoziative Lernen (etwa Lernen von Wortpaaren, Ge-sichter-Namen-Assoziation) und
das Lernen einer differentiel-len Reaktion ist schon bei nur zwei (!) unterschiedlichen Reizen beeinträchtigt (Luria u. Homskaya 1964; Petrides 1982).
Folie 6
Arbeitsgedächtnis

Leistungsbeeinträchtigung des
Kurzzeitspeichers


Probleme bei der Erinnerung der
Darbietungsreihenfolge von Reizen
Die Zeitgestalt wird nicht erfaßt
Defizite des Arbeitsgedächtnisses
Frontalhirnpatienten zeigen Leistungsbeeinträchtigungen des Kurzzeitspeichers: Der
Frontallappen braucht für seine Aufgabe der zeitlichen Integration des Verhaltens eine Aufzeichnungsmöglichkeit für gerade beendete Geschehensab-läufe. Genau das ist bei
frontalen Dysfunktionen nicht gege-ben: Zwar können Einzelelemente wiedererkannt
werden,jedoch versagt der Proband in der Erinnerung der Darbie-tungsreihenfolge von
Reizen. Die Zeitgestalt wird nicht er-faßt. Außerdem haben Patienten Schwierigkeiten bei
Ver-zögerten-Antwort-Aufgaben (delayed-response), weil der kritische Reiz nicht mehr
zeitlich zugeordnet werden kann.
Folie 7
Schätzleistungen


Ab einer Rate von mehr als fünf
Wiederholungen entstehen starke
Defizite.
Strategisches Verhalten

Probleme bei der Antwortabfolge und
Aufrechterhaltung einer einmal gewählten
Strategie
Schätzleistungen
Bei der Schätzung der Auftrittshäufigkeit eines Reizes in-nerhalb einer Stimulusserie zeigen
Frontalhirnpatienten ab einer Rate des kritischen Reizes von mehr als fünf Wiederholungen starke materialspezifische Defizite (linksfrontal eher sprachbezogen,
rechtsfrontal eher räumlich-visuell).
Strategisches Verhalten
Bei der Organisation einer Antwortabfolge und der Auf-rechterhaltung einer einmal
gewählten Strategie (Aufstel-lung und Durchführung eines Gesamtplanes) haben Frontalhirnpatienten Probleme: In einem Experiment von Petrides u. Milner (1982) hatten die
Probanden entweder keine Strategie entwickelt (Angabe durch Selbstprotokoll),
oder aber die gewählte Strategie war ungeeignet oder in- konsistent angewendet worden.
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Intelligenz



Fehlende Wortflüssigkeit
Drastischer Leistungseinbruch bei
divergentem Denken (z.B. multiplechoice-Intelligenzmessungen)
Kaum Beeinträchtigungen bei
konvergentem Denken (nur eine
richtige Antwort auf eine Frage)
Intelligenz
Milner (1964) und Ramier u. Hecaen (1970) fanden unter- durchschnittliche Leistungen in
der Wortflüssigkeit (vermin- derte Spontansprache) und in der Produktion abstrakter Formen. Bei Aufgaben, die divergentes Denken (es sind mehrere, unterschiedliche Antworten
auf eine Frage möglich) erfor-dern, etwa Mehrfachwahlaufgaben und multiple-choiceIntelligenzmessungen, ist nach Zangwill (1966) ein drasti-scher Leistungseinbruch zu
erwarten. Bei traditionellen In-telligenztests, die eher konvergentes Denken (nur eine
richtige Antwort auf eine Frage) erfordern, finden sich demgegenüber kaum
Beeinträchtigungen.
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Sprache

Stereotype Sätze



(Berge sind sehr hoch.)
Konfabulationen
Einfache und unvollständige Sätze
Sprache
Kaczmarek (1984;1987) fand bei spontanen Erzählungen Frontalhirngeschädigter oft
stereotype Sätze (z.B. "Berge sind sehr hoch"); Konfabulationen sind ein ebenso häufiger
Fehlertyp. Außerdem verwenden Frontalhirnpatienten häufiger einfache und
unvollständige Sätze und perseverie- ren den ersten Satz einer Nacherzählung.
Konfabulation oder konfabulieren ist eine Variation der Unwahrheit ohne bewußte Absicht
mit fester und anhaltender Überzeugung, daß keine Erinnerungslücken vorliegen und die
Geschichte (fabula) so stimmt, während sie tatsächlich nachträglich "hinzugedichtet"
wurde, um die Erinnerungslücke zu schließen.
Während ein Symptomträger der Pseudologia phantastica nur im "Augenblick" der Erzählung
von der Wahrheit und Richtigkeit überzeugt ist, bleibt der Konfabulierende bei seiner
Geschichte. Konfabulationen dürfte es vielfach auch bei Gesunden geben. Besondere
Aufmerksamkeit hat sie bei organisch bedingten (Abbau) Prozessen bekommen, z.B. beim
amnestischen Korsakow-Syndrom.
Eine besondere Rolle spielen Konfabulationen auch im Bereich der forensischen Psychologie
und Psychopathologie, besonders bei der Psychologie der Aussage oder der
Aussagepsychologie, was dort zu der auch 2004 noch anhaltenden Kontroverse um das sog.
False-Memory-Syndrom führte
Korsakow-Syndrom
Bei dauerhaftem Alkoholismus kommt es zum Absterben ganzer Hirnregionen.
Charakteristisch sind drei Symptome: (1) Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Betroffene
Patienten können sich keine neuen Informationen mehr merken, sie vergessen alles.
Hingegen ist das Altgedächtnis weniger stark betroffen. (2) Desorientiertheit und (3)
Konfabulation: Verloren gegangene Erinnerungen werden durch frei assoziierte und
erfundene sprachliche Produktionen ersetzt.
Folie 10
Schemata und Scripte

Probleme bei „Nicht-Routine-Handlungen“

Inadäquate Spontanhandlungen, die weder inhaltlich noch zeitlich angemessen sind.

















