Mentzos, Stavros: Neurotische Konfliktverarbeitung. Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven. Frankfurt 2003 (1984). I. Motivation 1. Libido 23 - Das erste Triebmodell FREUDS war dualistisch: die Ich-Triebe (Selbsterhaltung) und die Libido (Sexualtriebe = Arterhaltung). Die Beschäftigung mit den Phänomenen des Narzißmus gab aber FREUD Anlaß zu einem mehr monistischen System, in dem die Ich-Triebe als eine Unterform der Libido (das eigene Ich wird mit Libido besetzt, das eigene Ich wird geliebt!) verstanden werden. später: Libido Destrudo - Viele Einseitigkeiten der Libidotheorie mussten durch die Berücksichtigung auch anderer »Triebe« sowie eine differenziertere Darstellung der narzißtischen (Selbst)Bedürfnisse behoben werden 2. Konstruktive Aggression versus Desintegriertes destruktives Erleben und Verhalten 24 - Wichtig sind meist die Folgen der Hemmung und Verdrängung von Aggressionen 26 - Aggressives Verhalten angeboren angelegt als auch reaktiv auslösbar. jedoch offenbar nicht, analog dem Sexualtrieb, auf einen einheitlichen Trieb mit energetischen Aspekten zurückführen. - wesentlich: daß nämlich Aggression für die Durchsetzung und Befriedigung libidinöser und Selbstbedürfnisse überhaupt unerläßlich ist! - Winnicott: geht von einer primären Aggression aus, sieht sie aber als einen Teil des primitivsten Liebesausdrucks (eher mit Motilität, Spontaneität und Impulsivität in Verbindung zu bringen) - Aktivierung: durch jedwede Behinderung der Befriedigung libidinöser und narzißtischer (Selbst)Bedürfnisse Dadurch »sorgt« die Aggression eigentlich für die Durchsetzung solcher Bedürfnisse und trägt zur Selbst- und Arterhaltung bei - Freuds: im Normalfall findet eine Vermengung von beiden Trieben 1 (Aggression und Libido) statt nur unter bestimmten Bedingungen findet eine Entmischung und somit ein Freiwerden destruktiver Aggressionen statt 3. Affektive und Gefühlszustände 27 - Triebe: eigentlich hypothetische Konstrukte und nach FREUD nicht direkt erlebbar affektiven und Gefühlszustände demgegenüber sind direkt Erlebbares - Angst: zentrale Achse zum Verständnis aller psychischen Störungen, als der Affekt, der alle Abwehrmechanismen mobilisiert (nur er wurde ausführlich beschrieben und untersucht) - in den letzten Jahren begann man bei Beschreibungen der intrapsychischen Konflikte statt von Triebimpulsen oder Triebabkömmlingen von Emotionen und Bedürfnissen Konzentration auf den konkret erlebbaren Anteil, nämlich die Gefühle selbst 28 a) da es verschiedene Bedürfnisse und Gefühle gibt, die nicht auf den SexTrieb zurückzuführen sind b) erst allmählich wurde man sich klar, daß auch fast alle anderen Affekte und Gefühle ebenfalls die Funktion von Signalen, von Indikatoren haben, die angenehme oder unangenehme, gefährliche oder sicherheitsbietende Zustände ankündigen und somit zu entsprechenden Reaktionen Anlaß geben 4. Bedürfnisse, Antriebe, Interessen 29 - Ich: es ist die »Angststätte« als auch der Ort, in dem konkrete Bedürfnisse und Interessen sich bilden und erlebbar werden. - Es ist praktisch und theoretisch adäquater und informationsreicher, von einem Konflikt zwischen Liebes- und Zugehörigkeitsbedürfnissen einerseits und Selbständigkeits- und Autonomiestrebungen andererseits zu sprechen als von einem Es-Ich- oder Es-Über-Ich-Konflikt. 5. Die Angst 30 - Die Unterscheidung Angst-Furcht wird in der Allgemeinsprache aber oft vermischt - Frage: woher kommt die Angst? Offenbar ein angeborenes und biologisch verankertes 2 Reaktionsmuster aufgrund der die Angst begleitenden vegetativen Erscheinungen sowie analoge Reaktionen bei Tieren da man diese Fähigkeit zur Alarmbereitschaft mit der Fähigkeit der Schmerzreaktion in Parallele setzen kann evtl. ist die Angst sogar ein regelrechter Instinkt - wichtig: daß scheinbar grundlose Angstzustände in Wirklichkeit wohlbegründete Reaktionen auf eine konkrete und bestimmte (unbewusste) Gefahr sind 31 - Die Reaktion auf Gefahren jeglicher Art erfährt im Laufe der Entwicklung eine Reifung. führt, zunächst allgemein ausgedrückt, von der Angst zur Furcht: also von der diffusen, wenig organisierten, ungerichteten zu der mehr strukturierten Reaktionsform daher ist das Auftreten diffuser, grundloser Angstzustände beim Erwachsenen als Regression anzusehen - a) das Kind wird oft von Angst überwältigt, wenn intensive Bedürfnisse weder befriedigt noch sonst wie bewältigt werden können es folgt übermäßige Erregung und Überflutung der Reizschwelle - b) auch beim Erwachsenen gibt es ähnliche Zustände z.B. bei Naturkatastrophen - c) auch bei Süchten (delirium oder LSD) entweder durch Übererregung oder Dysfunktion bestimmter zentraler Hirnstammgebiete 32 d) Bei den neurotischen diffusen Angstzuständen geht es darum, dass die Verdrängung dazu führt, daß aus der konkreten Furcht eine diffuse, grundlose Angst entsteht. Eine Furchtreaktion verliert durch die Verdrängung ihren konkreten Inhalt und verwandelt sich regressiv zu einer diffusen Angstreaktion Die Signaltheorie (Verdrängung setzt auf ein Angstsignal ein) behält Gültigkeit: die Verdrängung wird durch die Unerträglichkeit eines befürchteten Gefühlszustandes in Gang gesetzt die auftauchende und wachsende »Befürchtung« ist das Signal. Es ist die Furcht vor einem unerträglichen, unlustvollen Gefühlszustand 3 (seelischer Schmerz bei Trennung und Verlust, Selbstverlust, Scham und Schuldgefühle, Unsicherheitsgefühl bei aufsteigenden Triebwünschen), der zu der Verdrängung führt Entdifferenzierung ist der »Preis« für die Unbewußtmachung 33 - e) einem reifen Ich gelingt bei der Wahl zwischen diffuser Angst und konkreter Befürchtung evtl. ein Kompromiss: Phobie so erfährt die Angst eine Pseudoobjektivierung: durch Verschiebung auf eine andere, eine angebliche Gefahr (z.B. vor geschlossenen Räumen) Antwort der Analyse: Hinter der bewußten Befürchtung und hinter der wahrgenommenen angeblichen Gefahrenquelle existieren eine unbewußte »Angst« und eine unbewußte Gefahrenquelle (durch die Vermeidung dieser künstlichen Quellen bleibt man relativ Angstfrei) 34 - f) psychotische Wahnbildung: Analyse aus dem Hineinprojizieren eigener, insbesondere aggressiver Impulse in den anderen resultiert eine Entlastung Mentzos: darüber hinaus auch durch die Konkretisierung, durch die Quasi-Objektivierung der Gefahr, also durch die künstliche Verwandlung der diffusen in eine konkrete Angst ebenfalls eine Entlastung und Angstminderung möglich wird der Preis ist aber sehr viel höher: Realität wird z.B. verzerrt Die Bedeutung der unbewußten Angst bei der Entstehung von neurotischen Störungen 35 - Sobald es gelingt, diese unbewußte Angst bewußt zu erleben oder zu begreifen, wird er von seiner unbegründeten neurotischen Angst oder anderen Symptomen frei - die unbewusste Angst ist in der Psychodynamik sehr wichtig, da sie alle Abwehrmaßnahmen aktiviert Variationen der Angst 36 - Die Reaktion des Ich hängt ab von unterschiedlichen Bedrohungen (z.B. bei drohender Desintegration bei der Psychose, der drohenden Überschwemmung der guten durch böse Selbst- und Objektanteile usw.) von der Ich-Reife, der Entwicklung bestimmter Strukturen 4 II. Struktur 38 - Vorstellung von der Struktur des Intrapsychischen: Das Innerseelische sei in irgendeiner festen Form zusammengesetzt und aufgebaut (verantwortlich für die Regelmäßigkeit und die Konstanz ) - 4 Bedeutungen des Strukturbegriffs: 1. Gliederung der einzelnen Teile des Ganzen 2. Bestimmte Gliederung des psychischen Organismus (ich, es, über-ich) 3. So etwas wie Charakter (z.B. depressive Struktur) 4. alle psych. Organisationen, die dauerhaft sind 1. Das Dreiinstanzenmodell und seine Grenzen - Der psychische Organismus entsteht und entwickelt sich im Rahmen eines unaufhörlichen Prozesses von wechselweise aufeinanderfolgenden Schritten der Differenzierung und der Integration - Vorgang der Strukturierung: Trennungen bringen Möglichkeit zur Individuation und Selbständigkeit, was wiederum Beziehungsaufnahme auf einer anderen Ebene ermöglicht Resultat: es wird von Freuds Dreiinstanzenmodell bzw. Strukturmodell erklärt 41 - Grenzen des Modells: 1. Das Ich und das Es entwickeln sich aus einer »Urstufe« (Matrix) der frühesten Kindheit (H. HARTMANN, E. KRIS und R.M. LÖWENSTEIN 1946) auch die ererbte Ich-Merkmale und eine vorgegebene Autonomie des Ichs beeinflussen dessen Entwicklung 2. Terminus Ich wurde doppelt verwendet: Charaktersisierung des regulierenden Anpassungsorgans (also eines Teiles der Person) und Bezeichnung der Gesamtperson Einführung des Begriffs ‚Selbst’: i.S. Hartmanns die Selbstrepräsentanz und später als Selbstsystem: übernimmt Aufgaben der Regulierung des Selbstwertgefühls. Zuletzt als eine übergeordnete intrapsychische Organisation, die die 3 Instanzen als Subsystem beinhaltet 42 3. Das Dreiinstanzenmodell eignet sich nur für die Schilderung der relativ reiferen Konflikte 5 2. Internalisierungsprozesse und ihre Bedeutung für die intrapsychische Struktur 43 - Internalisierungsprozesse: Alle jene Prozesse, bei denen das Subjekt reale oder phantasierte Interaktionen mit seiner Umgebung in innere Regulationen und Charakteristika verwandelt 1. nicht nur reale Beziehungen sind wichtig, sondern auch um die Sachen, die sich dabei im Subjekt abgespielt haben (z.B. Phantasien über die Beziehungen) 2. nicht nur kognitive Abbilder der Umwelt, sondern vorwiegend die durch sie bedingten Veränderungen der Struktur des Selbst 3. nicht nur die Übernahme von Charakteristika (des Objekts), sondern auch die Internalisierung von Interaktionen Man internalisiert auch Beziehungsmuster, Rollenbeziehungen, ja ganze »Objekte« mit vielen ihrer Aspekte 44 - Es gibt verschiedene levels der Internalisierungsprozesse: Inkorporation, Introjektion und Identifikation Inkorporationen: die sehr frühen, triebnahen Internalisierungen des unreifen Ichs. Introjektionen: setzen eine fortgeschrittene Ich-Reife voraus und stehen im Zusammenhang mit bestimmten Abwehrvorgängen Identifikation (die reifste Form): ermöglicht die selektive Verinnerlichung von abgrenzbaren Teilaspekten (Introjektion eher globaler) 45 - Die Art der Internalisierungen hängt ab: von der Art und Reife der Objektbeziehungen - die drei Mechanismen werden in Schritten nacheinander angeeignet: Die Inkorporationen »reifen« zu Introjektionen und diese wiederum zu Identifikationen. Ist diese Reifung mangelhaft oder bleibt sie aus, so überwiegen auch beim Erwachsenen Elemente der Inkorporation oder der Introjektion, wodurch dann später eine Prädisposition und Tendenz zur Reaktivierung solcher Formen der Internalisierungen und der dazugehörigen Objektbeziehungen entsteht Dadurch werden Internalisierungen zu pathologischen Abwehrprozessen Inkorporationen und Introjektionen sind in einer bestimmten Phase der 6 Entwicklung notwendig. Nehmen sie im späteren Leben überhand, so sind sie als Störungen, als Ausdruck eines regressiven Vorganges zu deuten - die 3 Reifungsstadien der Internalisierungsvorgänge in einer Beziehung zu verschiedenen psychischen Störungen reifere Psychoneurose Abwehr arbeitet mit Identifikation Introjektive Mechanismen findet man bei Borderline und Depression Inkorporationen findet man bei psychotischen und psychosomatischen Störungen Faustregel: »je früher die Störung der Objektbeziehung, desto gravierender der Ich-(Selbst-)Defekt« 3. Externalisierungsvorgänge und die Objektwelt - Exkorporation: erste, einfachste und unreifste Form der Externalisierung 47 - 1. These: Die Externalisierung (Gegenstück der Internalisierungsvorgänge) ist ebenso wichtig in der normalen Entwicklung und im alltäglichen Leben des psychisch Gesunden als auch im Bereich der neurotischen Störungen wie die Internalisierung - 2. These: den 3 Stufen (Inkorporation, Introjektion, Identifikation) stehen drei entsprechende Stufen der Externalisierung gegenüber (Exkorporation, Projektion, »Selbstobjektivierung« (hier werden Teile des eigenen Selbst in äußeren Objekten personifiziert und es ist ein Teil des schöpferisch-objektivierend Expressiven)) 49 - Es gibt auf der einen Seite Externalisierungen als intrapsychische Prozesse (z.B. eigene Feindseligkeit wird auf andere projiziert: Verändert ist nur die Objektrepräsentanz des Subjekts) und auf der anderen Seite Externalisierungen, die sich an reale Gegebenheiten der objektiven Welt 7 anhängen oder die auch objektive Veränderungen bewirken können, die eine solche Verankerung in der Realität möglich machen (die zunächst nur intrapsychische Projektion wird zusätzlich in der Realität verankert) - Sind die Internalisierungsprozesse für die Entstehung des Selbst konstitutiv, so gilt dasselbe analog auch für die Externalisierungsvorgänge in Bezug auf die Entstehung der Welt der Objekte. 