Supervision in der Psychiatrie Multicenterstudie Schweiz Kurt Gottfried1, Sylvie Petitjean2, Hilarion G. Petzold3 Abstract Little is known about the way how multidisciplinary teams in psychiatry perceive team supervision. The objective of this prospective study was to evaluate the effectiveness of supervision, the experienced benefits and the 'side effects' within the past 6 months, and the expectations to supervision in psychiatry. Multidisciplinary teams (nurses, doctors, counselors, psychologists and others) were surveyed in six psychiatric hospitals in Switzerland. A total sample of 326 persons answered a semistructured questionnaire, the response rate was 54 percent. The responders reported, that they found supervision effective from a middle (45 percent) to a high level (36 percent); 24 percent reported no or a low level of effectiveness. With only 36 percent reporting high level effectivity, i.e. good and very good quality, and the rest just middle and poor effectivity, it is not a good performance which is attested to supervision by the supervisees. However 97 percent of the multidisciplinary teams attributed middle to high professional competence to their supervisors. A total of 74 percent reported positive experiences in supervision during the last six months. On the other hand there were 18 percent who reported negative experiences in supervision during the last six months. Another part of the study was to investigate the expectations in supervision and the qualities of the supervisor. For the expectations we received three factors of quality items: such as “optimizing of therapeutic interventions”, “problem or conflict solving”, and “improvement of clinical structures”. We had also two factors of quality terms of a supervisor. 1 Kurt Gottfried, Dipl.-Päd., Dipl.-Sup.. Diplomstudiengang Supervision, Freie Universität Amsterdam, Faculty of Human Movement Sciences, Europäische Akademie für fsychosoziale Gesundheit, Düsseldorf/Hückeswagen. 2 Sylivie Petitjean, Lic. phil., klinische Psyhologin, Diplomstudiengang Supervision, Freie Universität Amsterdam, Faculty of Human Movement Sciences; Europäische Akademie für Psychosoziale Gesundheit, Düsseldorf; Forscherin im Master-Studiengang Supervision, Zentrum für psychosoziale Medizin, DonauUniversität Krems 3 Univ. Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold, Leiter des Diplomstudiengangs Supervision, Freie Universität Amsterdam, Faculty of Human Movement Sciences und wissenschaftlicher Leiter des Master-Studiengangs Supervision, Zentrum für psychosoziale Medizin (Dr. med. Anton Leitner), Donau-Universität Krems: Wissenschaflicher Leiter der Europäischen Akademie für psychosoziale Gesundheit, Düsseldorf/Hückeswagen. 1/ 13.05.16/ K. Gottfried 1. Einleitung Die vorliegende Studie ist Teil einer Reihe umfangreicherer Projekte des Seniorautors und seiner MitarbeiterInnen, die beabsichtigen, zur forschungsgestützten Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Supervision beizutragen (Petzold, Schigl et al. 2003). Da die Forschungslage, was Wirkungen und Nebenwirkungen von Supervision (Petzold, Orth et al. 2003) in den verschiedenen Settings und bei unterschiedlichen Zielgruppen mit verschiedenen Supervisionsansätzen anbetrifft, noch in den Anfängen steht, sind auf unterschiedlichsten Gebieten der Supervision Forschungsanstrengungen notwendig und es ist insbesondere erforderlich, eine Verschränkung von Praxis, Forschung und Lehre voranzutreiben: zum einen durch eine Förderung der Kooperation von Supervisionsforschern und Praktikern von Supervision – letztere müssen eine forschungsfreundliche Kultur entwickeln, wollen sie die Qualität ihres Verfahrens sichern -, zum anderen durch eine Intensivierung der Auseinandersetzung mit Methoden und Ergebnissen der Supervisionsforschung im Rahmen von Supervisionsausbildungen, bei denen dieses Thema in der Regel in den Curricula nicht verankert ist (von den in dieser Hinsicht gänzlich unzureichenden, und empirisch nie untersuchten „Standards“, mit denen die Fach- und Berufsverbände die Ausbildungsqualität sichern wollen, gar nicht zu reden, denn „Forschung“ und Kenntnisse wissenschaftlicher Forschungsergebnisse sind dort nicht verankert). Schließlich ist die Intensivierung der Forschung in der universitären Lehre von Supervision dringend voranzutreiben, um die Studierenden, die fast alle nach Studienabschluß als Supervisoren zu praktizieren beginnen, in Forschungsvorhaben zu involvieren, sie zu schulen und für Forschung zu begeistern, denn nur so werden die „Kompetenzen“, wird das Wissen generiert werden, das in der „Performanz“, dem konkreten Handeln in der Praxis (Petzold, Engemann, Zachert 2003) zum Tragen kommen soll, das den notwendigen empirischen Hintergrund für wirksame Methoden und Zielgruppen, die erforderlichen Kenntnisse Institutionen/Organisationen und über Settings Felder, Klientsysteme, bereitstellt, um eine evidenzbasierte Wirksamkeit von Supervision gewährleisten zu können. Der Output an studentischen Forschungsarbeiten (Dissertationen, Diplom- und Masterthesen) im 2/ 13.05.16/ K. Gottfried europäischen Raum ist bislang sehr gering. Länderübergreifende universitäre Forschungskooperationen sind noch selten. Das wird sich ändern müssen. Die vorliegende Studie über Supervision im Feld der Psychiatrie in der Schweiz, die mit dem gleichen Instrument auch in Deutschland, Österreich und Norwegen durchgeführt werden soll und in der Kooperation von drei Studiengängen der Supervision (Amsterdam, Hückeswagen, Krems) und ihren Studierenden aus mehreren Ländern realisiert wird, ist ein Beispiel für die Bemühungen, die wissenschaftliche Fundierung und die Wissensbasis von Supervision zu verbreitern. 1.1 Supervision in der Psychiatrie Supervision in der Psychiatrie als Instrument der Qualitätssicherung und – erweiterung, zur Verbesserung der Arbeit mit und an den Patienten sowohl wie der Förderung beruflicher Kompetenz der interdisziplinären Teams in Psychiatrischen Kliniken ist heute nicht mehr weg zu denken. Supervision als ein berufsorientiertes Angebot professioneller Reflexion, insbesondere Integrative Supervision mit dem „Mehrebenen-Modell“ (Petzold, 1998) welches auf die soziale und fachliche Feldund Kompetenzerweiterung der SupervisandInnen zielt, stellt ein anerkanntes Verfahren auch im speziellen Feld der Psychiatrie dar. Psychiatrische Kliniken als „totale Institutionen“ (Foucault) mit einem gesellschaftlichen Auftrag haben heutzutage ein stetig wachsendes Interesse an der Sicherung und Verbesserung der in ihnen geleisteten Arbeit. Zwar gilt Supervision in der Psychiatrie geradezu als Merkmal qualitativ hoher und guter professioneller Arbeit, jedoch ist über die Vielzahl der angebotenen Supervisionsformen, der Ausbildungen der SupervisorInnen und der Effizienz der angebotenen Supervisionsformen wenig bekannt. Wie also wirkt „gute Supervision“ ? (Möller, 2002). Was macht einen guten Supervisor, eine Supervisorin aus, beziehungsweise was erwarten interdisziplinäre Teams von einem „guten“ Supervisor, einer „guten“ Supervisorin ? Zöllner fordert einen Supervisor, der u.a. als „Person und Mensch und nicht nur als Fachberater offenbar wird, der Mut zur Exposition und zu ganz persönlichen durchaus auch wertenden Stellungnahmen bereit hat. einmal Ein lebendiger, engagierter emotional reagierender Mensch der auch einen roten Kopf bekommen kann und der die Zivilcourage zu unzeitgemässen Urteilen hat (In Eck et al., 1998). Welche Erwartungen aber haben die interdisziplinären Teams an die Supevision beziehungsweise wie definieren jene die Eigenschaften, die ein Supervisor/ eine 3/ 13.05.16/ K. Gottfried Supervisorin haben soll ? Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Effizienz bzw. der Wirkung von Supervision. Welche Risikofaktoren und negative Erfahrungen werden befürchtet und v.a. welche positiven Faktoren werden erwartet und wurden gemacht ? Zwar wird überall Supervision angeboten, jedoch wissen wir wenig über diese hochinteressanten Fragestellungen. Nämlich wie wird der Nutzen von Supervision von den SupervisandInnen letzten Endes bewertet ? Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Beitrag und als ein Versuch, diese Fragen zu erhellen. 2. Problemstellung, Fragestellung 2.1 Bedarf nach Evaluation der Teamsupervision In vielen in Kliniken sowie von Seiten der Gesundheitsbehörden wird heutzutage eine wirksame, kompetente und kostengünstige Arbeit von den in den Pflegeberufen, im ärztlichen, psychologischen und sozialen Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefordert. So sollen diese interdisziplinären Teams im Bereich der Psychiatrie eine 'Evidence based care', resp. 