Impulsives, vorschnelles Handeln
Eingeschränkte Produktion von (Teil-) Lösungen
• kein zielgerichtetes Handeln
• unzureichende Extraktion der relevanten Informationen
• Extraktion der relevanten Merkmale / Teilpläne ohne
nachfolgende Handlungskonsequenzen
• "Haften" an (irrelevanten) Details
• mangelhafte Umstellungsfähigkeit bzw. Perseveration vorausgegangener Handlungsschritte
• "Rationalisierungen" beim Auftreten von Schwierigkeiten
mit der Testdurchführung
• mangelhaftes Lernen aus Fehlern
• mangelhafte Entwicklung von Alternativplänen
• Regelverstöße
• mangelhafte Koordination von Teilplänen
• zunehmende Ungenauigkeit der Planung im Testverlauf
• Einsatz von planungsirrelevanten Routinehandlungen
Schemata und Skripte
Nach Shallice (1982) und Grafman (1989) sind bei Frontal-hirnschädigung Wissenseinheiten
betroffen, die Nicht-Rou-tine-Handlungen betreffen. Dadurch kommt es zu inadä-quaten
Spontanhandlungen, die weder inhaltlich noch zeitlich angemessen sind.
Von Cramon (1988) gibt eine Zusammenstellung typischer kognitiver "Fehler" von Patienten
mit frontalen Hirnschädi-gungen bei neuropsychologischen Untersuchungen:
• impulsives, vorschnelles Handeln
• eingeschränkte Produktion von (Teil-) Lösungen
• kein zielgerichtetes Handeln
• unzureichende Extraktion der relevanten Informationen
• Extraktion der relevanten Merkmale / Teilpläne ohne
nachfolgende Handlungskonsequenzen
• "Haften" an (irrelevanten) Details
• mangelhafte Umstellungsfähigkeit bzw. Perseveration vorausgegangener Handlungsschritte
• "Rationalisierungen" beim Auftreten von Schwierigkeiten
mit der Testdurchführung
• mangelhaftes Lernen aus Fehlern
• mangelhafte Entwicklung von Alternativplänen
• Regelverstöße
• mangelhafte Koordination von Teilplänen
• zunehmende Ungenauigkeit der Planung im Testverlauf
• Einsatz von planungsirrelevanten Routinehandlungen
Diese Art von für Patienten mit Frontallappenschädigung typischen Fehlern lassen nach
Milner (1963) auf eine Störung des abstrakten und problemlösenden Denkens, fehlende
Planung, unzulängliche Strategiebildung, mangeln-de Flexibilität und Rigidität schließen,
ohne daß daraus notwendigerweise reduzierte Leistungen bei konventionel- len
Intelligenztests (Kolb u. Whishaw, 1993) resultieren.
Folie 11
Planen und Problemlösen


