Die folgenden Textauszüge sind erstellt worden von K.-H. Flechsig für das wissensbasierte System CEDID KOMPETENZ Der Begriff der Kompetenz bezeichnet gedankliche Vorstellungen von didaktischen Designern und ihren Partnern, die * sich auf allgemeine Fähigkeiten und Wissensbestände von Lernern beziehen, * kulturell sinnvolle Einheiten bilden, * auf Anforderungen, Operationsstufen und Wissenselemente bezogen * sowie situativ verfügbar sind oder sein sollen, und zwar unabhängig davon, ob sie als Folge von "Außenanforderungen" oder von inneren Entwicklungen entstanden sind. Es ist sinnvoll, Kompetenzen zu unterscheiden nach * Sachkompetenz (Spezial- und Schlüsselqualifikationen), * Sozialkompetenz ("Partner"-, Gruppen- und Öffentlichkeitsfähigkeit) * und Selbstkompetenz (Lern-, Selbstkontroll- und Reflexionsfähigkeit). Dagegen werden tatsächlich beobachtbare Tätigkeiten, die auf Fähigkeiten oder Wissensaneignung schließen lassen, als "Performanzen" bezeichnet. Kompetenzen: 1. Sachkompetenz - spezielle Qualifikationen -- unternehmensspezifische Qualifikation (z.B. neue firmenspezifische Software nutzen) -- branchenspezifische Kompetenz (z.B. Fertigungs- und Materialkenntnisse aneignen) - allgemeine Qualifikationen -- branchenübergreifende Qualifikationen (z.B. EDV-Grundkenntnisse aneignen) -- "Schlüssel"-Qualifikationen (z.B. Verwalten, Organisieren, entwickeln, Argumentieren) 2. Sozialkompetenz - Öffentlichkeits-Fähigkeit -- rhetorische Kompetenz (z.B. Produkte präsentieren) -- institutionelle Kompetenz (z.B. Kenntnis relevanter Institutionen) - Teamfähigkeit -- Führungskompetenz (z.B. Anweisungen geben) -- Integrationskompetenz (z.B. sich in eine bestehende Gruppe einordnen können) - Partnerarbeit -- Empathie -- Beratung -- Konfliktgespräche -- Beurteilung 3. Selbstkompetenz - Selbstregulierung (z.B. Selbstmotivierung) - Selbstentwurf (z.B. Karriereplanung) Der Begriff "Kompetenz" ist im Zusammenhang didaktischen Designs insofern zentral, als er die Brücke schlägt zwischen - Anforderungen (die i.a. von Management oder Verwaltungen formuliert werden), - Lernzielvorstellungen, (die zumeist von Lehrern, Trainern oder Ausbildern formuliert werden), - Fähigkeiten und Fertigkeiten (die zumeist von Lern- oder Testpsychologen formuliert werden) und - Wissensgebieten (die zumeist von "Fach"-Personen oder Experten formuliert werden). Mit dem Begriff "Kompetenz" wird gleichzeitig der Begriff "Performanz" - sozusagen als Komplementärbegriff - eingeführt. Dies erlaubt eine Unterscheidung zwischen den Fähigkeiten eines Menschen und deren Realisierung in konkreten Situationen. So entspricht beispielsweise die Fähigkeit "Apfeltorte backen" der Performanz von Petra, die zum 23. Geburtstag ihrer Freundin eine köstliche Apfeltorte gebacken hat (und die hoffentlich im Laufe eines langen Lebens weitere Performanzen dieser und ähnlicher Art zeigen wird.) Die vor allem unter dem Einfluss US-amerikanischer Lernpsychologen und Unterrichtstechnologen (z.B. Bloom, Mager, Gagné) entstandene Monokultur einer "lernziel"orientierten didaktischen Planung hat im vergangenen Jahrzehnt auch in der beruflichen Ausund Weiterbildung in der Bundesrepublik weite Verbreitung gefunden. Dies hat ganz sicher dazu geführt, dass die sprachliche Kommunikation über Kompetenzvorstellungen genauer wurde. Dadurch jedoch, dass solche Techniken der Lernziel"operationalisierung" in aller Regel ohne Kenntnis und ohne Diskussion der lerntheoretischen Grundannahmen, die in ihnen ihren Niederschlag gefunden haben, angewandt wurden, blieb das Bewusstsein für die Vielzahl der Aspekte und Ansätze (s.o.) und für die Notwendigkeit integrativer Verfahren unterentwickelt. Dieses Defizit hatte jedoch sehr praktische Konsequenzen für die Art von didaktischen Designs, die auf einer solchen Grundlage entwickelt wurden. Sie zeichneten sich zumeist durch zerstückelnde, lineare und wenig kreative Lehr-Lernformen aus. Mit dem neu definierten Schlüsselbegriff "enterprise" versuchen R.M. Gagné und D.M. Merrill, der Notwendigkeit zu entsprechen, von isolierten (und daher oft nicht sinnvollen) Lernzielbeschreibungen zur Formulierung von sinnvollen und realitätsnäheren Einheiten der Kompetenzbeschreibung überzugehen. Unter "enterprises" verstehen sie "absichtsvolle Tätigkeiten, die zu ihrer Ausführung einer Kombination aus verbaler Information, intellektuellen Fertigkeiten und kognitiven Strategien bedürfen, die untereinander und in Hinblick auf ein gemeinsames Ziel in Beziehung stehen". Als Beispiele für "enterprises" (entsprechend den "Kompetenzen") geben