Dokumentieren 1992435

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Die vorliegenden Untersuchungen befassten sich mit dem Themenkomplex der TemperaturAnpassung von hyperthermophilen Organismen mit Hilfe thermokompatibler Solute.
Gegenstand der Untersuchung war im Wesentlichen Methanothermus fervidus, ein
hyperthermo-philes Methanoarchaeum mit einem Wachstumsoptimum von 83° C, das hohe
Konzentrationen von cyclischem 2,3-Diphosphoglycerat (cDPG) akkumuliert.
Die Untersuchungen sollten (i) einen Beitrag zur Verbreitung dieser ungewöhnlichen
Verbindung bei hyperthermophilen Organismen leisten, (ii) über die Wirkung des Solutes als
Thermostabilisator für Enzym-Proteine Einsicht gewähren, (iii) eine Analyse der TemperaturAbhängigkeit der Akkumulation des Solutes geben, (iv) Einblick in den molekularen
Mechanismus der temperaturgesteuerten cDPG-Akkumulation erlauben sowie (v) die
Entwicklung eines Produktionsverfahrens für cDPG anstreben, das eine biotechnologische
Anwendung dieser Verbindung ermöglicht.
(i) Bei den Untersuchungen wurde cDPG in dem hyperthermophilen heterotrophen
Pyrococcus woesei nachgewiesen, wodurch zum ersten Mal das Vorkommen dieser
Verbindung auch außerhalb des Verwandtschaftskreises der Methanoarchaea belegt werden
konnte. Wie Vergleiche von Genomen verschiedener Prokaryonten zeigten, korreliert die
cDPG-Produktion eines Organismus mit dem Vorliegen von Homologen des Gens, das in Mt.
fervidus die cDPG-Synthetase (cDPGS) codiert. Damit ist dieses Enzym, das die ATP
abhängige intramolekulare Phosphoanhydrid-Bindung von 2,3-Diphosphoglycerat schließt,
offensichtlich generell spezifisch und damit indikativ für die cDPG-Synthese. Demgegenüber
stellt das Vorliegen einer 2-Phosphoglyceratkinase, die über die Phosphorylierung von 2Phosphoglycerat zu 2,3-Diphosphoglycerat das Substrat der cDPGS bildet, scheinbar eine
zwar notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für die cDPG-Produktion dar.
(ii) cDPG scheint generell Enzyme aus hyperthermophilen Organismen gegen ThermoInaktivierung zu schützen, weitgehend unabhängig davon, ob die jeweiligen Enzym-Proteine
aus Organismen stammen, die zur cDPG-Produktion befähigt sind oder nicht. Hingegen
konnten bei Enzymen aus mesophilen Organismen nur in einigen Fällen
Stabilisierungserfolge erzielt werden. Die Untersuchungen deuten daraufhin, dass die
stabilisierende Wirkung von cDPG in erster Linie auf einem präferierten Ausschluss-Effekt
beruht (Arakawa und Timasheff, 1983), wobei allerdings die Proteinstruktur über mehr oder
weniger spezifische Wechselwirkungen mit dem Solut zusätzlich Einfluss auf die
Stabilisierbarkeit zu nehmen scheint. Möglicherweise ist in der für hyperthermophile Proteine
als charakteristisch erkannten höheren negativen Oberflächen-Ladungsdichte (Cambillau und
Claverie, 2000) eine Ursache für ihre bessere Stabilisierbarkeit zu sehen. Denkbar wäre ein
höherer Ausschluss-Effekt bedingt durch eine stärkere Repulsion zwischen OberflächenLadung des Proteins und der dreifach negativen Ladung des Solutes.
(iii) Temperatur-Umstellungsversuche mit Mt. fervidus-Kulturen in exponentieller und
stationärer Wachstumsphase zeigten einen eindeutigen Temperatur-Einfluss auf die
intrazelluläre cDPG-Konzentration: Temperatur-Erhöhung über das Wachtumsoptimum von
83° C hinaus (auf 93° C) erhöht die cDPG-Konzentration (1,59 µmol mg-1 Prot.),
Erniedrigung auf 68° C reduziert die cDPG-Konzentration (0,93 µmol mg-1 Prot.). Die
Konzentrationsumstellungen sind - unab-hängig von der Wachstumsphase - ca. 9 h nach
Temperatur-Änderung weitgehend abge-schlossen. Die Beobachtung, dass die Kinetik der
Umstellung nicht vom physiologischen Zustand der Zelle beeinflusst wird, könnte darauf
hindeuten, dass die Regulation des cDPG-Pools in erster Linie auf Protein-Ebene greift.