Aus Vergangenem lernen und für die
Zukunft antizipieren.
Anpassungen an wechselnde
Umweltbedingungen steuern und
obtimierung.
Planen und Problemlösen
Um seine Existenz meistern zu können, ist die Fähigkeit zum Planen und Problemlösen für
den Menschen als "instinktre- duziertes Wesen" (Gehlen,1974) zu einer überlebenswichtigen Notwendigkeit geworden. Seine Anpassungsmechanis - men an die Umwelt sind nicht
mehr bloße automatische Reiz-Reaktions-Kopplungen (wie im Tierreich), sondern
durch "Geist" oder "Intellekt" gekennzeichnet, die den Menschen erst zu einem homo
sapiens machen. Als solcher ist er aktiv in der Lage, aus Vergangenem zu lernen und
Zukünftiges zu antizipieren. Er kann selbständig die Anpas-sung an wechselnde
Umweltbedingungen steuern und opti-mieren. Er ist frei zu wählen. Ein alltägliches
Beispiel:
Was denken Sie etwa, wenn Sie feststellen, daß Ihr Kühl- schrank leerer geworden ist?
Vermutlich, daß Sie einkaufengehen sollten. Sie stellen eine Liste auf, was fehlt und was
Sie benötigen, nehmen Ihren Einkaufskorb, Ihr Portemon-naie und gehen los. Über das
weitere Vorgehen machen Sie sich wahrscheinlich keine großartigen Gedanken: Sie haben
schon häufig eingekauft und derartig alltägliche Dinge wie Lebensmittel - das können Sie
im Schlaf. Tatsächlich sind Sie, auch wenn es Ihnen nicht bewußt ist, auf "höhere"
kognitive Funktionen angewiesen: Sie müssen den Einkauf planen. Da Sie schon sehr oft
einkauft haben, verfügen Sie über ein Muster oder besser ein Skript zu die- ser Tätigkeit in
ihrem Gedächtnis. Sie wissen, wie Sie vor- gehen und müssen nicht - wie es Vaterrodt
(1992) z. B.
beim Kauf einer Hose darstellt - den gesamten Vorgang in 31 Einzelschritte zerlegen. Aber
auch wenn es hier um ei- ne alltägliche Handlung geht, die Sie nach einem bestimm- ten
Skript (jedesmal) durchführen, müssen Sie bei der ge- ringsten Abweichung Ihren viel
globaleren Plan vom "Einkauf als solchem" in Ihr Gedächtnis rufen. Sie vollziehen nicht nur
Ihr Skript, das prinzipiell keine höheren kogniti- ven Funktionen benötigt, sondern Sie
handeln zielbewußt:
Einkaufen ist kein Selbstzweck. Um Ihr Ziel zu erreichen -den Kühlschrank zu füllen müssen Sie planen. Ein Plan darf aber nicht nur diesen einen Aspekt berücksichtigen, er
muß auch Eventualitäten einbauen können. Es könnte etwa zufällig ein Nachbar am
gleichen Regal vorbeikommen, Sie in ein Gespräch verwickeln und vom Einkaufen
ablenken. Das zeigt sowohl die Dynamik eines Plans, als auch die so- ziale Komponente.
Das Beispiel Einkauf läßt sich auf weite- re Determinanten eines Plans ausbauen: u. a. auf
die Moti- vstruktur (Kaufen Sie mehr und/oder schneller ein, wenn Sie Hunger haben?), die
Emotionen (Fühlen Sie sich nach ei- nem Lächeln der gutaussehenden Obstverkäuferin oder
ih-res männlichen Kollegen beschwingter und ausgabefreudi- ger?) und auf die Motivation
(Gehen Sie gerne samstags vormittags einkaufen, wenn die Schlange an der Kasse be-
sonders lang ist?).
So anschaulich ein Einkauf auch für alltägliche Handlungen sein mag, wir planen durchaus
auch Dinge von größerem Umfang: Wir planen z.B. einen Umzug, eine Hochzeit, die
berufliche Laufbahn usw. Das heißt, die Bandbreite des Planens reicht von "Daseinsthemen"
(Thomae 1968), über aktuelle Anlie- gen ("Current Concerns" gemäß Klinger, 1981, 1987)
bis zu den "Scripts" (vgl. Schank u. Abelson, 1977), den "Drehbü- chern" für alltägliche
Handlungen.Planen wird, wie bereits dargestellt, als eine Funktion des Frontalhirns
angesehen und dieses kann nach langjährigem Alkoholabusus stark geschädigt sein. Planen
Alkoholiker al- so schlechter? Stehen ihnen weniger Skripte zur Verfü- gung? Und, wenn
dem so ist, wäre dann ein Training hilf-reich?
Folie 12
Ist Planen trainierbar?
Ist Planen und Problemlösen bei chronisch Alkoholabhängigen trainierbar ?
In einer Studie an einer Klientenstichprobe von 29 Männern und 12 Frauen des soziotherapeutischen Heimes
Haus Eller und des Therapiezentrums für psychosoziale Rehabilitation (TPR) Köln wurde untersucht.
• die Planungs- und Problemlösekompetenz chronisch Alkoholabhängiger und
• die Frage, ob diese, durch Alkoholmißbrauch beeinträchtigten kognitiven Funktionen durch gezielte therapeutische Interventionen verbessert werden können,
Eingesetzt wurden drei verschiedene intelligenzdiagnosti-
sche Verfahren sowie der Syndromkurztest. Neben einem
klassischen Frontalhirntest wurden zwei weitere Planungstests durchgeführt, von denen der eine das abstrakte Planungsvermögen messen sollte während der andere sich
ganz konkret auf Alltagssituationen bezieht, die dem realen Lebenskontext der Klienten entsprechen. Die Klienten
waren zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits seit mehreren Monaten abstinent. Von den 41 ausgewählten Probanden erhielten 21 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte
Klienten ein vierwöchiges Training. Die Kontrollgruppe
blieb ohne Training. Um die möglichen Effekte des Training
überprüfen zu können, wurde eine abschließende Erhebung mit allen 41 Klienten durchgeführt.
Verwendete Testverfahren
Intelligenztests
Da chronisch Alkoholabhängige im Hinblick auf Intelligenzleistungen in der Regel ein asymmetrisches Bild zeigen,
wurden drei Intelligenztests verwendet:
Der WIP (Reduzierter Wechsler-Intelligenztest) ist eine
verkürzte Fassung des Hamburg Wechsler Intelligenz
Tests (HAWIE). Der auch auf die aktuelle und allgemeine
Intelligenz ausgerichtete WIP (Dahl, 1986) besteht aus einem Subtest "Allgemeinen Wissen", der Bildungseinflüssen
unterliegt, desweiteren zwei räumlich-visuellen Tests sowie
einem weiteren, der organisatorische und synthetische
Fähigkeiten überprüft. Im WIP findet sich ein Verbal- und
ein Handlungsteil. Besteht zwischen diesen Teilen eine
deutliche Diskrepanz, so kann dies als vorsichtiger Hinweis
auf das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms
interpretiert werden.
Der MWT-B (Mehrfachwahl-Wortschatz-Test), entwickelt
von Lehrl u.a. (1971) ist ein rein sprachlicher Intelligenztest. Da sprachliche Fähigkeiten bei Alkoholabhängigen relativ resistent gegenüber hirnorganischen Veränderungen
sind, wird der MWT-B häufig auch zur Bestimmung der prämorbiden Intelligenz verwendet.
Ravenís SPM (Standard Progressive Matrizen) gelten als
sprach-, bildungs- und kulturunabhängiges Diagnoseinstrument zur Erfassung des generellen intellektuellen Leistungsniveaus. Sie haben jedoch den Nachteil, daß sie neben Arbeitsgedächtnis und Problemlösekompetenzen sehr stark
das räumlich-visuelle Vorstellungsvermögen ansprechen, die
bei Alkoholabhängigen oft in stärkerem Umfang beeinträchtigt sind als etwa sprachliche. Insofern sind Alkoholabhängige bei der Anwendung dieses Verfahrens "benachteiligt"
Screening Test für hirnorganische Veränderungen
Der SKT (Syndromkurztest) von Erzigkeit (1977, 1986)
ist als schnelle Diagnosehilfe bei Durchgangssyndromen gedacht, um innerhalb von ca. zehn Minuten den Schweregrad des Krankheitsbildes bestimmen zu können. Das Verfahren eignet sich insbesondere für Verlaufsuntersuchung
und zur Kontrolle hirnorganischer Psychosyndrome und
dementieller Erkrankungen.
Planungstests
Der Wisconsin-Card-Sorting-Test (WCST) wurde ursprünglich (Berg, 1948) als Test zur Erfassung des abstrakten Denkens und der Flexibilität des Denkprozesses bei
hirngesunden Erwachsenen konzipiert. Er findet heute
weltweiten Einsatz in der Entwicklungspsychologie, in der
klinischen Neuropsychologie und Psychiatrie. Der WCST
gilt als besonders sensitives Verfahren zur Diagnose von
Stirnhirnfunktionen. In unserer Untersuchung wurde die
Computerversion eingesetzt.
Der Turm von Hanoi (TvH) erfaßt komplexe Planungsprozesse, bei der verschiedene mögliche Handlungsoptionen
erkannt und auf Brauchbarkeit hinsichtlich zu erreichender
Zwischenziele und eines anzustrebenden Zielzustandes
überprüft werden müssen. Hier wurde ebenfalls die Computerversion verwendet.
Der Skript-Monitoring-Test (SMT) von Funke und Grube-Unglaub (1992) ist ein videogestütztes Verfahren zur Erfassung
der drei planerischen Teilleistungen "Planüberwachung",
"Fehlerdiagnostik" und "Abfolgen erkennen". Der Vorteil
gegenüber anderen planungsdiagnostischen Verfahren ist
seine Alltagsorientierung und Alltagsnähe. Wesentliche
und zentrale Elemente des SMT sind die sog. "Skripts", kognitive Repräsentationen, "Drehbücher" oder Aktionspläne für Situationen wie Einkaufen, Restaurantbesuche, Kaffeekochen oder Sex, die bei gesunden Personen
quasi-automatisch ablaufen. Die Aufgabe der Probanden
besteht darin, einzelnen filmische Sequenzen, etwa der Alltagshandlung "Kaffeekochen", in denen der Protagonist fehlerhafte oder fehlerfreie Handlungen durchführt, innerhalb
der drei genannten Dimensionen zu beurteilen. Der Proband soll dem Versuchsleiter anzeigen, wenn ihm ein Fehler im Handlungsablauf auffällt (Planüberwachung), im Anschluß an die Darbietung ein Urteil darüber abzugeben, ob
die dargestellte Handlung korrekt oder fehlerhaft war
(Fehlerdiagnostik) und die Einschätzung darüber, wie es im
Anschluß an die zuletzt dargebotene Szene weitergehen
könnte (Abfolgen erkennen). Dieses Verfahren bildete das
Kernstück der Untersuchung, weil er sowohl zu diagnostischen, als auch zu Trainingszwecken eingesetzt wurde.
Durchführung der Untersuchung
Zunächst wurde bei allen Probanden die Basiserhebung mit
den genannten diagnostischen Verfahren durchgeführt, die
den aktuellen Leistungsstand der 41 VPn feststellen sollte.
