Fachhochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen Humanwissenschaftliche Grundlagen der Sozialpädagogik/Sozialarbeit – Psychologische Grundlagen Seminar: Entwicklungspsychologie Prof. Dr. Schulte-Cloos Hausarbeit zur Erlangung eines Leistungsnachweises Thema: Die Stufen der Entwicklungspsychologie von der Geburt bis zur Grundschulzeit Anschrift: Andreas Müller An der Liede 8 36157 Ebersburg Abgabedatum: 30.11.2004 1 Gliederung 1. Der Säugling (Seite 1-6) 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6. 1.7. Reflexe und Anpassungen (Seite 1+2) Erweckung von Reizen (Seite 2+3) Grundlegende Kompetenzen (Seite 3) Phänomen des Fremdelns – Die Achtmonatsangst (Seite 4) Objekt – Permanenz (Seite 4) „Entwicklungsmeilensteine“ (Seite 5) „Fremde-Situations-Test“ - FST (Seite 5+6) 2. Kleinkind- und Vorschulalter (Seite 6-8) 2.1. Geschlechtskategorien (Seite 6+7) 2.2. Aktiver und passiver Wortschatz (Seite 7) 2.3. Spielen – der „Entwicklungsmotor“ (Seite 8) 3. Schulalter (Seite 8+9) 3.1. Schulfähigkeit (Seite 9) 3.2. Erwerb der Schriftsprache (Seite 9) 4. Persönliche Meinung (Seite 10) 5. Literaturangaben (Seite 10) 2 Die Stufen der Entwicklungspsychologie von der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit Einleitung: Die psychische Entwicklung des Menschen ist ein ständig andauernder Prozess der mit der Empfängnis beginnt und erst mit dem Tod endet. Im Bauch der Mutter werden durch diesen Vorgang die Erbanlagen fixiert und somit Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung festgelegt. Bereits während der Empfängnis geben sowohl Vater als auch Mutter Ihre biologischen und sozialen Bedingungen an das Kind weiter. Diese Konstellation ist von diesem Zeitpunkt an entwicklungsfördernd, kann aber auch entwicklungshemmend für das zukünftige Leben des Kindes sein. 1. Der Säugling Der Zeitraum des Säuglingsalters lässt sich in zwei Phasen unterscheiden. Die Zeit von der Geburt an bis zu den ersten zwei bis drei Monaten wird als „Neugeborenen- und die erweiterte Neugeborenenzeit“ bezeichnet. Als die „Zeit des Kompetenten Säuglings“ wird der Zeitraum danach bis zu einem Jahr bezeichnet. 1.1. Reflexe und Anpassungen Ein Kind hat bei der Geburt bereits sehr wichtige und sehr bewegte Entwicklungsphasen hinter sich, die neben biologischgenetischen Entwicklungsfaktoren auch schon Umgebungseinflüsse mit einschließen. Durch die Geburt wird dem Kind eine starke physiologische Anpassung abverlangt. Es muss in seinem neuen Umfeld seine Motorik „anpassen“, seinen Wärmehaushalt kontrollieren und stabilisieren, eigenständig atmen, Nahrung aufnehmen und verdauen sowie seinen Herz- und Kreislauf regulieren. Das Neugeborene besitzt schon eine sehr beachtliche Menge an Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Diese Fähigkeiten sind angeboren und ermöglichen es dem Neugeborenen sich zielgerichtet zu verhalten obwohl es Sinn und Zweck dieser Ziele noch nicht versteht. Neben einer allgemeinen Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden Umgebungsbedingungen sind hier vor allem Basisfähigkeiten im Sinnes- sowie im sozialen Bereich zu nennen. 