50 - neurotische Externalisierungen: Übertragungsphänomene (intrapsych. Externalisierungen) Externalisierung des eigenen Über-Ichs (Real-Externalisierung) 4. Das Zusammenspiel der Internalisierungs- und Externalisierungsprozesse 51 - Es gibt eine ständige Bewegung zwischen Inter- und Externalisierung bei normalen und pathologischen Formen. Der Bildhauer, der »ein Stück vom Selbst« in eine äußere Form objektiviert, externalisiert, ist womöglich darin so »verliebt«, daß er sich damit »identifiziert«, d. h. wieder internalisiert dies Hin- und Her führt zu einem ständig differenzierteren Selbst- und Objektbild sowie zu einem intensiven Erlebnis Traumdeutung ist ein Externalisierungsprozess 5. Das Selbstsystem - die narzißtische (Selbst-) Entwicklung 52 - Narzissmus: 1. Narzißmus als Schutz- bzw. Abwehrvorgang: Rückzug vom Objekt weg und eine Zuwendung zum Selbst hin (»Selbst-Liebe«) die Anteile, die eine Vermehrung der libidinöse Besetzung des Selbst bedeuten 2. Narzißmus als System des Selbst: alle Bedürfnisse, Befriedigungen, Affekte, Mechanismen usw., die bei der Selbstkonstituierung, Selbstentfaltung und insbesondere der Regulation des Selbstwertgefühls beteiligt sind - narzisstisch sind 1. z.B. Objektbeziehungen, die zur Erhöhung des Selbstwertgefühls oder Selbstidentität beitragen 2. Ereignisse die das Gegenteil bewirken, wobei die Wut (also der Affekt) ebenfalls narzisstisch ist - ersten Bedeutung: das Narzißtische steht im Gegensatz zum 8 Objektbezogenen zweiten Bedeutung: dem Narzißtischen ist das Triebbezogene entgegenzusetzen zweiten Sinne: das Narzißtische kann hier oft objektbezogen sein 53 - Überall dort, wo aus dem Kontext nicht eindeutig ersichtlich ist, ob es sich um Narzißmus im ersten oder zweiten Sinne handelt, werde ich im ersten Fall »Rückzug« oder »vom (Liebes-)Objekt wegführend«, im zweiten Fall das Wort »Selbst« in Klammern hinzufügen, zum Beispiel narzißtische (Selbst-) Störungen, aber: narzißtische (vom Objekt wegführende) Abwehrformen Narzißtische (vom Objekt wegführende) Abwehrformen trifft man häufiger bei narzißtischen (Selbst-) Störungen, aber in leichter Form auch bei Psychoneurosen und bei Gesunden. Kurzer historischer Rückblick 54 - Sowohl das 1911 von FREUD formulierte Lustprinzip (durch Entladung von Spannungen Unlust zu vermeiden und sich Lust zu verschaffen) als auch das Realitätsprinzip (Realität wird einbezogen, was ein Aufschub der Befriedigung erlaubt) bezieht sich ausschließlich auf Triebspannungen und Triebbefriedigungen 55 wichtig sind die qualitativen Unterschiede zwischen Triebbedürfnissen (Es-Strebungen) und Bedürfnissen nach Wohlbefinden und Sicherheit (Selbst-Bedürfnissen) - Im Normalfall überschneiden sich Befriedigungen, gehören zusammen und verstärken sich gegenseitig: es gibt aber auch ein Konkurrieren, was auch einen Teil der Grundkonflikte ausmacht andererseits kann die eine Befriedigung die andere ersetzen: das Kind tröstet sich für eine narzißtische Kränkung mit Hilfe von Süßigkeiten oder durch die Rückkehr zum Daumenlutschen! 56 - der Trieb als auch das Selbst brauchen Objekte zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse Die Regulation des Selbstwertgefühls - Funktionen des Selbstsystems: die Aufrechterhaltung der narzißtischen Homöostase (also die Aufrechterhaltung eines optimalen Niveaus des Selbstwertgefühls) 9 wie kann das Geschehen? a) Regressionen in den primären Zustand: Verschmelzungsphantasien, die kein konkretes Objekt, sondern diffuse, unbegrenzte und unzerstörbare Substanzen betreffen. in der Verschmelzung wird man eins mit etwas unbegrenzt Großem, die »Verschmelzung« bedeutet so einen Wert- und Machtzuwachs 57 b) Verleugnung der schmerzlichen Realität mit Hilfe von Größenphantasien Kohut: normales Stadium mit dem Namen Größen-Selbst beim Kind: ihm wird von den Eltern dessen Größe bestätigt (wichtig für dessen Befriedigung narzisstischer Bedürfnisse) beim Erwachsenen: z.B. im Größenwahn c) Kompensierung durch Idealisierung (ca. 3. J.) - Die Realität zwingt das Kind sein grandioses Selbst allmählich zu relativieren Statt dessen greift nun das Kind auf die Idealisierung bzw. die Rettung seines Selbstwertgefühls durch Identifizierung mit diesen omnipotenten und allwissenden Objekten auf - Objekte sind nicht nur für die Triebbefriedigung wichtig, sondern auch für die Selbstkonstituierung 58 KOHUT: Selbstobjekte (im Gegensatz etwa zu den Triebobjekten oder den Liebesobjekten) darin spiegelt sich das Kind um es zu idealisieren und sich damit zu identifizieren d) Das Ideal-Selbst - Überhöhung des eigenen Selbst und die Idealisierung der Eltern durch den Abbau und die Relativierung des Größen-Selbst und der ideallsierten Bilder überwunden es entsteht ein an die Realität angenähertes, aber auch etwas von ihr abgehobenes Idealbild von sich selbst (SANDLER: eine Art Pufferfunktion: »Bei allen meinen augenblicklichen Mängeln bin ich im Grunde doch gut und in Ordnung.«) Menschen erhält dadurch Sicherheit, Selbstbewusstsein und ruhiges Selbstvertrauen - Abrupte Enttäuschungen, ein zu schneller Abbau des Größen-Selbst 10 oder der Elternidealisierung, mangelhafte oder fehlende idealisierte Objekte usw. können zu »schwachen Stellen« im System führen bei Belastungen kann dies später zu manifeste Störungen führen 6. Die Abwehrmechanismen 60 - Abwehr: alle intrapsychischen Operationen, die darauf abzielen, unlustvolle Gefühle, Affekte, Wahrnehmungen etc. vom Bewußtsein fernzuhalten bzw. sie »in Schach zu halten« - Es sind habituelle, unbewußt ablaufende Vorgänge, die zwar primär Ich-Funktionen mit Schutz- und Bewältigungsaufgaben darstellen, die jedoch im Rahmen der neurotischen Konfliktverarbeitung letztlich dysfunktional werden. - Die aus dem Bewußtsein verdrängten kognitiven und emotionellen Inhalte bleiben trotzdem aktiv und zwingen zu immer intensiveren und komplizierteren »Abwehrmaßnahmen« (schon deswegen dysfunktional, weil sie die bewußte Erledigung des Konfliktes verhindern) 61 Abgrenzung zwischen normalen und pathologischen Bewältigungsmechanismen ist unscharf (evtl. ist z.B. Abwehr erst mal richtig) - Kriterien für pathologische Mechanismen: erheblichen Einschränkung der Ich-Funktionen und der Reduzierung der freien Selbstentfaltung und –verwirklichung (neurotischen) Abwehr: zunächst nur ein »Schutz« vor Unlustvollem durch Verdrängung und andere unbewußt machende Operationen. später Erweiterung: Es geht gleichzeitig um eine (oft kompromißhafte oder auf jeden Fall sehr indirekte, symbolische, versteckte, verwandelte) Befriedigung oder Reparation 62 - systematisierung durch Reihe von unreifer zu reifer Abwehr 66 - psycho-soziale Abwehrmechanismen: Es wird außerdem (unbewußt) eine zwischenmenschliche Konstellation hergestellt, die die intrapsychische Veränderung bestätigt, rechtfertigt und real erscheinen lässt (z.B. Wahl des richtigen Partners oder bestimmte Rollenzuweisungen) 67 - die meisten Abwehrmechanismen: enthalten Regression und IchEinschränkung 11 7. Anhang: Bemerkungen zur Traumpsychologie und Traumdeutung Traumpsychologie 68 - Der Traum stellt sozusagen ein Sicherheitsventil In bezug auf Störungen durch verdrängte Wünsche dar 69 - Funktionen des Traumes: Stimulierung: Verwendung von symbolischen Formen, die im Leben wenig benutzt werden Funktion der Reorganisation: daß es den Träumenden oft erst im Traum gelingt, einen Sachverhalt unter Einbeziehung vorher unbemerkter Aspekte besser bzw. »tiefer« als im wachen Zustand zu erfassen, sei es auch nur in der Form einer Analogie Selbstwahrnehmung in die Tiefe: Unbewusste Prozesse stehen in einer kompensatorischen Beziehung zu bewussten: Träume als Wortführer der kompensatorischen Bemühungen des unbewussten - die Traumarbeit ist ein sehr wichtiger und geradezu typischer Externalisierungsvorgang ist 70 Der Traum ermöglicht eine zwar nur phantasierte, aber funktional wichtige szenischbildhafte Selbstdarstellung, eine quasi Selbstobjektivierung: hier werden prospektiv und experimentell vorläufige Selbstentwürfe und Alternativlösungen durchgespielt Traumdeutung - Der Trauminhalt ist in einer Bilderschrift gegeben Der manifeste Traum entstehe durch die Traumarbeit aus dem dahinterliegenden latenten Trauminhalt Die Entzifferung eines Traumes muss in der umgekehrten Richtung verlaufen 71 - von den spontanen Assoziationen des einzelnen Träumenden ausgehen, um zum latenten Inhalt des Traumes zu gelangen - Die Traum»logik« und Traum»symbolik« sind dazu geeignet, »verbotene« oder mit den üblichen Begriffen nicht faßbare oder noch nicht formulierbare Inhalte zum Ausdruck zu bringen 71f - JUNG: die ganze Traumschöpfung ist im wesentlichen subjektiv Traum stellt ein Theater dar, in dem der Träumer selbst sowohl Szene wie Spieler, Souffleur, Regisseur, Autor, Publikum und Kritiker in einem ist. 12 Deutung auf der Subjektstufe: alle Figuren des Traumes werden als personifizierte Züge der Persönlichkeit aufgefasst III. Das Konfliktmodell: Neurotische Störungen als pathologische Konfliktverarbeitungen 1. Äußere und innere, bewußte und unbewußte Konflikte 75 - innerer unbewußter Konflikt: wenn z.B. dem Wunsch nach erotischer Annäherung an einen Partner ein unbewußter Widerstand entgegensteht (z.B. weil ein sexueller Kontakt die Verletzung des Inzesttabus bedeuten würde) 75 wichtig bei neurotischen Störungen sie sind ursprünglich vielfach äußere Konflikte gewesen, die im Laufe der Sozialisation nicht befriedigend gelöst werden konnten 2. Konflikt als Überforderung (Streß) - psychophysische Organismus: er muss ständig Bedürfnisse und Interessen (Lust) befriedigen und Gefahren (Unlust) abwenden. 76 Lust- und Unlustempfinden sind Indikatoren für Lustvolles (bzw. Unlustvolles) sowie Gefährliches (bzw. Sicherheit Bietendes) und sorgen für bestimmte Reaktionen - wichtig ist die Aufrechterhaltung eines optimalen (keineswegs immer eines konstanten!) Spannungsniveaus bei zu hohem Niveau: regulatorische Mechanismen stellen wieder ein optimale Spannungsniveau her bei zu niedrigem Niveau: Langeweile und Bedrücktheit Wenn kein Ausgleich extremer Schwankungen möglich ist: es werden Notfallmechanismen in Gang gesetzt oder Funktionen fallen aus: psychische oder psychosomatische Störung - Ein gemeinsames Charakteristikum vieler neurotischer Störungen ist eine innere Spannung und Irritierbarkeit: Es sind die im Konflikt enthaltenen und in ihrer Gegensätzlichkeit festgefahrenen Motivbündel, es sind die ineinander verklemmten Tendenzen, die sich gegenseitig in Schach halten und diese erhöhte Spannung hervorrufen 77 Notfallreaktionen: Kompromissbildungen werden angestrebt 3. Trauma und Konflikt - ursprüngliches Modell FREUDs: Traumatheorie der Neurose. Neurose entsteht aus der Unfähigkeit, mit einem überwältigenden 13 Affekt, der in einer traumatischen Situation entstanden ist, fertigzuwerden. normale Verarbeitung: motorische Entladung oder eine andere, differenziertere Formen der Umsetzung und des Abreagierens (z.B. die Aussprache darüber, Reaktionen wie Weinen, Rache usw.) misslingt diese Art der Verarbeitung, wird der Affekt und mit ihm viele Gedanken und Situationsbilder, die mit ihm in einem assoziativen Zusammenhang gestanden haben, verdrängt In Zukunft: Assoziationen, die verdrängte Elemente erweckten, reaktivieren gleichzeitig auch diesen nicht abreagierten Affekt erneute und stärkere Verdrängungen erforderlich würden 78 - Pathogen: die Behinderung der Abreaktion und Verarbeitung dieses Affektes - später: mit dem strukturellen Modell erfasst Trauma nun nicht unbedingt ein akutes Ereignis, sondern oft chronische Traumatisierungen entweder Angst und andere unlustvollen Erfahrungen oder in nicht zumutbaren Frustrationen - Neu: Traumatisierungen können auch hervorgerufen werden durch sich wiederholende Frustrationen des Kontaktbedürfnisses, der Autonomiestrebungen, durch das Fehlen einer die Geborgenheit und Sicherheit garantierenden konstanten Bezugsperson, durch »narzißtische« Kränkungen - Verbindung Trauma-Konflikt bleibt aber bestehen: schmerzliche Erfahrung hinterläßt eine vermehrte Angstreaktionsbereitschaft hat ihrerseits eine schnelle Mobilisierung von Abwehrmechanismen zur Folge diese aber verdrängen die Angst und Unlust und verhindern auch in Zukunft ein bewusstes Erleben der frustrierten Wünsche, um das Trauma nicht wieder zu erleben 4. Erlernte versus konfliktbedingte Erlebnis- und Verhaltensstörung 80 - auch die Analyse geht implizit davon aus, daß Lernvorgänge bei der Entstehung neurotischer Störungen involviert sind: Ob eine in der Entwicklung phasengerecht auftauchende schwierige Aufgabe und ein im Verlauf der früheren Kindheit auftauchender normaler, 14 universeller Konflikt zu einem neurotischen Konflikt umgewandelt und fixiert wird, hängt von bestimmten Erfahrungen innerhalb der signifikanten ersten Objektbeziehungen ab 81 - Der pathologisch-neurotisch fixierte intrapsychische Konflikt: bestimmte Verhaltensweisen werden vermieden und andere bevorzugt, daß bestimmte Beziehungen abgebrochen, Chancen verpaßt und bestimmte Aspekte werden überbetont andere nicht wahrgenommen 82 Das heißt: Der zugrundeliegende pathologische Konflikt beeinflußt systematisch die nachfolgenden Lernprozesse VT: neurotische Verhalten sind multiple, mehr oder weniger zufällig sich addierende Konditionierungen 5. Konflikt versus struktureller Mangel - In der klinischen Realität gibt’s eine Zweiteilung 1. klassische Psychoneurosen (Phobien, Zwang usw.) hier steht der Konflikt und die neurotische Verarbeitung im Vorderung 2. Selbstpathologie (Kohut): narzisstische Störung, Borderline, Psychose usw. 83 hier ist der Grad und die Art der Selbststörung (ich-schwäche), die mangelhafte Entwicklung des Selbstsystems, die labilen narzisstischen Homöostase maßgebend - psychoneurotiker: gut funktionierendes Ich (Störung wird vom Konflikt