'Evidence based medicine' praktizieren. Dabei soll Supervision im Rahmen der Qualitätssicherung einen Beitrag leisten und helfen, die täglichen Anforderungen in der Klinik zu bewältigen und die Behandlung der Patienten zu verbessern. Wie Petzold formuliert hat, gehört "Supervision auf den Prüfstand" (siehe noch nicht erschienenes Buch von H. Petzold, Kap. Supervision). Eine fundierte Evaluation in Psychiatrischen Kliniken zur Einschätzung von Supervision durch das Pflegepersonal und den interdisziplinären Teams fehlt bisher weitgehend und soll in dieser prospektiven Studie untersucht werden. Dafür wurden in der ganzen deutschen Schweiz 10, in der französischen Schweiz 4 Psychiatrische Universitätskliniken und Psychiatrische Kliniken für eine Teilnahme an einer schriftlichen Befragung angefragt. In der deutschen Schweiz waren insgesamt 5 von 13 Kliniken bereit an der Studie teilzunehmen, in der französischen Schweiz 1 von 4 Kliniken. 4/ 13.05.16/ K. Gottfried In einem zweiten Schritt wurden in einer Besprechung mit den Klinikleitungen (pflegerische/ ärztliche Leitung) der genaue Ablauf innerhalb der Klinik besprochen, sowie Fragen zur Studie und zum Datenschutz diskutiert. Den KlinikmitarbeiterInnen wurde der standardisierte, dreiseitige Fragebogen per interne Post durch die Pflegeleitung oder durch den Verantwortlichen für Supervision zugestellt (siehe Anhang), sowie mit einem Begleitbrief der Forschungsgruppe (in einigen Kliniken zusätzlich mit einem Begleitbrief der Klinikleitung). Die KlinikmitarbeiterInnen hatten 3 Wochen Zeit die Fragebögen zu beantworten. Die anonymisierten und ausgefüllten Fragebögen wurden dann der Pflegeleitung oder dem Verantwortlichen für Supervision via Hauspost wieder zurück gesandt und schliesslich der Forschungsgruppe übergeben. Die Befragungen fanden im Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2003 statt. 2.2 Datenschutz Aus Gründen des Datenschutzes wurden keine Variablen erhoben, welche einen Rückschluss auf die Befragten, die Kliniken, die einzelnen Abteilungen oder Supervisorinnen und Supervisoren ermöglichen würde. Jede Person und jede Klinik wurde mit einem fortlaufenden Zahlencode versehen. Über die befragten Personen (SupervisandInnen und Supervisorinnen/ Supervisoren) wurde das Alter, das Geschlecht und der Beruf erhoben. Die Daten wurden in einem Passwort geschützten PC eingegeben und danach zugriffssicher aufbewahrt. Aufgrund einer früheren Untersuchung mittels Fragebögen in einer Psychiatrischen Klinik gingen wir von einer Rücklaufquote von 40-60% aus. 2.3 Fragestellungen In der vorliegenden Studie sind wir folgenden Fragestellungen nachgegangen: 1. Welchen Nutzen (persönlicher, beruflicher, team- und patientenbezogener Nutzen) konnten die interdisziplinären Pflegeteams in den letzten 6 Monaten aus der Supervision ziehen ? 2. Wurden in den letzten 6 Monaten gute, respektive positive Erfahrungen gemacht (positive, risiko- und schadensmindernde Wirkungen von Supervision) ? Wenn Ja, in welchem Ausmass? 5/ 13.05.16/ K. Gottfried 3. Wurden in den letzten 6 Monaten schlechte, respektive negative Erfahrungen gemacht (Erfassen von Nebenwirkungen, Negativwirkungen, Schädigungen durch Supervision) ? Wenn Ja, in welchem Ausmass? 4. Welche protektiven Faktoren und Risikofaktoren könnte Supervision für die SupervisandInnen in den interdisziplinären Pflegeteams beinhalten ? 5. Welche protektiven Faktoren und Risikofaktoren könnte Supervision aus der Sicht der SupervisandInnen für die Patientinnen und Patienten beinhalten ? 6. Welche Erwartungen haben interdisziplinäre Pflegeteams an Supervision im allgemeinen und an eine Supervisorin/ einen Supervisor ? Da im Bereich der Supervision im spezifischen Feld der Psychiatrie kaum Daten zu diesen praxisrelevanten Fragestellungen vorlagen, haben wir uns auf die Ergebnisse aus der Psychotherapieforschung und den Studien zu Therapieschäden gestützt. (Consumer-Report study, Seligman 1996; Petzold, Hass et al. 2000; Märtens, Petzold 2002). Wir stellten die Hypothese auf, dass ein Nutzen zwischen 60 und 80% zu erwarten war und die negativen Erfahrungen zwischen 5 und 10% liegen könnten. 3. Vorgehen und Methode 3.1 Die Stichprobe Um diese Fragestellungen anzugehen wurden in einer Umfrage insgesamt 800 Fragebögen verteilt. Alle Berufsgruppen, die an der Supervision in der Klinik teilnehmen (Pflegefachkräfte, AerztInnen, PsychologInnen, ErgotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen, Musik-u.Bewegungstherapeutinnen und SozialpädagogInnen) wurden in die Befragung einbezogen. Für die Repräsentativität der erhobenen Daten wurde ein Rücklauf von 60% angestrebt. 6/ 13.05.16/ K. Gottfried Tabelle 1: Rücklauf der Fragebögen Klinik Anzahl versendeter Anzahl retournierter Fragebögen Fragebögen Psychiatrische Klinik 1 20 17 (85)* Psychiatrische Klinik 2 20 13 (65) Psychiatrische Klinik 3 30 17 (57) Psychiatrische Klinik 4 200 44 (22) Psychiatrische Klinik 5 215 115 (53) Psychiatrische Klinik 6 280 120 (43) Gesamt 765 326 *Prozente in Klammern 3.2 Studiendesign Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine explorative prospektive Studie. Um den Nutzen, sowie die positiven und negativen Wirkungen von Supervision zu messen wurde ein halbstandardisierter Fragebogen entwickelt. Es wurde eine repräsentative Stichprobe in drei Psychiatrischen Universitätskliniken und drei Psychiatrischen Kliniken erhoben. Das naturalistische Design sollte möglichst praxisund realitätsnahe Informationen zu obengenannten Fragestellungen liefern. Die Erhebung dauerte von Juli 2002 bis Juni 2003. Aufgrund langer Wege über die „Linie“ jeder einzelnen Klinik, erstreckte sich die Datenerhebung über ein Jahr, statt wie ursprünglich geplant, über 3 Monate. 3.3 Das Erhebungsinstrument: der Fragebogen Der Fragebogen wurde in Anlehnung an den standardisierten Fragebogen zu Supervision der Freien Universität Amsterdam und der Donau-Universität Krems konstruiert ( Petzold et al., 2000). Der dreiseitige Fragebogen (siehe Anhang) enthält sowohl quantitative als auch qualitative Fragen. Im ersten Teil wurden Angaben zur Person erfragt (Alter, Geschlecht, Beruf und Anzahl Berufsjahre). In einem zweiten Teil wurden einerseits Fragen zum Setting der Supervision (Räumlichkeiten, Frequenz, Dauer, Supervisionsart) gestellt und andererseits zur Supervisorin/ zum Supervisor gestellt (Alter, Geschlecht, Grundberuf, Zusatzausbildung, Kompetenz). Im dritten Teil wurden Fragen zum Nutzen der aktuellen Supervision gestellt (persönlicher, beruflicher, team- und patientenbezogener Nutzen) sowie daraus resultierende positive und negative Erfahrungen in den letzten 6 Monaten. Diese 7/ 13.05.16/ K. Gottfried Angaben konnten die Befragten in Form eines freien Textes bearbeiten. Im letzten Teil wurden zum einen Erwartungen an die Supervision erfragt und zum anderen welche potentiellen „Risiken und Nebenwirkungen“ resp. „protektive Faktoren“ Supervision beinhalten kann (für die KlinikmitarbeiterInnen und für die Patienten). Letzteres konnte ebenfalls als freier Text formuliert werden. Der Fragebogen wurde in einer Pilotphase auf Kohärenz und Verständlichkeit getestet. Das Ausfüllen des Fragebogens dauerte 8-10 Minuten. Der Fragebogen wurde ebenfalls auf Französisch übersetzt und getestet. 3.4 Durchführung der Umfrage in den Kliniken Die Durchführung der Befragung in den sechs Kliniken war dank der guten Vorbereitung und Zusammenarbeit zwischen der Klinikleitung, der Pflegeleitung, des Verantwortlichen für Supervision sowie des Autors möglich. In jeder einzelnen Klinik wurde in ein bis zwei Sitzungen den Vertretern aus der Klinikleitung, der Pflegeleitung, des Verantwortlichen für Supervision das Forschungsprojekt vorgestellt und diskutiert. In einigen Klinik wurde das Forschungsprojekt ebenfalls allen pflegerischen Abteilungsleitern vorgestellt. In der Erhebungsphase wurden die Fragebögen mit einem Begleitbrief durch die Pflegedienstleitung an die KlinikmitarbeiterInnen verschickt. Die ausgefüllten, anonymisierten Fragebögen wurden dann in einem verschlossenen Antwortcouvert an die Pflegedienstleitung versandt und dann an die Forschungsgruppe weiter geleitet. 