Factsheet Episoden einer depressiven Erkrankung (Major Depression) Depressionen sind oft durch gedrückte Stimmung, geringes Selbstwertgefühl sowie Energie- und Antriebslosigkeit gekennzeichnet.1,2 Eine Depression kann das persönliche Leben eines Menschen und dessen Qualität stark beeinträchtigen und wirkt sich häufig negativ auf den Appetit, den Schlaf, die Aktivitäten des täglichen Lebens, die Arbeitsfähigkeit und persönliche Beziehungen (Partner, Familie, Freunde) aus.1 Depressive Episoden unterscheiden sich von normalen Stimmungsschwankungen durch ihren Schweregrad, einhergehende Symptome und die Dauer des Krankheitsverlaufs.2 Obwohl sie zu den häufigsten Arten der mentalen Erkrankungen gehört, wird die Depression oftmals nicht erkannt und ist daher unzureichend behandelt.1 Viele Patienten erreichen zudem auch längerfristig keine Symptomfreiheit unter den aktuellen Behandlungsmethoden.3 Die Patienten leiden oft an einer chronischen oder rezidivierenden Form der Krankheit. Für diejenigen Patienten, bei denen die erste Depressionsepisode unzureichend behandelt wurde, besteht ein Risiko von ungefähr 50 Prozent an einer zweiten Episode zu erkranken.4 W issenschaftlicher Hintergrund der Depression Es wird vermutet, dass die Depression mit Veränderungen im Gehirn und besonders mit einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern, z. B. Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, verbunden ist.2,5,6,7,8 Jeder Neurotransmitter spielt vermutlich eine eigene Rolle bei der Regulation von Stimmungs-, Verhaltens- und Wahrnehmungsaspekten. Eine reduzierte DopaminÜbertragung wird zum Beispiel mit einem Verlust von Interesse, Antrieb und Freude in Verbindung gebracht, während eine reduzierte Noradrenalin-Übertragung möglicherweise mit einem Verlust von Interesse und Energie einhergeht.2,5,6,7,8 1 Weltgesundheitsorganisation. Depression. 2009. Letzter Aufruf 01.05.09: http://www.who.int/mental_health/management/depression/definition/en/ 2 Stahl SM. Essential Psychopharmacology: Neuroscientific Basis and Practical Applications. New York, NY: Cambridge University Press; 2000. 3 Tranter R et al. J Psychiatry Neurosci 2002; 27: 241-7. 4 Kupfer DJ. J Clin Psychiatry 1991; (suppl 52): 28-34. 5 Foote SL, Aston-Jones GS. Pharmacology and physiology of central noradrenergic systems. In: Bloom, FE and Kupfer, DJ (eds). Psychopharmacology: The Fourth Generation of Progress. New York, NY: Raven Press Ltd; 1995. 6 Shelton RC und Tomarken AJ. Psychiatric Serv 2001; 52: 1469-78. 7 Stahl SM. J Clin Psychiatry 2003; 64: 1145-6. 8 Nutt D et al. J Psychopharmacol 2006;October 18. Online First ahead of print. 1 Neurotransmitter regulieren verschiede Stimmungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensaspekte2,5,6,7,8 Symptome Bei vielen Patienten mit einer Depression treten gedrückte Stimmung, Schuldgefühle, Verlust von Freude, Gefühlen oder Interesse an Sex auf, sowie Schlaf- oder Appetitstörungen und eine schlechte Konzentrationsfähigkeit.2 Während alle Patienten mit einer Depression an gedrückter Stimmung sowie Freudund Lustlosigkeit leiden, treten bei vielen auch Symptome von Energie- und Antriebslosigkeit auf. Dabei können sie zurückgezogen-gehemmt wirken. Diese Symptome sind mit schlechteren klinischen Langzeitergebnissen verbunden und können unter aktuellen Therapien fortbestehen.3,8,9,10,11 Depression und Komorbiditäten Die Prävalenz der Depression ist bei Patienten mit chronischen Erkrankungen (Angina, Arthritis, Asthma und Diabetes) signifikant höher als bei Patienten ohne diese Krankheiten .12 Die Depression verschlimmert den Gesundheitszustand der Patienten signifikant mehr, als jede einzelne der chronischen Erkrankungen alleine.12 Prävalenz Weltweit leiden schätzungsweise 121 Millionen Menschen an Depressionen1, davon etwa 23 Millionen Europäer. In Anbetracht einer immer noch zu niedrigen Erkennungsrate und einer hohen Fehlbehandlungsrate ist die Prävalenz jedoch möglicherweise höher als gegenwärtig angenommen.13 9 Nierenberg AA et al. J Clin Psychiatry 1999; 60: 221-5. Spijker J et al. Acta Psychiatr Scand 2001; 103: 122-30. 11 Moos RH, Cronkite RC. J Nerv Ment Dis 1999; 187: 360-8. 12 Moussavi S et al. The Lancet 2007; 370. 851-858. 13 The European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations. “Disease Burden in Europe”. 