bestimmt) Selbstpathologen haben ein abgeschwächtes ich, wodurch sie mit den Konflikten nicht fertig werden (struktureller Mangel) Unterschiede sind jedoch nicht absolut und klar auch die Strukturmängel beruhen letztlich auf Konflikten, allerdings auf sehr frühen Konflikten - Genetisch: alle psychogenen Störungen sind konfliktbedingt. Aber: bei den Patienten mit einem strukturellen Mangel sind es Konflikte aus früheren Entwicklungsstufen Folge: der frühe Stillstand der Selbstentwicklung hat Lerndefizite zur Folge - Wichtig: alle psychogenen Störungen beruhen letztlich auf Konflikten, 15 aber: frühe pathologische Konflikte und ihre Folgen sind schwerwiegender, weil sie in die Phase der Konstituierung des Selbst fallen und somit dessen Struktur und Konsistenz beeinflussen 6. Symptom- und Charakterbildung 84 - Symptome sind Ersatzbildungen und implizieren eine Wiederkehr des verdrängten Kompromisse zwischen entgegengesetzten Strebungen Pseudolösungen des Konflikts, da sie keine echte Abfuhr und Befriedigung darstellen - Wenn Symptome entstehen: die Spannung erhöht sich oder die Abwehr lässt nach - Es gibt Symptomneurosen (drückt sich in Symptomen aus) und Charakterneurosen (Ausdruck in neurotischen Charakterzüge und Charaktermerkmale) 85 - Charakterstörung: Wenn die Auseinandersetzung mit den Konflikten und Aufgaben während der Entwicklung aufgrund negativer Erfahrungen ungünstig verlief (anstelle, neben oder in Zusammenhang mit einer Symptomneurose) - Unterschied Charakterneurose Symptomneurose (vertretene Auffassung) a) ich-synton ich-dyston b) charakterneurosen: zu früh ‚geronnene’ und strukturerhaltende Elemente, die die Fähigkeit zur szenischen Gestaltung verloren haben im Gegensatz zu Symptomneurosen 86 - Mentzos: strikte Trennung ist sehr künstlich: Manche Charakterzüge bei Charakterneurosen haben Symptomcharakter annehmen (z.B. systematisches Sich-Verspäten) es gibt Symptome, die eine pathologische Charakterstruktur bezeichnen (z.B. hypochondrische Charakterstruktur) a) bei verschiedenen Patientin höchst unterschiedlich b) gerade Charakterzüge sind als Versuch der Aktualisierung eines inneren Dialogs zu verstehen: Charakterzüge werden geschaffen, um spezifisch erwünschte Antworten von anderen zu evozieren eine 16 ähnliche Funktion haben auch Symptome (Symptome wollen was mitteilen, was für den Pat. sonst unsagbar ist) 7. Schlussbemerkungen 87 - Zu Beginn ist fas alles konflikthaft: aber nur da sind psychische Störungen zu befürchten, wo sich intrapsychische Gegensätze durch ungünstige Erfahrungen und Abwehrformen zu starrem Entweder-Oder versteifen und dadurch zu schwer lösbaren Konflikten werden IV. Die psychische Entwicklung 88 - Entwicklung: Resultat eines recht komplizierten Interaktionsprozesses zwischen Anlage und Umwelt - Libidotheorie: 89 daß Sexualität im weiteren Sinne: Lustgewinn aus verschiedenen Körperzonen (erogenen Zonen), auch für das Kleinkind relevant ist Postulat von Partialtrieben und ihrer allmählichen Entwicklung und Integration zum reifen Genitaltrieb (oral, anal, genital) - diese körperlichen Lustquellen geben aber nicht den Ausschlag für die Entwicklung des psychischen Organismus Relativierung der Libidotheorie - Der Inhalt der Termini hat sich aufgrund dieser Ergänzungen, Modifizierungen und Revidierungen erheblich erweitert z.B. Oralität meint auch: Bedürfnisse nach Geborgenheit, Hautkontakt, Wärme, Anklammerung, Sicherheit. 1. Das erste Lebensjahr: primärer Zustand, Symbiose, beginnende Differenzierung, Oralität 91 - FREUD früher: primären Zustand der ersten Wochen und Monate zunächst eine Objektliebe zur Mutter danach im Stadium des Autoerotismus (Selbstbefriedigung) eine Abwendung vom Objekt später eine erneute Zuwendung Konzept des »primären Narzißmus« (1914): es gibt einen ursprünglichen subjektiven Zustand der Unabhängigkeit von der Umwelt Unterschied zu M. Balint: Säugling sei in hohem Maße abhängig und irritierbar von der Umgebung der primäre Narzißmus nach FREUD sei ein Zustand ungetrübter Harmonie - Bsp.: Kind weint in den ersten Wochen viel und hört aber oft auf, wenn es aufgenommen wird 17 92 offenbar der Wunsch nach Körperkontakt Die Anerkennung eines solchen Wunsches würde die Anerkennung einer nachgewiesenen Objektbeziehung bedeuten, damit wäre aber der Urnarzißmus in Frage gestellt. BOWLBY: die Objektbindung ist von Anfang an da durch zumindest fünf angeborene Reaktionen (Schreien, Lächeln, Saugen, Nachfolgen und Anklammern) gesichert - Mentzos: es gibt hier noch keine inneren Repräsentanzen von Selbst und Objekt daher sinnlos von Objektbeziehung oder deren Fehlen zu sprechen aber: die Abhängigkeit zwischen Mutter und Kind klar - Das Kind sucht nach Nahrung und oraler Lust als auch nach Kontakt es geht also um die Anerkennung von unabhängigen Selbstbedürfnissen 93 - stärker verbreitet: schwer fassbare Störungen der Mutter-Kind-Beziehung, die gewisse erworbene Prädispositionen hinterlassen, die für Psychopathologie von großer Wichtigkeit sind, - Erweiterung: Auffassung von den Selbstbedürfnissen im 1. J. In den ersten Monaten: Unterscheidung zwischen Selbstbedürfnissen und Triebbedürfnissen wegen der noch fehlenden Differenzierung zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen vom subjektiven Erleben her nicht möglich 94 Unterscheidung: innen und außen (Spitz) mit dem Dreimonatslächeln (d.h. das Kid fixiert mit den Augen) Die Bedeutung von Frustration für die Entwicklung - daß die Subjekt-Objekt-Trennung und die allmähliche Bildung von kohärenten Selbst- und Objektrepräsentanzen nicht nur durch primäre Verselbständigungstendenzen, sondern auch durch die schmerzlichen, frustrierenden Erfahrungen gefördert wird Zweiter Teil V. Klassifikatorische Probleme und der konkrete Fall 1. Gibt es »die Neurose«? 107 - Neurotische Störungen: sind gestörte Persönlichkeitsentwicklungen und deren Folgen - FREUD: bemühte sich um ein umfassendes Modell, bei dem er einer 18 bestimmten Symptomatik eine besondere psychische Entstehungsart (Psychogenese), ein besonderer Konflikt, bestimmte Abwehrmechanismen sowie bestimmte Charaktermerkmale zuschrieb er hat es für die Gruppen Zwang, Hysterie, z.T. für Phobien und neurotische Depression versucht 108 hat sich nur teilweise bewährt: oft trifft man nicht die zu erwartenden Kombinationen von Psychogenese, Konfliktart, Abwehrmechanismen und Symptomen - Aus diesem Grunde: eine mehrdimensionale Diagnose auf verschiedenen Ebenen wichtig scheint dabei auch der Reifungsgrad, der Entwicklungszustand und im Zusammenhang damit die Kohäsion, die Beschaffenheit und Funktionsfähigkeit des Ichs (Selbst) die in der früheren Psychoanalyse beschriebenen klassischen Neurosetypen waren nur die relativ reiferen und heute vielleicht seltener gewordenen Formen psychischer Störungen sichtbar heute steht aber eher die Selbstpathologie im Vordergrund 2. Ein dreidimensionales Modell - 3 Dimensionen a) die Art des zugrundeliegenden, zentralen Konfliktes und der daraus entstehenden sekundären Konflikte; b) der Reifungsgrad, die Kohäsion, überhaupt die strukturelle Beschaffenheit des Ichs (Selbst), insbesondere die Frage nach Art und Ausprägung eventueller struktureller Mängel; c) die im Vordergrund stehenden Abwehr-, Ersatzbefriedigungs- und Reparationsvorgänge bzw. Mechanismen, die in ihrer Gesamtheit jeweils den charakteristischen Modus der Verarbeitung des Konfliktes darstellen. »Modus« = das »Ganze« der Reaktion und auf die Art des Umgangs mit den äußeren und inneren »Objekten« 3. Aus der Krankengeschichte von Lydia R.: Ein nur scheinbar ödipaler Konflikt - Dieser bemerkenswerte Wechsel in den Gefühlen und Empfindungen der Patientin kann viel besser so verstanden werden, daß es eigentlich um die Frage geht, wer vom anderen abhängig ist. Die Patientin möchte begehrt werden; sie möchte auch, daß der Partner regelrecht von ihr abhängig ist 19 nicht, um es auszunutzen oder aus Rache, sondern weil sie sich nur auf diese Weise sicher fühlt VI. Die Variationen des pathologischen Konflikts - Versuch einer Systematik 1. Die Grenzen des Dreiinstanzenmodells 120 - Konflikt: Zusammenstoß zwischen entgegengesetzten Tendenzen von Freud wurden diese Tendenzen drei Instanzen zugeordnet es lässt sich nun abstrahieren und die Konflikte als Konflikte zwischen den 3 Instanzen begreifen a) Ich gegen Es: - Ich setzt sich gegen triebhafte Impulse zu Wehr (z.B. bei Aufschub einer Trieberfüllung) b) Über-Ich gegen Es: - z.B. eine plötzlich einsetzende Impotenz, wenn sonst ein Tabu gebrochen würde c) Ich gegen Über-Ich und Es: 121 - in der Zwangsneurose aber diese Klassifikation reicht nicht aus 1. die drei Instanzen entstehen erst recht spät, so dass ein Konflikt zwischen den drei Instanzen noch gar nicht möglich ist Des weiteren ist es kaum möglich, die großen Spannungen, die aus dem Gegensatz zwischen »guten« und »bösen« Selbstanteilen resultieren, als einen Konflikt zwischen Instanzen zu beschreiben 2. Z.T. ergeben sich spätere Konflikte auch nicht zwischen 2 Instanzen, sondern zwischen Anteilen ein- und derselben Instanz 122 - Später: Versuch zwischen intersystemischen (zwischen den Instanzen) und intrasystemischen (innerhalb der Instanzen) Konflikten zu unterscheiden - Konflikt erst: wenn sich Hemmungen, Blockierungen, Gegensysteme zum Zwecke der Abwehr aufgebaut oder wenn die normal gegebenen Bipolaritäten zu Konflikten gefestigt haben 123 Der Versuch, den Konflikt mit den Begriffen des Dreiinstanzenmodells zu beschreiben, bringt kaum neue Erkenntnisse Besser: Gesichtspunkt der Genese hervorzuheben und die Entstehung der Konflikte innerhalb der Entwicklung und im Zusammenhang mit dem Mißlingen der Lösung der jeweiligen phasenspezifischen Aufgaben zu 20 erörtern. es ist eine entwicklungspsychologisch orientierte Konflikteinteilung, die sich nach der typischen und zunächst »normalen« Konfliktsituation innerhalb der Entwicklung richtet 2. Die primären Konflikte a) Symbiotische Verschmelzung versus Subjekt-Objektdifferenzierung - Hauptaufgabe im 1. J.: Symbioseablösung überwinden damit die Errichtung der ersten Selbst- und Objektrepräsentanzen zu ermöglichen Symbioseablösung und Frust führt zu Objektspaltung in ‚nur gutes Selbst’ ‚nur böses Objekt’ mittels der primitiven Abwehr projektionsund Introjektionsvorgänge 124 die Überwindung der Krise führt zu Subjekt-Objekt-Trennung und zur Aufhebung der Spaltung (Integration zu kohärenten Selbst- und Objektrepräsentanzen) - Bei ausreichender Bemutterung: Gute Verarbeitung der Symbioseablösung und Sicherung des Urvertrauen Wir die Aufgabe nicht oder nur mangelhaft erfüllt: eine Prädisposition für spätere (psychotische) Fragmentierungen oder grobe Projektionen (Wahn) bleibt zurück (freilich nur, wenn auch einige andere Voraussetzungen erfüllt sind). b) Abhängigkeit versus Autonomie - 2. und 3. J.: trotz Abhängigkeit vom Primärobjekt und trotz der starken emotionalen Beziehung zur Mutter muss eine Verselbständigung (Autonomie) erfolgen gelingt die Aufgabe: Separation-Individuation d.h: Autonomiegewinnung und Erreichung der Objektkonstanz 125 misslingt dies: rigide Polarisierung zwischen objektbezogenen und narzisstischen Bedürfnissen nur Beachtung der Abhängigkeit: das eigene Selbst wird oft unterdrückt (Disposition zur Depression, andere narzisstische Störungen, Psychosomatik und Zwang) Reifung der Objektkonstanz kann durch pathologischen A-A-Konflikt beeinträchtigt werden (Voraussetzung für Angstneurose) 21 - Frage: warum tritt mal die und mal eine andere Störung auf? wichtig ist die Besonderheit der frühen Objektbeziehung c) Dyadische versus triadische Beziehung: der ödipale Konflikt (4-5. J.) 126 - Das Kind soll also den Konflikt, die Rivalität, die Spannung, die Aggression und die sonstigen unvermeidlichen Konsequenzen der Dreierbeziehung bis zu einem gewissen Grade ertragen können es muss mit autoplastischen Anpassungen reagieren (?) - Wichtig für Die Lösung des Konflikts: ausreichendes Selbstvertrauen, eine erreichte Objektkonstanz und eine tragfähige Beziehung zu den Eltern - Hier geht es um die Konflikte: zwischen heterosexuellen libidinösen Impulsen einerseits und Inzesttabu und Kastrationsangst andererseits; zwischen heterosexuellen und homosexuellen Tendenzen (positiver und negativer Ödipuskomplex), um den Konflikt zwischen (auf den gegengeschlechtlichen Elternteil gerichteten) Triebbedürfnissen und narzißtischen (Selbst)Bedürfnissen dem gleichgeschlechtlichen Elternteil gegenüber 127 - Dilemma: Sicherheit und Beschränkungen der dyadischen Beziehung versus Chancen (und Risiken) der Dreierbeziehung. - Wird dies nicht geschafft: Disposition für Psychoneurose (hysterisch oder phobisch ausgestaltete neurot. Störung mit ödipaler Problematik) d) Sicherheit der Primärgruppe versus Risiken (und Chancen) der Sekundärgruppen (6-10.J.) - Konflikt: Tendenz, ausschließlich in die Sicherheit der Primärgruppe zu flüchten (Minderwertigkeitsgefühle) versus praktisches und soziales Handeln innerhalb der sekundären Gruppen Misserfolge müssen in dieser Phase kompensiert werden, ohne die Individuelle Entwicklung zu gefährden e) Genitalität und Identität versus infantile Bindungen und Identitätsdiffusion (12.