(iv) Eingehende Untersuchungen an der cDPGS, dem Schüsselenzym des cDPGMetabolismus, erhärteten den Verdacht, dass dieses Enzym die zentrale Regulationsstelle für
die temperaturgesteuerte Veränderung des cDPG-Pools in Mt. fervidus darstellt. Analysiert
wurden die funktionellen und makromolekularen Eigenschaften sowohl der naturalen cDPGS,
wie sie in Mt. fervidus bei verschiedenen Wachstumstemperaturen vorliegt, als auch des in E.
coli heterolog exprimierten rekombinanten Enzymes. Antiseren gegen das rekombinante
Enzym dienten zu Identifizierung der cDPGS in zellfreien Extrakten von Mt. fervidus.
Während sich das Molekulargewicht von naturalem und rekombinantem Enzym unter nativen
Bedingungen nicht unterscheidet (beide Enzyme bilden Dimere mit einem apparenten
Molekulargewicht von 112 000), differieren beide Enzyme in SDS-GelElektropherogrammen: Das rekombinante Enzym weist - wie erwartet - nur eine Proteinbande
auf, während im Fall des naturalen Enzyms zwei Banden sichtbar sind, da zusätzlich zu einer
Bande, die die gleiche Migrationsgeschwindigkeit wie das rekombinante Enzym besitzt, eine
langsamer wandernde Bande auftritt. Identische N-terminale Partial-Sequenzen und
vergleichbare Reaktivität gegenüber den eingesetzten Antiseren weisen auf hohe strukturelle
Übereinstimmung der beiden Proteinformen untereinander und mit dem rekombinanten
Enzym hin.
Unter regulativen und funktionellen Gesichtspunkten bedeutungsvoll ist die Beobachtung,
dass sich das Verhältnis beider Protein-Formen mit der Wachstumstemperatur des
Organismus ändert: Bei höherer Temperatur überwiegt die obere Bande, bei niedrigerer
Temperatur die untere. Verbunden damit ist eine Veränderung des enzymatischen Phänotyps:
So kann bei der Niedertemperatur-Variante (Dominanz der unteren Bande) eine deutliche
Förderung der cDPG-Hydrolyse, bei der Hochtemperatur-Variante (Dominanz der oberen
Bande) eine deutliche Förderung der cDPG-Synthese-Aktivität festgestellt werden. Ein enger
Bezug zu der temperaturregulierten Konzentrationsveränderung von cDPG wird durch die
Beobachtung hergestellt, dass der Zeitverlauf der cDPG-Konzentrationsveränderung nach
Temperatur-Umstellung nahezu parallel zur Veränderung des Verhältnisses beider EnzymIsoformen verläuft.
Die Frage nach der (den) Modifikation(en), die für die temperaturbedingte Veränderung des
Phänotyps der cDPGS in Mt. fervidus verantwortlich ist (sind), bleibt bislang unbeantwortet.
Massenspektrometrische Untersuchungen lassen keine Unterschiede zwischen beiden
Isoformen erkennen und liefern Werte, die mit der errechneten Masse des Proteins
übereinstimmen (s. Punkt 3.5). Tests auf verschiedene chemische Modifikationen (ADPRibosylierung, Phosphorylierung, Glycosylierung) blieben ergebnislos. Derzeit gehen wir
Hinweisen nach, die für Deamidierungsreaktionen als Ursache der beobachteten Effekte
sprechen.
Vorläufige Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Aktivität der cDPGS zusätzlich durch
den physiologischen Zustand der Zelle kontrolliert wird. So konnten für verschiedene
Intermediate und Energie-Metabolite fördernde bzw. hemmende Einflüsse auf die cDPGS
festgestellt werden. Nach den bisherigen Ergebnissen bestehen diesbezüglich keine
qualitativen Unterschiede in der Regulationsfähigkeit der Hochtemperatur- und
Niedertemperatur-Variante des Enzyms.
(v) Als Voraussetzung für einen eventuellen biotechnologischen Einsatz von cDPG kann ein
enzymatisches in vitro-Verfahren mit rekombinanter cDPGS von Mt. fervidus sowie ein in
vivo-Verfahren mit einem rekombinanten E. coli-Stamm als Produzenten, der die codierenden
Gene für die 2-PGK und cDPGS von Mt. fervidus trägt, vorgeschlagen werden.
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