3 In den ersten Lebenswochen kann man bei dem Neugeborenen im Bereich der Motorik einige angeborene Reflexe beobachten: Saug- und Suchverhalten sowie Schwimmbewegungen, Greifen, Schreiten und Krabbeln gehören hier zu den Wichtigsten. Der Saugreflex als zentrales Verhaltensmuster hat neben der Nahrungsaufnahme noch weitere Funktionen, so dient es auch der Regulierung des Erregungsniveaus. Das Saugen kann man bereits im Mutterleib feststellen. Vermutlich dient es der Beruhigung, was man auch nach der Geburt durch die Benutzung eines Schnullers feststellen kann. Der Mund wird vom Neugeborenen auch zur „Erkundung“ seiner Umgebung benutzt. Es steckt schlicht und einfach alles in seinen Mund oder versucht dies zumindest. Freud nennt dies in seiner Entwicklungstheorie „Orale Phase“. (Lit.: Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie) 1.2. Erweckung von Reizen Zwischen dem 2. und 3. Monat verschwinden die verschiedenen Verhaltenarten wie z.B. das Suchverhalten, das Greifen und Krabbeln nach und nach. Sie verabschieden sich entweder für immer oder tauchen erst nach einigen Wochen oder Monaten in veränderter Form wieder auf. Ab diesem Zeitpunkt werden die Verhaltensarten zunehmend durch willkürliche Bewegungen ersetzt. Auch im Wahrnehmungsbereich gelingen dem Neugeborenen einige erstaunliche Leistungen. Es kann die Stimme seiner Mutter von den Stimmen Anderer unterscheiden und sein Hörvermögen ist genau im Frequenzbereich der Wortsprache am besten entwickelt. Durch seinen Geruchs- und Geschmackssinn kann es die Milch seiner Mutter von der von anderen Frauen unterscheiden. Seine visuellen Fähigkeiten sind noch nicht so stark ausgebildet wie seine anderen Sinne, jedoch kann es auf eine Entfernung von ca. 20-25 cm Entfernung bei guter Helligkeit bereits relativ gut sehen, bevorzugt Gesichter sowie „Muster“ mit deutlichen Konturen. Erweckt ein bestimmter Reiz sein Interesse so ist es in der Lage diesen Reiz mit seinen Augen und seinem Kopf zu „verfolgen“. Das Interesse an Personen und an Objekten ist von Geburt an deutlich erkennbar. In den ersten 2 bis 3 Monaten stehen Vertrautheit und Neuigkeit für die Aufmerksamkeit des Kindes an vorderster Stelle. Sie werden abgelöst durch Kriterien die das Kind mit Personen und den Dingen der Umwelt in Verbindung bringen, wie z.B. Sichtbarkeit, Kausalität und Solidarität. (Lit.: „Kindliche Entwicklung“ unter www.familienhandbuch.de) Durch sein Äußeres, welches für andere Personen als Schlüsselreiz dient um Fürsorgeverhalten auszulösen, sowie der Neigung zum Nachahmen und das Weinen sind dem Kleinkind verschiedene Grundausstattungen gegeben die dem Aufbau und der Aufrechterhaltung des Kontaktes mit seiner sozialen Umgebung bestimmt sind. Ein für die weitere soziale Entwicklung sehr 4 wichtiger Prozess ist die Entwicklung einer stabilen Beziehung/Bindung vom Kind zu seiner/n Bezugsperson/en. Die von Beginn an vorhandenen Ausstattungsmerkmale des Kindes unterstützen den Aufbau einer stabilen Beziehung/Bindung, welche für das Kind überlebenswichtig sind. Aufgrund der vitalen Grundbedürfnisse des Kindes wie Nahrungsaufnahme, Schutz vor Kälte usw. ist es auf die Hilfe Anderer angewiesen. Ohne diese Hilfe ist ein Überleben des Kindes nicht möglich. Das Kind ist in allen wichtigen Lebensfunktionen auf die Hilfe Anderer angewiesen. (Lit.: Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie) 1.3. Grundlegende Kompetenzen In seiner weiteren Entwicklung bildet das Kind seine grundlegenden Kompetenzen (Fähigkeiten und Emotionen). Oerter/Montada bezeichnen das Kind in dieser nächsten Phase der Entwicklung als „Kompetenter Säugling“. Die Entwicklung der Wahrnehmung, des Erkundens, der Grobmotorik und des Greifens sind wichtige Voraussetzungen zum Erwerb der grundlegenden Kompetenzen. Auch hier ist das Kind wiederum auf die Hilfe einer Bezugsperson angewiesen. Zu dieser Zeit, evtl. auch etwas früher, kommt zu den Fähigkeiten des Kindes auch das Lächeln hinzu, welches für die Interaktionspartner eine besondere Bedeutung in der Sicherung von Bindungen bedeutet. Zwischen dem zweiten und vierten Monat hat das Kind