Die vorliegenden Untersuchungen befassten sich mit dem Themenkomplex der TemperaturAnpassung von hyperthermophilen Organismen mit Hilfe thermokompatibler Solute. Gegenstand der Untersuchung war im Wesentlichen Methanothermus fervidus, ein hyperthermo-philes Methanoarchaeum mit einem Wachstumsoptimum von 83° C, das hohe Konzentrationen von cyclischem 2,3-Diphosphoglycerat (cDPG) akkumuliert. Die Untersuchungen sollten (i) einen Beitrag zur Verbreitung dieser ungewöhnlichen Verbindung bei hyperthermophilen Organismen leisten, (ii) über die Wirkung des Solutes als Thermostabilisator für Enzym-Proteine Einsicht gewähren, (iii) eine Analyse der TemperaturAbhängigkeit der Akkumulation des Solutes geben, (iv) Einblick in den molekularen Mechanismus der temperaturgesteuerten cDPG-Akkumulation erlauben sowie (v) die Entwicklung eines Produktionsverfahrens für cDPG anstreben, das eine biotechnologische Anwendung dieser Verbindung ermöglicht. (i) Bei den Untersuchungen wurde cDPG in dem hyperthermophilen heterotrophen Pyrococcus woesei nachgewiesen, wodurch zum ersten Mal das Vorkommen dieser Verbindung auch außerhalb des Verwandtschaftskreises der Methanoarchaea belegt werden konnte. Wie Vergleiche von Genomen verschiedener Prokaryonten zeigten, korreliert die cDPG-Produktion eines Organismus mit dem Vorliegen von Homologen des Gens, das in Mt. fervidus die cDPG-Synthetase (cDPGS) codiert. Damit ist dieses Enzym, das die ATP abhängige intramolekulare Phosphoanhydrid-Bindung von 2,3-Diphosphoglycerat schließt, offensichtlich generell spezifisch und damit indikativ für die cDPG-Synthese. Demgegenüber stellt das Vorliegen einer 2-Phosphoglyceratkinase, die über die Phosphorylierung von 2Phosphoglycerat zu 2,3-Diphosphoglycerat das Substrat der cDPGS bildet, scheinbar eine zwar notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für die cDPG-Produktion dar. (ii) cDPG scheint generell Enzyme aus hyperthermophilen Organismen gegen ThermoInaktivierung zu schützen, weitgehend unabhängig davon, ob die jeweiligen Enzym-Proteine aus Organismen stammen, die zur cDPG-Produktion befähigt sind oder nicht. Hingegen konnten bei Enzymen aus mesophilen Organismen nur in einigen Fällen Stabilisierungserfolge erzielt werden. Die Untersuchungen deuten daraufhin, dass die stabilisierende Wirkung von cDPG in erster Linie auf einem präferierten Ausschluss-Effekt beruht (Arakawa und Timasheff, 1983), wobei allerdings die Proteinstruktur über mehr oder weniger spezifische Wechselwirkungen mit dem Solut zusätzlich Einfluss auf die Stabilisierbarkeit zu nehmen scheint. Möglicherweise ist in der für hyperthermophile Proteine als charakteristisch erkannten höheren negativen Oberflächen-Ladungsdichte (Cambillau und Claverie, 2000) eine Ursache für ihre bessere Stabilisierbarkeit zu sehen. Denkbar wäre ein höherer Ausschluss-Effekt bedingt durch eine stärkere Repulsion zwischen OberflächenLadung des Proteins und der dreifach negativen Ladung des Solutes. (iii) Temperatur-Umstellungsversuche mit Mt. fervidus-Kulturen in exponentieller und stationärer Wachstumsphase zeigten einen eindeutigen Temperatur-Einfluss auf die intrazelluläre cDPG-Konzentration: Temperatur-Erhöhung über das Wachtumsoptimum von 83° C hinaus (auf 93° C) erhöht die cDPG-Konzentration (1,59 µmol mg-1 Prot.), Erniedrigung auf 68° C reduziert die cDPG-Konzentration (0,93 µmol mg-1 Prot.). Die Konzentrationsumstellungen sind - unab-hängig von der Wachstumsphase - ca. 9 h nach Temperatur-Änderung weitgehend abge-schlossen. Die Beobachtung, dass die Kinetik der Umstellung nicht vom physiologischen Zustand der Zelle beeinflusst wird, könnte darauf hindeuten, dass die Regulation des cDPG-Pools in erster