Sodann erfolgte mit einem Teil der Versuchspersonen (21
VP als Experimentalgruppe) ein vierwöchiges Training. In
einer anschließenden, dem Vortest vergleichbaren Testserie wurde überprüft, ob sich signifikante Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe zeigen. Dies würde bedeuten, daß evtl. bestehende Defizite im
Planungsverhalten Alkoholabhängiger durch gezieltes Training gemildert werden könnten. In diesem Falle könnten
Klienten in Teilbereichen verlorengegangene Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Autonomie wiedererwerben.
Erste Ergebnisse
Es wurden 29 Männer und 12 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 46.05 Jahren untersucht.
Intelligenztests
Die Klienten verfügten bei der Untersuchung mit dem WIP
über einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten. Der
durchschnittliche WIP-IQ Wert betrug 96.79, es zeigten
sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Nur in wenigen Fällen zeigte sich
eine Minder- bzw. Hochbegabung (79-129). Der Mittelwert des rein sprachlichen MWT-B lag mit 103.48 erwartungsgemäß höher als der WIP-Wert. Auch hier zeigten
sich keine Unterschiede in den Gruppen. Da der RavenTest räumlich-visuelle Leistungen voraussetzt, schnitten die
Probanden hier erwartungsgemäß schlechter ab als im
MWT-B und im WIP. Die transformierten IQ-Werte ergaben ein Mittel von 92.55.
Frontalhirntests
Im Wisconsin-Card-Sorting-Test zeigten sich nach den von
Canavan et al. (1989) formulierten Kriterien bei etwa einem Drittel der Klienten Hinweise auf das Vorliegen einer
Frontalhirnbeeinträchtigung. Den meisten gelang es nicht,
ein einmal gewähltes Antwortverhalten aufzugeben, Kategorien zu wechseln und Fehlerrückmeldungen für ihr weiteres Verhalten zu nutzen.
Syndrom-Kurztest
Im SKT zeigten sich besonders im unmittelbaren Reproduzieren schwache Leistungen, die oft kaum 50% der Items
der Stimulusserie erreichten; das mittelbare Reproduzieren war nur wenig besser, die Wiedererkennensleistung
erwartungsgemäß höher als die Reproduktionsleistung. In
der Subskala "Interferenz" waren die Leistungen besonders
schlecht, was den Erwartungen entspricht, da Alkoholabhängige als besonders interferenzanfällig gelten. Der SKTMittelwert betrug 9.525, was nach den Klassifikationskriterien von Erzigkeit (1986) einem leichten hirnorganischem
Psychosyndrom entspricht. Lediglich bei 5 Patienten
(12,2%) kann nach diesen Kriterien ein hirnorganisches
Psychosyndrom ausgeschlossen werden, 5 (12,2%) weisen
ein fragliches oder leichtes, 13 (31,7%) ein leichtes, 16
(39,0%) ein mittelschweres und 2 (4,9%) ein schweres
hirnorganisches Psychosyndrom auf.
Planungstests
Die Probanden erreichten im Turm von Hanoi Test einen
Wert von durchschnittlich 37,6 Damit liegen sie nach den von
Matthes (1988) und von Cramon & Matthes-von Cramon
(1993) vorgeschlagenen Auswertungskriterien im Grenzbereich zwischen guten und schlechten "Problemlösern".
Im Unterschied zu der Studie von Matthes hatten die Patienten in unserer Untersuchung jedoch die Gelegenheit,
fünf zusätzliche Übungsdurchgänge mit geringeren Anforderungen vor dem eigentlichen Test zu machen. In einem
Pilottest hatte sich gezeigt, daß Probanden ohne Übung
mit der leichteren Version kaum in der Lage waren, den
Test durchzuführen. Insofern waren die Probanden in der
vorliegenden Untersuchung zusätzlich "begünstigt".
Skript-Monitoring-Test (SMT): Beim Kriterium "Planüberwachung" zeigten die Klienten im Vergleich zu den übrigen
Skalen gute Leistungen, jedoch hingen die Antworten vom
Schwierigkeitsgrad der gezeigten Hinweisreize im Skript
ab: Je offensichtlicher und eindeutiger eine Handlung war,
desto schneller und besser gelang die Plankontrolle. Das
Kriterium "Fehlerdiagnostik" ergab ein ähnliches Antwortmuster. Nicht so die Skala "Abfolgen erkennen": Hier zeigten sich, auch bei sonst guter/sehr guter Leistung in den anderen beiden Dimensionen enorme Schwierigkeiten, da
teilweise nur bis zu einem Fünftel (!) der geforderten Antworten gegeben werden konnten.
Training
Im Training mit dem Skript-Monitoring-Test (SMT) wurden
zu jeder Sitzung verschiedene Szenen dargeboten, um einen Lerneffekt in bezug auf eine bestimmte Sequenz zu
vermeiden. Ebenso wurden andere Sequenzen verwendet
als in den Vor- und Nachuntersuchungen. So wurden die
Probanden jedesmal mit für sie neuen Handlungssequenzen konfrontiert, die hinsichtlich der drei planerischen Teilleistungen "Planüberwachung", "Fehlerdiagnostik" und
"Abfolgen erkennen". zu bearbeiten hatten. Es zeigte sich
im Laufe des Trainings eine Verbesserung in der Handhabung der Aufgabe: Ab der dritten Sitzung brauchten die Instruktionen nicht mehr gegeben werden, die Probanden
wußten bereits, um was es ging. Es stellte sich jedoch insgesamt kein linearer Leistungszuwachs ein: Die Klienten zeigten ein ähnliches Muster wie in der Pre-Test-Phase. Nur in
der Skala "Abfolgen erkennen" waren bis zum Ende des
Trainings leichte Verbesserungen zu verzeichnen.
Post-Testung
In der Nachuntersuchung wurden bis auf die Intelligenztests die gleichen Verfahren eingesetzt wie im Pretest.
Gedächtnis und Interferenz
In den Leistungen des Syndrom-Kurztestes ergaben sich zwischen Pre- und Posterhebung keine nennenswerte Unterschiede: Unmittelbare und mittelbare Gedächtnis- sowie
Wiedererkennensleistung und Interferenzneigung blieben relativ konstant. Es zeigten sich keine Unterschiede zwischen
Experimentalgruppe und Kontrollgruppe. Das Training hatte keinen Effekt auf die hier erfaßten Leistungsbereiche.
Frontalhirntest
Das Lösungsmuster der Pre-Testung wurde im wesentlichen auch in der Post-Testung aufrechterhalten. Die Anzahl der korrekten Lösungen, perseverativer und nichtperseverativer Fehler sowie die Anzahl der vollendeten
Kategorien unterschieden sich nicht signifikant von den
Werten im Vortest. Es zeigt sich kein Trainingseffekt auf
die hier untersuchten Leistungen.
Planungstests
(Turm von Hanoi): Hier zeigte sich ebenfalls kein Trainingstransfer; die Lösungsmuster der Pre- und Posttestung waren
einander sehr ähnlich. Nur innerhalb einer Testsitzung waren
qualitative Verbesserungen und Zeitersparnis zu verzeichnen.
Skript-Monitoring-Test (SMT): Hier zeigten sich Trainingseffekte : die trainierten Klienten verbesserten sowohl ihre
Leistungen in den Kategorien "Planüberwachung" und "Fehlerdiagnostik", aber ganz besonders in der Kategorie "Abfolgen erkennen". Die Kontrollgruppe zeigte keine signifi-
kanten Verbesserungen.
Diskussion und Ausblick
Bei den Planungstests zeigt sich eine Abhängigkeit der Leistungen vom zeitlichen Umfang und Komplexitätsgrad der
Aufgabe. Bei einfachen und zeitlich wie inhaltlich überschaubaren Aufgaben ist Strategiebildung möglich. Bei Aufgabenwechsel und Erhöhung des Schwierigkeitsgrades zeigt sich
eine deutliche Perseverationsneigung, d.h. die Probanden
bleiben auch dann bei ihrer einmal gewählten und "erfolgreichen" Lösungsstrategie, wenn sie nicht mehr "paßt", sie kleben an dem, was sie können und sind nicht in der Lage, ihr
Verhalten einer geänderten Situation anzupassen.
Die besseren Ergebnisse der Experimentalgruppe im
Skript-Monitoring-Test (SMT) zeigen, daß eine Verbesserung von Teilleistungen, die für effektivere Handlungsplanung und effektives Problemlöseverhalten Voraussetzungen sind, durch gezielte therapeutische Interventionen
erreicht werden kann. Es wird aber auch deutlich, daß diese Verbesserungen sehr "domänenspezifisch" sind. Sie beschränken sich im wesentlichen genau auf die trainierten
Fähigkeiten und Fertigkeiten, eine Generalisierung auf vergleichbare Planungskompetenzen zeigt sich kaum. Insofern
ist auch kein bedeutsamer Transfer auf das "wirkliche Leben" zu erwarten.
Die Ergebnisse der Studie sprechen unseren Erachtens für
noch mehr Alltagsnähe der Methoden zur kognitiven Rehabilitation unserer Patienten. Sie zeigen, daß bei den von
uns untersuchten Probanden durch gezielte Maßnahmen
Lernprozesse initiiert werden konnten. Da aber offensichtlich keine globale Generalisierung stattfindet, sollte die Konsequenz für die Arbeit mit den Klienten sein, daß bei jedem
einzelnen festgestellt wird, welche Fähigkeiten er wirklich
und am dringendsten braucht. Für verschiedene unserer
amnestischen und desorientierten Bewohner wäre es
schon eine erhebliche Erweiterung ihres Handlungsspielraumes und ihrer Autonomie, wenn sie sich im Haus besser
zurechtfinden würden und den Weg zum nächsten Aldi-
Geschäft alleine finden und gehen könnten. Genau auf solche wesentlichen alltagsrelevanten Kompetenzen sollten
wir dann auch angesichts knapper Ressourcen unsere therapeutischen Bemühungen konzentrieren. Dabei scheint
keine Methode effektiver zu sein als "learning by doing".
Leider findet ein Klient, der auf dem Computerbildschirm
den Weg in einem Labyrinth meistert, noch lange nicht den
Weg von Haus Remscheid zum nächsten Supermarkt ("the
map is not the territory"). Hier scheint es erfolgversprechend, Verfahren zu entwickeln und anzuwenden, die effektiveres Lernen und Lernen ohne Fehler ermöglichen.
Zur Zeit werden im Rahmen einer kontrollierten Studie
die Effekte der "errorless learning" Methode bei Alkoholabhängigen untersucht. Es handelt sich um eine Verfahrensweise, die Mißerfolge und Frustrationen weitgehend
vermeidet, die Motivation des Patienten erhöht und dadurch zu besseren Lernergebnissen kommt. Erste Erfahrungen mit diesem Ansatz sind ermutigend und vielversprechend.
Folie 13
Frontalhirnsyndrom – FASD?