2007. Letzter Aufruf 21.03.07: http://www.efpia.org/Content/Default.asp?PageID=133 10 2 Vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen, depressiven Störung. Doch nur bei 1,4 Millionen ist die Krankheit diagnostiziert. Effizient therapiert werden nur zwischen 240.000 bis 360.000 Bundesbürger.14 Jeder fünfte Einwohner in Deutschland erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Depression. Mediziner sprechen daher von einer Volkskrankheit.14 Eine Depression kann bei Menschen aller Altersgruppen und Klassen auftreten, einschließlich Kinder, Jugendliche und ältere Menschen.1 Man geht davon aus, dass die Depression im Jahr 2020 die zweitgrößte Ursache für Krankheit und Behinderung sein wird.1 In Europa gilt die Depression als dritthäufigste Krankheitsursache.15 Diagnostik und Behandlung der Depression Viele Menschen sind zurückhaltend wenn es darum geht, Symptome der Depression mit ihrem Arzt zu besprechen, weil sie immer noch mit dem Stigma einer psychischen Krankheit verbunden sind. In Europa erhalten schätzungsweise 40 Prozent der Menschen mit einer schweren Depression nicht die medizinische Behandlung, die sie benötigen.13 Eine unzureichende Behandlung der Depression verstärkt die enstehenden Krankheitskosten, beeinträchtigt die Arbeitsfähigkeit eines Menschen stark und kann im schlimmsten Fall zum Selbstmord führen.1 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten der Depression Es gibt ein breites Spektrum an antidepressiv wirkenden Substanzen, die eine symptomorientierte Behandlung möglich machen. Bei der medikamentösen Therapie beeinflussen die Antidepressiva den Stoffwechsel im Gehirn. Sie fördern unter anderem die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen durch die Botenstoffe (Neurotransmitter): Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin. Antidepressiva können je nach Wirkmechanismus in verschiedene Klassen eingeteilt werden2,16: Irreversible MAOIs (Monoaminoxidase-Hemmer), z. B. Tranylcypromin. Reversible MAOIs, z.B. Moclobemid. TCAs (tri-/tetrazyklische Antidepressiva), z. B. Clomipramin, Imipramin, Amitriptylin, Maprotilin. SSRIs (selektive Serotonin - Wiederaufnahmehemmer), z. B. Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram, Escitalopram. NDRIs (Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer): Bupropion. NASSAs (Noradrenalin- und spezifische Serotonin-Antidepressiva), z. B. Mirtazapin. SNRIs (Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer), z. B. Venlafaxin, Duloxetin. NARIs (Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer): Reboxetin. 14 Wittchen Hu Müller N, Schmidtkunz B et al. MMW Fortschr Med 2000; 118 (Suppl. I): 4-10. World Health Organization/Europe. “World Mental Health Day highlights the links between mental and physical health”. 2004. Letzter Aufruf 5.5.09: http://www.euro.who.int/mediacentre/PR/2004/20041011_1 16 World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) Guidelines for biological treatment of unipolar depressive disorders in primary care. The World Journal of Biol.Psy 2007; 8(2): 67 – 104. 15 3 Ansprechrate auf Behandlungen mit Antidepressiva Nicht bei allen depressiven Patienten kann der Zustand der Symptomfreiheit trotz einer Behandlung mit aktuell erhältlichen Antidepressiva erzielt oder aufrechterhalten werden. Bei vielen Patienten bleiben Restsymptome der Depression bestehen, wie Energielosigkeit oder Antriebsarmut.3,9 Langzeit-Follow-up-Studien zeigen, dass trotz Behandlung bei nicht mehr als einem Drittel der Patienten ein vollständiger Rückgang der Symptome einer Depression erreicht wird.3 Manche Patienten tolerieren die neueren Antidepressiva SSRIs und SNRIs aufgrund der unerwünschten serotonergen Nebenwirkungen wie sexuelle Funktionsstörungen, Gewichtszunahme oder Somnolenz nicht.17,18,19,20,21,22,23 Medikamentöse Behandlungsalternativen Patienten, die unter Residualsymptomen leiden können eventuell profitieren, wenn sie zusätzlich zu ihrer Erstmedikation ein zweites Antidepressiuvum einnehmen (Kombinationstherapie).24 Für Patienten, die unter Nebenwirkungen oder einem unzureichenden Ansprechen der Behandlung leiden, könnte der Wechsel zu einer anderen Antidepressiva-Klasse einen zusätzlichen Nutzen haben.25 Nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten der Depression Bei der Psychotherapie konzentriert sich die Interaktion zwischen Therapeut und Patient auf das Gespräch. Dabei können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen (z. B. Einzel- oder Gruppengespräche, Rollenspiele etc.). Ergänzende Hilfsmittel sind Elektrokrampftherapie, transkranielle Magnetstimulation, Schlafentzug und Lichttherapie. 17 Clayton AH et al. J Clin Psychiatry 2002; 63: 357-66. Rosen RC et al. J Clin Psychopharmacol 1999; 19: 67-85. 19 Rothschild AJ. J Clin Psychiatry 2000; 61 (Suppl 11): 28-36. 20 Segraves RT. J Clin Psychiatry 1998; 59 (Suppl 4): 48-54. 21 Sussman N, Ginsberg D. Prim Psychiatry 1998; 5: 28-39. 22 Richelson E. Prim Psychiatry 1998; 5: 40-1. 23 Fava M et al. Prim Care Companion J Clin Psychiatry 2005; 7: 106-13. 24 Fava M, Rush AJ, Trivedi MH, et al. Psychiatr Clin 2003; North Am. 26: 457 – 494. 25 Papakostas GI, Fava M, Thase ME. Biol. Psy 2008; 63: 699 – 704. 18 4