3.5 Statistische Auswertung Für die Eingabe der Fragebögen wurde eine Zeitperiode von 4 Monaten, für die Auswertung 3 Monate veranschlagt. Jeder eingegangene Fragebogen wurde mit einem „personal identifier“ und einem Klinik-Code versehen. Die Daten wurden deskriptiv mit dem Statistikprogramm SPSS Version 10.0 (Programm zur statistischen Datenanalyse) ausgewertet. Als statistische Tests für kontinuierliche Variabeln wurden der T-Test sowie die einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) verwendet. Für kategoriale Werte kamen der Chiquadrat-Test und der nichtparametrische Test Kruskal-Wallis-Test zur Anwendung. Für die Homogenität der Varianzen wurden alle Variabeln mit der Levene-Statistik geprüft. Für die Dimensionsreduktion wurde eine Faktorenanalyse gerechnet (Varimax-Methode). Die Irrtumswahrscheinlichkeit (Alpha-Fehler) wurde auf dem 5-Prozent-niveau festgelegt 8/ 13.05.16/ K. Gottfried (p=0.05). Die Texte wurden in Anlehnung an die Methoden der qualitativen Forschung nachträglich zu Qualitative Sozialforschung, Kategorien 1994). zusammengefasst Ebenso wurden die (vgl. Texte Arbeitskreis von zwei unabhängigen Personen geratet und wiesen eine hohe Interrater-Reliabilität auf. 4. Ergebnisse 4.1 Die Rücklaufquote Die durchschnittliche Rücklaufquote für die Gesamtstichprobe (N=326) betrug 54%. Die Rücklaufquote variierte erheblich zwischen den einzelnen Psychiatrischen Kliniken, von 18% bis 85% (vgl. Tab. 1). 4.2 Soziodemographische Angaben der Klinikmitarbeiterinnen und Klinikmitarbeiter Das Durchschnittsalter in der Gesamtstichprobe betrug 39.4 9 Jahre (Spannbreite: 22 – 62 Jahre) und es gab einen knapp signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Psychiatrischen Kliniken (ANOVA; F(5,320) = 2.310; p = 0.044) (vgl. Tab. 2.1). Das Durchschnittsalter der KlinikmitarbeiterInnen betrug 39 Jahre, das der Klinikmitarbeiter 40 Jahre und unterschied sich nicht signifikant. Der durchschnittliche Anteil Frauen betrug 61%. Bezüglich des Anteils von KlinikmitarbeiterInnen in einer leitenden Position (Kruskal-Wallis-Test; Chi2 = 13.723; df = 5; p = 0.017) und der Anzahl Jahre Berufserfahrung (Kruskal-Wallis-Test; Chi2 = 26.879; df = 5; p < 0.001) gab es signifikante Unterschiede zwischen den jeweiligen Kliniken (vgl. Tab. 2.2). 9/ 13.05.16/ K. Gottfried Tabelle 2.1: Soziodemographische Angaben der KlinikmitarbeiterInnen und Klinikmitarbeiter nach Kliniken Klinik Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Klinik 6 Gesamt 42.1 5 40.5 9 38.4 8 38.5 9 37.7 9 41.2 9 39.4 9 95% [CI] 39.5 - 44.7 35 - 45.9 34.4 - 42.3 35.9 – 41.1 36.0 - 39.5 39.6 – 42.7 38.5 – 40.5 Min.-Max. 36 - 52 25 - 56 27 - 59 24 – 62 22 - 62 22 - 62 22 - 62 53 74 59 77 60 56 61 59 8 24 23 23 22 26 Alter: Mittelwert (SD)* Anteil Frauen (%) Anteil MA in leitender Position (%)* *p<0.05 Tabelle 2.2: Beruf und Berufserfahrung Klinik Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Klinik 6 Gesamt 72.2 85.0 81.0 Beruf (%): - Pflegeberufe 76.5 84.6 88.2 91.0 - Ärztin/ Arzt 0.00 0.00 0.00 0.00 6.1 5.0 4.0 - Andere* 23.5 15.4 11.8 9.0 20.9 5.0 15.0 - Total 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 >1 Jahr 0.00 0.00 0.00 0.00 11.0 3.0 5.0 1-6 Jahre 18.0 38.0 47.0 21.0 37.0 16.0 27.0 7-15 Jahre 35.0 23.0 24.0 39.0 31.0 38.0 34.0 Anzahl Berufsjahre der MitarbeiterInnen (%)**: <15 Jahre 47.0 39.0 29.0 40.0 22.0 43.0 34.0 Total 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 100.0 *Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Psychologen, Bewegungs-, Ergo- und Physiotherapeuten. **Die Anzahl Kategorien für die Berufsjahre wurden von 6 auf 4 zusammengefasst. Zwei Drittel der Gesamtstichprobe haben sieben Jahre und mehr an Berufserfahrung. Die grösste Berufsgruppe stellen die Pflegeberufe dar (81%), gefolgt von den anderen Berufsgruppen (15%) und den Ärztinnen und Ärzten (4%) (vgl. Tab. 2.2). 10/ 13.05.16/ K. Gottfried 4.3 Die Supervision In 51% der Fälle findet die Supervision in einem Raum ausserhalb der Abteilung statt (klinikintern), in 45% direkt auf der Abteilung und in 4% klinikextern. Auf die Frage welche Form von Supervision die KlinikmitarbeiterInnen haben, geben 219 patientenbezogene Supervision Supervision [Teamsupervision] interdisziplinären Team“ [Fallsupervision], und an 166 geben 119 geben „Supervision (Mehrfachnennungen). teambezogene im Die gesamten, Proportion patientenbezogener Supervision [Fallsupervision] unterscheidet sich signifikant zwischen den Kliniken (Kruskal-Wallis-Test; Chi2 = 58.242; df = 5; p < 0.001) (Tab. 2.3). In der Gesamtstichprobe (N=326) stellt die patientenbezogene Supervision [Fallsupervision] mit einem Anteil von 68% die häufigste Supervisionsart dar. In der Hälfte der Fälle, findet die Supervision im interdisziplinären Team statt (51.9%; vgl. Tab. 2.3). Tabelle 2.3: Supervisionsform nach einzelnen Kliniken Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik Klinik 4 Klinik 5 Klinik 6 Gesamt Anteil an: Fallsupervision (%) Teamsupervision 5.9 64.7 46.2 23.1 94.1 5.9 44.2 51.2 73.2 15.0 79.7 14.4 68.1*** 22.1 Anteil an interdisziplinärer Supervision (%) 35.3 46.2 52.9 16.3 59.8 60.2 51.9*** Anteil an freiwilliger Supervision (%) 5.9 77.0 65.0 16.0 49.6 69.7 52.0*** Frequenz der Supervision in den letzten 6 Mt. 5.2 2 4.0 3 6.3 5 4.5 3 5.4 2 4.9 2 5.0 3 1-6 2 - 13 2 - 20 2 - 14 1 - 24 1 - 12 108 21 71 19 118 52 113 13 112 26 108 31 1 - 24 *** 109 29 Range: Dauer einer Supervision (Minuten) ***p < 0.001 Im Durchschnitt geben 52% aller KlinikmitarbeiterInnen an, die Teilnahme an der Supervision sei „freiwillig“, auch hier sind die Unterschiede von einer Klinik zur nächsten signifikant (Kruskal-Wallis-Test; Chi2 = 56.893; df = 5; p < 0.001). 11/ 13.05.16/ K. Gottfried Die SupervisandInnen hatten durchschnittlich 5 2 Supervisionssitzungen in den letzten 6 Monaten vor der Umfrage und die Ergebnisse sind in den einzelnen Kliniken ähnlich (p = 0.09). Etwa 27% hatten 1 bis 3 Supervisionssitzungen in den letzten 6 Monaten, 64% zwischen 4 und 6 Sitzungen und 8% hatten 7 Sitzungen (Abb. 1). Was die durchschnittliche Dauer einer jeweiligen Supervisionssitzung anbelangt, gibt es wiederum signifikante Unterschiede zwischen den Kliniken (ANOVA; F(5,294) = 4.792, df = 5; p < 0.001). Dies könnte eine Folge der unterschiedlichen Klinikbudgets für Supervision sein. Abbildung 1: Anzahl Supervisionssitzungen in den letzten 6 Monaten (n=326) SUP_letzte_6Mt 120 100 80 60 Häufigkeit 40 20 0 1,00 3,00 2,00 5,00 4,00 7,00 6,00 9,00 8,00 12,00 14,00 24,00 10,00 13,00 20,00 SUP_letzte_6Mt Insgesamt fanden in den letzten 6 Monaten vor der Befragung patientenbezogene Supervisionen signifikant öfter statt als teambezogene Supervisionen (5.3 versus 4.4 12/ 13.05.16/ K. Gottfried Mal; ANOVA; F(1,295) = 8.069, df = 1, p = 0.005). Bezüglich der durchschnittlichen Dauer ergaben sich keine Unterschiede (patientenbezogene Supervision = 107 Minuten; teambezogene Supervisionen = 111 Minuten). Interdisziplinäre Supervisionen unterschieden sich nicht von nicht-interdisziplinären Sitzungen bezüglich Frequenz und Dauer. 4.4. Die Supervisorinnen und Supervisoren 4.4.1 Soziodemographische Angaben In über die Hälfte der Fälle geben die befragten KlinikitarbeiterInnen an, ihre Supervision würde von einem Supervisor geleitet (57% vs. 43%), wobei der prozentuale Anteil an Supervisoren versus Supervisorinnen stark zwischen den Kliniken variiert (Kruskal-Wallis-Test; Chi2 = 39.186, df = 5; p < 0.001; vgl. Tab. 3). Das Durchschnittsalter der Supervisorinnen und Supervisoren wurde auf 49.2 5 Jahre geschätzt. Die Mehrheit der Klinikmitarbeiter (43%) sehen das Idealalter einer Supervisorin / eines Supervisors zwischen 45-55 Jahren, 16% zwischen 35-45 Jahre, und 5% bei 55 Jahren und mehr. Für 37% spielt das Alter keine Rolle, sondern die Fachkompetenz einer Supervisorin/ eines Supervisors. Tabelle 3: Angaben über die Supervisorinnen und Supervisoren nach Kliniken Klinik Geschätztes Alter: Mittelwert (SD)*** Min.-Max. (Jahre) Anteil Männer (%)*** ***p<0.001 Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Klinik 6 Gesamt 47.6 4 52.7 4 51.6 4 49.1 7 47.1 4 50.7 5 49.2 5 43 - 55 45 - 60 45 - 60 35 - 60 38 - 55 38 - 67 35 - 67 53 92 53 34 44 75 57 Der grösste Anteil der Supervisorinnen und Supervisoren sind von Grundberuf PychologIn (33%), gefolgt von Ärztinnen/ Ärzten (32%), SozialarbeiterInnen/ Soz.pädagogInnen 13/ 13.05.16/ K. Gottfried (9%), Personen aus Pflegeberufen (8%) und anderen Grundberufen (10%; Diplom-Pädagogen, Lehrer, Theologen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten). Bei den verbleibenden 8% kennen die SupervisandInnen den Grundberuf der Supervisorin/ des Supervisors nicht. Abbildung 2.1: Grundberufe der Supervisorinnen und Supervisoren BERUFSV1 40 30 20 Prozent 10 0 Arzt Psychologe Sozarb./päd. anderes Pflegeberufe unbekannt BERUFSV1 Bei der Frage nach der Zusatzausbildung/ Psychotherapieausbildung des Supervisors geben nahezu die Hälfte der Befragten an, diesen nicht zu kennen (48%). Die übrigen Zusatzausbildungen der Supervisoren sind nach Anzahl Nennungen in der Abb. 2.2 dargestellt. Die Rubrik „andere Richtung“ umfasst Zusatzausbildungen wie „Erwachsenenbildnerin, Transaktionsanalyse, Coaching“, welche im Fragebogen nicht kategorisisert waren. 