Durch Alkohol und andere psychotrope
Substanzen verursachte Störungen der
Hirnfunktion, die dem Wesen nach zu
dieser Gruppe gehören, werden an
anderer Stelle klassifiziert (F10 - F19).
Interventionen und Behandlung können
aber weitgehend den weiter unten
aufgeführten Leitlinien entsprechen.
1.1 Definition
Das Krankheitsbild umfasst psychische Krankheiten mit nachweisbarer Ätiologie in einer
zerebralen Krankheit, einer Hirnverletzung oder einer anderen Schädigung, die zu einer
Hirnfunktionsstörung führt. Die Funktionsstörung kann primär sein, bei Krankheiten,
Verletzungen oder Störungen, die das Hirn direkt oder in besonderem Maße betreffen; oder
sekundär, z.B. bei Systemerkrankungen oder Störungen, die auf das Gehirn nur als eines
von vielen anderen Organen oder Körpersystemen übergreifen.
Wesentliches Merkmal der Störung sind auffällige und tiefgreifende Veränderungen
gegenüber dem prämorbiden Verhalten, die sich auf kognitive Fähigkeiten, Affektlage,
Bedürfnisse und Handlungen beziehen. Die Veränderungen können sich stärker auf den
kognitiven Bereich erstrecken und äußern sich dann in einer Unfähigkeit oder reduzierten
Fähigkeit, eigene Handlungen zu planen und ihre wahrscheinlichen Konsequenzen
vorauszusehen, wie beim sog. Frontalhirnsyndrom. Sie können sich aber auch überwiegend
im emotionalen Bereich manifestieren, wobei emotionale Labilität,
Stimmungsumschwünge, Reizbarkeit, Wut und Aggressionszustände oder auch Apathie im
Vordergrund stehen.
Durch Alkohol und andere psychotrope Substanzen verursachte Störungen der Hirnfunktion,
die dem Wesen nach zu dieser Gruppe gehören, werden an anderer Stelle klassifiziert (F10
- F19). Interventionen und Behandlung können aber weitgehend den weiter unten
aufgeführten Leitlinien entsprechen.
Folie 14
Leitsymptome