Gagné & Merrill an: - Bedienung eines Röntgengerätes, - Lehren eines wissenschaftlichen Begriffs, - jemand bei der Stellenbewerbung beraten, - Gebrauchsanleitungen zur Bedienung eines Unkrautjäters geben. Bei der Entwicklung einer Kompetenz werden - zum einen "Kompetenz-Schemata" entwickelt, d.h. geistig-physische Handlungsmuster, die in konkreten Situationen in Tätigkeit umgesetzt werden und - zum anderen "Kompetenz-Szenarios", d.h. Wahrnehmungsschemata von Situationen, zu deren Bewältigung die entsprechenden Tätigkeit dient. ine weitere Differenzierung erfährt dieser "enterprise"-Kompetenz-Ansatz dadurch, dass Gagné & Merrill drei Katagorien (oder Grundtypen) von Kompetenz-Schemata unterscheiden: - Schemata des Bezeichnens ("denoting"), - Schemata von Abläufen oder Prozessen ("manifesting") und - Schemata des Entdeckens ("discovering"). Die Elemente oder Komponenten von "enterprises" werden von Gagné & Merrill als "knowledge and skill constituents" bezeichnet. Diese Bezeichnungen entsprechen weitgehend dem Begriff "Wissenselemente". Hierunter fallen im besonderen - intellektuelle (geistige) Fertigkeiten ("intellectual skills"), - Bezeichnungen ("verbal labels"), - kognitive Strategien (z.B. des Problemlösens) ("cognitive strategies"), - sprachlich vermitteltes Wissen ("verbal information"), - körperliche und motorische Fertigkeiten ("motor skills") und - Einstellungen ("attitudes"). Quelle: R.M. Gagné & M.D.Merrill, Integrative Goals for Instructional Design, in: Educational Technology Research and Development 1/1990, S.22-30 KOMPETENZBESCHREIBUNG Im Anschluß an die in der vorausgehenden "ERLÄUTERUNG" dargestellten Überlegungen wurde ein Vorschlag (ein Format) zur Beschreibung von Kompetenzen entwickelt, der bei Unterrichtsentwürfen im Rahmen von CEDID Verwendung finden kann. Ihm zufolge sollte jede Beschreibung der zu entwickelnden Kompetenzen Informationen darüber enthalten, * um welche Kompetenzklasse es sich handelt (vgl. Gliederungsschema in einer voraufgegangenen "ERLÄUTERUNG"!), * auf welche Anforderungen sich die Kompetenzen beziehen, * auf welchen Operationsstufen die Kompetenzen liegen und * welche Wissenselemente sie integrieren. Die bei der Kompetenzanalyse gewonnenen Befunde müssen jedoch in eine knappe und verständliche Form gebracht werden, um den Umfang des Unterrichtsentwurfs nicht zu überladen. Wie dies geschehen könnte, läßt sich an folgendem Beispiel erläutern: * "Mit dem Fahrrad Päckchen durch Berlin transportieren". Um diese Anforderung zu erfüllen, bedarf es mehrerer Kompetenzen, die einzeln zu beschreiben sind. * Eine dieser Kompetenzen - und zwar die Kompetenz, "Stadtpläne zu benutzen, um Wegentscheidungen zu treffen" - gehört zur Klasse der branchenübergreifenden Sachkompetenzen. * Bezüglich der Operationssstufen geht es um eine kognitive Strategie, da zwischen mehreren Alternativen nach zu wählenden Kriterien zu entscheiden ist. * Als Wissenselemente integriert diese Kompetenz u.a. Wissen über Bezugsquellen von Stadtplänen, Ortskenntnisse, die Beherrschung der Begriffe "Einbahnstraße", und "Himmelsrichtung" sowie Wissen über den Zusammenhang von Verkehrsdichte, Schadstoffausstoß und mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Wie könnte in diesem Falle eine möglichst knappe und informative Beschreibung dieser Kompetenz lauten ? Wäre folgende Formulierung geeignet ? "Es geht um die Entwicklung von branchenübergreifender Sachkompetenz, und zwar um die Kompetenz, im Zusammenhang mit Warentransporten routinemäßig Stadtpläne zu benutzen. Diese Kompetenz liegt auf der Operationsstufe einer kognitiven Strategie und beinhaltet im besonderen elementares Wissen über Straßenführungen, Kartensymbole, Verkehrsverhältnisse und Schadstoffe." Die Erstellung guter Kompetenzbeschreibungen verlangt einige Übung und Erfahrung, ist in diesem Sinne also selbst eine Kompetenz, die aus kleinen Anfängen zu größeren Leistungen weiterentwickelt werden kann. KOMPETENZEN ODER LERNZIELE ? In der Literatur zu theoretischen und praktischen Problemen der Didaktik herrscht derzeit noch der Begriff "Lernziel" (seltener "Lehrziel") vor, wenn von den Zielsetzungen didaktischen Handelns die Rede ist. Gemeint sind damit die Ziele, die Lehrer in bezug auf das erreichen wollen, was Schüler lernen sollen (und insofern ist der Begriff "Lehrziel" treffender). Wer sich deshalb gegen diesen Begriff und für den Begriff "Kompetenz" bzw. "Kompetenzentwicklung" entscheidet, muß dafür gute Gründe haben und diese nennen. Da gute Gründe immer auch eine historische Seite haben, ist deshalb der im