die Fähigkeit erlangt seinen Kopf in den verschiedensten Positionen aufrecht zu halten und seine Hand zum Greifen zu öffnen. Beide Fähigkeiten vereinigen sich ab dem vierten Monat zu einem „Aktivsystem“. Das durch die Sehkraft gesteuerte Greifen entwickelt sich als wichtige Erkenntnisaktivität in seiner Umwelt. Im Alter von etwa 6 Monaten beginnen die Kinder mit ersten „Sprachübungen“ („Lallen“). Hierdurch kann eine gemeinsame Aktivität entstehen, etwa durch das gegenseitige Nachahmen. Alle genannten sozialen Basisfähigkeiten auf Seiten beider Interaktionspartner können zum Aufbau einer stabilen Beziehung/Bindung beitragen. Diese stabile Bindung wird als „Urerfahrung“ überhaupt angesehen. Zu dieser Phase oder etwas später ist das Kind auch in der Lage zu sitzen und kontrolliert zu krabbeln. Hierdurch ist es dem Kind möglich mit beiden Händen etwas zu erfassen und es ist dadurch in der Lage seine Handlungen aufeinander abzustimmen. Das Kind versucht nun seine Hand und das zu ergreifende Objekt einander anzupassen. Dies schließt auch auf eine verbesserte Gedächtnisfähigkeit. 5 1.4. Phänomen des Fremdelns – Die Achtmonatsangst Um den achten Monat herum tritt das „Phänomen des Fremdelns“, auch „Achtmonatsangst“ genannt, auf. Obwohl das Kind von Geburt an Interesse an Personen und Objekten zeigt und alles was es sieht praktisch neu und daher auch fremd ist, reagiert es nicht mit Furcht sondern mit Neugier. Besonders bei der Begegnung mit fremden Erwachsenen setzt dieses Phänomen ein. Von leichter Sorge, über vorsichtshalber Alarmiertheit bis hin zu einer starken Abwehrhaltung in Verbindung mit starkem Weinen kann die „Achtmonatsangst“ unterschiedlich stark ausgeprägt auftreten. Die Stärke des „Fremdelns“ hängt von mehreren Dingen ab, wie z.B. der Beziehung zur Mutter und wie diese sich der Fremdperson gegenüber verhält, dem Umfeld (ob die Begegnung in einer vertrauten oder unvertrauten Umgebung stattfindet), die Einfühlsamkeit der Fremdperson gegenüber des Kindes, sowie auch der gegenwärtigen seelischen Verfassung des Kindes selbst. Je sicherer sich das Kind fühlt (vertraute Umgebung, Nähe der Bezugsperson), desto weniger Angst hat es. In der Regel bevorzugt das Kind die Nähe einer bestimmten Bezugsperson, welche Es bei Abwesenheit dann vermisst. Die gegenwärtige Verfassung des Kindes in Verbindung mit seiner gegenwärtigen Umgebung stehen in Verbindung damit in wie weit sich das Kind und auch wie lange sich das Kind von der Bezugsperson entfernen kann um unbekannte Objekte bzw. Personen zu „entdecken“. Die Zeit des Fremdelns nimmt im zweiten Lebensjahr wieder ab. (Lit.: Keller, Lehrbuch Entwicklungspsychologie) 1.5. Objekt – Permanenz Zum gleichen Zeitpunkt vollziehen sich auch auf der kognitiven Ebene deutliche Veränderungen. Als wichtigster Entwicklungsschritt ist hier die sogenannte „Objekt-Permanenz“ bekannt. Als „Objekt-Permanenz“ wird die Fähigkeit des Kindes bezeichnet das Objekte auch dann noch existieren wenn es das Kind nicht mehr unmittelbar sehen kann, wenn die Objekte aus seinem Blickfeld herausgerückt sind. Es erkennt im Unterschied zu früher das Objekte aus seiner Umgebung auch dann noch vorhanden sind wenn es das Kind nicht mehr in seinem Blickfeld hat. Das Kind beginnt die plötzlich nicht mehr vorhandenen Dinge zu suchen was darauf hinweist das das/die Objekt/e noch immer in seinem Gedächtnis vorhanden sind. Zur gleichen Zeit entstehen die ersten vorsprachlichen Begriffe mit denen das Kind zwischen sich fortbewegenden Objekten zu unterscheiden lernt (Autos/Tiere). 