-16/18.J.) 128 - Konflikte wieder: Beharren in den infantilen Bindungen versus Risikos der Ablösung - Bei-den-kindlichen-Identifikationen-Bleiben versus Die-eigene-Identität-suchen-und-Riskieren. 22 Scheitern: Identitätsdiffusion, Identitätskrisen oder Ausbrechen psychotischer Störungen sind in der Pubertät 3. Gemeinsamkeiten der primären Grundkonflikte a) in allen Lebensphasen eine schwierige Trennung (aus Symbiose, aus Abhängigkeit, aus Dyade, aus Ausschließlichkeit der Primärgruppe und aus den infantilen Bindungen) 129 die zu leistende Trennung ist der erforderliche Preis für einen Neubeginn: für Verselbständigung, Autonomie, Freiheit und die Möglichkeit, Neues zu entdecken und zu erobern, sich anzueignen und zu genießen b) Die Trennungen und Auflösungen von Bindungen ermöglichen neue Bindungen auf einer anderen Ebene Distanz und Verselbständigung machen somit neue Bindungen möglich, wodurch die Konflikt sich auf einer jeweils höheren Ebene wiederholen Die konstruktive Lösung ermöglicht eine höhere Differenzierung und Integration 130 - Aus dem Konflikt Symbiose–Separation (Abhängigkeits-AutonomieKonflikt) ergeben sich eine Fülle neurotischer Phänomene unterschiedlicher »Reife« wichtig ist, daß dieser Konflikt in seinen verschiedenen Variationen auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen abgehandelt werden kann c) Die Konflikte aller beschriebenen Stufen sind im Grunde einfach als Variationen eines Grundkonfliktes zwischen libidinösen Trieb- bzw. Kontaktbedürfnissen einerseits und narzißtischen Verselbständigungstendenzen zu verstehen Aber: beide Gruppen von Bedürfnissen und ihre Befriedigung verstärken sich und »bedienen« sich ihrer gegenseitig. So trägt z. B. die genitale Befriedigung normalerweise zur narzißtischen Stärkung und Stabilisierung bei (ebenso die konstruktiv-aggressiven) 131 Nur in bestimmten krisenhaften Entwicklungsperioden und bei vielen neurotischen Störungen bilden sich solche permanenten Gegensätze als nunmehr pathologische Konflikte aus (z. B. wenn Triebbefriedigung als Beschämung empfunden wird, die somit zur Herabsetzung des Selbstwertgefühls führt) d) Es rückt nun mehr der prägenitale Konflikt in den Vordergrund: 23 Verständnis aller Grundkonflikte als Variation des zentralen Gegensatzes zwischen Bindung-Abhängigkeit und AutonomieSelbstverwirklichung Als Variation des ödipalen Konfliktes: Die Bestandteile des ödipalen Konflikts können als spezieller Fall des zentralen Abhängigkeits-Autonomie-Konfliktes beschrieben werden es geht um den Konflikt Kontakt- bzw. Triebwunsch und Kastrationsangst (also aus dem Sicherheitsbedürfnis des Selbst heraus!) und den Gegensatz zwischen libidinösen Objektbeziehungen und der narzißtischen Selbstobjektbeziehung - Aber: der ö.-Konflikt wird oft zum zentralen Anlass einer neurotischen Störung (auf die Triade reagiert man am schwersten flexibel) e) aggressiven Konflikte zählt er zu den sekundären 4. Die Komplizierung durch die Reaktionen auf die Grundkonflikte Sekundäre Konflikte 134 - Das klinische Bild wird meist nicht direkt vom zugrundeliegenden Konflikt beherrscht, sondern von den Reaktionen darauf. Der Grundkonflikt ist zwar in der Dynamik dieser Störung enthalten, die aktuelle Dynamik wird aber meistens von den im Laufe der Zeit entstandenen und zum Teil chronisch gewordenen Reaktionen darauf bestimmt 135 Die Abwehrsysteme werden also oft selbst zum Problem - Sekundäre Phänomene, die als Reaktionen auf den Grundkonflikt und die durch ihn hervorgerufene innere Spannung zu verstehen sind, führen schließlich zu sekundären Konflikten. Bsp: So leidet der Zwangsneurotiker an seinen nicht mehr zu beherrschenden Zwängen oder der narzißtisch gestörte Patient an seiner mimosenhaften, »allergischen« Empfindsamkeit und Kränkbarkeit usw man muss oft durch übereinanderliegende Konflikte zum zentralen vorstoßen Aggressivierung 135 - Die Neurotisierung eines Konfliktes impliziert fast regelmäßig eine asymmetrische »Bevorzugung« des einen Pols 24 Abhängigkeitswünsche werden z. B. zurückgestellt und das Autonomiebedürfnis in fast übertriebener Weise kultiviert. 136 - es muss immer eine rivalisierende Strebung unterdrückt werden dann entsteht Aggression diese wird nun zum neuen Problem (oft zum Hauptproblem), da sie zurückgestellt und verdrängt werden muss Bsp: Depressive Patienten z.B. »lösen« das Problem der Trennung und des damit verbundenen Schmerzes dadurch, dass sie sich von allen Objekten zurückziehen. Damit frustrieren sie sich aber noch mehr. Die dabei entstehende Aggressivität kann nicht anders als durch die Wendung gegen sich selbst verarbeitet werden. So kommt es zu Selbstbestrafung, Selbstschädigung, Selbstverurteilung Das Über-Ich 137 - Das noch schwache Ich des Kindes kann nicht erkennen, was für es sozial angepaßt und somit für die Abwendung von Gefahren und die Sicherung von Befriedigungen gut ist. Das Über-Ich ist ein aus dieser Situation heraus zwangsläufig entstehendes »Anpassungsorgan«, ein System von Verhaltensregeln, die dadurch, daß sie von den wichtigen Bezugspersonen per Internalisierung übernommen wurden, dem Kind eine glatte Anpassung bzw. Vermeidung von Strafe und Liebesentzug zu garantieren scheinen irgendwann beherrscht das Anpassungsorgan aber das Ich - wichtig: Das Ziel der Behandlung kann nicht nur die Lockerung der Über-Ich-Rigidität sein; auch die primären Konflikte, die damals diese Rigidität des Über-Ichs »notwendig« gemacht haben, müssen in der Therapie wieder belebt und verarbeitet werden Vll. Die Variationen der strukturellen Mängel (Selbstpathologie) 142 - die Störungen, die auf einer pathologischen Verarbeitung sehr früher Konflikte beruhen, vorwiegend durch die dabei entstehenden strukturellen Mängel, also durch »das, was fehlt«, und nicht durch die Konflikte selbst charakterisiert sind. Selbstpathologie - Systematik der strukturellen Mängel (nach dem Muster der Unterteilung der Grundkonflikte) Kohut: Unterteilung in primäre und sekundäre Störungen des Selbst 25 (Letztere: akute und chronische Reaktionen eines eigentlich konsolidierten, etablierten Selbst auf die Wechselfälle der Lebenserfahrungen dar) - primären Störungen von Kohut: Die Psychosen, die Borderline-Zustände, die schizoiden und paranoiden Persönlichkeiten, die narzißtischen Persönlichkeitsstörungen und die narzißtischen Verhaltensstörungen (wobei KOHUT unter den letzteren Perversion, Delinquenz und Sucht versteht) nicht stringent: hier werden mal die strukturellen Mängel als solche, mal die Reaktionen (Abwehr- und Reparationsvorgänge) darauf berücksichtigt 143 M. versucht es zu trennen: da gleiche Konflikt und der gleiche strukturelle Mangel durch jeweils verschiedene Abwehrmechanismen oder Reparationsversuche kompensiert wird und umgekehrt, daß die gleichen Abwehrvorgänge und Reparationen bei verschiedenen strukturellen Mängeln zum Tragen kommen. - Selbstobjekte: sind »Objekte«, Bezugspersonen, die wir als Teil unseres Selbst erleben die, die auf das Gefühl von Lebenskraft, Größe reagieren (bestätigende) = spiegelnde Selbstobj. die, zu denen das Kind aufblicken, mit deren Allmacht es verschmelzen kann = idealisierte Elternimago je nach der Qualität der Interaktion mit den Selbstobjekten wird das Kind gesund oder mit beschädigter Struktur groß werden es ergeben sich verschiedene Kohärenzen, Vitalitäten und funktionale Harmonien - Hieraus: Systematik der strukturellen Mängel von Mentzos (unabhängig der Abwehr): 1. Psychosen 144 a) Hier ist das Kern-Selbst nicht kohärent durch biologische Gegebenheiten weil im frühen Leben auf die Gesamtheit und Kontinuität dieses Kern-Selbst nicht einmal mit minimal effizienter Spiegelung reagiert wurde Schizophrenie b) Gewisse Kohärenz, aber 26 durch biologische Faktoren in Wechselwirkung mit einem ausgeprägten Mangel an freudigen Reaktionen auf die Existenz des Kindes und auf seine Selbstbehauptung zu einer massiven Entleerung von Selbstwertgefühl und Vitalität es findet hier also keine emotionale Bestätigung statt leere Depression c) Kern-Selbst konnte zu bestimmten Zeiten nicht an der Ruhe und Sicherheit eines idealisierten Erwachsenen teilhaben, d.h., mit einem idealisierten Selbstobjekt verschmolzen sein Kohut: »eine ungebändigte Neigung zur Ausbreitung unrealistisch überhöhter Selbstbilligung (Manie) oder Selbstablehnung oder Selbstbeschuldigung (Schulddepression)« 145 Arieti: übertrieben pflichtbewusste Mutter bemuttert das Kind zunächst ausreichend, Anfang des 2. J. verlangt sie aber zu viel von ihm (übertragung des eigenen überhöhten Über-Ichs aufs Kind) manisch-depressiv Menschen sind nicht analysierbar 2. Borderline-Zustände - Kohut: Nähe zu Psychose mit permanenten Auseinanderbrechen und einem funktionales Chaos des Kern-Selbst - Andere: viele sehen die Ich-schwäche als nicht so groß an, dies seien eher Abwehrvorgänge - Mentzos: struktureller Mangel besteht in einer recht schwachen Integration der positiven und negativen (»guten« und »bösen«) Anteile sowohl der Objekt- als auch der Selbstrepräsentanz - Genese: mangelhafte Festigung der Integration in der Wiederannäherung Kohut: Menschen sind nicht analysierbar Kernberg: sind sie doch 3. Narzißtische Störungen im engeren Sinne (KOHUT) 146 - Regulation des Selbstwertgefühls steht im Vordergrund - Kohut: die darunterliegende Störung, das Auseinanderbrechen, die Schwächung oder Verzerrung des Selbst sei nur temporär 27 - 2 Untergruppen: 1. narzisstische Verhaltensstörungen (Perversionen, pathologische Delinquenz" oder süchtiges Verhalten) 2. narzisstische Persönlichkeitsstörungen (z. B. Hypochondrie, Depression, Überempfindlichkeit gegen Zurücksetzungen, Mangel an Lebensfreude) Symptome »nicht in erster Linie die Aktionen und Interaktionen des Individuums betreffen, sondern vielmehr seinen psychologischen Zustand« Menschen sind analysierbar 4. Exkurs: Zur Kontroverse der Somatogenese versus Psychogenese psychotischer Störungen 147 - Es steht also außer Frage, daß es somatogene (körperlich bedingte) Psychosen gibt. 148 - Modell zur Erklärung der Störungen: 1. Psychotische sollte angesehen werden als ein schwerer (akuten oder chronischen) strukturellen Mangel (fehlende Kohärenz, Fragmentierungstendenz, vitale Entleerung), der mit archaisch-primitiven Abwehrmechanismen (und Reparationsmechanismen) wie Projektion, Verleugnung, Introjektion beantwortet wird psychotische Strukturmängel und Abwehrvorgänge treten aber meist bei somatisch mitbedingten Störungen auftreten 149 2. Psychodynamisches Konzept bei somatogenen Störungen: ermöglichen einer Verbindung zwischen biologischer Konstellation und psychotischem Erleben und Verhalten 3. Auch bei den somatogenen psychischen Störungen wird der Schweregrad durch die im Laufe der Entwicklung erworbene psychische Struktur mitbestimmt 152 - Psychose: Im Vordergrund stehen der strukturelle Mangel, die Ich-Schwäche, die Unreife der Abwehrmechanismen Neurose: Im Vordergrund stehen der Konflikt sowie die reiferen Abwehrmechanismen. eventuell gleichzeitig vorhandene Ich-Störung oder Ich-Schwäche ist hier nur sekundär oder nur eine sehr begrenzte und wenig ausgeprägte VIII. Variationen der reiferen (»psychoneurotischen«) Modi der Konfliktverarbeitung 28 1. Der hysterische Modus 153 - Historie: Die alten Ägypter und Griechen brachten diese hysterischen Phänomene mit einer »Wanderung« der Gebärmutter im Körper in Zusammenhang. Mittelalter: Menschen, die vom Teufel besessen sind 18. Jh.: Gynäkologische und im 19. Jh. als neurologische Erkrankung - Freud entdeckte, dass hysterische Erscheinungen Folgen von neurotischen Verarbeitungen intrapsychischer Konflikte sind (endeckung: Symptome verschwinden bei Hypnotischer Verdrängung aus dem Bewusstsein mit Erinnerung der Affekte) Psychodynamik hysterischer Symptome: Kompromißbildung zwischen dem abgewehrten Impuls und der verdrängenden Ich-Instanz - Der typische Modus der Symptombildung: derjenige der Konversion (also der Umsetzung eines psychischen Konfliktes in somatische Symptome). zunächst energetische Konzeption: aufgestaute libidinöse Energie wird in somatische Innervation konvertiert 154 dann wurde die symbolische Funktion wichtig: Die Symptome drücken verdrängte Inhalte (Vorstellungen und Gefühle) durch den Körper aus - 3 Gruppen von hysterischen Phänomenen: a) Körperliche »Funktionsstörungen« (Lähmungen, Seh-, Hör-, Gleichgewichts-, Sprechstörungen usw.) körperl. Erkrankungen werden unbewusst imitiert, ohne entsprechende organische pathologische Befunde 155 b) Dissoziative Phänomene (psychische »Funktionsstörungen« wie abgegrenzte Erinnerungslücken für bestimmte Zeitabschnitte (Amnesien), Bewußtseinsstörungen wie psychogene Dämmerzustände, hysterische Ich-Spaltungen, hysterische Pseudohalluzinationen etc) c) Hysterische Charakterzüge (Verhaltensmuster: Tendenz zur Dramatisierung, nicht zwischen Phantasie und Realität unterscheiden können, ausgeprägte Suggestibilität, übertriebene Koketterie und Theatralik) - Offenbar liegt hier ein gemeinsamer Modus der neurotischen Verarbeitung des Konflikts vor 29 --------- unspezifische Mechanismen: massive Identifikationsprozesse (entweder mit konkret beobachteten kranken Patienten oder mit bestimmten stereotypen Vorstellungen davon, wie eine Krankheit aussieht) Bsp: S. 156 157 Konversion Verdrängung (ins unbewusste) Dissoziation (nebeneinander existierende Bewusstseinsinhalte) Emotionalisierung - Spezifisch für hysterischen Modus: für den äußeren und den inneren (Über-Ich) Beobachter findet eine Inszenierung statt - Sinn: Durch das, was ausgedrückt und inszeniert wird, kann der Betreffende »in einem anderen Licht erscheinen« eine passagere, inszenierte Änderung der Selbstrepräsentanz. 