folgenden vorgestellte knappe Abriß geboten. Es gibt jedoch noch weitere Gründe, die im Rahmen des Konzepts aufgabenbearbeitenden Lernens und im Rahmen von Mesodidaktik für den Begriff "Kompetenz" sprechen. Sie haben etwas mit dem zu tun, was man als "Reduktionismus", d.h. als Strategie des Ausklammerns und Ausblendens bezeichnen kann. Dies ist zum einen der Umstand, daß das Denken in "Lernzielen" mit der Tendenz verbunden ist, das zeitliche Vorher und Nachher einer Lerntätigkeit auszuklammern und sich auf die immanenten Wirkungen von Unterricht zu beschränken, ohne die bereits erworbenen Lernvoraussetzungen und die mit der Lerntätigkeit erworbenen Potentiale für künftige Lern- und Lebenspraxis mit in den Blick zu nehmen. Sodann findet eine Reduktion auf die Perspektive des Individuums statt, ohne daß soziale und kulturelle Bedeutungen der angestrebten Lernwirkungen einbezogen werden. Ferner reduziert der Begriff "Lernziel" die Sichtweise zumeist auf Mikrostrukturen von Lernwirkungen, z.B. darauf, daß am Ende einer Unterrichtseinheit bestimmte Testaufgaben gelöst werden. Und schließlich wird der Begriff "Lernziel" in der Regel einseitig im Sinne von "Lehrziel", d.h. im Sinne heterodidaktischen Handelns interpretiert, so daß der - sehr wichtige Aspekt autodidaktischen Lernens zu kurz kommt. Soweit eine erste Erläuterung der Gründe, die im folgenden weiter differenziert und zu einer konstruktiven Untermauerungder Entscheidung zugunsten des Kompetenzbegriffs gebracht werden sollen. KOMPETENZANALYSE Die Darstellung der voraufgegangenen "ERLÄUTERUNGEN", insbesondere der bleibenden Erkenntnisse lernzielorientierter Didaktik und der Beiträge von BEREITER sowie von GAGNÉ & MERRILL lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß "Kompetenzen" nach mindestens vier Merkmalen beschrieben werden müssen: * nach ihrem Anforderungsbezug, * nach ihrer Kompetenzklasse, * nach ihrer Operationsstufe, * nach ihrem Wissensbezug, von denen jedes in sich weiter differenziert ist. Was die Differenzierung der Anforderungsbezüge anbelangt, so kann diese nach Anforderungsebenen, Arbeitssystem, Arbeitsaufgaben und Anforderungsbereichen bestimmt werden. Was die Kompetenzklassen anbelangt, so ist auf die Gliederung nach Sachkompetenzen, Sozialkompetenzen und Selbstkompetenzen zu verweisen. Operationsstufen können mittels der in einer voraufgegangenen "ERLÄUTERUNG" gegebenen Operationsstufen-Matrix dargestellt und differenziert werden, in der die Systematiken von BLOOM, KRATHWOHL und FLEISHMAN zusammengefaßt sind. Und was den Wissensbezug anbelangt, so kann auf die erläuterten Kategorien (Orientierungswissen, Handlungswissen, Erklärungswissen, Quellenwissen) und ihre Differenzierungen verwiesen werden. DAS ERWEITERTE RATIONALITÄTSVERSTÄNDNIS ALS GRUNDLAGE FÜR EINE UNTERSCHEIDUNG VON DREI KOMPETENZKLASSEN Die hohe Komplexität der beiden in den voraufgegangenen "ERLÄUTE- RUNGEN" beschriebenen Modelle zur Darstellung von Kompetenz läßt es geraten erscheinen, von einer anderen Seite her den Zugang zu einer praktikablen Klassifikation von Kompetenzen zu gelangen. Vor allem in der neueren deutschen Literatur zur Berufsbildung hat sich in den letzten Jahren die Unterscheidung zwischen "Sachkompetenzen" und "Sozialkompetenzen" eingebürgert. Für diese Unterscheidung dürfte nicht zuletzt die von HABERMAS in seiner "Theorie des kommunikativen Handelns" dargestellte Erweiterung des Rationalitätsbegriffs von Einfluß gewesen sein, der sich zwar weiterhin auf das Grundaxiom westlicher Kultur, die SubjektObjekt-Unterscheidung, gründet, jedoch den qualitativen Unterschied betont, der Handeln zwischen Subjekt und Objekt und Handeln zwischen Subjekten und Subjekten zugrundeliegt. Zur "Pathologie der Moderne" kommt es, wenn man Handeln zwischen Subjekten nach dem Muster von Handeln zwischen Subjekten und Objekten gestaltet: "Wenn man in Konsequenz des Weberschen Ansatzes die Pathologien der Moderne angemessen beschreiben und erklären will, muß ein komplexer Begriff von Rationaliät zur Verfügung stehen, der es gestattet, den Spielraum anzugeben, den die im Okzident erreichte Rationalisierung der Weltbilder für eine Modernisierung der Gesellschaft eröffnet. Erst dann läßt sich die Rationalisierung von Handlungssystemen nicht nur unter dem kognitivinstrumentellen Teilaspekt, sondern unter Einbeziehung moralisch-praktischer und ästhetisch-expressiver Aspekte auf ganzer Breite analysieren". Quelle: J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns II, Frankfurt 1981, S. 449. (Zweck-)rationales Handeln darf demnach nicht