6 1.6. „Entwicklungsmeilensteine“ Das Kind ist nun auch in der Lage sich aus dem Liegen aufzurichten, stabil frei zu sitzen, sich vorzubeugen und zu dehnen und erste Fortbewegungsarten wie Kriechen, Rutschen und Robben auszuüben. Etwas später kommt das Stehen und das daraus folgende Fortbewegen in der aufrechten Position hinzu. Diese Veränderungen im motorischen Bereich innerhalb der letzten vier Monate des ersten Lebensjahres werden wegen ihrer großen Bedeutung von Oerter/Montada auch als „Entwicklungsmeilensteine“ bezeichnet. Durch die erlernten Fortbewegungsmöglichkeiten ist das Kind nun in der Lage seine Umwelt und deren Gegebenheiten weiter zu erkundigen. Wichtig sind diese neuen Erfahrungen auch für das soziale und emotionale Verhalten. Durch diese Erkundungen entstehen im Kind Emotionen was zu Freude führt. Trotz des neuen Erkundungsdrang kehrt das Kind zwischenzeitlich immer wieder kurz zur Mutter zurück um sich „Bestätigung/Sicherheit“ für sich zu holen, sozusagen zur Selbstsicherung für weitere „Eroberungen“. Als weiterer „Entwicklungsmeilenstein“ im kognitiven Bereich gilt der Beginn des Sprechens. „Mama“ und „Papa“ sind die am meisten vertretenen ersten Wörter von Kindern. Ab sofort beginnt neben anderen Ausdrucksmöglichkeiten wie z.B. das Kopfnicken oder Kopfschütteln als Zustimmung oder Ablehnung ein sehr schneller Ausbau des Wortschatzes. Monatlich lernt das Kind bis zu 100 neue Wörter. Zuerst befindet sich das Kind in dem „Einwort-Stadium“, welches aber später durch grammatikalische Strukturen innerhalb der Ausdrucksweise ersetzt wird. Die Sprache dient dem Kind sowohl als Werkzeug als auch als Spielzeug. Beim Werkzeug wird die Sprache als Kommunikation genutzt um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Beim Spielzeug wird der Spracherwerb oftmals durch Singen unterstützt. (Lit.: Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie) 1.7. „Fremde-Situations-Test“ (FST) Während bei Erwachsenen die gebräuchlichste Forschungsmethode zur Kennzeichnung der Bindungsrepräsentationen das sogenannte „Adult Attachment Interview (AAI) ist, hat bei den Kindern der „Fremde-Situations-Test“ (FST), entwickelt von Mary Ainsworth, eine gewisse Berühmtheit erlangt. Der „Fremde-Situations-Test“ aus einer Abfolge von acht dreiminütigen Beobachtungssituationen, in welchen sich eine fremde Person – in Abwesenheit der Mutter – mit dem Kind in einem Spielzimmer aufhält. Die Stärke der Bindungsqualität der Mutter-KindBeziehung wird hiermit ermittelt indem die Reaktionen beim Eintreten der fremden Person, beim Abschied von der Mutter und bei der Wiederkehr der Mutter beobachtet werden. Auf diese 7 Weise unterscheiden Bowlby/Ainsworth dabei sichere von unsicheren Bindungen. Beim Abschied der Mutter zeigen sicher gebundene Kinder im ersten Moment kaum Beunruhigung – Sie scheinen darauf zu vertrauen das die Mutter bald wieder zurückkehren wird. Ist die Mutter nach einer Weile noch nicht zurückgekehrt beginnt das Kind sie zu vermissen und lässt sich auch nicht von einer ihm fremden Person trösten. Bei den unsicher gebundenen Kindern unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Typen: vermeidend - unsichere Kinder und ambivalent - unsichere Kinder. Die vermeidend - unsicheren Kinder machen weniger Unterschiede zwischen der Mutter und einer fremden Person, begrüßen die Mutter nach ihrer Abwesenheit eher nebenbei, wehren sich nicht, wenn sie wieder vom Arm abgesetzt werden. Ganz im Gegensatz hierzu zeigen ambivalent – unsichere Kinder beim Verlassen der Mutter sehr deutliche Reaktionen, verhalten sich jedoch bei der Rückkehr der Mutter ambivalent, indem sie einerseits Kontakt suchen, andererseits Interaktionsversuchen