14/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 2.2: Zusatz- und/oder Psychotherapieausbildungen der Supervisorinnen und Supervisoren 160 150 140 130 120 Anzahl Nennungen 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 ni c ht be ka nn t Su pe rv is io Ps n yc h oa sy st na em ly se is ch e Th er G ap es ie pr ä O ch rg st an he is ra at pi io e ns en tw ick Ve lu rh ng al te ns th er ap an ie de re R ich In te tu gr ng at iv e Th er ap G ie es ta ltt he ra pi e 0 Mehrfachnennungen 4.4.2 Einschätzung der Fachkompetenz der Supervisorin/ des Supervisors Im Fragebogen wurden die KlinikmitarbeiterInnen nach einer Einschätzung der „fachlichen“ und „sozialen Kompetenz“ ihrer Supervisorin/ ihres Supervisors gefragt, welche sie auf einer dreistufigen Skala von „hoch“, „mittel“ und „gering“ raten konnten (Abb. 2.3). Insgesamt wurde die fachliche Kompetenz bei 64% der Befragten als „hoch“, bei 33% als „mittel“ und bei 3% als „gering“ beurteilt. Die soziale Kompetenz wurde ähnlich gut beurteilt („hoch“ = 61%; „mittel“ = 35%; „gering“ = 4%). 15/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 2.3: Einschätzung der fachlichen und sozialen Kompetenz der Supervisorin/ des Supervisors 100 90 80 Prozente 70 60 50 40 30 Fachliche Kompetenz 20 soziale Kompetenz 10 0 gering mittel hoch 4.5 Wirkungsbereiche der Supervision 4.5.1 Einschätzung durch die Gesamtstichprobe Im dritten Teil des Fragebogens wurden alle KlinikmitarbeiterInnen nach der Wirkung von Supervision in den letzten 6 Monaten vor der Befragung gefragt. Dabei mussten sie eine Einschätzung zum persönlichen, beruflichen, team- und patientenbezogenen Nutzen auf einer vierstufigen Skala angeben („kein Nutzen“, „geringer Nutzen“, „mittlerer Nutzen“ und „hoher Nutzen“). In den Abbildungen 3.1 bis 3.4 sind die Antworten aller KlinikmitarbeiterInnen nach den einzelnen Aspekten dargestellt. Zur besseren Veranschaulichung der Ergebnisse zur Wirkung von Supervision wurde in einem nächsten Schritt die vier Skalen in einer Abbildung zusammen gefasst (Abb. 3.5). Fasst man die vier Ebenen zusammen (persönlicher, beruflicher, team- und patientenbezogener Nutzen), so wird von 29 % aller Befragten (N = 326) ein hoher 16/ 13.05.16/ K. Gottfried Nutzen und von 47 % ein mittlerer Nutzen von Supervision angegeben; 18 % sehen einen geringen Nutzen und 6 % sehen keinen Nutzen (Abb. 3.5). Abbildung 3.1 (N=326) Abbildung 3.2 (N=326) Persönlicher Nutzen Beruflicher Nutzen 100 100 90 90 80 80 70 60 48,1 50 40 30 24,7 20,9 Prozente Prozente 70 48,9 50 40 28,5 30 20 10 60 6,3 18,8 20 10 0 kein Nutzen gering mittel hoch 3,8 0 Skala kein Nutzen gering mittel hoch Skala Abbildung 3.3 (N=326) Abbildung 3.4 (N=326) Patientenbezogener Nutzen 100 100 90 90 80 80 70 70 60 47,8 50 35 40 60 50 43,6 40 28,8 30 30 20 10 Prozente Prozente Teambezogener Nutzen 20,4 20 13,4 10 3,8 7,2 0 0 kein Nutzen gering mittel Skala hoch kein Nutzen gering mittel hoch Skala Die Wirkung von Supervision durch die KlinikmitarbeiterInnen wurde zwischen den 6 Psychiatrischen Kliniken unterschiedlich beurteilt und es zeigten sich signifikante Unterschiede auf den 3 Ebenen „persönlicher, beruflicher und patientenbezogener Nutzen“, jedoch nicht bezüglich des „teambezogenen Nutzens“ (Kruskal-Wallis-Test: p = 0.003; p = 0.001; p < 0.001). 17/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 3.5: Wirkung von Supervision in den letzten 6 Monaten für die Gesamtstichprobe (N=326) 60 50 Prozente 40 30 20 kein Nutzen gering 10 mittel hoch ut ze n N nt en be zo ge ne r Pa tie rN be zo ge ne Te am Pe rs ön lic Be ru flic he rN ut z he rN ut ze n en ut ze n 0 4.5.2 Wirkung von Supervision versus Supervisionsart Die Einschätzung von Supervision durch die KlinikmitarbeiterInnen wurden zusätzlich zwischen den einzelnen Supervisionsarten (patientenbezogene Supervision [Fallsupervision] versus teambezogene [Teamsupervision]) verglichen. In der Gesamtstichprobe wird die patientenbezogene Supervision doppelt so oft im Vergleich zur Teamsupervision durchgeführt. Bezüglich der Ebenen „persönlicher Nutzen“ und den „teambezogener Nutzen“ von Supervision in den letzten 6 Monaten ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Supervisionsarten. Hingegen fanden sich hochsignifikante Unterschiede für die Einschätzung des „berufsbezogenen Nutzens“ und des „patientenbezogenen Nutzen“ (Chi2 = 22.022, df = 1, p < 0.001; Chi2 = 31.313, df = 1, p < 0.001). Ein 18/ 13.05.16/ K. Gottfried mittlerer (45%) bis hoher (36%) „berufsbezogener“ Nutzen wurde von den SupervisandInnen mit patientenbezogener Supervision angegeben (n=215), versus einem mittleren (58%) und einem hohen (13% ) Nutzen in der Teamsupervision. Ein mittlerer (46%) bis hoher (36%) „patientenbezogener Nutzen“ wurde von den SupervisandInnen mit patientenbezogener Supervision angegeben, versus einem mittleren ( 39% ) und einem hohen (15%) in der Teamsupervision (Abb. 3.6 und Abb. 3.7). Zur Einschätzung der Wirkung von Supervision gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den KlinikmitarbeiterInnen bei welchen die Teilnahme an der Supervision „freiwillig“ und denjenigen wo sie „obligatorisch“ war. Abbildung 3.6: Nutzen von Supervision in den letzten 6 Monaten in der patiententenbezogenen Supervision [Fallsupervision] (n=215) 60 50 Prozente 40 30 20 kein Nutzen gering mittel 10 hoch nt en be zo ge ne r N ut ze n ut ze n Pa tie Te am be zo ge ne rN en Be ru flic he rN ut z Pe rs ön lic he rN ut ze n 0 Beruflicher Nutzen p < 0.001; patientenbezogener Nutzen p < 0.001. 19/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 3.7: Nutzen von Supervision in den letzten 6 Monaten in der teambezogenen Supervision [Teamsupervision] (n=101) 60 50 Prozente 40 30 20 kein Nutzen 10 gering mittel 0 nl sö r Pe hoch n tze u N er ic h B ut rN e h lic uf er n ze am Te b er en g o ez n tze u N t Pa er en g zo be n te ie n n tze u N Des weiteren wurde der Einfluss des Settings, in welchem die Supervision statt fand, auf die Einschätzung der Wirkung von Supervision untersucht. Bezüglich der Ebenen „persönlicher Nutzen“, „teambezogener Nutzen“ und „berufsbezogener Nutzen“ von Supervision ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Hingegen fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Supervisions-Settings für die Einschätzung des „patientenbezogenen Nutzen“ (Chi2 = 8.066, df = 1, p = 0.045). Ein mittlerer (47%) bis hoher (31%) „patientenbezogener Nutzen“ wurde von 78% der SupervisandInnen mit interdisziplinärer Supervision angegeben, versus einer mittleren (40%) und hohen (27%) Bewertung Supervision (Abb. 3.8 und Abb. 3.9). 20/ 13.05.16/ K. Gottfried in der nichtinterdisziplinären Abbildung 3.8: Nutzen von Supervision in den letzten 6 Monaten in der interdisziplinären Supervision (n=164) 60 50 Prozente 40 30 kein Nutzen 20 gering mittel hoch 10 nt en be zo ge ne r N ut ze n ut ze n Pa tie Te am be zo ge ne rN en Be ru flic he rN ut z Pe rs ön lic he rN ut ze n 0 Patientenbezogener Nutzen, p = 0.045 In der interdisziplinären Supervision nimmt das gesamte Behandlungsteam teil, KlinikmitarbeiterInnen aus dem Pflegebereich, dem ärztlichen, psychologischen, sozialarbeiterischen, physiotherapeutischen, ergotherapeutischen und bewegungstherapeutischen Bereich. Die Supervision wird ebenso oft im interdisziplinären (n=164) als auch im nichtinterdisziplinären Rahmen durchgeführt (n=152) (Abb. 3.8 und 3.9). 21/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 3.9: Nutzen von Supervision in den letzten 6 Monaten für die nicht interdisziplinäre Supervision (n=152) 60 50 Prozente 40 30 kein Nutzen 20 gering mittel 10 hoch nt en be zo ge ne r N ut ze n ut ze n Pa tie Te am be zo ge ne rN en Be ru flic he rN ut z Pe rs ön lic he rN ut ze n 0 An der nicht-interdisziplinären Supervision nimmt in der Regel nur der Kern des Behandlungsteams teil, d.h. MitarbeiterInnen aus dem Pflegebereich und dem ärztlichen Bereich. 