auf technisch-instrumentelle Kompetenzen reduziert werden, sondern muß die soziale Kommunikation über das "Warum" einschließen, also die Fähigkeit zum "gesellschaftlichen Diskurs". Außer dieser theoretischen Fundierung einer Unterscheidung zwischen technisch-instrumentellen und moralisch-kommunikativen Kompetenzen gibt es jedoch auch praktische Gründe: Im modernen Unternehmen wird der auf instrumentelle Kompetenzen reduzierte (Fließband-)Arbeiter abgelöst durch Roboter. Vor allem im Bereich der Dienstleistungsunternehmen werden kommunikative Kompetenzen auf allen Hierarchiestufen wichtiger. Die Einführung einer dritten Kategorie von Kompetenzen läßt sich aus gleichen Gründen eines erweiterten Rationalitätsverständnisses rechtfertigen, wie die Unterscheidung von technisch-instrumentellen und moralischkommunuikativen Kompetenzen: Während sich technisch-instrumentelles Handeln auf Beziehungen zwischen Subjekten und Objekten bezieht, moralisch-kommunikatives Handeln auf Beziehungen zwischen Subjekten bezieht, bezieht sich "selbstreflexives Handeln" auf die Beziehung des Subjekts zu sich selbst. Selbstkompetenz als dritte Klasse von Kompetenz erhält so ihren Stellenwert. KOMPETENZENTWICKLUNG Die Darstellung der bisherigen "ERLÄUTERUNGEN" macht deutlich, daß wir Kompetenzen als dynamische, d.h. als lebendige, in ständiger Weiterentwicklung befindliche Gebilde zu betrachten haben. In einer Unterrichtseinheit können deshalb Kompetenzen immer nur weiterentwickelt, nicht jedoch von Grund auf bis zur Perfektion abschließend erzeugt werden. Dabei weist das BEREITERsche Modell von "Kontext-Moduln" darauf hin, daß Kompetenzen weder als isolierte Einheiten vorkommen, noch als solche entwickelt werden können. Der Modul bzw. die Anforderung "mit Mitarbeitern über Fehlleistungen zu sprechen", hat Bezug zu mehreren Kompetenzen zugleich. Von diesen können in einer einzigen Unterrichtseinheit nur einige oder gar nur eine einzelne schwerpunktmäßig entwickelt werden, z.B. eine soziale und kommunikative Kompetenz wie "Gliederung der Gesprächseinleitung", eine Sachkompetenz wie "Festlegung von Qualitätskriterien" oder eine Selbstkompetenz wie "Kontrolle eigener Gefühle". Gerade beim aufgabenbearbeitenden Lernen wird deutlich, daß die Bearbeitung komplexer Lernaufgaben nicht nur mehrere Kompetenzen gleichzeitig erforderlich macht, sondern auch, daß jeweils mehrere Kompetenzen gleichzeitig weiterentwickelt werden, einige davon schwerpunktmäßig, andere eher am Rande. Diesem Umstand wird am ehesten dadurch Rechnung getragen, wenn bei Kompetenzbeschreibungen für Unterrichtsentwürfe auf jeden Fall die schwerpunktmäßig zu entwickelnden Kompetenzen genannt werden, die beiläufig mitzuentwickelnden Kompetenzen immer dann, wenn dies sinnvoll erscheint. QUELLEN LERNZIELORIENTIERTER DIDAKTIK Der Kern des Prinzips "Lernzielorientierung" entwickelte sich seit Ende der 50er Jahre in den USA aus mehreren Quellen, die im folgenden knapp umrissen werden sollen: * Praxis standardisierter Schulleistungstests als Quelle: Mitte der 50er Jahre erhielt in den USA der Verhaltenspsychologe B.S. BLOOM den Auftrag, eine "Taxonomie von Unterrichtszielen" zu entwickeln, um eine genauere Abstimmung zwischen Bildungszielen und Testaufgaben zu ermöglichen und damit zu verhindern, daß zwar höhere Denkleistungen als Unterrichtsziele formuliert, aber triviale Denkleistungen mit den Tests abgeprüft werden. 1956 legte er das Ergebnis seiner Arbeit unter dem Titel "Taxonomy of Educational Objectives I - Cognitive Domain" vor, dem 1964 ein zweiter Band folgte, der sich auf die Unterrichtsziele im affektiven Bereich bezog. * Anforderungsanalysen für Trainingszwecke als Quelle: 1961brachte der IBM-Mitarbeiter R.B. MILLER einige schon länger bekannte Erkenntnisse über den Zusammenhang von Anforderungsanalysen ("task description") und Trainingsziel-Beschreibungen aus dem militärischen Bereich in die damals gerade entstehende Entwicklung des programmierten Lernens ein. Der Verhaltenspsychologe R. MAGER popularisierte diesen Ansatz unter dem Stichwort "Operationalisierung von Lernzielen" in einem 1962 erschienenen Buch, das 1965 unter dem Titel "Lernziele und Unterricht" auch in Deutschland veröffentlicht wurde. * Curriculumentwicklung als Quelle: In seinem 1967 erschienenen Buch "Bildungsreform als Revision des Curriculum" hatte S. B. ROBINSOHN einen theoretischen Ansatz der Bildungsreform vorgestellt, dessen Kern ein deduktives Modell der Lehrplanentwicklung vorstellt das einen Ableitungszusammenhang "Lebenssituationen" -> "Qualifikationen" -> "Bildungsziele" beschrieb. * Spezifizierung