Standard "Pflege von Senioren mit Angststörungen" Definition: Grundsätze: Bei der Angststörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung, in deren Zentrum eine abnormal verstärkte Angst steht. Der Bewohner zeigt Vermeidungsverhalten, Phobien oder Zwangsstörungen. Körperliche Symptome werden als Vorzeichen schwerer Krankheiten oder des nahendes Todes fehlinterpretiert. Bei einer generalisierten Angststörung hat der Bewohner nicht vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation Angst, sondern das Bedrohungsgefühl ist permanent vorhanden. Zumeist sind die Betroffenen gar nicht mehr in der Lage, den Angstauslöser zu benennen. Betroffene projizieren häufig die Angst auf Herzsymptome, die sich jedoch bei einer genaueren Prüfung (etwa per EKG) als nicht relevant erweisen. Eine Panikattacke ist eine kurzfristig auftretende übersteigerte Form plötzlicher Angst. Der Bewohner befürchtet, binnen Augenblicken zu versterben. Eine Panikattacke hält zumeist nur wenige Minuten an. Den Betroffenen ist oft der ursächliche Zusammenhang zwischen den körperlichen Symptomen und ihrer Angst nicht bewusst. Sie wissen nicht, dass ihre Angst die Symptome auslöst und nicht andersherum. Angstkrankheit ist kein Tabuthema. Wir sprechen dieses Leiden offen an und verheimlichen es nicht. Wir nehmen Angst immer ernst. Wir bagatellisieren sie nicht. Es ist sinnlos, einem Betroffenen die Angst auszureden. Ängste dürfen nicht verstärkt werden, etwa indem wir aus Gleichgültigkeit den Betroffenen in seinem Denken unterstützen. Wir vermeiden jede Form des Überbehütens von Betroffenen, da sie dadurch nur noch unselbständiger werden würden. Unsere Möglichkeiten zur Bekämpfung der Angstkrankheit sind begrenzt. Wenn unsere Mittel nicht reichen, prüfen wir eine Überstellung des Bewohners an eine Fachklinik. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kranke eine Gefahr für sich selbst, andere Bewohner oder Mitarbeiter unserer Einrichtung darstellt. Wir arbeiten eng mit Hausärzten und Selbsthilfegruppen zusammen. Wir halten es für notwendig, Angststörungen ganzheitlich zu behandeln. Medikamente sind dabei nur eine Säule. Ebenso wichtig sind therapeutische Gespräche, sozialpsychiatrische Betreuung und Beschäftigungstherapie. Ziele: Vorbereitung: Der Bewohner lebt sicher und möglichst angstfrei. Der Bewohner verrät uns, was ihm Angst macht. Wir versuchen gemeinsam, die angstauslösenden Faktoren zu meiden. Der Bewohner entwickelt Strategien, um mit der Angst umzugehen. Der Bewohner nutzt Entspannungstechniken. Reale Gefahren und angstauslösende Faktoren werden abgebaut und möglichst beseitigt. allgemeine Vorbereitung Der Umgang mit Angstkranken insbesondere bei einer Panikattacke wird regelmäßig in Rollenspielen geübt. Unser Team wird regelmäßig zum Thema Angststörungen fortgebildet. Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zum Thema Wahnkrankheit bereit. Angstkranke Bewohner erhalten eine geschulte und erfahrene Bezugspflegekraft. Diese sollte nach Möglichkeit nicht wechseln. Wenn ein Bewohner über zunehmende Ängste berichtet, so wird stets geklärt, ob es sich um eine Angststörung oder um eine berechtigte Angst handelt. Begleitsymptome Wir achten auf Begleitsymptome, die für eine Angststörung sprechen. Etwa: Schüchternheit Rückzugsverhalten dauerhafte Hilflosigkeit Unentschlossenheit starke Unruhe Ermüdung Reizbarkeit aggressive Handlungen chronische Verspannung Schweißausbruch Zittern Hitzewallungen Sprachschwierigkeiten Übelkeit, Erbrechen Durchfall Durchführung: Klärung der Angstauslöser Wir fragen den Bewohner, wovor er Angst hat, etwa: vor der Dunkelheit vor dem Fremden oder Unbekannten vor dem eigenen Versagen vor Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder dem Tod vor schweren Krankheiten Hinweis: Unverzichtbar ist insbesondere eine sorgfältige Biographiearbeit. Hierbei sollten Angehörige und Freunde einbezogen werden. Wir prüfen, welche Faktoren die Angst auslösen oder fördern könnten. Etwa: Schmerzen, vor allem chronische Schmerzen Hypertonie Herzinfarkt Herzrhythmusstörungen Atemnot, Sauerstoffmangel bei Asthma oder Lungenembolie Folge einer Apoplexie Hirntumor Entzug von Alkohol oder Sedativa Unterzuckerung Kalziummangel Schilddrüsenüberfunktion Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas blutdrucksteigernde Medikamente Koffein Digitalis aktivierende Antidepressiva Neuroleptika Benzodiazepin-Entzug Verfolgungswahn Depressionen Wir prüfen, ob es relevante medizinische Diagnosen gibt, etwa: Phobien, z.B. vor leeren Plätzen oder Höhenangst Waschzwang Putzzwang Erste Hilfe bei einer Panikattacke Anzeichen einer Panikattacke sind: Herzrasen Atemnot Thoraxschmerzen