22/ 13.05.16/ K. Gottfried 4.6 Positive und negative Erfahrungen in der Supervision in den letzten 6 Monaten (quantitative Auswertung) Eine weitere wichtige Fragestellung der vorliegenden Multicenterstudie war es, das Ausmass an negativen Erfahrungen in der Supervision zu messen. Diese Variable wurde quantitativ und qualitativ ausgewertet. Für die quantitative Auswertung wurden die schriftlichen Aussagen über positive und negative Erfahrungen in der Supervision eingegeben, ausgewertet und danach dichotomisiert. Eine erlebte negative Erfahrung wurde mit 1 kodiert, keine negative Erfahrung mit 0 kodiert. Insgesamt gaben 74% (239/326) des Gesamtkollektivs an, in den letzten 6 Monaten positive Erfahrungen gemacht zu haben, und 18% (60/326) negative Erfahrungen in „irgendeiner Form“ gemacht zu haben. 27 Personen äusserte sich nicht zu diesem Thema (8%), resp. füllte diesen Teil des Fragebogens nicht aus (Tab. 4). Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede in der Anzahl genannter „negativer Erfahrungen“ zwischen den einzelnen Kliniken (Kruskal-Wallis-Test, Chi2 = 31.079, df = 5, p <0.001; Tab. 4). Die 60 KlinikmitarbeiterInnen, welche negative Erfahrungen berichteten, waren signifikant jünger (36.3 Jahre versus 40.0 Jahre; ANOVA, F(1,297) = 8.553; p = 0.004) und hatten eine weniger lange Berufserfahrung (3.7 Jahre versus 4.4 Jahre; ANOVA, F(1,294) = 10.792; p = 0.001) als diejenigen welche keine negativen Erfahrungen gemacht hatten (Tab. 5.1). Tabelle 4: Anteil negativer Erfahrungen in den letzten 6 Monaten nach Kliniken Klinik Negative Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Klinik 6 Gesamt Ja 4 (23) 5 (38) 1 (6) 3 (7) 39 (34) 8 (7) 60 (18) Nein 13 (77) 8 (62) 16 (94) 41 (93) 76 (66) 85 (71) 239 (74) - - - - - 27 (22) 27 (8) 13 (100) 17 (100) 44 (100) 115 (100) 120 (100) 326 (100) Erfahrung*** Fehlend Gesamt 17 (100) Prozente in Klammern ***p<0.0001 Frauen und Männer waren in der Subgruppe mit „negativen Erfahrungen“ proportional gleich stark vertreten. Auch die Freiwilligkeit bzw. Verpflichtung zur Teilnahme an Supervision, die Häufigkeit, die Dauer der Supervisionssitzungen, die Supervisionsart (Fallsupervision 23/ 13.05.16/ K. Gottfried vs. Teamsupervision) und das Setting (interdisziplinär vs. Nicht-interdisziplinär) zeigten keine signifikanten Unterschiede bezüglich negativer Erfahrungen (Tab. 5.2). Die SupervisorInnen, bei welchen negative Erfahrungen berichtetet wurden, waren signifikant jünger (47.7 Jahre versus 49.3 Jahre; ANOVA, F(1,284) = 4.702; p = 0.031). Weiter gab es signifikante Unterschiede in Bezug auf den Grundberuf der SupervisorInnen: bei 15% der Ärzte/ Ärztinnen wurden negative Erfahrungen genannt, gefolgt von den PsychologInnen (20%), andere Berufe (23%: Diplom PädagogInnen, LehrerInnen, etc.), SozialarbeiterInnen, -pädagogInnen (26%) und den Pflegeberufen ((42%). Die Geschlechtszugehörigkeit der SupervisorInnen und ihre Zusatzausbildung hatten keinen signifikanten Einfluss. Aufgrund des kleinen N pro Zusatzausbildung müssen diese Ergebnisse jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Tabelle 5.1: SupervisandInnen (n = 299) Negative Erfahrungen Alter (Jahre) Geschlecht: M/F Berufserfahrung (Jahre) Ja n = 60 36.3 22/38 3.7 Nein n = 239 40.0 90/148 4.4 P-Wert 0.004 0.437 0.001 Tabelle 5b: Supervisionsart (n = 299) Negative Erfahrungen - Fallsupervision - Teamsupervision - Interdisziplinäre SV - Nicht-interdisziplinäre SV - Supervision freiwillig - Supervision obligatorisch Anzahl SV in den letzten 6 Monaten Dauer einer Supervisionssitzung (Min.) Ja n = 60 21% 18% 24% 16% 17% 23% Nein n = 239 79% 82% 76% 84% 83% 77% P-Wert 5.1 5.0 0.920 108 109 0.869 0.371 0.061 0.136 4.7 Positive und negative Erfahrungen in der Supervision in den letzten 6 Monaten (qualitative Auswertung) In einem dritten Schritt wurden die Aussagen der Subgruppe (n=60) mit den negativen Erfahrungen qualitativ ausgewertet, um zwischen „unerwünschten Wirkungen“ und „negativen Erfahrungen“ oder gar „Schädigungen“ durch Supervision 24/ 13.05.16/ K. Gottfried unterscheiden zu können. Die schriftlichen Aussagen der SupervisandInnen wurden nach den in Tabelle 4 aufgeführten 17 Kategorien sortiert. Nach dieser Kategorisierung wurden die Aussagen von zwei Experten nach „negativen Erfahrungen oder Schädigungen“ und „unerwünschten Wirkungen“ geratet. Die Experten hatten eine gute Interrater-Reliabilität. Am Ende wurden 15 von 60 Aussagen als „negative Erfahrung“ oder „Schädigung“ eingestuft. Dies sind 5% der Gesamtstichprobe. Als Ursache negativer Erfahrungen wurde doppelt so oft die Supervisorin/ der Supervisor genannt als die SupervisandInnen (18 versus 42 Nennungen; Tab. 6.1). Tab. 6.1: Qualitative Analyse unerwünschter Wirkungen, negativer Erfahrungen und Schädigungen durch Supervision in den letzten 6 Monaten (n=60) Nr. Kategorien* SupervisorIn SupervisandInnen 4 0 1 Grenzüberschreitung 2 Kränkung 1 0 3 Bevorzugende Behandlung/ Parteinahme 3 2 4 Entwertung 1 1 5 Ausüben von Druck 3 0 6 Nichteingehen auf Anliegen, Themen des Teams 5 1 7 Mangel an klinischer Erfahrung, Feldkompetenz 6 0 8 Zuwenig patientenbezogen 6 0 8 Mangelndes Vertrauen, Offenheit 1 3 9 Langweilig, immer gleicher Ablauf 4 0 10 Zeitverlust 1 0 11 Manche im Team oder in der Leitung hemmen den Prozess, 0 9 blockieren. 12 Manche im Team oder in der Leitung nehmen zuviel Platz ein. 0 3 13 Organisatorische Probleme 4 1 14 Kündigung eines Mitarbeiters als Folge der SV 1 0 15 Eskalation im Team als Folge der SV 2 0 16 Kein Transfer von dem was in der SV besprochen wurde in den 2 1 1 0 42 18 Klinikalltag 17 Negative Konsequenzen für den Patienten als Folge der SV Subtotal Nennungen: Total 60 *Ein Teil der Kategorien stammt aus dem standardisiertem Supervisionsforschungs-Fragebogen von T. Leitner et al. (2001) **Die negativen Erfahrungen und Schädigungen sind in Fett markiert. 25/ 13.05.16/ K. Gottfried Die Aussagen der Gruppe (n=284) mit positiven Erfahrungen ebenfalls qualitativ ausgewertet. Es den schriftlichen Aussagen der SupervisandInnen ergeben sich folgende 12 Hauptkategorien (Tab. 6.2). Tab. 6.2: Qualitative Analyse positiver Erfahrungen durch Supervision in den letzten 6 Monaten (n=284) Nr.* Kategorien Anzahl Nennungen** 1 Verbesserung der Zusammenarbeit u. Kommunikation im Team 55 2 Anerkennung u. Verbesserung der Arbeit mit Patienten 44 3 stützend 41 4 Emotionen ausdrücken können, Entlastung 40 4 Klärung, Transparenz 37 5 Förderlich, neue Impulse 32 6 Mehrperspektivität 28 7 Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten 28 8 Gemeinsame therapeutische Haltung entwickeln 24 9 Konfliktlösungen erarbeiten 24 10 Sicht von Aussen 23 11 Gemeinsames reflektieren über eigene Arbeit 19 12 schützend 14 Total 409 *Nach Häufigkeit sortiert. **Mehrfachnennungen 4.8 Risiken und Nebenwirkungen von Supervision aus Sicht der KlinikmitarbeiterInnen Im letzten Teil des Fragebogens wurden die KlinikmitarbeiterInnen danach gefragt, welche Risiken und Nebenwirkungen Supervision für sich selbst und für die Patienten beinhalten könnte. Betrachtet man die Ergebnisse für die Gesamtstichprobe so ergibt sich folgendes Bild (Tab. 7.1). Ingesamt wurden Risiken und Nebenwirkungen von Supervision für die KlinikmitarbeiterInnen höher eingeschätzt als für die PatientInnen (49% versus 21%) (Abb. 4). Des weiteren waren die KlinikmitarbeiterInnen welche mögliche Risiken und Nebenwirkungen durch Supervision für sich selbst nannten, signifikant jünger, als diejenigen die keine nannten (38 Jahre versus 42 Jahre; ANOVA; F(1,273) = 14.600; p < 0.0001). Für die Nennung von möglichen Risiken und 26/ 13.05.16/ K. Gottfried Nebenwirkungen für die Patienten gab es keinen signifikanten Altersunterschied. Supervisandinnen und Supervisanden unterschieden sich nicht signifikant in ihren Aussagen. Tabelle 7.1 Mögliche Risiken und Nebenwirklungen (n=326) Für die Klinikmitarbeiter Für die Patienten Nein 117 (35.9) 168 (51.5) Ja 158 (48.5) 67 (20.6) Fehlende Angabe 51 (15.6) 91 (27.9) 326 (100.0) 326 (100.0) Gesamt Prozente in Klammern 4.9 Protektive, resp. präventive Faktoren von Supervision aus Sicht der KlinikmitarbeiterInnen Die KlinikarbeiterInnen wurden ebenfalls über protektive und präventive Anteile von Supervision für sich selbst und für die PatientInnen befragt. Betrachtet man die Ergebnisse für die Gesamtstichprobe so ergibt sich folgendes Bild (Tab. 7.2). Ingesamt wurden protektive und präventive Anteile von Supervision für die KlinikmitarbeiterInnen höher eingeschätzt als für die PatientInnen (76% versus 68%) (Abb. 4). Bei der Nennung von möglichen protektiven und präventiven Faktoren von Supervision für sich selbst und für die Patienten gab es keine signifikanten Altersunterschiede. KlinikmitarbeiterInnen in der patientenbezogenen Supervision [Fallsupervision] gaben signifikant mehr protektive und präventive Anteile von Supervision für sich selbst und für die PatientInnen an (p = 0.014; p = 0.001). Tabelle 