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Mangelndes Durchhaltevermögen
Verändertes emotionales Verhalten –
Labilität
sofortige Bedürfnisbefriedigung
Kognitive Störungen wie z.B. Mißtrauen,
paranoides Denken
Veränderung in der Sprachproduktion
Sexualverhalten
1.2 Leitsymptome
Organische Persönlichkeitsstörungen. Der zeitliche Zusammenhang der
Persönlichkeitsveränderung mit einer Hirnerkrankung, Hirnschädigung oder
Hirnfunktionsstörung muss gegeben sein oder wahrscheinlich gemacht werden können.
Darüber hinaus gründet sich die Diagnose auf mindestens zwei der folgenden Merkmale:
Andauernd reduzierte Fähigkeit, zielgerichtete Aktivitäten über längere Zeiträume
durchzuhalten und Befriedigungen aufzuschieben
Verändertes emotionales Verhalten, das durch emotionale Labilität, flache und
ungerechtfertigte Fröhlichkeit (Euphorie, inadäquate Witzelsucht) und leichten Wechsel zu
Reizbarkeit oder kurz andauernden Ausbrüchen von Wut und Aggression charakterisiert ist;
in manchen Fällen kann Apathie mehr im Vordergrund stehen
Äußerungen von Bedürfnissen und Impulsen meist ohne Berücksichtigung von Konsequenzen
oder sozialen Konventionen (der Patient kann unsoziale Handlungen begehen wie Stehlen,
unangemessene sexuelle Annäherungsversuche, gieriges Essen oder die Körperpflege
vernachlässigen)
Kognitive Störungen in Form von Misstrauen oder paranoidem Denken und/oder exzessiver
Beschäftigung mit einem einzigen, meist abstrakten Thema (z.B. Religion, Recht und
Unrecht)
Auffällige Veränderungen in der Sprachproduktion und des Redeflusses, Umständlichkeit,
Begriffsunschärfe, zähflüssiges Denken und Schreibsucht
Verändertes Sexualverhalten (verminderte Sexualität oder Wechsel in der sexuellen
Präferenz).
Dazugehörige Begriffe sind: Frontalhirnsyndrom, Leukotomiesyndrom, Lobotomiesyndrom,
organische Pseudopsychopathie, organische pseudoretardierte Persönlichkeit,
Persönlichkeitsstörung bei limbischer Epilepsie.
Postenzephalitisches Syndrom (F07.1). Führendes Merkmal ist eine häufig bleibende
Verhaltensänderung nach einer viralen oder bakteriellen Enzephalitis, die, je nach Alter
und Entwicklungsstand, interindividuell variabel ist und, je nach Erreger, auch
unterschiedlich verlaufen kann. In manchen Fällen ist die Symptomatik auch teilweise oder
ganz reversibel, was einen Unterschied zur organischen Persönlichkeitsstörung darstellt. Im
Einzelnen sind folgende Symptome für die Störung charakteristisch:
Allgemeines Unwohlsein, Apathie oder Reizbarkeit
Einschränkung kognitiver Funktionen, die sich als Tempoverlangsamung und Lernstörung
bemerkbar macht
Veränderung vegetativer Funktionen (Ess-, Schlaf- und Sexualverhalten)
Deutliche Einschränkung der sozialen Anpassung und der sozialen Urteilsfähigkeit
Bleibende neurologische Funktionsstörung wie Lähmung, Taubheit, Aphasie, Apraxie oder
Akalkulie
Folie 15
Diagnosen