Schwindelgefühl Angst die Kontrolle zu verlieren Angst zu sterben Angst wahnsinnig zu werden (Hinweis: Typisch ist ein Auftreten der Attacken zwei- bis viermal in der Woche.) Wir helfen dem Bewohner: ärztliche und medikamentöse Therapie Wir raten dem Bewohner sich zu entspannen und tief mit dem Bauch zu atmen. Er soll das Ausatmen und die Atempausen betonen. Der Bewohner soll sich körperlich bewegen, aber nicht weglaufen. Wir raten dem Bewohner, sich an etwas Schönes zu erinnern oder sich etwas Positives vorzustellen. Hierbei greifen wir auf die Informationen aus der Biographiearbeit zurück. Wir helfen dem Bewohner, sich abzulenken oder sich zu beschäftigen. Soweit angemessen suchen wir Körperkontakt, nehmen den Bewohner also ggf. auch in den Arm. Sofern sinnvoll nutzen wir bei dementen Bewohnern das Konzept der Intitialberührung. Hinweis: Viele Angstkranke lehnen Körperkontakt ab. Soweit es sich um eine Symptomfehldeutung handelt, machen wir den Bewohner auf seinen Irrtum aufmerksam. Wenn die Angststörung erstmals auftritt oder eine bestehende Erkrankung sich ausweitet, veranlassen wir eine Untersuchung bei einem Psychologen. Wenn wir mit der Betreuung von Betroffenen überfordert sind, veranlassen wir eine Überweisung an ein Fachkrankenhaus. Aussicht auf anhaltende Erfolge bietet nur eine Verhaltens- und Psychotherapie. Bei einer akuten Panikattacke kann im Rahmen der Bedarfsmedikation TavorExpidet verabreicht werden. Weitere Wirkstoffe sind Citalopram oder Sertralin. Eine dauerhafte Behandlung mit Anxiolytika (Medikamente, die Angstzustände lösen und dämpfend wirken) sollte vermieden werden. Es besteht insbesondere bei Benzodiazepinderivaten ein großes Suchtpotential. Mittelfristig sollten eher Antidepressiva genutzt werden allgemeine pflegerische Maßnahmen Wir sprechen offen und sachlich mit dem Bewohner über seine Ängste. Dieser soll das Gefühl gewinnen, dass wir ihn und seine Befürchtungen ernst nehmen. Wir raten dem Bewohner dazu, ein Angsttagebuch zu führen. In diesem kann der Bewohner eintragen, vor was er Angst hatte und wie stark die Angststörungen waren. Das Verhalten des Bewohners wird sorgfältig beobachtet. Wir prüfen, in welchem Maß die Angst sein Leben beeinflusst. Etwa: o Führt die Angst zu Einschränkungen? Wenn ja, welche? o Welche angstauslösenden Faktoren kann der Bewohner nennen? o Wie drückt der Bewohner seine Ängste aus? Verbal? Nonverbal? o Welche Reaktionen löst die Angst aus? Versucht der Bewohner zu flüchten? Wird er aggressiv? o Welche Erwartungen hat der Bewohner an das Pflegepersonal? Was können wir tun, um seine Ängste zu lindern? Es ist uns bewusst, dass Angstpatienten aggressiv reagieren können. Insbesondere kann es zu körperlichen Attacken gegen Nachbereitung: allgemeine Nachbereitung Mitbewohner und Pflegekräfte kommen. Wir beziehen den Pflegebedürftigen in alle Entscheidungen mit ein und informieren ihn umfassend. Dieses auch dann, wenn der Bewohner aufgrund einer dementiellen Erkrankung die ihm mitgeteilten Informationen vermutlich nicht verstehen wird. Wir vermitteln dem Bewohner wirksame Entspannungstechniken. Wir nutzen die basale Stimulation, damit der Bewohner wieder eine vertrauensvolle Beziehung zum eigenen Körper aufbaut. Er soll seine eigenen Fähigkeiten wiedergewinnen. Zudem prüfen wir die Wirkung von Wickeln, Auflagen und der Aromatherapie. Wir prüfen ob verschiedene Konzepte für die Angstbewältigung genutzt werden können. In Frage kommen etwa das KinästhetikKonzept und die Feldenkraismethode. Falls der angstkranke Bewohner in einem Einzelzimmer lebt, sollte die alternative Unterbringung in einem Zweibettzimmer geprüft werden. Wir ermuntern den Bewohner dazu, sich in das soziale Leben innerhalb unserer Gemeinschaft zu integrieren. Insbesondere sollte er an den Freizeitaktivitäten teilnehmen. Falls der Bewohner Angst im Dunkeln hat, lassen wir in der Nacht das Licht im Badezimmer an. Wenn der Bewohner eine problematische Situation gut überstanden hat, wird er dafür von uns gelobt. Alle Beobachtungen werden genau dokumentiert. Die Beschreibung erfolgt wertfrei. Wir achten insbesondere auf Veränderungen im Verhalten des Bewohners. Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig Supervision an. Prognose Dokumente: Pflegebericht Pflegeplanung Verantwortlichkeit alle Mitarbeiter / Qualifikation: Insbesondere bei Senioren im hohen Alter besteht die Angststörung oftmals schon viele Jahre. Daher sind die Aussichten auf eine Heilung eher gering. Möglich ist zumeist nur eine Stabilisierung des Zustandes, um möglichst viel Lebensqualität zu erhalten. Wird die Angststörung nicht behandelt, kann der Bewohner in Depressionen und Apathie verfallen.