7.2 protektive und präventive Faktoren (n=326) Für die Klinikmitarbeiter Für die Patienten 21 (6.4) 27 (8.3) Ja 248 (76.1) 220 (67.5) Fehlende Angabe 57 (17.5) 79 (24.2) 326 (100.0) 326 (100.0) Nein Gesamt Prozente in Klammern 27/ 13.05.16/ K. Gottfried Abbildung 4: Erwartete protektive Faktoren und Risikofaktoren von Supervision 100 90 80 76,1 67,5 Prozent 70 60 48,5 50 40 30 20,6 20 10 0 PROTMA PROTPAT RISKMA RISKPAT PROTMA (protektive Faktoren für die KlinikmitarbeiterInnen), PROTPAT (für die PatientInnen) RISKMA (Risikofaktoren für die KlinikmitarbeiterInnen), RISKPAT (für die PatientInnen) 4.10 Erwartungen der KlinikmitarbeiterInnen an die Supervision Im vierten Teil des Fragebogens konnten die Klinikmitarbeiter ihre Erwartungen an Supervision in einer dreistufigen Skala von „voll zutreffend“, „unentschieden“ bis zu „nicht zutreffend“ ankreuzen. Es waren insgesamt 9 Items zu beurteilen (vgl. Fragebogen im Anhang). In einer Faktorenanalyse konnten 3 Faktoren mittels der „Hauptkomponentenanalyse extrahiert werden (Varimax-Methode). Der erste Faktor erklärt 24.3% der Gesamtvarianz, der zweite Faktor 19.3% und der dritte Faktor 13.9%. Deutung: der erste Faktor sammelt offensichtlich Items, die für die Verbesserung der fachlichen Kompetenz und der Performanz stehen. Der zweite Faktor sammelt Items, welche für die Klärung und Lösung von Konflikten im Team stehen. Der dritte Faktor 28/ 13.05.16/ K. Gottfried sammelt Items, die für die Verbesserung von Arbeitsabläufen auf der Abteilung und in der Institution, Klinik stehen. Frage 4b) Welche Erwartungen haben Sie an Supervision ? (vgl. Fragebogen) Faktor 1: Faktor 2: Faktor 3: Optimierung von therapeutischen Interventionen Erhöhung der beruflichen, fachlichen Fähigkeiten Mehr Sicherheit bei diagnostischen Entscheidungen Unterstützung/ Entlastung Problem- und Konfliktlösung Verbesserung der Kommunikation im Team Aufdecken „unbewusster“ Prozesse bei einzelnen Personen im Team Verbesserung von Arbeitsabläufen in der Klink Verbesserung von Arbeitsabläufen im Team 4.11 Eigenschaften einer Supervisorin/ eines Supervisors Die KlinikmitarbeiterInnen wurden ebenfalls danach befragt, welche Eigenschaften eine Supervisorin/ ein Supervisor haben sollte. Ihre Einschätzungen konnten sie ebenfalls in einer dreistufigen Skala von „voll zutreffend“, „unentschieden“ bis zu „nicht zutreffend“ raten. Es waren insgesamt 8 Items zu beurteilen (vgl. Fragebogen im Anhang). In einer Faktorenanalyse konnten 3 Faktoren extrahiert werden: Frage 4c) Ich betrachte eine Supervisorin/ einen Supervisor als: (vgl. Fragebogen) Faktor 1: Faktor 2: Lehrerin/ Lehrer Psychotherapeut Spezialist/ Experte Förderer/ Entwickler von Neuem Vermittler zwischen den Parteien Problemlöser Coach In einer Faktorenanalyse konnten 2 Faktoren mittels der „Hauptkomponentenanalyse extrahiert werden (Varimax-Methode). Der erste Faktor erklärt 23.3% der Gesamtvarianz, der zweite Faktor 15.9%. Der erste Faktor sammelt Items, die für die fachliche Kompetenz und Performanz des Supervisors stehen (pädagogisch, 29/ 13.05.16/ K. Gottfried psychotherapeutisch, fachlich). Der zweite Faktor sammelt Items, die für die Fähigkeit zu vermitteln und für eine aktive Problemlösung und Begleitung von Seiten des Supervisors stehen. 5. Diskussion Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit im Bereich Supervision in der Psychiatrie war es, einen Schritt in Richtung einer evidenzbasierte Supervision zu tun. Es ist unseres Erachtens die erste Multicenterstudie im Deutschen Sprachraum, die repräsentative Ergebnisse zu Wirkungen von Supervision in der Psychiatrie in dem Umfang liefert (N = 326). 5.1 Die Rücklaufquote Die Dauer der gesamten Datenerhebung dauerte von Juli 2002 bis Juni 2003. Auffallend ist, das kleinere Kliniken wesentlich schneller in der Lage waren den Rücklauf zu organisieren während die grossen Kliniken hierfür wesentlich mehr Zeit in Anspruch nahmen. Eine Klinik benötigte eine sehr lange Vorentscheidungsphase zur Teilnahme an der Studie. Insgesamt stellen wir fest, dass die Untersuchung bei den Psychiatrischen Kliniken, insb. bei den Verantwortlichen für Supervision auf starkes Interesse stiess. Zwar stellt die Rücklaufquote mit 54% nicht das erwartete Ergebnis dar, jedoch genügt dieses, für ein repräsentatives, gesamtschweizerisches Ergebnis. 5.2 Die SupervisandInnen und die SupervisorInnen Die Mehrzahl der SupervisandInnen kommen aus dem psychiatrischen Fachpflegeberufen mit Diplomniveau, der kleinere Anteil kommt aus der Ärzteschaft, den Sozialdiensten und anderen Berufsgruppen. Bei den SupervisorInnen stellen die PsychologInnen und ÄrztInnen den grössten Anteil, während sich ein geringerer Anteil auf alle anderen Berufsgruppen verteilt. Auffallend ist die grosse Heterogenität der Grundberufe und Zusatzausbildungen von Supervisorinnen und Supervisoren sowie der hohe Anteil von KlinikmitarbeiterInnen, die nichts über die berufliche Qualifikation ihrer Supervisorinnen und Supervisoren weiss und dennoch ihren 30/ 13.05.16/ K. Gottfried Supervisorinnen und Supervisoren hohe fachliche und soziale Kompetenz zuschreibt. (Abb. 2.3). Diese hohe Attribution durch die KlinikmitarbeiterInnen steht im Gegensatz zur einer doch mittleren Performanz der Supervisorinnen und Supervisoren, wenn man die Ergebnisse zur Einschätzung des Nutzens von Supervision betrachtet (Abb. 3.1, 3.2, 3.3, 3.4), ja die beachtlichen Aussagen zu befürchteten Risiken und angenommenen Negativeffekten in Rechnung stellt. Diese offensichtliche Diskrepanz hat wohl einerseits mit Salienzeffekten (Stroebe et al 2002) statushoher Supervisoren zu tun, zum anderen mit einem „Mythos Supervision“ (Petzold, Orth et al. 2003), einem Nimbus besonderer Expertise, die einerseits die SupervisandInnen als Hilfe und Unterstützung in schweren Berufssituationen herbeiwünschen und die andererseits die institutionellen Auftraggeber unterstellen, weil sie damit ein effektives Instrument des „Controlings“ und der Qualitätssicherung zur Verfügung zu haben glauben. Diese Attributionen müssen indes dekonstruiert werden und durch empirische Forschung auf den Prüfstand kommen. 5.3 Der Nutzen von Supervision für die KlinikmitarbeiterInnen Der Nutzen von Supervision wird als „persönlich, beruflich, team- und patientenbezogen“ beschrieben (vgl. Abb. 3.1, 3.2, 3.3, 3.4). Fasst man die 4 Skalen zusammen, so ergibt sich ein Gesamtnutzen von Supervision, der von 47% der Befragten als mittel und von 29% als hoch bewertet wird. Dies ähnelt den Zahlen aus der Befragung von Adam (1998), welche 95 Fachpflegekräfte in einer Psychiatrischen Klinik befragte. 34% sahen die Supervision als „notwendig“, 66% als „sinnvoll“ und keiner als „nicht sinnvoll“. In einer weiteren Studie von Rüttimann-Yahalom wurden 66 Fachpflegekräfte in einer Psychiatrischen Klinik zur Teamsupervision befragt. Die Rücklaufquote betrug 36%. Rund 60% berichteten von der Teamsupervision („Ja“) zu profitieren (bzw. 30% „eher Ja“ zu profitieren). Insgesamt berichteten 85% der Befragten, einen positiven Gesamteindruck von der Teamsupervision zu haben, und bewerteten die Effizienz der Teamsupervision sowie die fachliche Kompetenz der SupervisorInnen als hoch (1998). Derartige Einschätzungen auf der Ebene von „angenommener Zufriedenheit“ bzw. „Kundenzufriedenheit“ sind nützlich. Es muss dabei aber unterstrichen werden, dass damit keine „objektive“ Bewertung der Effizienz von Supervision vorliegt. Diese 31/ 13.05.16/ K. Gottfried muss mit einer anderen Untersuchungsmethodik erhoben werden, nämlich kontrollierten Studien mit objektiven Instrumenten. Unsere Studie zeigt, dass 47%% der befragten SupervisandInnen einen mittleren bis hohen Nutzen auf der persönlichen, beruflichen, team- und patientenbezogenen Ebene erfährt. Solche Zahlen müssen natürlich bewertet werden, um eine hinlängliche Aussagekraft zu erhalten. Wenn man davon ausgeht, dass Supervision eine Methode für die Qualitätssicherung, Unterstützung und Kontrolle von Fachkräften (diplomierten Pflegefachkräften, studierten PsychologInnen, MedizinerInnen, SozialarbeiterInnen etc.) ist, durchgeführt von Supervisoren und Supervisorinnen als „Experten für Experten“, dann ist damit die „Latte hoch gelegt“, was die Qualitätsanforderungen und Qualitätsnachweise anbelangt. Und dann sind mittlere, befriedigende Werte (in dieser Studie 47%) keine sonderlich gute Bewertung und 29% als hoch, d.h. „gut“ und „sehr gut“ eine eher mässige Quote in der Gesamtbewertung, wenn dagegen 18% einen geringen und 6% keinen Nutzen angeben. Hier sind Reflexionen zur Steigerung von Qualität erforderlich, dazu, wie