Linie auf Protein-Ebene greift. (iv) Eingehende Untersuchungen an der cDPGS, dem Schüsselenzym des cDPGMetabolismus, erhärteten den Verdacht, dass dieses Enzym die zentrale Regulationsstelle für die temperaturgesteuerte Veränderung des cDPG-Pools in Mt. fervidus darstellt. Analysiert wurden die funktionellen und makromolekularen Eigenschaften sowohl der naturalen cDPGS, wie sie in Mt. fervidus bei verschiedenen Wachstumstemperaturen vorliegt, als auch des in E. coli heterolog exprimierten rekombinanten Enzymes. Antiseren gegen das rekombinante Enzym dienten zu Identifizierung der cDPGS in zellfreien Extrakten von Mt. fervidus. Während sich das Molekulargewicht von naturalem und rekombinantem Enzym unter nativen Bedingungen nicht unterscheidet (beide Enzyme bilden Dimere mit einem apparenten Molekulargewicht von 112 000), differieren beide Enzyme in SDS-GelElektropherogrammen: Das rekombinante Enzym weist - wie erwartet - nur eine Proteinbande auf, während im Fall des naturalen Enzyms zwei Banden sichtbar sind, da zusätzlich zu einer Bande, die die gleiche Migrationsgeschwindigkeit wie das rekombinante Enzym besitzt, eine langsamer wandernde Bande auftritt. Identische N-terminale Partial-Sequenzen und vergleichbare Reaktivität gegenüber den eingesetzten Antiseren weisen auf hohe strukturelle Übereinstimmung der beiden Proteinformen untereinander und mit dem rekombinanten Enzym hin. Unter regulativen und funktionellen Gesichtspunkten bedeutungsvoll ist die Beobachtung, dass sich das Verhältnis beider Protein-Formen mit der Wachstumstemperatur des Organismus ändert: Bei höherer Temperatur überwiegt die obere Bande, bei niedrigerer Temperatur die untere. Verbunden damit ist eine Veränderung des enzymatischen Phänotyps: So kann bei der Niedertemperatur-Variante (Dominanz der unteren Bande) eine deutliche Förderung der cDPG-Hydrolyse, bei der Hochtemperatur-Variante (Dominanz der oberen Bande) eine deutliche Förderung der cDPG-Synthese-Aktivität festgestellt werden. Ein enger Bezug zu der temperaturregulierten Konzentrationsveränderung von cDPG wird durch die Beobachtung hergestellt, dass der Zeitverlauf der cDPG-Konzentrationsveränderung nach Temperatur-Umstellung nahezu parallel zur Veränderung des Verhältnisses beider EnzymIsoformen verläuft. Die Frage nach der (den) Modifikation(en), die für die temperaturbedingte Veränderung des Phänotyps der cDPGS in Mt. fervidus verantwortlich ist (sind), bleibt bislang unbeantwortet. Massenspektrometrische Untersuchungen lassen keine Unterschiede zwischen beiden Isoformen erkennen und liefern Werte, die mit der errechneten Masse des Proteins übereinstimmen (s. Punkt 3.5). Tests auf verschiedene chemische Modifikationen (ADPRibosylierung, Phosphorylierung, Glycosylierung) blieben ergebnislos. Derzeit gehen wir Hinweisen nach, die für Deamidierungsreaktionen als Ursache der beobachteten Effekte sprechen. Vorläufige Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Aktivität der cDPGS zusätzlich durch den physiologischen Zustand der Zelle kontrolliert wird. So konnten für verschiedene Intermediate und Energie-Metabolite fördernde bzw. hemmende Einflüsse auf die cDPGS festgestellt werden. Nach den bisherigen Ergebnissen bestehen diesbezüglich keine qualitativen Unterschiede in der Regulationsfähigkeit der Hochtemperatur- und Niedertemperatur-Variante des Enzyms. (v) Als Voraussetzung für einen eventuellen biotechnologischen Einsatz von cDPG kann ein enzymatisches in vitro-Verfahren mit rekombinanter cDPGS von Mt. fervidus sowie ein in vivo-Verfahren mit einem rekombinanten E. coli-Stamm als Produzenten, der die codierenden Gene für die 2-PGK und cDPGS von Mt. fervidus trägt, vorgeschlagen werden.