158 - 2 Gruppen: 1. pseudoregressiv: Patient erscheint schwächer, kränklicher, hilfloser, verzweifelter, verrückter als er ist Symptome: Lähmung, Sprachstörung, Taubheit, bestimmte Formen von Impotenz und Frigidität, demonstrative Selbstmordversuche, »Nervenzusammenbrüche« pseudodepressive hysterische Bilder, Dämmerzustände, ohnmachtsähnliche Zustände, hilflos pseudodementive Bilder usw. 2. pseudoprogressiv: Pat. erscheint als stärker, reifer, attraktiver, erfolgreicher, potenter, vitaler, dominierender, angstfreier, unerschrockener Don-Juanismus, alle anderen phallisch-narzißtischen Charaktere - Darunterliegende Grundkonflikte Konflikte aus der ödipalen Phase Konflikte aus der oralen Phase ( unvollständige Symbioseablösung und alle anderen nicht konstruktiv verarbeiteten Trennungen) auch eine narzißtische (Selbst) Problematik (strukturelle Mängel im Bereich der Regulation des Selbstwertgefühls) 30 - dreidimensionale Diagnostik (Modus der Verarbeitung, die Konfliktart und die strukturelle Beschaffenheit) Diagnose »Hysterie« ist unzulässig: wegen ihrer Vieldeutigkeit (sofern die Symptomatik gemeint ist) und ihrer Einseitigkeit (sofern nur die ödipalen Konflikte berücksichtigt werden) - Epidemiologie: Westeuropa recht selten (durch fortschreitende Aufklärung und Intellektualisierung müssen die Pat. stärker in die Regression verfallen (z.B. Ulcus) oder feinere Formen entwickeln (z.B. Nervenzusammenbrüche oder Pseudodepressive Phasen)) 2. Der zwangsneurotische Modus a) Zwangssymptomatik und ihre Dynamik - Zwangsideen, Zwangsimpulse und Zwangshandlung 160 sie werden als ich-dyston empfunden – Bei Versuch, dem zu widerstehen: zunehmende, ängstlich gefärbte innere Spannung, die schließlich so unerträglich wird, daß er sich doch seinen Zwängen beugen muß es kommt zu ritualisierten Widerholungen - Symptomzwangsneurose: viele haben leichte Zwänge, bei den Gestörten beherrschen sie aber das gesamte Leben in zeitlich abgegrenzten Perioden und breiten sich aus 161 - Charakterzwangsneurose: Charakterzüge wie z.B. übertriebene Ordentlichkeit, Sauberkeit, Sparsamkeit, Rigidität, Überkorrektheit Psychodynamik - es geht um Kompromißbildungen zwischen abgewehrten Impulsen und abwehrenden Tendenzen, mal Fall mehr das Abgewehrte (z. B. der Impuls, in der Kirche unflätige Äußerungen laut von sich zu geben), das andere Mal wiederum die Abwehrkomponente (Waschzwang, wiedergutmachende magische Handlung usw.) im Vordergrund steht. Abwehr: Affektisolierung, Ungeschehenmachen, Reaktionsbildung Isolierung, Intellektualisierung und Rationalisierung 162 - Gegenstück zum hysterischen Modus: Zwängler interessiert sich nicht, wie er erscheint (Unterschiede: S. 162) 31 Versuch, die Folgen der Handlung mit Hilfe eines regredierten, magischen Handelns zu kontrollieren erinnert an die Welt der Primitiven und an die des Kleinkindes in der analen Phase erinnert (z.B. symbolisches Abwaschen von Schuld) – Da es auch bei psychot. Depression, Schizo, Enzcephalitis und Hirnorganischen Erkrankung auftaucht: inwiefern ist der Zwang nicht viel allgemeiner ein relativ unspezifisches, »frühes« und regressiv (in Belastungs- und Gefährdungssituation) mobilisiertes Reaktions- und Bewältigungsmuster 163 Anale Phase: »Allmacht der Gedanken«, das symbolische Denken, die symbolische Wiedergutmachung und besonders das Prinzip der Wiederholung hat in der analen Phase, eine wichtige adaptive und strukturbildende Funktion daß unter pathologischen Bedingungen bei Menschen, die in dieser Zeit eine Fixierung erfahren haben, in späteren Belastungssituationen ein regressiver Rückgriff auf diese Ich-Organisation und die entsprechenden Bewältigungsmechanismen erfolgt. b) Welche Konflikte werden durch den zwangsneurotischen Modus verarbeitet? - Frühere: Triebkomponenten enthalten und verarbeitet, die bei der anal-sadistischen Phase im Vordergrund stehen (Konflikt: zwischen analaggressiven und anal-erotischen Tendenzen) - Modifizierung: allgemeiner Konflikt »Gehorsam versus Sich-Auflehnen« - Das Kind wird durch Einmischen und dominierende Tendenzen der Mutter in seinen Autonomiestrebungen gestört und reagiert auf ihre Befehle, Verbote und Strafen entweder mit Wut oder auch mit angstvollem Gehorsam 164 zwangsneurotischen Struktur werde durch Mütter gefördert, die auf die Selbständigkeitsbestrebungen des Kindes mit Liebesentzug, kontrollierender Strenge und Disziplinierung reagieren Konflikt zwischen Ich und Über-Ich später: externer Konflikt mit der Mutter wird zu einem inneren Konflikt zwischen Über-Ich, dem nach Autonomie strebenden Ich (und den 32 Es-Impulsen) ursprüngliche Angst vor Strafe verwandelt sich z.T. in Schuldgefühl Ich: ständig bemüht, Schuldgefühle abzubauen (Wiedergutmachungsaktion) und die Es-Impulse zurückzudrängen (um keine Strafe von Über-Ich zu empfangen) – Unterschied zu Depression: Zwang hält das Ich mit Hilfe der Abwehr das Über-Ich noch gut in schach (keine Selbstdestruktion wie bei Depression) - Da Zwangserscheinungen auch bei Gesunden als auch in psychotischdepressiven Phasen bei der Psychose auftauchen, ist deren auftauchen nicht ausreichend für eine Diagnose einer Psychoneurose (mit Ich-Über-IchKonflikt) 3. Der phobische Modus 165 - unbegründete oder jedenfalls objektiv nicht gerechtfertigte Furcht vor bestimmten Situationen oder Objekten Psychodynamik 167 - Psychoanalytisch: Resultat eines Abwehrvorgangs: Bewußtseinsinhalte, die Angst erzeugen, werden verdrängt An Stelle der ursprünglichen Inhalte (Vorstellungen und/oder Gefühle) werden belanglose äußere Situationen gesetzt, d. h. die Angst wird verschoben Bsp. 165 + 166 - Abwehr: Verschiebung (aus der inneren Gefahr wird eine äußere konstruiert: eine Gefahr, die den »Vorteil« hat, daß sie eben leicht vermieden werden kann) - Angst als Pseudoprogressive Lösung: 1. Verdrängung der Angst vor einer bestimmten inneren Situation dadurch wird aber die unreifere Angst (diffuse) gefördert 2. Vermeidung der diffusen Angst durch einen künstlichen Inhalt (z.B. vor Brücken usw.) Phobie (Greenson: »Eine Phobie ist die Abwehr gegen Angst. Eine Form der Angst wird als Abwehr gegen eine andere Angst benutzt.«) Die phobische » Wahl« - Wird der (Angst-)Gegenstandes durch die spezifische Konfliktkonstellation determinierte? offenbar ist der symbolischen Wert für den Angstgegenstand wichtig: 33 z.B. Straßenphobie kann die Angst vor verdrängten exhibitionistischen Tendenzen symbolisieren (Angst, sich in der Öffentlichkeit nackt zu zeigen oder Angst auf die Straße zu gehen, also Prostituierte zu werden). begünstigend wirken: Gestaltähnlichkeiten, gemeinsame Merkmale Auswahl nach dem Prinzip der Konditionierung - Unterschied Analyse – VT: Fixierung der Phobie nur auf die zufällige Konditionierung (Verhaltenstherapie) oder auf Verschiebung und auf den dahinterstehenden Konflikt (Psychoanalyse) zurückzuführen Zwang und Phobie 169 - Es gibt kaum eine Zwangsneurose ohne phobische Elemente und keine Phobie, die nicht auch zwanghaftes enthält Welche Konflikte werden vorwiegend mit Hilfe des phobischen Modus verarbeitet? 170 - traditionelle Analyse: meist genitale, ödipale Konflikte (der kleine Hans) - Neuere Analyse: Phobien (in ähnlicher Weise wie auch andere Angstreaktionen) beziehen sich auf einen Objektverlust (Liebesentzug) und stehen primär mit einer Gefährdung der dyadischen Mutter-Kind-Beziehung in Zusammenhang - Greenson: bei verschiedenen Arten von Konflikten und auf verschiedenen Ebenen Der phobische Charakter – Phobischer Charaker: (Fenichel) lebhafte Gefühle (äußere-innere Sit.), Mentzos: wichtig ist die Vermeidung (bei Neurose auch verschiebung) - Konflikte bei phobischen Charakteren werden dadurch pseudogelöst, daß Situationen oder psychische Zustände, die eigentlich erwünscht (aber gefürchtet) sind, vermieden werden (Verschiebung ist dabei nicht unbedingt erforderlich) 171 - Kontraphobisch = es werden Situationen aufgesucht, die zwar erwünscht sind, aber auch Angst machen (wichtig ist verschiebung, da die Sit. Oft symbolischen Charakter haben wichtig: meist narzisstische Kompensationen 4. Der angstneurotische Modus - Freud: Aktualneurosen = Angstneurose, Hypochondrie und Neurasthenie (im Unterschied zu den Psychoneurosen) Zunächst ging er von mechanischer Libidostauung aus, später ging er 34 von intrapsych. Konflikt aus 2. Angsttheorie: interpretation er Angst als Ich-Leistung mit Signalfunktion - Angstneurotischer Anfall: Zustand intensiver Angst, der sich aber weniger auf konkrete Objekte oder Situationen bezieht (eher diffuse Angst) begleitet von einer ausgeprägten Beschleunigung der Pulsfrequenz (Tachykardie), Ansteigen des Blutdrucks, Schweißausbrüchen, Gesichtsröte, tiefer und forcierter Atmung und anderen vegetativen Erscheinungen 173 im Vordergrund steht meist: die Vorstellung umzufallen oder in eine extreme Situation der Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit zu geraten Psychodynamik - häufige Vorstellung: Angstneurose bedeutet nur den Zusammenbruch der sonst wirksamen Abwehr dies sei falsch 1. Die Angst bei Angstneurose ist meist unspezifisch, bei fast allen Angstzuständen tritt sie auf 2. selbst wenn hier die Abwehr zusammenbricht, so stellt die während dieses Anfalls vom Patienten bewußt erlebte Angst jedoch bereits eine schon verarbeitete und nicht mehr die eigentliche, ursprüngliche Angst dar - bewußt erlebte Angst vor dem Verlust der physischen Existenz verbirgt eine tieferliegende Angst vor Selbstverlust (Verlust der psychischen Existenz) - 3 Formen: 174 a) Erstes Zeichen bei Angstneurotikern: ein somatischer Anfall die Resomatisierung bietet sich nun als Kristallisationskern für eine Art phobischer Symptombildung an Angst vor Herzstillstand anstelle von Angst vor dem Selbstverlust b) Z.T. auch ein akutes körperliches Ereignis empfunden, was jedoch einfach zufällige körperliche Ereignisse aus anderen Gründen sind ebenfalls ein Kristallisationspunkt für phobische Symptome c) Bei einigen wird Angst vor der Angst entwickelt Verschiebung der Angst vor dem Verlust der psychischen Existenz auf die Angst, einen Angstanfall zu bekommen 175 - Der angstneurotische Modus: aus der ursprünglichen Selbstverlustangst wird eine Angst vor dem angeblichen Versagen körperlicher Funktionen 35 oder vor dem Angstanfall selbst in Form einer phobischen Symptombildung Bei welchen Grundkonflikten findet der angstneurotische Modus Anwendung? - meist faktische oder symbolische Trennungssituationen 176 - angstneurotische Patient beantwortet eine Trennung oder einen Verlust mit existentieller Angst nicht (wie normalerweise) so sehr mit seelischem Schmerz Bsp. s. 175 Meist eine mangelhafte Ausbildung der Objektkonstanz eine schwache Ausbildung der Objektrepräsentanz, schwache Verinnerlichung des Objektes führt zugleich einer Labilisierung und Inkonstanz der Selbstrepräsentanz Die Bedeutung der Aggression 177 - Autonomiestreben und damit Aggression gegen die Sicherheit bietenden Objekte müssen verdrängt werden, da diese Objekte sonst gefährdet sind die Aggression muss in der Therap. gegen Therapeuten gerichtet werden Abgrenzung und Differenzierung des angstneurotischen Syndroms - Wichtig für Angstneurose (Abgrenzung zu Psychose/Borderline/narz.St.): 1. Schwäche der Objektkonstanz 2. wenn er anläßlich eines drohenden oder erfolgten Objektverlustes (sei es durch Trennung, sei es durch Aggression) entsteht 3. (symbolische) Angst vor einem Verlust der Selbstrepräsentanz als Angst um die physische Existenz dargestellt - Unterscheidung zweier Typen von Angstneurotikern: A: hilflos infantiles anklammert an die Sicherheit gewährenden Personen Psychodynamik: Kompensation der Objektkonstanz-Schwäche mit Sicherheit bietenden Objekten B: versuch, die Ängste in kontraphobischer Weise zu verleugnen, indem Unabhängigkeit und Stärke überbetont wird 178 Psychodynamik: Narzisstischer Modus, indem sie sich selber, ihr SelbstIdeal zur Sicherheit bietenden Instanz erheben Angstneurose und Depression - Angstneurose: Wenn ein Objekt wegfällt, dass dem Patienten vorwiegend Schutz und Sicherheit bietet 36 - Depression: Wenn ein Objekt wegfällt, dass im wesentlichen Liebe, Anerkennung und Bewunderung bietet, dann besteht die Gefahr des Verlustes des eigenen Wertes, was zur Depression führt Angstneurose und Phobie 179 - Keine scharfe Trennung Angstneurose – Phobie es taucht immer zuerst eine Angstneurose auf, die der Phobie vorausgeht Der Partner des angstneurotischen Patienten 180 - meist ist ein Sicherheit bietender Angehörigen vorhanden (psychosoz. Arrangement) wobei unterschwellig oft Spannungen existieren Gegenübertragung: Eindruck, daß man zu einer undifferenzierten, primitiven, nur mechanisch stützend wirkenden Einrichtung degradiert wird IX. Variationen der narzisstischen (aber nicht psychotischen) Verarbeitungsmodi 1. Der depressive Modus Psychodynamik 182 - Die Depression ist nicht mit der Angst, sondern mit der neurotischen Angst parallel zu setzen neurotische Angst: eine verfehlte