man einen deutlich höheren Anteil von guten und sehr guten Bewertungen erreichen kann. Da es sich in der Regel um fachlich ausgebildete Supervisoren handelt, denen die Untersuchten eine hohe Kompetenz attribuierten und nicht um dilettierende Amateure, sind die Fragen zu stellen: Fehlte es an Feldkompetenz, oder ist die Methodik der Patientensupervision (Fallarbeit) und mehr noch der Teamsupervision, wie sie von der Mehrzahl der Supervisoren (die dazu noch in der Ausrichtung sehr heterogen arbeiten) verwendet wird, unzureichend? Dann allerdings würden sich grundsätzliche Fragen auch an die Supervisionsausbildungen und ihre theoretische und methodische Orientierung ergeben. Es sei erinnert: Es gibt kaum differentielle Untersuchungen zur Wirksamkeit der verschiedenen Supervisionsformen (Petzold, Schigl et al. 2003). Unseren Zahlen kommt hier insofern Bedeutung zu, da es unseres Wissens, die erste Studie ist, die derartige Ergebnisse in einem solchen Umfang liefert. Diese Multicenterstudie zeigt überdies, dass es nicht die Supervision in der Psychiatrie gibt, sondern auch eine sehr hohe Heterogenität zwischen zwischen den Supervisoren und auch zwischen den einzelnen Kliniken gibt. Ein mittlerer (45%) und hoher (36%) „berufsbezogener Nutzen“ wurde von den SupervisandInnen mit patientenbezogener Supervision [Fallsupervision] angegeben (n=215), versus mittlerer (58%) und hoher (13%) in der Teamsupervision (n=101). Ein mittlerer (46%) bis hoher (35%) „patientenbezogener Nutzen“ wurde von den 32/ 13.05.16/ K. Gottfried SupervisandInnen für die patientenbezogene Supervision angegeben, versus mittlerer (39%) und (15%) hoher Nutzen in der Teamsupervision (Abb. 3.6 und Abb. 3.7). Diese Unterschiede sind signifikant und zeigen auf evidente Weise, dass die patientenbezogene Supervision [Fallsupervision] auf der beruflichen Ebene und auf der patientenbezogenen Teamsupervision. Dies Ebene gilt nicht als auf wirksamer der attribuiert Ebene des wird als die „persönlichen und teambezogenen Nutzen“, wo beide Supervisionsarten gleich gut abschneiden bzw. mässig oder schlecht. Insgesamt ist wiederum festzustellen, dass die mit „gut“ und „sehr gut“, also die mit „hoch“ bewerteten Ergebnisse, gegenüber den mittleren / befriedigenden und geringen Bewertungen nicht gerade üppig ausfallen. 5.4 Positive und negative Erfahrungen in der Supervision während der letzten 6 Monate 74% der befragten SupervisandInnen gab an, während der letzten 6 Monate, gute respektive positive Erfahrungen gemacht zu haben (positive, risiko- und schadensmindernde Wirkungen von Supervision). Demgegenüber gaben 18% an, negative Erfahrungen in der Supervision während der letzten 6 Monate gemacht zu haben. Hiervon errechneten wir 5% der SupervisandInnen, deren negative Erfahrungen als maligne, schädigende Erfahrungen eingestuft wurden (die Zahlen im Dunkelfeld dürften höher ausfallen, vgl. Petzold, Orth et al. 2003). Jüngere KlinikmitarbeiterInnen geben signifikant öfter negative Erfahrungen an als Ältere und Berufserfahrene. Auch hier ist die Heterogenität zwischen den einzelnen Kliniken hoch. 18% negativer Erfahrungen ist für eine Methode, die einen so hohen Anspruch vertritt („Gütesiegelqualität“, Weigand 1999, 2001) und – wie diese Untersuchung zeigt – auch attribuiert bekommt, kein gutes Ergebnis, das mit den doch hohen Nennungen von „mittlerer“ bis „niedriger“ oder „fehlender“ Wirksamkeit einen Zusammenhang zu haben scheint. Auch die höchst ambivalenten Bewertungen in den nachfolgenden Punkten (5.5 und 5.6) weisen in diese Richtung. 5.5 Protektive Faktoren und Risikofaktoren für die KlinikmitarbeiterInnen durch Supervision Welche möglichen protektiven Faktoren und Risikofaktoren könnte Supervision für die Krankenschwestern/Krankenpfleger und die interdisziplinären Teams beinhalten? 33/ 13.05.16/ K. Gottfried Für 79% aller KlinikmitarbeiterInnen beinhaltet Supervision protektive, fördernde und präventive Anteile und für 54% beinhaltet Supervision mögliche Risikofaktoren. Wenn 54% der Befragten Risikofaktoren befürchten und benennen, so ist das - trotz der starken Annahme von Schutzfaktoren mit 79% - ein besorgniserregendes Ergebnis, das dringend weiterer Untersuchung bedarf, besonders, da auch im nachstehenden Punkt sich dieses Ergebnis in der Tendenz findet. 5.6 Protektive Faktoren und Risikofaktoren für die SupervisandInnen und PatientInnen durch Supervision 76% der SupervisandInnen geben protektive Faktoren an, die durch die Supervision wirksam werden sollen. Aber auch die Risikofaktoren, die Supervision enthält, werden von 48% der SupervisandInnen genannt. Für die Patientenseite geben 67% der SupervisandInnen an, Supervision enthalte protektive Faktoren für die Patienten, während 21% der SupervisandInnen anmerken, Supervision enthalte Risikofaktoren für die PatientInnen. Der relativ hohe genannte Anteil protektiver Faktoren, der den MitarbeiterInnen Psychiatrischer Kliniken zugute kommt, lässt verschiedene Schlüsse zu. Unsere eigene Erfahrung zeigt, dass Wünsche nach Entlastung, nach Schutz vor Überforderung und „Burnout“, nach stützenden und klärenden Interventionen und daß die Suche nach Konfliktlösungen oft im Vordergrund der Supervisionssitzungen in psychiatrischen Teams steht, während die protektiven Faktoren für PatientInnen, also die in erster Linie angestrebte und beabsichtigte Wirkung von Supervision, nämlich dem Patientensystem zugute zu kommen, oftmals in den Hintergrund gerät. Überraschend erscheinen uns jene 48%, die Risiken durch die Supervision befürchten. Hier steht eventuell die MitarbeiterInnenebene mit den Befürchtungen im Vordergrund, sich mit seinem persönlichen Einbringen in die Supervision auch der Kritik und dem Hinterfragen des eigenen Tuns im Teams auszusetzen. Mit anderen Worten, geringe Teamkohärenz erzeugt eine Atmosphäre von unkollegialer Konkurrenz und Misstrauen versus Solidarität, fundierter Kollegialität und Konflux (Petzold 1998). Mehr noch kann man aber auch nach der Qualität der Supervision fragen. Ist es „gute“ Supervision, wenn 48,5% der SupervisandInnen offenbar erhebliche Risiken durch die Supervision angeben? 34/ 13.05.16/ K. Gottfried Immerhin sagen 67,5% dass die protektiven Faktoren für die PatientInnen eintreffend oder zutreffend seien. Dies ist eine Qualitätsattribution an die Supervision und ihren Auftrag, nämlich den PatientInnen zugute zu kommen, ja mehr noch, einen Beitrag zu deren Heilung zu leisten und das medizinisch-therapeutische Team in dieser Aufgabe zu unterstützen. Diese Zuschreibung muss in Forschungsprojekten mit kontrollierten Studien auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden, denn bislang gibt es kaum „harte Daten“, um diese Annahme zu stützen (Petzold, Schigl et. al. 2003), wohl aber Untersuchungen, die auf fehlende Wirksamkeit verweisen (Schay et. al. 2003). Auf jeden Fall muss man eine Annahme von über 20% Risiko für PatientInnen psychiatrischer Kliniken als unvertretbar hoch anschehen. Aber auch hier gilt es, Annahmen durch Fakten zu erhärten bzw. zu falsifizieren – schon allein um keine Negativeffekte durch „Rosenthaleffekte“ zu produzieren. Ohnehin gibt es aus ersten Untersuchungen zu Schadensfragen in der Supervision (Petzold, Rodriguez-Petzold 1997) und Erhebungen im Dunkelfeld (Petzold, Orth et al. 2003, Ehrhardt et.al2003) durchaus Hinweise auf Risiken und Schäden. Deshalb muss hier ein prioritäres Thema für die Supervisionsforschung gesehen werden. Weshalb kommt es zu dieser Annahme von Risiken bei 20% der Befragten? Liegt es an schlechter Supervision oder an der schlechten Umsetzung des in der Supervision Erarbeiteten durch die interdisziplinären Teams? Diese Frage wird voraussichtlich noch in einem breiteren Feld, Interesse finden. 