von Lerntypen und Verhaltenssequenzen als Quelle: Bereits 1964 hatte der US-amerikanische Verhaltenspsychologe R. GAGNÉ eine Arbeit vorgelegt, in der er ein Modell darstellte, das acht in Form einer Hierarchie gestufte Verhaltensformen bzw. Lerntypen unterschied. Diesem Modell zufolge konnten die höheren Hierarchiestufen nur erreicht werden, wenn die niederen, die auf sie aufbauen, hinreichend bewältigt waren. Die Anwendung dieses Modells erfolgte vor allem auf dem Gebiet des programmierten Lernens, wo es zur Grundlage für die Programmierung von Lernsequenzen wurde. ZUR AUSDIFFERENZIERUNG DER DREI KOMPETENZARTEN Die drei Klassen von Kompetenzen lassen sich weiter gliedern bzw. näher charakterisieren. Hierfür wurde folgender Vorschlag entwickelt: 1. Sachkompetenzen * spezielle Kompetenzen ** unternehmensspezifische Kompetenzen (z. B. die Kompetenz, neue firmenspezifische Software zu nutzen) ** branchenspezifische Kompetenzen (z. B. Fertigungs- und Materialkompetenzen) * allgemeine Kompetenzen ** branchenübergreifende Kompetenzen (z. B. EDV-Grundkompetenzen) ** "Schlüssel"-Qualifikationen (z. B. Verwalten, Organisieren, Entwickeln, Argumentieren) 2. Sozialkompetenzen * Öffentlichkeits-Fähigkeit ** rhetorische Kompetenz (z.B. Produkte präsentieren) ** institutionelle Kompetenz (z.B. Kenntnis relevanter Institutionen) * Teamfähigkeit ** Führungskompetenz (z.B. Anweisungen geben) ** Integrationskompetenz (z.B. sich in eine bestehende Gruppe einordnen können) * Partnerarbeit ** Empathie (sich in andere einfühlen, hineinversetzen) ** Beratungskompetenz ** Konfliktkompetenz (Kompetenz, Konflikte zu thematisieren und zu bearbeiten) ** Beurteilungskompetenz (Kompetenz, eigene und fremde Leistungen zu beurteilen) 3. Selbstkompetenzen * Selbstregulierung (z. B. Selbstmotivierung) * Selbstentwurf-Kompetenzen (z. B. der Karriereplanung) * autodidaktische Kompetenzen (z. B. Lernstrategien) * Selbstreflexions-Kompetenzen (z. B. zur Reflexion eigener didaktischer Sozialisation) Kompetenzbeschreibungen für Unterrichtsentwürfe sollten sich auf diese Untergliederungen beziehen, sofern sie keine anderen Alternativen mit guten Gründen einbringen wollen. HIERARCHIEN VON KOGNITIVEN VERHALTENSFORMEN ALS GRUNDLAGE VON LERNZIELANALYSEN FÜR ZWECKE DER UNTERRICHTSPLANUNG Wie das folgende Zitat jedoch zeigt, wendet GAGNÉ sein Modell nicht nur auf mikrodidaktisches Handeln, also auf die Entwicklung von zweckmäßig programmierten Lernsequenzen, sondern auf Unterrichtsplanung generell an: "Wir haben in diesem Beitrag die Ansicht vertreten, daß die Bestimmung der Unterrichtsziele viele Zwecke verfolgt, von denen der vielleicht wichtigste die Unterrichtsplanung ist. Die eindeutige und vollständige Beschreibung von Aufgaben, die nach Beendigung des Unterrichts geleistet werden sollen, ermöglicht die Spezifizierung bestimmter Kategorien zu erlernender Verhaltensformen. Diese Kategorien werden als Reaktionsdifferenzierung, Assoziation, Mehrfach-Diskrimination, Verhaltensketten, Klassenbegriffe, Prinzipien und Strategien beschrieben. Jede dieser Verhaltensformen wirkt unterschiedlich auf die Lernbedingungen ein, die zu ihrem Aufbau benötigt werden. Da ein Lernprogramm in jeder Phase der Gesamt-Sequenz von dem Lernziel abhängt, müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden, damit sich das Lernen in optimaler Form vollziehen kann. Die uns heute zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse erlauben uns nicht, diese Bedingungen schon präzise genug zu formulieren. Differenzierte Verstärkung und Kontiguität sind zwei Faktoren, die anscheinend allgemein anwendbar sind. Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für das Erlernen jeder Klasse von Verhaltenszielen besteht jedoch in der unbestreitbaren Tatsache, daß die Erreichung jedes Verhaltensziels von dem vorherigen Aufbau eines Verhaltens niederer Ordnung bei dem einzelnen Lernenden abhängt. Dies hat für die Unterrichtsplanung zwei wichtige Folgen. Erstens bedeutet es, daß die Unterrichtssequenz, um möglichst effektiv zu sein, von Assoziationen zu Diskriminationen, Begriffen und Prinzipien führen muß und nicht umgekehrt. Zweitens folgt daraus, daß die vom Lernenden früher erworbenen Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit des Unterrichts sind und zuverlässig bekannt sein müssen, wenn das Unterrichtsprogramm "funktionieren" soll. Jede der definierten Verhaltenskategorien läßt sich - verstanden als Endziel eines Unterrichtsprogramms - als Leistung messen. Man ist sich auch darüber einig, daß Unterrichtsziele im umfassenderen Sinne jene des Behaltens und - höchst bedeutsam - der Transferierbarkeit einschließen können. Auf die Transferierbarkeit zielt offensichtlich die Leistungsmessung, wie sie im allgemeinen gehandhabt wird: sie wird in den Schriften derjenigen Autoren besonders hervorgehoben, die dieseTechniken auf die Messung und Bewertung im pädagogischen Bereich angewandt haben. Vermutlich sind beide Formen der Messung wichtig für ein volles Verständnis der Verhaltensänderungen, die durch Lernen bewirkt werden." Quelle: R. Gagné, Die Analyse der Unterrichtsziele für die Unterrichtsplanung. In: R. Glaser (ed.) - Deutsche Ausgabe K.