Skriptum Ferienzentren - Wohnbau

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FERIENZENTREN
Die touristische Erschließung ganzer bislang unberührt gebliebener
Landstriche in großem Maßstab hat teilweise Ferienstädte unvorstellbaren Ausmaßes entstehen lassen (bis zu 100 Quadratkilometern
und tausenden Hotelzimmern). Trotz zahlreicher Kritik an Zentren
dieser Art ist die Entwicklung weiterer noch immer ungebrochen.
Weiterhin werden Hotel- und Ferienanlagen mit urbanen Strukturen,
Ferienstädte und Ferienparks, Walt-Disney-Worlds als organisierte
Urlaubslandschaften, Hotelhochhäuser und Mammutprojekte wie
Trabantenstädte aus dem Boden gestampft.
In den 30er Jahren kannte man derlei Skrupel noch nicht. Aus 1937 stammt ein Projekt für ein
Centre de Vacances von Eileen GRAY, einer vorwiegend durch ihre Möbelentwürfe bekannt
gewordenen Architektin. Es handelt sich um eine Ferienstadt am Meer, die ihre Bewohner für die
Dauer ihres Urlaubs nicht zu verlassen bräuchten. Der Anlage liegt ein eher disperses Ordnungsprinzip zugrunde. Einem fixen Angebot an orthogonal angeordneter Infrastruktur steht eine
variable Anzahl demontabler Wohnpavillons auf einem abgestuften, aus der Orthogonalität
herausgedrehten Sockel in der Mitte entgegen. Das dabei entstehende Muster scheint Grays
Teppichentwürfen nicht unähnlich. Senkrecht zum Meer stehend, befindet sich ein aus zwei
versetzt wechselnden einbündigen Flügeln bestehender Zimmertrakt eines Hotels mit verschiedenen Zimmertypen. (Lit. 1)
Bereits in den 1960er Jahren
begann man in Frankreich mit
der flächendeckenden Erschließung der Alpenregionen. Dabei
wagte man sich in bislang unberührte Gebiete, in denen Wintersportzentren aus der Retorte
für die gehobene Mittelklasse mit
Hilfe staatlicher Unterstützung
entstanden. In Flaine, in der
Nähe von Chamonix, schuf
Marcel BREUER, einer der Pioniere der Moderne, in Zusammenarbeit mit einem französischen
Stadtplanerteam 1960-1969 eine kleine Stadt für ca. 500 Gäste,
bestehend aus 2 Hotels, 2 Apartmenthäusern, einem Gebäude mit Läden, einem Gebäude für
Verkehrsbüro und Skischule, einem Heizwerk, einer Seilbahnstation und Skilifts. Ausgehend von
einer fixen Bettenzahl und der Anzahl der Schifahrer wurde alles generalstabsmäßig kalkuliert. Die
Gebäude stehen in Kontrast zur umgebenden Landschaft. Fast alle Gebäude stehen entweder auf
Stützen, um die Geschlossenheit der Schneedecke zu wahren oder kragen mangels bebaubarer
ebener Flächen aus. So wurde das Bild des über den Felsen hinauskragenden Gebäudes zum
Symbol des Ferienortes. In Wahrheit brach der Felsvorsprung, auf dem es stehen sollte, während
der Bauzeit ab und eine aufwändige Betonkragkonstruktion wurde notwendig. Es war auch Breuers
Wunsch den konventionellen Hotelzimmergrundriss aufzubrechen.
Er verlegte die Einbauschränke an die Fassade. Durch versetzte
Anordnung der Balkone werden diese Schrankräume praktisch zur
Isolation und lassen die Balkone zu Loggien werden. Architektonisch kam Breuer die wegen der kurzen Bauzeiten notwendige
Fertigteilbauweise entgegen, konnte er doch seine dreidimensional gegliederten Fassadenflächen aus facettierten Betonplatten
zur Anwendung bringen. (Lit. 2)
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Mit ähnlichem Programm, aber völlig unterschiedlicher Beziehung zur umgebenden Landschaft stellt sich ein weiterer Ort aus der Retorte zum Schifahren in den französischen Alpen dar: Avoriaz, von dem sich sogar ein regelrechter Stil für ähnliche Entwicklungen ableiten lässt, nämlich eine malerische Moderne. Die Ästhetik von Avoriaz rührt daher, dass die ganze
Stadt von einem einzigen Architekten geplant wurde, von Jacques LABRO.
Die Form der Gebäude spiegelt die Struktur der 300m hohen Schieferfelsen
wider, auf denen sie stehen und bilden so eine eigene Landschaft. Bis zu 14
Geschoße hohe Hotels und Appartementbauten, versetzt und gestaffelt, in
Terrassen-bauweise, durchgehende Holzschindelverkleidung,
Bullaugenfenster. (Lit. 3)
Unausgeführt blieb ein aus dem Jahre 1981 stammendes Projekt für
einen kleineren Ferienkomplex namens Therma (300 Betten) für die
griechische Insel Lesbos, verfasst von den OMA-Mitarbeitern Elia und
Zoe ZENGHELIS, Ron STEINER und Elias VENERIS. Das von einer
Straße geteilte, mit Olivenbäumen bepflanzte Areal an einer idyllischen Meeresbucht zerfällt in 3 Zonen: Zwischen Wasser und
Straße die zentralen Einrichtungen und eine Reihe von Bungalows,
danach ein 80 Betten enthaltender gebogener Hotelbaukörper und
verstreut angeordnete, von lokalen Bautypen abgeleitete Ferienvillen
und am Hang ein zickzackförmiges Bergdorf. (Lit. 4)
Das ebenfalls unausgeführte aus dem Jahre 1990 von Renzo PIANO stammende Projekt für zwei Buchten bei Sistiana an der Adriaküste nördlich von
Triest sieht für die naturbelassenere der beiden eine großzügige, bogenförmige, zum dahinter liegenden Föhrenwald durchlässige Erweiterung eines
alten Hotels vor, für die andere, früher als Steinbruch genutzte, terrassenartig aufeinander geschichtete Hotelzimmer über einer verglasten Überdachung der gesamten Bucht, um sie mit Hilfe eines 6000 m²-Swimmingpools ganzjährig nutzbar zu machen. (Lit. 5)
Dass das kontextuell rücksichtsvolle Zergliedern der Baumasse nicht immer der Königsweg
landschaftsbezogenen Bauens sein muss, beweist die Monumentalität der Architekturplastik des Westin Regina Los Cabos in Baja
California, Architekt: Sordo MADALENO. Eine
neunstöckige durchbrochene, im Grundriss
kreisförmige Hotelscheibe enthält die meisten
der 238 Hotelzimmer, der Rest befindet sich in
auf Geländeterrassen in Gruppen organisierten
Gästevillen. Rezeption, Tagungszentrum, Restaurant und Poollandschaft in kräftigen Farben werden
zu abstrakten Architekturskulpturen,
die in Kontrast zur
Kargheit der umgebenden Wü-stenlandschaft stehen.
(Lit. 6, 7)
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Literatur
1 Peter Adam; Eileen Gray Architektin/Designerin, Zürich 1989
2 DBZ-Baufachbuch 8, Hotel- und Restaurantbauten, Gütersloh 1970
3 Herbert Ypma; Hip Hotels Ski, München 2002
4 Lotus 4/1984
5 The Architectural Review 9/1990
6 Walter Rutes, Richard Penner, Lawrence Adams; Hotel Design, Planning and Development, Oxford 2001
7 Otto Riewoldt; Hoteldesign 2, Schopfheim 1998
© 2007 Herbert Keck
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