ausweichen. Etwas später wurde zu diesen Bindungsstillen noch eine Ergänzungskategorie für Kinder, die sich in der Beobachtungsphase eher merkwürdig und bizarr verhalten, hinzugefügt, der sogenannte desorganisierte Typ. Man sollte nicht unerwähnt lassen das es auch Kinder gibt, denen es an einem richtigen Erziehungsangebot für den Bindungsaufbau fehlt. Diese of auch in anderer Hinsicht vernachlässigten Kinder können ein sehr breites Spektrum von Auffälligkeiten aufweisen, beginnend mit Passivität, über die von Spitz sogenannte anaklitische Depression bis hin zu lebenslangen Schwierigkeiten in der Gestaltung von Beziehungen. Besonders im Hinblick auf die Nähe/Distanzregelung. Wenn auf der anderen Seite die Entwicklung einer stabilen Bindung zu Bezugspersonen in der frühen Kindheit gelingt, ist dies eine Basis für den weiteren Entwicklungsverlauf, auch über den sozialen Bereich hinaus. 2. Kleinkind- und Vorschulalter Die „Kleinkind- und Vorschulalter“ – Entwicklungsphase ist unterteilt in das „Kleinkindalter“ (zwei bis drei Jahre) und das „Vorschulalter“ (vier bis 6 Jahre). 2.1. Geschlechtskategorien Bereits mit 2-3 Jahren ist im Bereich des Körpers die rasanteste Entwicklungszeit bereits vorüber, da das Kind jetzt bereits die Hälfte seiner späteren Körpergröße erreicht hat. Im Bereich der motorischen Entwicklung sind ständig zunehmende Kontroll- und Steuerungskapazitäten sowie ein schier unglaubliches Aktivitätspensum an nie endenden Energiereserven 8 zu erkennen. Zu erkennen ist dies unter anderem anhand des Beispiels des Treppensteigens (aufwärts mit ca. drei Jahren/abwärts mit ca. vier Jahren). Etwas später im Alter von fünf Jahren sind dann auch motorisch sehr anspruchsvolle Tätigkeiten wie z.B. das Fahrradfahren ohne Stützräder möglich. Erikson bezeichnet diese Phase der ständigen Bewegungsdranges deshalb als „lokomotorisch-genital“ („Eindringen in die Welt“). In dieser Zeit erkennt das Kind auch das es in seiner Umgebung männliche und weibliche Personen gibt und lernt diese zu unterscheiden. Einen Schritt weiter ordnet sich das Kind einer dieser beiden Geschlechtskategorien zu („Ich bin ein Junge/Mädchen“). Ab diesem Zeitpunkt wählt das Kind die zu ihm passenden Umweltangebote (z.B. durch die feststellbare Bevorzugung gleichgeschlechtlicher Spielpartner). Nach und nach stabilisiert sich die Geschlechtszugehörigkeit und mit fünf bis sechs Jahren wird sie schließlich komplett für das ganze Leben anerkannt. Im gleichen Lebensalter beginnt auch die moralische Entwicklung, von Kohlberg als „Externe Moralität“ bezeichnet, die sich an Konzepten wie Autorität, Gehorsam und Strafe orientiert. (Lit.: Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie) 2.2. Aktiver und passiver Wortschatz Gegen Ende des zweiten und im Laufe des dritten Lebensjahr findet eine Begriffsexplosion im Wortschatz statt. Gegen Ende der Vorschulzeit haben Kinder einen aktiv nutzenden Wortschatz von 2500 Wörtern und ein Wortverständnis von etwa 13000 Wörtern (passiver Wortschatz), bedingt durch im Vordergrund stehende Fragen und entsprechende Wortspiele mit Erwachsenen zu verschiedenen Bezeichnungen. Zur gleichen Zeit entwickelt sich neben der Deklination von Substantiven (z.B. Pluralbildung) und der Konjugation von Verben (z.B. Bildung von verschiedenen Zeiten) auch grammatikalische Strukturen die sich von Zwei- und Dreiwortsätzen zu immer perfekter werdenden Sätzen entwickeln. Die besondere Neugier bei der „Eroberung der Welt“ wird bei den Kindern deutlich im sogenannten „Warum“ – Fragestadium. Die Kinder wollen alles wissen und stellen den Erwachsenen unzählige