oder sogar schädlich gewordene Reaktion, denn sie taucht dort auf, wo sie eigentlich nicht mehr nötig ist; sie nimmt überdimensionale Ausmaße an und trägt zur Bildung sinnloser, leidvoller Circuli vitiosi bei 184 Analoges gilt nun für die Depression als pathologischer Abart der Trauerreaktion pathologische Antwort auf Verlusterlebnisse - Bei Trauerreaktion und Depression: es entstehen drei Teufelskreise 1) eine Ich-Hemmung, eine Ich-Einschränkung in Form des Absinkens der Aktivität und der Leistung, einen Rückzug von der Welt (depr. Symp.) bei der Trauer ist das sinnvoll als Schutz vor äußeren Reizen, um eine Reorganisation zu ermöglichen (Freud: Trauerarbeit) beim depressiven Syndrom wird dies extrem: sie nimmt hier in ihrer Ausprägung und Intensität, als auch in ihrer Qualität den Charakter eines primitiven Abwehrmechanismus an Auf die Dauer hat dies keinen Schutzcharakter mehr, den dies haben 37 soll, sondern bewirkt das Gegenteil: Selbstachtung sinkt (Kern des depr. Syndroms) 2) bei Depression spielen Aggression und Autoaggression eine große Rolle - erster Hinweis durch K. Abraham (schüler freuds) 185 aufgrund der Enttäuschung, der Kränkung durch den Verlust entsteht (Frustrations-)Aggression diese wird aber autoaggressiv abgewehrt: Selbstvorwürfe, Anschuldigungen, Selbstanklagen, Nahrungsverweigerung, Selbstverstümmelung, Suizidalität, schließlich Selbstmord. Entartung eines normalen Mechanismus: je größer die Selbstbestrafung, desto größer wird die Wut (mit Aggressionsphantasien) diese müssen wiederum abgewehrt werden: Mit Wendung nach innen c) Der Objektverlust, der den Anlaß zur Entwicklung einer Depression gibt, wird vom (oral fixierten) Patienten durch eine massive Introjektion (In-sich-Aufnehmen) des Objektes kompensiert 186 auch in der normalen Trauerreaktion identifiziert man sich mit bestimmten Aspekten des Objektes aber: die Introjektion beim Depressiven ist primitiver und führt nicht zu Erleichterung, was zu größeren Schwierigkeiten führt denn: das Introjekt ist ein ambivalentes (gehasstes und geliebtes) Objekt Selbstvorwürfe gelten nicht nur sich selbst, sondern auch dem introjezierten bösen Anteil des Objekts - Teufelskreis Autoaggression - Aggression - Autoaggression entsteht: a) durch die Wendung der Frustrationsaggression nach innen b) durch die Introjektion des ambivalenten Objekts (Funktion: Verlust teilweise rückgängig zu machen) - Das Wesentliche des depressiven Modus besteht in dem narzißtischen Rückzug, der direkt oder indirekt in allen drei Vorgängen enthalten ist Bei welchem Grundkonflikt und bei welchen strukturellen Besonderheiten kommt der depressive Modus zur Anwendung? 187 - Beginn der Depression: mit einem faktischen oder symbolischen Objektverlust und/oder einer narzißtischen Traumatisierung oder Kränkung 38 diese Menschen haben eine erheblich labile narzißtische (Selbst)Homöostase und sind von äußeren Selbstobjekten extrem abhängig und reagieren auch auf Kränkungen extrem intensiv (Verlust wird daher kaum ertragen) depressive konnten nicht durch phasengerechte Internalisierungen gut integrierte, innere Objekte aufbauen (kein oder nur ambivalentes Objekt vorhanden) - An die stelle von normalen kompensatorischen Mechanismen treten z.B. Leistungsdenken, Stabilisierung durch äußere Menschen Verluste führen so zur Dekompensation - Spezifisch für den Depressiven Modus ist: 1. Bei der Angstneurose geht es um die Existenz, denn das Schutz und Sicherheit bietende Objekt geht verloren Bei der Depression geht es um den Verlust des Liebe-Anerkennung-Aufwertung bietenden Objekts 2. Aufgrund von Fixierungen in früheren Stufen der Entwicklung: Depressive hat ein strenges, überforderndes und unnachgiebiges Über-Ich mit archaischen Zügen und ein überhöhtes Ich-Ideal Depressive hatte als Kind Angst, die Eltern zu verlieren und musste sich daher nach deren Verboten richten und zudem viel Leistung bringen - zwangsneurotischen Modus: es gelingt bis zu einem gewissen Grad, mit Hilfe von magischen Handlungen, symbolischen Wiedergutmachungen und ähnlichen Manipulationen das Über-Ich zu beschwichtigen depressive Patient: er ist gezwungen, einen Schritt weiterzugehen und die Aggression in Autoaggression umzuwandeln Passive Anhänglichkeit und Rückzug in den primären Zustand - 2 wichtige Variationen: 1. Pat. die anhänglich, weinerlich und hilflos sind (ähnlich der anaklitischen Depression) Durch Komplikation in der symbiotischen Phase vollzieht sich offenbar eine Regression in diese Phase 2. Depressionen im Rahmen akuter narzisstischer Krisen Vielmehr verstanden sie den Selbstmord als aktive Vorwegnahme einer 39 gefürchteten (narzißtischen) Katastrophe und erwarten durch ihn Rettung (suche nach Ruhe) 2. Der hypochondrische Modus: Projektion auf und Konkretisierung durch den eigenen Körper Die Problematik 190 - Freud: eher physiochemisch verstanden - Später: Hypothese, daß ein Abzug des Interesses und der Libido von den Objekten und eine entsprechende Besetzung des eigenen Körpers stattfinde narzisstischer Rückzug - Sullivan: Abwehrreaktion intensive Selbstbeobachtung dient dazu, um konfliktträchtige interpersonelle Situationen zu vermeiden, um zugleich die daraus resultierenden Angstgefühle zu verdrängen - Chrzanowski: es sei eine komplizierte Körpersprache, ein symbolischer Hinweis auf bestimmte Existenzprobleme Vergleich mit dem hysterischen Modus und Versuch einer psychodynamischen Hypothese 192 - Unterschied zu Hysterie Bei Hysterie geht’s um Identifikation (um Quasi-Veränderungen der Selbstrepräsentanz, mit dem (sich selber und den anderen gegenüber) Anders-Erscheinen) 1. Bei der Hypochondrie geht es um Identifikationen 2. Der Introjektion folgt die Projektion: eine Projektion in den eigenen Körper - Der Hypochonder verhält sich so, als ob er den »Feind«, also das, was er nicht sein will, im eigenen Körper entdecke. Er entdeckt das Introjizierte und projiziert es in den Körper (Unterschied zu sonstigen projektiven Prozessen etwa im Verfolgungswahn) - Hysterische Patient: drückt in einer Körpersprache etwas aus, womit er sich identifiziert. Hypochondrischen Patienten: Auch er will mittels einer »Krankheit« etwas ausdrücken, jedoch vorwiegend projektiv. Er identifiziert sich nicht mit diesem Krankheitsbild, sondern projiziert in seinen Körper oder sein psychisches Leiden (in die Ich-Repräsentanz) alles hinein, was ihn ängstlich stimmt, was ihm schlimm, aggressiv, gefährlich erscheint Konkretisierung diffuser Ängste oder unerträgliche aggressive 40 Tendenzen, als körperliche oder psychische Erkrankungen hier kann es dann bekämpft werden - wird bei Untersuchungen nichts gefunden, projeziert er es in was neues, um die Entlastung nicht aufgeben zu müssen Zusätzliche Funktionen der Hypochondrie und der sekundäre »Gewinn« 194 - Primäre und sekundäre Gewinne Pat. kann damit aggressive Tendenzen abführen Pat. erhält Zuwendung Vermeidung unangenehmer Auseinandersetzungen mit Bezugsperson 195 Ähnlich dem Wahn: Konkretisierung sonst diffuser und daher bedrohlicher Ängste 3. Der (nichtpsychotische) paranoide Modus, die paranoide Persönlichkeit 195 - Psychodynamisch: Abwehrmechanismus der Projektion Abwehr aggressiver Konflikte und der Stabilisierungsversuch eines recht brüchigen Selbstbildes und Selbstwertgefühls mit Hilfe der Projektion 4. Der Modus des Hyperthymen 196 - Klassische Psychiatrie: hypomanische (damals sogenannte) »Psychopathen« (fast konstant erhöhte und unberührbar heiter-optimistische Stimmung und gesteigerte Betriebsamkeit) - Hyperthymen: Bedienen sich (unbewußt) einer besonderen Form der Verleugnung, unterstützt durch gesteigerte Betriebsamkeit und betonte Heiterkeit Tendenzen und Vorgänge, die offensichtlich mit einer Aktualisierung des Größenselbst (KOHUT) in Zusammenhang stehen. 197 - Evtl. ermöglicht ein konstitutionell bedingten Überschuß an Antrieb und Vitalität ein solches Abwehr- und Restitutionsmodus: Vitalität und Antriebsüberschuß unspezifische Vorbedingungen wenn sie aus Altersgründen die ursprüngliche Vitalität zur Verfügung haben, können sie die Abwehr nicht mehr aufrechterhalten (Depression) - Kontaktfreudigkeit ist ein Pseudokontakt: hierdurch eine echte Beziehung vermieden werden 5. Der (nicht psychotische) schizoide Modus 41 198 - Persönlichkeit, die distanziert, isoliert, ungesellig und introvertiert wirkt und keine »Wärme« ausstrahlt, gegensätzliche Affektive Strebungen und sehr Intellektualisierend, Kontaktvermeidend als Abwehr von zwischenmenschlichen Beziehungen, dahinter aber sehr empfindsam (was auch zur Störung führt) bei narzisstischen Persönlichkeiten oder strukturellem Mangel 6. Der Modus der (nicht psychotischen) Spaltung und projektiven Identifikation (Borderline im engeren Sinne) 199 - Es gibt keine Symptome oder Charakterstrukturen, die für Borderline spezifisch sind, da hier alle auftreten können - Psychodynamik: Mechanismus der Spaltung, der zur Vermeidung des Zusammentreffens inkompatibler Inhalte benutzt wird. das böse Bild kann so das gute Bild eines Objektes nicht zerstören Unterschied zur Verdrängung: die inkompatiblen Inhalte bei der Spaltung sind prinzipiell bewußt oder zumindest vorbewusst, werden aber nach Bedarf verleugnet 200 - Die Objekte als auch das Selbstbilde werden abrupt in die andere Kategorie verschoben Spaltung bringt Labilisierung mit sich Mit Hilfe der Abwehr muss sich der Patient davor schützen Abwehr: primitiven Idealisierungen, die Projektionen und vor allem die projektive Identifizierung 1. »böse« Selbstanteile werden durch Projektion externalisiert 2. es entstehen gefährliche Objekte, Aggressoren, die der Patient nunmehr bekämpft, indem er sich mit ihnen identifiziert (er wird also auch Aggressor) seine (bewußte) Überzeugung ist, daß er zuerst vom anderen angegriffen wurde! Therapeut wird sehr oft in irrationaler Weise beschuldigt und angegriffen. Nur das Wissen um die psychodynamischen Hintergründe dieses Verhaltens kann ihn vor heftigen Gegenübertragungsreaktionen schützen - Weiterer Mechanismus: Verleugnung in Form der Deckabwehr 201 Bestimmte psychische Phänomene werden dazu benutzt, andere Phänomene der gleichen Klasse zu verleugnen oder ihnen zu widersprechen. ein Affekt wird durch den gegenteiligen Affekt dargestellt (z.B. Liebe 42 durch Aggression) - Borderline gehört zwar zu den narzisstischen Störungen, aber am wenigsten Spaltung erlaubt passager gute, ja intensivste Kontakte, die aber sehr labil und wechselhaft bleiben X. Variationen der Modi der narzisstischen (Selbst)Kompensierung 1. Typische Charakterbildungen (nach KOHUT) 202 - Strukturelle Mängel der narzisstischen Persönlichkeitsstörungen im engeren Sinne führen zu Abwehrmechanismen und Kompensationsvorgängen, die z.T. nicht von psychoneurotischen oder anderen narzisstischen Störungen unterschieden werden können Kohut: Charaktertypen, die spezifisch für diese Störungen sind (Bsp. im Buch!!!) a) nach Spiegelung hungernden Persönlichkeiten: Suchen Selbstobjekte, deren bestätigende und bewundernde Reaktionen das ausgehungerte Selbst nähren soll. b) nach Idealen hungernden Persönlichkeiten: Suche einen anderen Menschen, den sie wegen seines Prestiges, seiner Macht, seiner Schönheit, seiner Intelligenz oder seiner moralischen Größe bewundern können 203 c) Alter-ego-bungrige Persönlichkeiten: Brauchen eine Beziehung zu einem Selbstobjekt, das den Meinungen und Werten des (eigenen) Selbst entspricht und somit die Existenz, die Realität des Selbst bestätigt - die nachstehenden sind nun eindeutig pathologisch: d) Nach Verschmelzung hungernde Persönlichkeiten: versuchen ständig ihre Selbstobjekte zu kontrollieren (egal, ob es sich um spiegelnde, idealisierte oder »Alter-ego«-Selbstobjekte handelt) starkes Verschmelzungsbedürfnis, um die Selbststruktur zu ersetzen e) die kontaktvermeidenden Persönlichkeiten: Gegenteil der gerade beschriebenen verschmelzungshungrigen Persönlichkeiten sind eigentlich der schizoide Charaktertyp Andere narzißtische Charaktere 204 - Fanatiker: empfindlich und strukturell gestört - Erfinder: Größenselbst wird durch haften an einer Idee festgehalten 2. Der Modus der Perversion 43 Zur Psychodynamik perversen Verhaltens - Abweichendes sexuelles Verhalten: »Abweichend« wird aber in verschiedenen Zeiten und Kulturen unterschiedlich definiert. 