5.7 Erwartungen an Supervision Keine oder wenig Entsprechungen gibt es, wenn wir die Erwartungen an SupervisorInnen mit den oben von uns gemachten Aussagen vergleichen, denn wenn wir sagen, dass der hohe Anteil protektiver Erfahrungen, den die SupervisandInnen aus der Supervision ziehen, deswegen so hoch ist, weil stützende und entlastende Interventionen im Vordergrund stehen, dann scheint sich das zu widersprechen mit den genannten Erwartungen an die Supervision und den Eigenschaften des Supervisors. Denn hier wird eine leichte Verschiebung zugunsten des Patienten deutlich. Ausserdem wird ersichtlich dass der Supervisor, die Supervisorin, einem hohen Anspruch an Fachlichkeit, personaler und sozialer Kompetenz sowie Feldkompetenz der Institution Klinik vorweisen muss. Dies 35/ 13.05.16/ K. Gottfried bestätigt die Forderung nach gut ausgebildeten mehrperspektivisch sehenden SupervisorInnen und nach hohen Ausbildungsstandards in der Ausbildung von SupervisorInnen, die allerdings sich nicht nur oder gar überwiegend durch Ausbildungslänge und über formale „Standards“ bestimmen lassen, wie das von vielen Supervisiorenverbänden in ihren Bemühungen der Qualitätssicherung durch „Standardüberprüfung“ oder Aufstockungen von Weiterbildungen vertreten wird (vgl. Petzold, Oeltze, Ebert 2001), sondern die eine empirische Überprüfung der Effizienz der Curricula, der Ausbildungspraxis und – unverzichtbar – eine Überprüfung der faktischen Kompetenz und interventiven Wirksamkeit der in einem spezifischen Supervisionsverfahren, mit einen speziellen Curriculum, nach besonderen Standards, bei einem konkreten Ausbilungsinstitut ausgebildeten SupervisorInnen mit ihrer Arbeit auf der PatientInnenebene, der SupervisandInnenebene und der Auftraggeberebene (die auftraggebenden Institutionen/Organisationen). Derartige Mehrebenenstudien der Ausbildungsevaluation werden gerade erst begonnen. Es liegen hier international erst zwei Studien vor (Schigl, Petzold 1997; Oeltze, Ebert, Petzold 2003). Die vorliegende Studie unterstreicht die Notwendigkeit solcher Untersuchungen. Besonders wenn SupervisorInnen im „klinischen Feld“ tätig werden sollen, ist ein fundiertes klinisches Wissen mit einem breiten organisationalem Wissen, ist generalistische Supervisionskompetenz mit spezifischer Feldkompetenz in der Performanz (Petzold, Engemann, Zachert 2003) zu verbinden. 5.8 Einschränkungen der Studie Ein Argument gegen die Repräsentativität der Ergebnisse der Studie könnte die Rücklaufquote von 54 % sein. Diese liegt etwas unter der in Evaluationsstudien verlangten Mindestrücklaufquote von 60% (Bortz, 2000), allerdings ist der Rücklauf recht hoch. Eine weitere Einschränkung sind offenbar vorhandene Ängste eines Teils der KlinikmitarbeiterInnen, die Supervision könnte aus Spargründen und Infragestellungen ihrer Effizienz gestrichen werden und diese Studie könnte dazu beitragen, dass Supervision abgeschafft würde, in dem sie die hierfür notwendige Begründung liefere. Aus diesen Ängsten könnte ein Teil der KlinikmitarbeiterInnen die Supervision und deren Nutzen positiver bewertet haben, als dies tatsächlich der Fall ist. Solche Ängste aber weisen doch darauf hin, dass den SupervisandInnen die Supervision als Freiraum und Möglichkeit der Entlastung sehr wichtig ist. Dieser 36/ 13.05.16/ K. Gottfried Umstand wirft neue Fragen auf: Ist die Supervision wirklich fördernd, oder ist sie nur ein klinikinternes Privileg, sich an einem weitgehend selbstbestimmten „sicheren Ort“ in Vertrautheit und kollegialer Intimität, frei äussern zu können? Wird das „Supervisionsritual“ zu einem Ort, an dem die eigenen Bedürfnisse und die eigene Befindlichkeit im Mittelpunkt stehen, während im Berufsalltag hierfür kaum oder kein Platz ist? Wird also Supervision in einer sonst stark fremdbestimmten Institution wie der einer Klinik quasi zum Ort eines „internalen locus of control“ (Flammer 1900)? Unsere eigene Erfahrung als Supervisoren und Supervisanden - wir kennen beide Seiten - zeigt, dass der Entlastungsaspekt in stark beanspruchten Teams eine wesentliche Rolle spielt. Neben der Besprechung schwieriger und „prekärer Lebenslagen“ von PatientInnen (Petzold 2000) kommt dem Austausch und Mitteilungsbedürfnis über die eigene Berufsrolle und die berufliche Identität mit ihren vielfältigen Anforderungen und Alltagswidrigkeiten (affordances and constraints, Petzold 1998) grosse Bedeutung zu. Interdisziplinäre Teams, die in der Lage sind, aufgrund Ihrer personellen Zusammensetzung, aufgrund ihrer hohen Performanz und Kollegialität den oft schweren Klinikalltag kreativ zu gestalten, die noch Raum finden für die Schaffung einer wohlwollenden, heiter, gelassenen Atmosphäre, können mit krisenhaften Situationen oft besser umgehen als mit „zeitextendiertem Stress“ (Petzold 1993) belastete Teams. Zwar ist dies eine Binsenweisheit, aber Supervision scheint hier eine wichtige Rolle der Entlastung im Spannungs-Feld Psychiatrische Klink zu spielen, sowohl auf der PatientInnen- wie auf der MitarbeiterInnenebene. Auffallend ist auch, dass wesentlich mehr jüngere MitarbeiterInnen signifikant mehr „negative Erfahrungen“ durch Supervision angaben als ältere KollegInnen und ebenso den Nutzen von Supervision als signifikant geringer bewerteten. Dafür könnte es zwei Erklärungsansätze geben: 1. Jüngere MitarbeiterInnen sind weniger autoritätsabhängig, kritischer und haben einen aktuelleren Theoriestand. Sie sehen des „Kaisers neue Kleider“, äussern Nonkonformität und erhalten dadurch oft Gegenkritik. Ältere MitarbeiterInnen handeln konformer, schreiben den SupervisorInnen eine höhere Kompetenz zu als die Jüngeren. 2. Jüngere MitarbeiterInnen haben eine höhere Unsicherheit und mehr Schwierigkeiten in der Praxis, bräuchten eine höhere Unterstützung, die sie durch die Supervision aber nicht erhalten (siehe die mittlere bis schwache Performanz vieler 37/ 13.05.16/ K. Gottfried SupervisorInnen). Sie können offenbar – zuweilen befremdet zum ersten Mal in einer Supervisionsrunde mit einem supervisionserfahrenen Team sitzend – nicht optimal nutzen, weil es an einer entsprechenden Propädeutik von Seiten des Teams und mehr noch von Seiten der SupervisorInnen gefehlt hat – sie wurden nicht in die Supervision eingeführt. Ältere MitarbeiterInnen hingegen kennen die „Supervsionsrituale“ und wissen sie besser zu nutzen. Andererseits zeigt unsere Erfahrung, dass in Teams, in denen die Leitung oder ein Anteil der Teammitglieder aus „alten Hasen“ besteht, kohärentere atmosphärische Qualitäten auf den Abteilungen entstehen können, als in Teams, in denen solche langjährige Berufserfahrung abwesend ist. Oft kann hier der Supervisor, die Supervisorin, zu einem stützenden, förderndem Faktor u.a. durch die Kontinuität der Supervision werden,. Die wesentlichen Wirkfaktoren effektiver Supervision sind : 1. Das Herstellen von Exzentrizität und Mehrperspektivität gegenüber der zu betrachtenden Situation. 2. die Diskursivierung bzw. Problematisierung der Situation und 3. die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung von Lösungswegen unter Einbezug aller Kompetenzen und Performanzen aller Beteiligten (joint competence and performance, Petzold, Engemann, Zachert 2003) 5.9 Ausblick Diese Studie ist ein Anfang. Im Bereich der Supervisionsforschung im Feld der Psychiatrie bedarf es weiterführender Studien, die die folgenden Fragestellungen erfassen könnten: Erfolgen Verbesserungen in der Arbeit mit den Patienten durch die Supervision und unter welchen Bedingungen und mit welchen Supervisionsformen gelingt dies? Was muss Supervision in der Psychiatrie zu leisten imstande sein und wie können wir besser messen, was Supervision für das Patientensystem letzten Endes bringt? Darüber hinaus: Welche Schlüsse können wir ziehen für die Ausbildungen von SupervisorInnen im Feld der Psychiatrie bezüglich Grundberuf, Feldkompetenz, Zusatzausbildungen und Supervisionsausbildung etc.? So ist etwa die Frage zu stellen: Wird eine psychoanalytische Ausbildung als alleiniger Hintergrund und als Qualifikation für einen Supervisor den gerecht Anforderung, die sich für die Supervision in der Psychiatrie ergeben oder reicht eine Familientherapieausbildung oder eine Psychodramaausbildung etc. aus, um als 38/ 13.05.16/ K. Gottfried Supervisor in der Psychiatrie tätig zu werden? Welche methodischen Supervisionsansätze haben eine gute und hohe Wirkung, welche eine mässige oder geringe, welche eine nachhaltige? All das sind Fragen, die gestellt und beforscht werden müssen und für deren Beantwortung noch viel Arbeit investiert werden muss, damit die Supervision die Potentiale entfalten kann, die sie bei fachlicher, qualifizierter und empiriegestützter Anwendung zu realisieren vermag. Diese Studie liefert einen Beitrag hierzu, besonders, da sie auch in Deutschland und in Österreich für den Bereich der Psychiatrie und, in angepasster Form, für den Bereich der Sozialgerontologie durchgeführt wird und damit eine übergreifende Datenbasis zu liefern verspricht. 39/ 13.05.16/ K. Gottfried 6 Literaturverzeichnis Adam Frauke (1998): Erst mal nur unter uns! Ängste und Sorgen vor der Teamsupervision aus der Sicht des Pflegepersonals. In: Eck D., Supervision in der Psychiatrie. Psychiatrie-Verlag, Bonn. Bänfer Helga (2002): Krise als Chance. Teamsupervision in einem Operationsteam. In: OSC 9/1, S. 59-72. Verlag Leske + Budrich, Leverkusen. 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