Fragen, was für Diese oftmals auch sehr zermürbend ist und teilweise auch Verlegenheit hervorruft. Mit ungefähr vier Jahren beherrschen Kinder die größten Teile der Satzstruktur ihrer Muttersprache, so dass die Sprache für Kinder dieser Entwicklungsphase in ihrer Erkenntnis- und Mitteilungsfunktion ausgebildet ist. 9 2.3. Spielen – der „Entwicklungsmotor“ Einen unverzichtbaren „Entwicklungsmotor“ stellt das Spielen in der Kindheit, besonderst im Vorschulalter, dar. Durch das Spielen können Kinder Erfahrungen aus der Vergangenheit verarbeiten. Das Spielen macht Ihnen Spaß und die Kinder zeigen Emotionen. Spielen ist nicht nur eine unterhaltsame Beschäftigung (und bleibt daher in verschiedenen Formen auch im Erwachsenenalter als Aktivität erhalten), sondern bietet dem Kind eine Bühne für zahlreiche Entwicklungsthemen und für Entwicklungsbedürfnisse. Spielen bietet sehr vielfältige Möglichkeiten die zukünftigen Entwicklungsschritte vorzubereiten und damit auch zu erleichtern. Spielen ermöglicht es dem Kind seine intellektuelle und kreative Ader zu entfalten, etwa beim Zeichnen oder bei Konstruktionsspielen. Fertigkeiten und Fähigkeiten können hiermit erprobt werden, Stärken und Schwächen entdeckt und weiterentwickelt bzw. kompensiert werden. Spielen gilt als wichtigstes Element der Entwicklung des Kindes und unterteilt sich in Phasen. Das Parallelspiel (zwei neben-, aber nicht miteinander spielende Kinder) löst das Einzelspiel ab und endet in der Bevorzugung des Sozialspiels (mit Beteiligung von familiären Bezugspersonen oder nichtfamiliären Sozialpartnern). Durch den Kindergarten oder auch durch Krippen und von Eltern selbst organisierte Mutter-Kind-Gruppen beginnen regelmäßige Kontakte zu Kindern ähnlichen Alters. Zu den bisher erlebten Beziehungserfahrungen aus der Familie kommt durch diese Begegnungen eine weitere wichtige Ergänzung hinzu. Der Kontakt zu den Gleichaltrigen Kindern stellt ein wesentliches Lernund Übungsfeld für die Entwicklung sozialer Kompetenzen und sozialem Verhalten dar, indem das Erfahrungsspektrum im Hinblick auf Spielregeln und dadurch auch auf „Erziehungsregeln“ in menschlichen Interaktionen erweitert wird. Für die Gesamtentwicklung eines Kindes schätzt Harris die Bedeutung dieser sogenannten „peer group“ – Erfahrungen sogar höher ein als der Erziehungseinfluss der Eltern. (Lit.: Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie) 3. Schulalter In der körperlichen Entwicklung hat das Kind den ersten „Gestaltwandel“ durchgemacht. Außerdem hat es Kompetenzen im Spiel erworben, wobei hier das Rollenspiel dominiert, jedoch allmählich zum Regelspiel übergeht. In Mitteilungs- und Erkenntnisfunktion ist die Sprache ausgebildet. In der Entwicklung des Denkens vollzieht sich ein Übergang vom situativen zum empirischen Denken. Durch die Bildung des Ich10 Bewusstsein richtet das Kind sein Verhalten nach einfachen ethischen Mustern aus. Das Kind hat jetzt alle Entwicklungsaufgaben gemeistert und ist jetzt in der Lage sich der „Herausforderung“ Schule zu stellen. Das Kind ist also voll schulfähig. 3.1. Schulfähigkeit Schulfähig zu sein bedeutet, das es in der Lage sein sollte alle Anforderungen die der Besuch der Grundschule an das Kind stellt erfüllen zu können. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben das der Besuch der Grundschule einen großen Beitrag zu der Gesamtentwicklung des Kindes leistet. Der Besuch der Grundschule ist nicht einfach nur gleichzusetzen mit einer einfachen Wissensvermittlung sondern es findet in der Entwicklung auch eine grundsätzliche kognitive Umstrukturierung statt, in der Wissen und Umwelterfahrungen neu bestimmt werden. (Lit.: „Kindliche Entwicklung“ unter www.familienhandbuch.de) 3.2. Erwerb der Schriftsprache Eine besondere Bedeutung innerhalb der Grundschule hat der Erwerb der Schriftsprache. Dem Kind gelingt es jetzt mehr und mehr verschiedene Begriffe nach ihren Merkmalen zu bestimmen. Während der dritten und vierten Klasse ist das Kind in der Lage Begriffe in verschiedene Gruppen einzuteilen. Auch die Wahrnehmungsleistungen werden zunehmend genauer. So kann das Kind z.B. die Konstanz der Menge, der Zahl, der Länge, der Fläche und des Volumens genau bestimmen. Emotional anregendes Lernmaterial motiviert das Grundschulkind besonders in der ersten Klasse und in der ersten Hälfte der zweiten Klasse. Auch seine neue Position, für die Eltern und die Lehrer zu lernen, ist für das Kind sehr bedeutungsvoll. Auch der Erwerb von Leistungs- und sozialer Kompetenz innerhalb der Schulklasse werden zunehmend wichtiger zur Motivation für Lernbereitschaft. All das lässt sich auch mit der Entwicklung des sozialen Verhaltens in Verbindung bringen. Zunehmend an Bedeutung gewinnt dann die Selbstorganisation von Kindergruppen, wobei für die Gruppenzugehörigkeit und die Stellung in der Gruppe solche Kriterien wie Schulleistungen, materieller Besitz und auch Äußerlichkeiten der Sozialpartner eine Rolle spielen. In der Gruppe erlernt das Kind Normen für seine Verhaltensorientierung durch den Vergleich zwischen Selbstbild und Fremdbild und Rückmeldungen aus der Gruppe. Es erwirbt Gütemaßstäbe bezüglich des sozialen Verhaltens und der Leistungsfähigkeit. Dieses Alter hat insofern eine enorme Bedeutung für die Selbstbewertung und somit für die Entwicklung des Selbstkonzeptes der Persönlichkeit. 11 Persönliche Meinung Die Entwicklungspsychologie ist ein sehr komplexer Bereich mit vielen verschieden Theorien die sich oftmals sehr ähnlich sind aber oftmals auch sehr verschieden wirken. Meiner Meinung nach wird es nie möglich sein eine einheitliche Bestimmung der Entwicklungspsychologie festzulegen. Dieser Versuch würde schon alleine daran scheitern dass sich die vielen einzelnen Schritte zeitlich nie richtig eingrenzen lassen werden und natürlich auch daran das jeder Mensch ein Individuum ist. Das eine Kind ist in der Lage früher zu laufen, das Andere später. Das eine Kind kann früher sprechen, das Andere erst später. Diese Reihe könnte man noch endlos fortsetzen. Mit meiner Arbeit möchte ich einen kurze „Inhaltsangabe“ der wichtigsten Stationen der Entwicklungspsychologie in den ersten zehn Lebensjahren eines Kindes geben. Diese „Inhaltsangabe“ bezieht sich auf „Durchschnittskinder“ in der heutigen Zeit. Ich persönlich bin der Meinung das diese „Inhaltsangabe“ im Laufe des jetzigen Jahrhunderts einen ganz großen Teil an Wert verlieren wird da sich immer größere Veränderungen in der Erziehung auftun. Eltern haben aufgrund von Arbeitsüberlastung kaum noch Zeit für eine „richtige Erziehung“, homosexuelle Pärchen heiraten und adoptieren Kinder, die Anzahl an fachlich qualifizierten Sozialarbeitern gerade in Kinderinstituten sink, die Zahl der Kindesmisshandlungen steigt und das Fernsehen übernimmt auch mehr und mehr die Aufgabe der Erziehung (jedenfalls einen kleinen Teil davon). Dies alles ist meiner Meinung nach der falsche Weg (dem Kind gegenüber), zumal sich diese Liste sicher noch endlos fortführen lässt. Literaturangaben: Keller, Heidi – Lehrbuch Entwicklungspsychologie (1998) Oerter, Ralf / Montada, Leo – Entwicklungspsychologie (2002) Charlton, Käppler, Wetzel – Einführung in die Entwicklungspsychologie www.familienhandbuch.de („Kindliche Entwicklung) 12