-H. Flechsig und R. Schulze (Hrsg.), Programmiertes Lernen und Unterrichtstechnologie, Berlin 1971, S. 53/54. EINE TAXONOMIE (KLASSIFIKATION) KOGNITIVER LEISTUNGEN Die Position von GAGNÉ wird hier deshalb so ausführlich dargestellt, weil sie deutlich macht, was ein im mikrodidaktischen Bereich angesiedeltes Modell für verhaltenswissenschaftlich exakte Beschreibungen von kognitiven Leistungen und damit von kognitiven Kompetenzen beitragen kann und was nicht. Im Zusammenhang einer späteren Erläuterung zum Entwicklungsaspekt des in CEDID verwandten Kompetenzbegriffs wird GAGNÉs Beitrag wieder aufgenommen werden. Zunächst sei jedoch festgehalten: GAGNÉ gliedert kognitve (Denk-) Fähigkeiten nach 8 Stufen: * Wahrnehmungsdifferenzierung (Beispiel: Leberblümchen von Stiefmütterchen unterscheiden); * Reaktionsdifferenzierung (Beispiele: den englichen Laut "th" richtig aussprechen, einen Tennisschläger richtig anfassen), * Assoziationen (Beispiele: einem Gesicht einen Namen zuordnen, einem Ereignis eine Geschichtszahl); * Mehrfach-Diskriminationen (Beispiel: Auf einer Party Leute erkennen, indem man mehrere Namen mehreren Gesichtern zuordnet); * Verhaltensketten (Beispiel: Ablaufschritte beim Starten eines Pkws in richtiger Reihenfolge durchführen), * Klassenbegriffe (Beispiel: beim Nennen des Begriffs "Säugetier" entsprechende Beispiele nennen, das Beispiel "Esel" dem Begriff "Säugetier" zuordnen); * Prinzipien und Modelle (Beispiel: Ohmsches Gesetz und seine praktischen Anwendungen); * Strategien: (Beispiel: Zwischen verschiedenen Fahrtrouten nach verschiedenen Bewertungskriterien entscheiden). EINE TAXONOMIE AFFEKTIVER LEISTUNGEN (KRATHWOHL U.A.) Einige Jahre nach der Publikation der BLOOMschen axonomie für den kognitiven Bereich (BLOOM 1956) legten KRATHWOHL u.a. (1964) eine entsprechende Taxonomie für den affektiven Bereich vor. Diese gliedert affektives (emotionales) Verhalten in * willentliche und selektive Aufmerksamkeit (Beispiel: einem Vortrag zuhören); * Engagement (Beispiel: sich einlassen auf die Bearbeitung einer Aufgabe); * Einzelbewertung (Beispiel: eine Vorliebe für gutes Essen haben, diese zum Ausdruck bringen und realisieren); * Wertordnung (Beispiel: auf Grund eigener Wertordnung Prioritäten zwischen Gründlichkeit und Geschwindigkeit setzen); * personale Identität (Beispiel: in allen Situationen Stimmigkeit zwischen dem persönlichen Wertsystem und den möglichen Entscheidungen herstellen). FLEISHMANS TAXONOMIE FÜR DEN PSYCHOMOTORISCHEN BEREICH Zu den Autoren, die sich relativ früh schon intensiv mit der Frage befaßt haben, wie sich körperliche Tätigkeiten des Menschen (Handfertigkeit, Fingerfertigkeit, Ausdauer, Stärke etc.) klassifizieren lassen, gehört E. A. FLEISHMAN. Seine Qualifikation ist vor allem für Berufsberatung, Berufsanalyse und berufliche Bildung im handwerklich-gewerblichen und militärischen Bereich von Bedeutung gewe-sen. Zu den wichtigen Unterscheidungen gehören * Statische Stärke (z. B. Gewichtheben), * Explosive Stärke (z. B. Sprinten), * Dynamische Stärke (z. B. Liegestütze), * Ausdauer (z. B. Langstreckenlauf), * Streckungsfähigkeit ("Gummi-Mensch"), * Dynamische Flexibilität (z. B. komplizierte Tanzbewegungen), * Geschwindigkeit der Gliederbewegung (Finger, Hand, Arm, Bein etc.), * Koordination der Körper- und Gliederbewegung (z. B. Wasserspringen), * Körpergleichgewicht (z. B. Seiltanz), * Präzision (bei der Ausführung von Körperbewegungen). Einige dieser Kategorien sind in die "Operationsstufen-Matrix" (s. nächste "ERLÄUTERUNG") aufgenommen worden. Quelle: E. A. FLEISHMAN, Dimensional Analysis of psychomotor abilities. In: Journal of Experimental Psychology 1954, S. 437ff. ZUSAMMENFASSUNG ZU EINER MATRIX VON OPERATIONSSTUFEN Wenn man so will, kommt in der Gliederung nach kognitiven, affektiven und psychomotorischen Verhaltensweisen das uralte westliche Menschenbild zum Ausdruck, das den Menschen als "denkendes", "fühlendes" und "wollendes" Wesen sieht. Dessen müssen wir uns bei didaktischem Handeln in interkulturellen Kontexten stets bewußt sein, denn andere Kulturen haben andere Menschenbilder und somit auch andere Ordnungen. Wenn jedoch die im Rahmen des europäischen Menschenbilds stehenden drei Vorschläge für die Klassifikation von menschlichen Leistungen, Kompetenzen und Verhaltensweisen akzeptiert werden, so können wir die folgende Matrix bilden: GEMEINSAMKEITEN LERNZIELORIENTIERTER DIDAKTIK Was die Vertreter lernzielorientierter Didaktik auszeichnete und noch auszeichnet, ist ihr Bemühen um die Einführung zweckrationaler Prinzipien in die Didaktik. Im besonderen ging und geht es ihnen darum, die Zwecke didaktischen Handelns möglichst eindeutig zu formulieren und die Mittel zum Erreichen dieser Zwecke zu optimieren. Mit diesem Ansatz gewinnen sie zugleich eine Ausgangsbasis für verbesserte Methoden der Wirkungs- kontrolle (des Bildungscontrollings) und der laufenden Verbesserung von Bildungsmaßnahmen. Diejenigen, die diesem Konzept folgten, zeichneten sich dadurch aus, daß sie als Personen und Mitglieder von bestimmten für Grund-, Aus- und Weiterbildung verantwortlichen Gremien ihre Unterrichtszielvorstellungen so präzise formulierten, daß man hinterher feststellen (messen) konnte, ob bzw. in welchem Umfang sie von Lernern auch erreicht worden waren. Gemeinsam war diesen Ansätzen auch, daß sie Front machten gegen schwammige und hochtönende Sprachformeln, wie sie sich in Lehrplänen fanden und finden und die weder geeignet sind, um Unterricht sorgfältig zu planen, noch geeignet sind, um Wirkungen von Unterricht mit empirischen Mitteln zu evaluieren. Die meisten Vertreter einer lernzielorientierten Didaktik befanden sich deshalb um 1970 herum eher im Lager der Bildungsreformer und nicht in dem der "Traditionalisten". Sie forderten "zielerreichendes Lernen (mastery learning) statt Auslese" und die Verbesserung von Lernbedingungen für alle. Dennoch konnten sie nicht verhindern, daß ihre Gegener diesen Ansatz als "technokratisch" verurteilten. KRITIK AN DER LERNZIELORIENTIERTEN DIDAKTIK Die Kritik an der lernzielorientierten Didaktik setzte an mehreren Punkten an: * Kritisiert wurde zum einen die Verstärkung von Außensteuerung und Fremdbestimmung, die mit präziseren Zielformulierungen und mit exakteren Lernkontrollen möglich würden und damit dem Prinzip selbstbestimmten und emanzipierten Lernens entgegenstünden. * Auch die Akzentuierung jenes Aspekts menschlicher Tätigkeit war Gegenstand der Kritik, weil er das kurzfristig beobachtbare äußere Verhalten in den Mittelpunkt rücke und komplexe innere Tätigkeiten (Denkoperationen) sowie langfristige Persönlichkeitsentwicklung außer acht lasse. * Ferner wurde kritisiert, daß das Rationalitätsprinzip einseitig auf Aspekte der Klassifikation und der Operationalisierung von Lernzielen bezogen würde, nicht aber auch auf deren Entdeckung und Begründung aus kulturellen Anforderungen. * Schließlich wurde kritisiert, daß lernzielorientierte Didaktik ihre wissenschaftliche Grundlage ausschließlich in der Psychologie und im Behavoiurismus sucht und dabei wichtige Erkenntnisse anderer Disziplinen, insbesondere der Pädagogik, der Philosophie und der für die Wissensgebiete zuständigen Fächer in den Hintergrund treten läßt. In der folgenden "ERLÄUTERUNG" sollen nun diese Kritikansätze aufgegriffen und mit bleibenden Erkenntnissen der lernzielorientierten Didaktik in einen alternativen Entwurf eingebracht werden, der an die Stelle von Lernzielen "Kompetenzen" (in einem erweiterten Sinn) treten läßt. BLEIBENDE ERKENNTNISSE DER DISKUSSION UM LERNZIELORIENTIERTE DIDAKTIKALS BEITRÄGE ZUM KOMPETENZKONZEPT Auch bei Berücksichtigung der in der voraufgehenden "ERLÄUTERUNG" genannten Kritikpunkte lassen sich die folgenden Prinzipien als bleibende Einsichten festhalten, die von einer lernzielorientierten Didaktik hervorgehoben wurden: * Didaktisch Handelnde sollten sich hinsichtlich ihrer Zielsetzungen primär an den Wirkungen didaktischen Handelns auf Lerner und nicht an Absichten von Lehrern oder Planern orientieren. * Didaktisch Handelnde sollten den Sinn ihres Handelns aus Motiven der Förderung von wirksamen Lernprozessen beziehen und nicht aus Motiven schulischer Auslese. * Didaktisch Handelnde sollten den Lernvoraussetzungen sowie den Stufen und Sequenzen individueller Lernprozesse besondere Aufmerksamkeit schenken. * Didaktisch Handelnde sollten ihre Zielvorstellungen nicht einseitig aus schulinternen Anforderungen begründen, sondern auch kulturelle, gesellschaftliche