Folie 16
Frontalhirnsyndrom,
Leukotomiesyndrom,
Lobotomiesyndrom, organische
Pseudopsychopathie, organische
pseudoretardierte Persönlichkeit,
Persönlichkeitsstörung bei limbischer
Epilepsie.


Frontalhirnsyndrom: oft psychische
Auffälligkeiten, Hyper- oder
Hypoaktivität
Hirnorganisches Psychosyndrom:
psychische Störung aufgrund
körperlicher Veränderungen im
Gehirn.
Folie 17
Auswahl des InterventionsSettings
4.1 Auswahl des Interventions-Settings
Die Auswahl des Interventions-Settings ist abhängig von
den zu erwartenden zeitlichen Rahmenbedingungen (Krisenintervention oder langfristige
Behandlung)
dem Schweregrad der Störung (bestimmt durch das Vorliegen neurologischer
Ausfallserscheinungen, das kognitive Leistungsniveau und das Niveau der psychosozialen
Anpassung an die jeweilige Lebenssituation)
dem Alter und Entwicklungsstand des Patienten
den vorhandenen familiären Ressourcen.
Ein höherer Schweregrad der Störung bedingt in der Regel auch intensivere therapeutische
Maßnahmen, die oft nur in teil- oder vollstationären Einrichtungen erbracht werden
können. Die Entscheidung zwischen Klinik und Rehabilitationseinrichtung ist in
Abhängigkeit von zeitlicher Perspektive und erforderlicher Behandlungsintensität zu
treffen.
Indikationen für eine stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Aufnahme
Diagnostische Abklärung mit Einleitung weitergehender Behandlungsmaßnahmen
Krisenintervention bei akuter Fremd- oder Selbstgefährdung
Intensive Behandlung definierter Symp-tombereiche, die in vertretbarer Zeit Erfolg
versprechend durchgeführt werden kann.
Folie 18
Intervention

Je nach Auffälligkeitsart und Zielsymptomatik
empfiehlt sich ein multimodales Vorgehen.

Zielbereiche:

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

Kognitiver Bereich
Emotionaler Bereich
Sozialverhalten
Impulskontrolle
Vegetative Symptome
Neurobiologische ausfallserscheinungen und
neuropsychologische Syndrome
Psychotherapie
4.2 Hierarchie der Behandlungsentscheidung und Beratung
Je nach Auffälligkeitsart und Zielsymptomatik empfiehlt sich ein multimodales Vorgehen.
Das übergeordnete Ziel aller Maßnahmen ist, die jeweiligen Patientinnen und Patienten in
die Lage zu versetzen, ihren alterstypischen Aufgaben gerecht zu werden. Im Einzelnen
geht es dabei um die Förderung in folgenden Zielbereichen:
Kognitiver Bereich. Bei im Vordergrund stehenden Störungen in diesem Bereich können, je
nach Alter, Entwicklungsstand und Schweregrad
Übungsprogramme angewandt werden, die sich an entsprechende diagnostische
Maßnahmen anschließen und die zur Verbesserung von Einschränkungen in der
Konzentrationsfähigkeit, im Gedächtnisbereich, im Lernverhalten, im Denken und im
Problemlösen geeignet sind. Entscheidend ist, dass es nicht beim Üben in einer
Einzelsituation bleibt, sondern dass der Transfer in eine Gruppensituation oder eine
Realsituation mit praktischen Anforderungen gelingt. Letzteres geschieht z.B. bei
Jugendlichen im Rahmen einer Berufsfelderprobung mit kontinuierlich steigenden
Leistungsanforderungen
Emotionaler Bereich. Bei ausgeprägter Affektlabilität und starker depressiver
Verstimmung empfiehlt sich ein Behandlungsversuch mit Antidepressiva. Ängste und
Zwangssymptome lassen sich in der Regel durch Verhaltenstherapie positiv beeinflussen.
Sozialverhalten. Störungen im Sozialverhalten lassen sich erfahrungsgemäß am schwersten
beeinflussen. Es lohnt sich jedoch der Versuch, dem Patienten Einsicht in soziale
Problemlagen und in die Konsequenzen von Handlungen zu vermitteln. Hierfür existieren
soziale Trainingsprogramme, die auf den Abbau unangemessener Verhaltensweisen und den
Aufbau von sozialer Kompetenz abzielen. Bei ausgeprägter Aggressivität kann eine
medikamentöse Behandlung indiziert sein, insbesondere wenn diese mit fremd- oder
selbstgefährdendem Verhalten einhergeht.
Impulskontrolle. Bei Patienten, die ihre Handlungsimpulse unzureichend kontrollieren
können, sind Übungen bzw. Behandlungsprogramme empfehlenswert, die auch bei
hyperkinetischen Kindern angewandt werden und zum Ziel haben, zwischen
Handlungsimpuls und Handlungsausführung eine reflexive Zäsur einzubauen nach dem
Motto: "Erst denken, dann handeln". Zusätzlich kann eine medikamentöse Behandlung
indiziert sein.
Vegetative Symptome. Vegetative Symp-tome wie Schlafstörungen oder Essstörungen
können, je nach Schwere und Ausmaß, verhaltenstherapeutisch und/oder medikamentös
behandelt werden.
Neurologische Ausfallserscheinungen und neuropsychologische Syndrome. Bei
neurologischen Ausfallserscheinungen (z.B. Lähmungen) sind, wie auch bei autochthonen
neurologischen Erkrankungen, Krankengymnastik und Rehabilitationsmaßnahmen
angezeigt. Bei neuropsychologischen Syndromen (Aphasie, Apraxie, Akalkulie) müssen
gezielte Übungsprogramme, die den jeweiligen Störungsbereich zum Fokus haben,
durchgeführt werden. Bei Vorliegen epileptischer Anfälle ist eine entsprechende
antiepileptische Behandlung einzuleiten.
Psychotherapie. Bewährt hat sich hier ein verhaltenstherapeutischer Ansatz mit dem Ziel,
möglichst viel Alltagsnähe zu vermitteln und gezielte, symptombezogene Verbesserungen
zu erreichen. Ein tiefenpsychologisch fundierter Therapiezugang ist nur in seltenen Fällen
gegeben und aussichtsreich. Medikamentöse Behandlung. Hier ist aufgrund der
vorbestehenden oder anzunehmenden Hirnschädigung besondere Vorsicht geboten (z.B.
Senkung der Krampfschwelle, paradoxe Wirkungen, Zunahme kognitiver Defizite). Je nach
Auffälligkeiten des Patienten kann aber eine Indikation für eine medikamentöse
Behandlung gegeben sein.
Folie 19
Ambulante Betreuung