205 - Verschiedenen Formen perversen Verhaltens erinnern sehr an bestimmte Details oder Teilkomponenten des Sexualverhaltens (z.B. an die für das sexuelle Vorspiel charakteristische polymorphe Aktivität) Ähnlichkeit zur infantilen Sexualität des kleinen Kindes (auch bei ihm stehen bestimmte Partialtriebe und ihre »Ziele« im Vordergrund, die erst später in die reife genitale Sexualität integriert werden) Aber: perverses Verhalten ist kein Vorspiel und keine infantile Sexualität (In der Perversion wird die Integration blockiert. Ein Partialtrieb wird herausgenommen und fast krankhaft-zwanghaft übertrieben betätigt und »kultiviert«) 206 - Frage: warum weicht der Perverse in die unreife, desintegrierte Sexualität aus Analyse: Die Kastrationsangst zwingt Perversen, einen Ausweg zu suchen (d.h. für die Verleugnung der Kastration) Das Ausweichen in das perverse Verhalten diene dazu, alles, was mit Kastration zusammenhängt oder an sie erinnert, zu verleugnen. Bei Erfolg, sei sexuelle Erregung und Befriedigung möglich. Neuere Erklärung: Bei Perversen sind Vernichtungs-, Todes-, Trennungs- und Verschmelzungsängste, die auf eine nicht glücklich gelöste Mutterbeziehung zurückgehen wichtig z.T. auch strukturelle Mängel des Selbst und des Körperbildes 207 a) trotz Kastrationsangst - durch Ablenkung oder Umgehung dieser Angst sexuelle Erregung und Befriedigung zu erreichen b) Funktion einer Stabilisierung und Komplettierung eines defizitären Selbstsystems, einer brüchigen Identität, kurzum eines strukturellen Mangels zu erfüllen hat Forcierte Sexualisierung als Abwehrmechanismus - Übertriebene Genitalbesetzung: kann auch in Auseinandersetzung mit frühen Konflikten in der Kindheit eine Abwehr darstellen (außerhalb der Perversionen) denn: genitale Erregung und Befriedigung wirkt Selbst-stabilisierend 44 (autonomiefördernd) kann dann in den Dienst neurotischer Abwehr treten: dient dann dazu, unerledigte Konflikte und Ängste aus der präödipalen Phase zu überdecken (Strukturelle Mängel) z.B. in Form der Perversion (in erster Linie evtl. um eine Selbststabilisierung zu erfahren) 208 da die reife Sexualität angstbesetzt ist (Kastrations- und Trennungs/Verschmelzungsangst), kann dies nicht in der normalen Sexualität erfolgen - dies klärt aber nicht, warum dies nicht über die normale Sex. geht Exhibitionismus, Voyeurismus und Fetischismus a) Exhibitionist: - Frauen erschrecken sich und bekommen Angst: Diese Reaktion soll ihm immer wieder »beweisen«, daß er ein vollwertiges Genitale besitzt und keine Kastration zu befürchten hat. 209 es besteht noch eine schützende Distanz, wodurch keine Kastrationsangst und keine eigenen aggressiven Impulse entstehen können Resultat eines Funktionswandels der normalen exhibitionistischen Tendenz zu Beginn der phallischen Phase b) Voyeurist: - perverser Funktionswandel normaler Erregung beim Anschauen des Liebesobjektes Distanz bietet Sicherheit er sieht, dass nicht er, sondern die Frau keinen Penis hat Abwehr aggressiver Impulse c) Fetischist: - präödipale Problematik: wenn die Ablösung bis zur ödipalen Phase noch nicht stattgefunden hat, so mobilisiert das Erwachen genitaler sexueller Erregungen eine Trennungsangst Um die Angst abzuwehren, werden frühe (orale) Beziehungsformen aktualisiert, verursacht dies Verschmelzungsängste Gefahr des Selbstverlustes und des Verlustes der Geschlechtsidentität - Fetisch: mütterliches Teilobjekt (verschafft so eine partielle Einheit mit der Mutter) 45 steht in indirektem Zusammenhang mit dem mütterlichen Phallus (direkt, zum Beispiel beim Schuh oder indirekt beim Unterwäsche-Fetischismus) das ‚ganze‘ Objekt der Mutter ist gemeint (und wird zugunsten der partiellen gemieden) Der sadomasochistische Modus: Lust am Quälen und Zerstören statt aktiv liebender Eroberung, Lust am Leiden und am Schmerz statt Angst- und schuldfreiem Geliebtwerden 211 - Sadismus noch der Masochismus sind keine natürlichen, vorgegebene Eigenschaften oder Tendenzen Sie stellen vielmehr neurotische »Lösungen«, Kompromißbildungen, Verzerrungen der Befriedigung von einerseits libidinösen bzw. Kontaktbedürfnissen und andererseits konstruktiv-aggressiven Bemächtigungsstrebungen dar, um das Selbst zu stabilisieren a) Sadismus: - Früher: destruktive Aggression gilt als natürlicher Trieb Sadismus als eine ausgeprägte Form dieses Triebes sadistisches »Vergnügen« sei einfach nur eine Befriedigung eines solchen Triebes 212 aber: Annahme eines solchen primär destruktiven Aggressionstriebes ist nicht haltbar – Fenichel: Sadismus als Abwehr, als Schutzmaßnahme gegen Angst, insbesondere gegen Kastrationsangst Angst vor sexueller Beziehung, die erst nach der Aggressiven Herrscher-Position eingegangen werden kann Angst vor eigener Erregung und Selbstdestruktivität; Angst, die Kontrolle zu verlieren, verschlungen zu werden, in Berührung und Vereinigung mit dem Geschlechtspartner verlorenzugehen durch feste Rollenverteilung kann auch ein erniedrigtes Selbstwertgefühl, ein Gefühl der Machtlosigkeit kompensiert werden 213 – Mentzos: die primäre konstruktive Aggression ist ein Teil des primitiven Liebesausdrucks ist, der sich in der primären Motilität, Spontaneität und Impulsivität zeigt in der erregten Liebe des Säuglings liegt auch ein imaginärer Angriff auf die Mutter - ein »funktionsloses«, sinnlos destruktives Verhalten ist das Resultat eines desintegrativen »gestörten« Vorganges 46 aber: Nicht jede Aggression ist Sadismus! (diese Gleichsetzung macht Klein) – Unterschied: Ziel von Aggression = Hindernis beseitigen – Ziel von Sadismus = Lustverschaffung - Der Sadismus, sei es als sexualisierte Aggression oder als aggressivierte Sexualität ist letztlich ein Surrogat für mutige, offene, aktive liebende Eroberung. da diese reife Form der Zuwendung nicht möglich ist, entwickelt sich ein Ersatz: in Form einer Regression in die anale oder orale Phase das beißende oder stoßende Kind ist nicht anal-sadistisch, da Sadismus pathologisch ist (erst 4/5 jähriger kann sadistisch sein, dann aber bereits neg. Erfahrungen vorhanden, so dass sie zurückgreifen müssen auf frühe Muster) – Es sind aber nicht nur libidinöse, sondern auch narzisstische Bedürfnisse der sadistische will erst sein Selbstwertgefühl reparieren – Anale Phase: hier geschieht ein Zusammenstoß zwischen dem Narzissmus und den Objektbeziehungen: Sadismus hat nichts mit Analität zu tun, weil hier eine Lust an der Destruktion aktuell wird, sondern weil er einen - pathologischen - Versuch der Lösung der in diesem Zusammenstoß enthaltenen Probleme und Ängste darstellt 215 Ablösungs- und Autonomiestrebungen und Verschmelzungswünsche - sadistische Modus: Kompromißlösung, in der sowohl intensive Berührung als auch Distanz und »Sicherbeit« enthalten sind. b) Masochismus – Schmerz als Bedingung dafür, um Lust zu empfinden 216 das Leiden ist ein Opfer das Gebracht werden muss, um Lust (also nicht bestraft zu werden) zu empfinden - Freud interpretiert es als Übersprungsphänomen: Schmerz kann wie alle Empfindungen Quelle sex. Erregung sein Bsp: S.216f - Mentzos: Das Geschlagenwerden, das Leiden, die Schmerzen und das beherrschende, aggressive Verhalten sind oft einem unaggressiven, distanzierten und nicht engagierten Verhalten vorzuziehen. 47 Lieber den Schmerz und das Geschlagenwerden als überhaupt keine Zuwendung. eher Ausdruck eines intensiven Wunsches nach Kontakt 218 Bsp. S. 217 Wie der Sadismus ist Masochismus eine Verzerrung normaler Befriedigungsmodi Kompromisse, erzwungene Pseudolösungen in einer neurotischen Konfliktsituation 219 - Funktion: Schuldentlastung, Angstbefreiung und Wunsch nach intensivem Kontakt: Funktion als Selbststabilisierung („je schwächer und unsicherer das Selbst ist, desto mehr braucht es intensiv empfundene Gefühle (hier sexuelle), die es stärken und bestätigen“) – aber: Nicht jedes Leiden ist masochistisch! – Def. Masochismus: Wenn der Schmerz und das Leiden als solche eine subjektive Intensivierung der Beziehung, einen Lustgewinn und/oder eine eindeutige Schuldentlastung durch das Erlittene implizieren. – Moralischer Masochismus: hier steht die Schuldentlastung im Vordergrund (Bsp: S. 220) z.B. bei neurotischer Depression, beim pathologischen Strafbedürfnis, aller sadomasochistischer Arrangements und in abgeschwächter Form in der Alltagspsychopathologie und dem Prinzip der »negativen therapeutischen Reaktion« (wenn eine Besserung eintreten könnte, verschlechtert sich der Zustand, um die Schuldgefühle auszugleichen) Ist der Masochismus eine weibliche Eigenschaft? 221 - Freud: erogener Masochismus, moralischer Masochismus, femininer Masochismus femininer Masochismus: Charakterisierung einer bestimmten Haltung eines Menschen, der Gefallen am Dienen, Sich-Aufopfern-und-dabei-Leiden hat (bei Mann und Frau) - Eine Frau wird von Beginn durch das Vorbild der Mutter dahin ausgerichtet, ihr Lebensziel darin zu sehen, geliebt zu werden, einen Mann zu lieben, ihn zu bewundern, ihm zu dienen sowie sich ihm anzupassen und seine Kinder in mütterlicher Aufopferung großzuziehen diese abhängige Sozialisation kommt häufiger beim Mädchen als beim 48 Jungen vor - Sexuell stimulierende Vergewaltigungs- und Erniedrigungsphantasien: ergäben sich aus dieser Konstellation fast zwangsläufig 1. Sie dienen oft dem Bestreben, passiv erlittene Unterdrückung in kontrollierbare Situationen umzukehren und aus Unlust Lust zu machen 222 2. Unterwerfung bedeutet aber auch Partizipation an der Macht des Mannes 222 - Perversion taucht bei Frauen seltener auf: Hintergrund ist hier die Angst vor der Verschmelzungsgefahr (die es abzuwehren gilt), die beim Mann größer ist, da der Geschlechtspartner eine Frau ist (damit das selbe Geschlecht wie die Mutter) C) Sadomasochismus: 223 1) bei jedem Masochisten tauchen auch sadistische Perioden auf 2) beide bilden ein Gegensatzpaar (es besteht ein Zusammenhang) 3) beide finden sich häufig zu einem sadomasochistischen Arrangement 3. Homosexualität: Abwehr einer Angstbesetzten Heterosexualität oder eine zweite Möglichkeit der (Selbst-)Entwicklung? 225 - 4 Standpunkte: 1. Homosexualität ist eine konstitutionell vorgegebene und den Psychopathien vergleichbare Abnormität des Sexualverhaltens, die als eindeutig krankhaft und sozial schädlich anzusehen sei und nach Möglichkeit »behandelt« oder auch bekämpft werden sollte 2. Homosexualität sei ein erlerntes, habituelles Sexualverhalten, welches durch Prägung ziemlich früh im Zusammenhang mit oder ohne eine erblichen Disposition entstehe. Aber: mehr oder weniger zufällige Konditionierungen reichen nicht aus, um so ein spezifisches und einheitliches Muster bei vielen hervorzubringen 3. Homosexualität sei eine pathologische Lösung des Ödipuskonfliktes. Sie sei ein Ausweichen vor der »gefährlichen« (sogenannten Kastrations-)Angst in der heterosexuellen Situation 226 eigentliche, heterosexuellen Wünsche werden hier verdrängt junge unterwerfe sich dem Rivalen Vater und identifiziere sich mit der Mutter; das Mädchen unterwerfe sich der Rivalin Mutter und identifiziere sich mit dem Vater 49 – Modifikation aus den 20er/30er: Hinter der Kastrationsangst verbergen sich Ängste aus früheren Entwicklungsstufen vor regressiven Verschmelzung mit der »Mutter«, vor Kontrollverlust und vor Selbstverlust. diese Ängste, die durch die Antizipation einer sexuellen Vereinigung mit Frau (Mu.) wach werden aktivieren Abwehr und Verdrängung heterosexueller Wünsche Indem die Selbst-»Probleme« in der Sexualität thematisiert werden, können sie besser »gelöst« werden Das Empfinden genitaler Lust und Entspannung stärkt Autonomie Erklärung ähnlich wie für Perversionen: Homosexualität als Selbststabilisierung und Entlastung der Persönlichkeit von präödipalen Konflikten 227 4. Homosexualität sei an sich keine Störung und keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsmöglichkeit wie die Heterosexualität auch (Text: S.227f.) es geht um Selbstkonstituierung und Selbstentfaltung. – Bei allen Menschen entsteht in der normalen narzisstischen Entwicklung eine Krise: durch Zerstörung der Mutter-Kind-Einheit dies macht Angst das Kind merkt nun irgendwann, daß die autoerotische Befriedigung Störungen in der narzißtischen Homöostase ausgleichen kann fortan werden alle Insuffizienzerscheinungen durch eine Überbesetzung autoerotischer Aktivität ausgeglichen 228 von hier an werden höhere Strukturen ausgebildet, in denen Objekte, Rollen, Identitätsgefühle u. a. in ihrer Beziehung zur Aufrechterhaltung der narzißtischen Homöostase enthalten und organisiert sind. Diese Prozesse werden aber von der Art ihrer Vorgänger (nämlich in diesem Falle der Autoerotik) mitbestimmt steht in diesen Strukturen das belebte, Gestalt annehmende die eigene Person, entwickelt sich Homosex. Homosex. sei einfach ein anderer Weg zur narzisstischen Homöostase, zur Identität und Triebbefriedigung unter Vermeidung von Nachteilen für das Selbst Letztlich geht es um eine andere Selbstorganisation – darüber hinaus gibt es zwei weitere Weichenstellungen zur Homosex.: 50 1. ödipale Phase (hier kommt es zu einer Überbewertung polarer Geschlechtsrollengegensätze) und 2. Pubertät (coming out) – Kritikpunkte: a) die besondere Autoerotik bei bestimmten wird nicht näher erläutert dies müsste besonders bei ‚close binding‘ Müttern und schwachen/fehlenden Vätern geschehen evtl. kompensatorisch für strukturellen Mangel b) im homosexuellen wird die Kohärenz des eigenen Selbst gesucht und bestätigt, beim heterosexuellen müsste die Vereinigung mit dem Fremden gesucht werden aber: bei beiden wird immer das eigene als auch das Fremde gesucht 232 – Empirie: männliche Homosex.: oft stark bindende Mutter und schwacher Vater Mentzos: Nicht nur Angst vor Mutter oder problematische Ablösung, sondern Erschwerung einer männlichen Identifizierung (schwacher oder fehlender Vater) Alles in allem erscheint mir die Vermutung gerechtfertigt, daß bei einer großen Anzahl von homosexuellen Männern die Homosexualität eine durch spezielle Selbstentwicklungsproblematik erzwungene Lösung mit Abwehr- und Reparationscharakter darstellt. 