und berufliche Anforderungen berücksichtigen. * Didaktisch Handelnde sollten den Fehler vermeiden, ihre Zielvorstellungen in Form von Lehrstoff-Angaben zu formulieren. * Didaktisch Handelnde sollten sich bei der Formulierung ihrer Zielvorstellung um möglichst weitgehende Präzision und sprachliche Eindeutigkeit bemühen und vieldeutige Formulierungen vermeiden. MERKMALE EINER ALTERNATIVE Berücksichtigt man sowohl die bleibenden Erkenntnisse lernzielorientierter Didaktik als auch die in einer voraufgehenden "ERLÄUTERUNG" erwähnten Kritikpunkte, so wird deutlich, daß die Didaktik eines Begriffs bedarf, welcher eine Synthese der Erkenntnisse ermöglicht, die im Laufe der Diskussion um die angemessene Formulierung von Zielvorstellungen für Bildungsmaßnahmen gewonnen wurden. Dieser Begriff sollte der Komplexität von Bildungsprozessen gerecht werden, indem er die folgenden Merkmale aufweist: Notwendig ist eine Alternative zum Lernzielbegriff mit: Lernerorientierung: Bezug zu Eigenschaften, Tätigkeiten und Leistungen von Lernern. Performanzbezug: Fähigkeiten auf Leistungen im Einzelfall beziehen. Anforderungsbezug: Bezug zu kulturellen, gesellschaftlichen oder beruflichen Anforderungen. Wissensbezug: auf Wissensgebiete (Stoffe, Inhalte) beziehen. Persönlichkeitsbezug (Entwicklungsbezug): der Dynamik von komplexen Entwicklungsprozessen menschlicher Persönlichkeiten gerecht werden. Kulturbezug: Zielvorstellungen auf kulturell sinnvolle Leistungen beziehen. Interdisziplinaritätsbezug: interdisziplinär und professionenübergreifend verständlich und anwendbar und so auch offen für neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Konstruktcharakter: Charakter als theoretisches Konstrukt klar ausweisen, um der Gefahr einer "Verdinglichung" zu entgehen. Unter "enterprises" verstehen die Autoren Muster für "absichtsvolle Tätigkeiten, die zu ihrer Ausführung einer Kombination aus verbaler Information, intellektuellen Fertigkeiten und kognitiven Strategien bedürfen, die untereinander und im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel in Beziehung stehen". Als Beispiele für "enterprises" (entsprechend unseren "Kompetenzen") geben GAGNÉ & MERRILL an: Bedienung eines Röntgengerätes, Lehren eines wissenschaftlichen Begriffs, jemand bei der Stellenbewerbung beraten, Gebrauchsanleitungen zur Bedienung eines Unkrautjäters geben. Wenn man so will, ist dies ein Modell, das Kompetenzen als Verbindungen von Struktur (Schemata), Materie (Wissenselementen) und Energie (Ziele, Motive) versteht, die in Tätigkeit umgesetzt werden. Kompetenzen werden vorgestellt als zielgerichtete Verknüpfungen von Schemata (Mustern von operativem Wissen) und konstituierenden Elementen (Hintergrundwissen), sozusagen dem Füllmaterial für diese Schemata. Die "Schemata" selbst werden als bereichsspezifische Wahrnehmungs- und Handlungsmuster verstanden, die situationsspezifisch "gefüllt" werden müssen, um in Kompetenzen bzw. Performanzen überzugehen. Bei der Entwicklung einer "enterprise"-Kompetenz werden zum einen "Kompetenz-Schemata" gebildet, d. h. geistig-physische Handlungsmuster, die in konkreten Situationen in Tätigkeit umgesetzt werden und zum anderen "Kompetenz-Szenarios", d.h. Wahrnehmungsschemata von Situationen, zu deren Bewältigung die entsprechende Tätigkeit dient. Dabei unterscheiden GAGNÉ & MERRILL drei Kategorien (oder Grundtypen) von Kompetenz-Schemata: o Schemata des Bezeichnens ("denoting"), o Schemata von Abläufen oder Prozessen ("manifesting") und o Schemata des Entdeckens ("discovering"). EINE TAXONOMIE (KLASSIFIKATION) KOGNITIVER LEISTUNGEN Nach GAGNÉ lassen sich kogniitve (Denk-)Fähigkeiten nach 8 Stufen gliedern: Wahrnehmungsdifferenzierung (Beispiel: Leberblümchen von Stiefmütterchen unterscheiden); Reaktionsdifferenzierung (Beispiele: den englichen Laut "th" richtig aussprechen, einen Tennisschläger richtig anfassen), Assoziationen (Beispiele: einem Gesicht einen Namen zuordnen, einem Ereignis eine Geschichtszahl); Mehrfach-Diskriminationen (Beispiel: Auf einer Party Leute erkennen, indem man mehrere Namen mehreren Gesichtern zuordnet); Verhaltensketten (Beispiel: Ablaufschritte beim Starten eines Pkws in richtiger Reihenfolge durchführen), Klassenbegriffe (Beispiel: beim Nennen des Begriffs "Säugetier" entsprechende Beispiele nennen, das Beispiel "Esel" dem Begriff "Säugetier" zuordnen); Prinzipien und Modelle (Beispiel: Ohmsches Gesetz und seine praktischen Anwendungen); Strategien: (Beispiel: Zwischen verschiedenen Fahrtrouten nach verschiedenen Bewertungskriterien entscheiden).