Ambulant –







Psychotherapie
Medikamentöse Behandlung
Förder- und Trainingsprogramme
Einbeziehung der unmittelbaren Bezugspersonden
Koordination zusätzlicher Maßnahmen
Beratung über Fördermöglichkeiten (z.B. durch
Schule, Jugendamt, Arbeitsamt)
Bereitschaft zu langfristiger Betreuung.
Besonderheiten bei ambulanter Behandlung
Bei leichtem Schweregrad der Störung ist, wo immer möglich, eine ambulante Behandlung
durchzuführen. Der Schweregrad kann nach der Symptomatik und der Globalbeurteilung
der psychosozialen Anpassung (Achse VI) eingeschätzt werden. Ambulante Behandlung
beinhaltet:
Psychotherapeutische und/oder medikamentöse Beeinflussung von Problemverhalten und
Symptomen
Durchführung von Förder- und Trainingsprogrammen
Einbeziehung der unmittelbaren Bezugspersonen in den Behandlungsplan
Koordination und Verordnung zusätzlicher Maßnahmen (z.B. Krankengymnas-tik, Logopädie)
Beratung über weitere Fördermöglichkeiten (z.B. durch Schule, Jugendamt, Arbeitsamt)
Aufgrund des oft chronischen Verlaufs Bereitschaft zu langfristiger Betreuung.
Folie 20
Teil- und Vollstationäre
Betreuung


Vorteil der Durchführung hochstrukturierter
Behandlungsprogramme
Beobachtung des Transfer ins häusliche
Milieu



Probleme durch Milieuwechsel
Herausnahme aus Schule oder beruflichem Umfeld
Vollstationäre Behandlung nur für schwere
Fälle
4.4 Besonderheiten bei teilstationärer Behandlung
Die teilstationäre Behandlung hat den Vorteil, über einen längeren Zeitraum
hochstrukturierte Behandlungsprogramme zu ermöglichen, wobei der Transfer in das
häusliche Milieu unmittelbar beobachtet und beurteilt werden kann. Dem stehen folgende
Nachteile gegenüber:
Aufgrund der Grunderkrankung bestehen evtl. größere Schwierigkeiten, den täglichen
Milieuwechsel von Familie und Tagesklinik zu verkraften
Die Patienten sind für längere Zeit aus dem schulischen bzw. beruflichen Umfeld
herausgenommen
Die Patienten profitieren evtl. weniger von den in Tageskliniken üblichen
Gruppenstrukturen
Zeitlich begrenzte Behandlung.
4.5 Besonderheiten bei stationärer Behandlung
Die stationäre Behandlung bleibt, wenn man von Kriseninterventionen kürzerer Dauer
absieht, schweren Fällen mit sehr ausgeprägten neurologischen Ausfallserscheinungen und
erheblichen Verhaltensauffälligkeiten vorbehalten, die häufig anschließend einer
Rehabilitationsbehandlung bedürfen.
Folie 21
Jugendhilfe- und Rehamaßnahmen




Bei chronischen neurologischen oder
neuropsychologischen Folgezuständen
Extremen kognitiven und/oder
emotionalen Auffälligkeiten
Wichtig zur Reintegration
Bei chronischen Störungen ist die
Zuständigkeit des BSHG gegeben.
4.6 Jugendhilfe- und Rehabilitationsmaßnahmen
Sie sind immer dann erforderlich, wenn aufgrund von chronischen neurologischen oder
neuropsychologischen Folgezuständen, extremen kognitiven und/oder emotionalen
Auffälligkeiten eine ambulante und teilstationäre Behandlung nicht hinreichend ist, um
eine Reintegration in das jeweilige Lebensumfeld zu ermöglichen.
Ist zu erwarten, dass durch eine kurzfristige Rehabilitation (bis 6 Monate) eine akzeptable
Reintegration in den alterstypischen Lebensbereich erwartet werden kann, so kann
Jugendhilfe in Anspruch genommen werden (KJHG); bei chronifizierten Störungen ist die
Zuständigkeit des BSHG gegeben.
Ppt www.faskinder.de
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