4. Impulsives Verhalten 234 - jemand muss etwas begehen, obwohl es unter Strafe steht oder völlig sinnlos ist (vor allem das impulsive Weglaufen (Porlomanie), die Kleptomanie, die Pyromanie und die Spielsucht) Abwehrvorgang mit der Funktion, jemandem die Flucht vor einer Gefahr oder die Absicherung gegen eine Gefahr zu ermöglichen. Die impulsive Handlung hat meistens die unbewußte Bedeutung einer symbolischen Schutzmaßnahme oder einer symbolischen Ersatzbefriedigung (Ersatz für enttäuschte Liebe) 235 Pyromanie (Brandstiftung): pathologische Kompensierung und vorübergehende Stabilisierung einer labilen narzißtischen Homöostase (kein Ersatz sex. Erregung) 51 6. Der Modus der Sucht: Verleugnung der Realität, künstliche Veränderung des Selbsterlebens, Verschmelzung mit einem Ersatzobjekt Sucht als Triebbefriedigungsersatz 237 - Freud: Ersatz für mangelnden Sexualgenuss es sei eine Form der Onanie – Alkoholrausch parallel zur Manie gesehen: als Flucht vor der Realität Sucht als Schutz gegen unerträgliche innere Spannung – Rado: Sucht als künstlicher Reizschutz nach innen: Das Ich wird mit Hilfe der Sucht vor Schmerz und Depressionen geschützt (Regression auf orale Phase führt zu einem Orgasmus) 238 aber: er spricht von künstlichem narzisstischen Zustand mit Größenwahn und magischer Wunscherfüllung aber gleichzeitiger Zerstörung der Ich und Über-Ich Organisation Sucht als narzißtische Ersatzbefriedigung und als Kompensation eines strukturellen Mangels 238 - Sucht fördert die Bewältigungs- bzw. Abwehrmechanismen, mit denen Störungen des narzißtischen Gleichgewichtes, also Insuffizienzen und Inadäquatheiten des Selbstsystems, kompensiert werden 1. Regression in den primären Zustand (Aufhebung der Ich-Grenzen und mehr diffuse Erlebnisweise ähnlich der Regression in prim. Zustand) 2. Verleugnung der schmerzlichen Realität (u. a. mit Hilfe von Größenphantasien) (berauschende Wirkung führt zur Einschränkung der Realitätsprüfung fördert Größenphantasien) 3. Identifikationen mit den idealisierten (Selbst-)Objekten (die Veränderungen stehen in Zusammenhang mit der Inkorporation einer Wunderdroge, die symbolisch die Charakteristika eines Selbstobjektes annimmt) 239 - Das Suchtmittel wird zum Ersatztriebobjekt als auch zum Ersatz für einen strukturellen Mangel Sucht vermittelt eine narzisstische Zufuhr, die nicht auf andere Weise gewonnen werden kann (meist bei narzisstisch gestörten) vergleichbar mit dem Partialobjekt des 1.-2. J. (Mittel ist ambivalent besetzt, da es auch die Selbstzerstörung herbeiführt) Die Rolle der Gewöhnung – Damit etwas süchtig macht: Es muss eine Gewöhnung eintreten können 52 es muss objektiv für die Erfüllung aller oder einer der drei obengenannten Funktionen geeignet sein es muß bei der betreffenden Person noch eine mehr oder weniger ausgeprägte narzißtische Störung mit dem Bedürfnis nach ersatzweiser narzißtischer Zufuhr vorliegen – Pseudoprogressive Suchtverhalten: Es gibt auch Süchte, die sich durch besondere Aktivität auszeichnen auch dies ist eine Ersatzbefriedigung (z.B. für echtes schöpferisches Schaffen) 241 - manche Menschen haben die Tagträumerei kaum unter Kontrolle: Flucht ins Irreale XI. Der psychosomatische Modus 242 - Ähnlichkeiten und Unterschiede zur psychischen Symptombildung Die Konfliktabwehr, die kompromißhafte oder ersatzweise Abfuhr und die Selbststabilisierung erfolgen im Bereich der psychosomatischen Störungen durch körperliche Funktionen, Reaktionen, Organe 1. Die psychosomatische Symptombildung - Symptome sind als adaptative Versuche und Leistungen des Ichs zu verstehen sie dienen der Konfliktabwehr, der kompromißhaften oder ersatzweisen Abfuhr, der Kompensierung struktureller Mängel - wichtig sind die konversionshysterische und die hypochondrische Symptombildung darüber hinausgehende Modelle zur Umsetzung ins Somatische a) Das chronische Affektkorrelat 243 - Es findet ein Dauererregungszustand bestimmter Anteile des vegetativen Systems statt, dass bei systematischer Blockierung und Frustrierung auf der psychischen Ebene nicht bewusst erlebt, dass aber durch ihr psychophysiologisches Korrelat nachhaltig aufrechterhalten wird diese Dauerirritation führt zu Funktionsstörungen und Organschäden - Zwei dieser Dauererregungsmuster: 1. dauerhafte Kampf- und Fluchtbereitschaft sympathische Reaktion (hoher RR, Migräne usw.) 2. Rückzugseinstellung 53 244 parasympathische Reaktion mit psychosomatischen Krankheiten b) Der Organmodus - eher ein psychisches Modell: - es findet vielmehr eine Zurückübersetzung des Psychischen in eine Körpersprache darstellt, eine Körpersprache allerdings, die viel archaischer ist als die der Konversionshysterie 244f - Entwicklung der Besonderheiten der Organmodi ist abhängig von allgemeinen entwicklungspsychologischen Gesetzmäßigkeiten, von der individuellen Biographie und persönlichen Erfahrung (z.B. ein Mädchen, dass die Berührung der Mutter mit traumatischen Erlebnissen in Verbindung bringt, wird später die Berührung eines Mannes mit Angst verbinden und daraufhin evtl. Neurodermitis bekommen) 245 - Organreaktion beinhaltet sowohl Ausdruck als auch nicht nur Abfuhr man sollte keine zu scharfe Trennungslinie zwischen symbolischem Ausdruck im Konversionssymptom und bloßem physiologischem Korrelat des Emotionszustandes im psychosomatischen Symptom ziehen psychosomatische Reaktion ist eine frühsymbolische Darstellung in der Organsprache steht in Zusammenhang mit den unreifsten Internalisierungsvorgängen: der Inkorporation c) Das somatopsychisch-Psychosomatische Modell 246 - Bei schweren Psychosomatosen (wie Ulcus, Colitis, Dermatitiden) finden recht komplizierte kreisförmige Wechselwirkungsprozesse statt Ein primärer biologischer Faktor kann die psychische Entwicklung dahingehend ungünstig beeinflussen, daß durch ihn eine psychosomatische, krankhafte »Lösung« resultieren kann (Bsp: S. 246) 2. Der psychosomatische Modus als der Modus der Resomatisierung - Emotionelle Zustände entwickeln sich aus ursprünglich rein körperlichen Befindlichkeiten die einfachen Qualitäten Lust-Unlust differenzieren sich dann im Laufe der Zeit diese Differenzierung heißt Desomatisierung 247 - Die vorpsychischen Stadien der Gefühle und Affekte, also die körperlichen Befindlichkeiten, haben die Funktion von Indikatoren und 54 Reglern vorwiegend innerhalb der intraindividuellen Homöostase Als psychische emotionelle Zustände (besonders auch durch ihren Ausdruck in Mimik und Gestik) haben sie eine zentrale Bedeutung auch für die interpersonelle Interaktion und Homöostase - Bei Überforderung der Regulation kann eine Resomatisierung erfolgen eine Rückkehr zur Körpersprache, der der allgemeinste Modus der psychosomatischen Symptombildung ist damit existieren die unlustvollen emotionalen Zustände nicht mehr auf der psychischen Ebene (damit auch die Belastung) - 1. Versuch, Konflikte auf dem psychsozialen Verarbeitungsmodi zu bewältigen 2. bei Nichtgelingen: Es kommt zu einer Resomatisierung des Affekts (zu einer regressiven Wiederbelebung der infantilen somatischen Korrelate der Exitation) Welche Grundkonflikte werden bevorzugt mit Hilfe des psychosomatischen Modus verarbeitet? 248 - frühe, präödipale Konflikte wie Ablösungsproblematik bzw. orale Abhängigkeit (Ulcus), Nähe-Distanz-Problematik (Asthma), Trennungsproblematik und Autonomie (Colitis) bevorzugt mit dem Modus der Resomatisierung abgewehrt werden XII. Variationen der psychotischen Verarbeitungsmodi 249 - Wichtig: Abgrenzung zu anderen, nichtpsychotischen aber strukturellen Mängeln - Es geht vielmehr darum, daß die Art, wie der psychische Organismus auf die hypothetischen biologischen Noxen und Veränderungen reagiert, sehr wahrscheinlich auch von der erworbenen psychischen Struktur mitbestimmt wird 1. Der Modus der Melancholie 250 - Nichtpsychotischen Depressions-Teufelskreise bestimmen auch hier im wesentlichen die Dynamik hinzu kommt: Selbstverdammung und Selbstdestruktivität, d. h., eine erhebliche Verzerrung der Realitätswahrnehmung und eine stärkere Uneinfühlbarkeit des zunehmend archaischen Erlebens 55 2. Der Modus der Manie 251 - Psychoanalyse: Manie eindeutig nur eine Reaktion auf die Depression eine Abwehr der Melancholie, eine Flucht vor ihr - Aber: Welchen Einfluss hat die vorgegebene Charakterstruktur auf das sich dann entwickelnde Bild Nicht-psychotisches analogon zur Manie: die hyperthyme Persönlichkeit Aus den überwertigen Ideen werden regelrecht megalomane Wahnideen (Größenwahn), und aus der erhöhten Betriebsamkeit werden der nicht zu bändigende Bewegungsdrang und die Ideenflucht des manischen Patienten 3. Der Modus der manisch-depressiven »Mischbilder« (oder Mischzustände) 252 - Eine besondere Art psychotischer Abwehr: Mischzustand ist ein besonderer Modus einer psychotischen Kompromisslösung: alles bleibt in der Schwebe Vermeidung der Qual der Depression als auch die Realitätsverzerrung der manischen Selbstüberhöhung 4. Der Modus der psychotischen Hypochondrie - Als Psychotische (Introjektion und) Projektion in den Körper (De1ire corporel) zu verstehen 5. Der Modus der psychotischen Projektion, Wunscherfüllung, Restitution - Bei gleichzeitiger grober Verzerrung der Realität (Verfolgungswahn, Beziehungswahn usw.) dienen der Abwehr unangenehmer Vorstellungen und Strebungen und zu einer Neustrukturierung der Welt 7. Der Modus der Katatonie 254 - sehr primitiver Schutzmechanismus ähnlich der Funktion des Ritus und der Wiederholung im Zwang 8. Psychotische Regression in den primären Zustand - Aufgeben der Ich-Grenzen - Zum Teil »negative« Symptome, also Ausfallerscheinungen Zum anderen Teil: primitivste Schutz- und Restitutionsmechanismen 9. Die nicht hysterische und nicht organische Depersonalisation 255 - Sie besteht im wesentlichen in einem Aufgeben der Selbstidentität und Integrität als Abwehr XIII. Der häufigste Modus: psychosoziale Abwehr und psychosoziale Arrangements 56 1. Interpersonelle und institutionalisierte Abwehr 256 - durch Internalisierung wird die Art der intrapsychischen Strukturen maßgebend mitbestimmt. Darüber hinaus werden aber auch die Konflikte zu intrapsychischen Konflikten - Aber auch starke Tendenz, den Konflikt wieder nach außen zu verlegen (zu externalisieren) würde dies geschehen, um den Konflikt damit zu verarbeiten und zu lösen (so geschieht es in der Therapie) wäre dies sehr gut Dem ist aber leider nicht so. Wie die Internallsierungs-, so nehmen auch die Externallsierungsvorgänge oft sehr schnell den Charakter von Abwehrvorgängen an 257 - Hauptelemente eines psychosozialen Arrangements: Abwehr, dh. Unbewußtmachung unlustvoller Gefühle Kompensation narzißtischer Defizite kompromißhafte Befriedigungen gemeint ist hier nicht die gegenseitige Unterstützung und Befruchtung 258 - Unterscheidung zwischen konstruktiver Gegen- bzw. Wechselseitigkeit (die zum Wachstum der Partner beiträgt) und einer Komplementarität der neurotischen Abwehr letztere: führt zu Einschränkung und Einengung, blockiert die Bewältigung des zugrundeliegenden Konfliktes und die freie Entfaltung - Interpersonale Abwehr ähnlich dem unbewussten Zusammenspiel bei J. Willy 259 - Auch Institutionen erfüllen dies Prinzip (institutionalisierte Abwehr) Individuum und Institution sind involviert: Die von der Institution angebotenen Rollen können vom einzelnen zum Zwecke der individuellen neurotischen Abwehr benutzt werden Die Institutionen ihrerseits gewinnen dadurch, daß sie dem einzelnen diesen Neben-»Service« bieten, an Stabilität. 2. Delegation Bsp: 260ff Mutter-Pathologie und Familiendynamik 57 263 - Beide Töchter hatten zwei entgegengesetzte Selbstanteile der Mutter zu repräsentieren und aufrechtzuerhalten hatten Die Mutter kann mittels einer Real-Externalisierung einen abgewehrten Selbstanteil und mit ihm zusammenhängende Sehnsüchte und Wünsche bei der jüngeren Tochter »unterbringen« das Aufsässige, Unzuverlässige, Triebhafte, aber auch das Fröhliche, Unbekümmerte, Kindlich-Jungenhafte und Unangepaßte. Der andere Anteil dagegen - das Ernste, Beherrschte, Zuverlässige, Bedrückt-Eingeschränkte, also der Über-Ich-Aspekt - wird bei der älteren Tochter untergebracht Jede Mutter hat ihren intrapsychischen Konflikt in den Gegensatz zwischen den beiden Töchtern externalisiert, und zwar im Sinne der Real-Externalisierung (Mutter erreicht damit eine Entspannung und eine Rechtfertigung vor dem Über-Ich) 264 - Rollenvorschrift: »Diese Rollen können überwiegend oder ganz Abwehrprozessen dienen, d. h., das Erteilen oder Akzeptieren solcher Rollenvorschriften kann von jedem der Rollenpartner- dazu benutzt werden, sich kompensatorisch von intraindividuellen Konfliktspannungen zu entlasten.« 3. Kulturabhängigkeit und epochaler Wandel neurotischer Störungen als Folge der Veränderung und/oder des Abbaus von Institutionen 265 - Ich-Stütze durch Institutionen: in Form der Abwehr oder der narzißtischen Kompensation Eine politisch-historische Wandlunge die einen sozialen Zerfall mit sich bringt, wird zugleich auch von einer Auflösung oder zumindest Modifikation der institutionalisierten psychosozialen Abwehrkonstellationen begleitet Es geht nur um die Vermutung, daß der ersatzlose Abbau der damaligen institutionalisierten Abwehrkonstellationen die vorhandenen strukturellen Mängel sichtbar gemacht hat - früher mehr Hysterie: durch den Abbau der damaligen Institutionen wurden auch die Hysterien weniger, dafür haben sich aber auch die strukturellen Mängel als narzisstischer Störung zugenommen 58