Zusammenfassender Bericht der Anhörung Ausbildung, Lehre und

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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Arbeitsmarktbeobachtungsstelle
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft
Zusammenfassender Bericht der Anhörung
Ausbildung, Lehre und neue Kompetenzen für
neue Beschäftigungen
Mittwoch, 31. März 2010, von 9.30 Uhr bis 13.30 Uhr
Xavier Verboven gibt eine kurze Einführung in die Anhörung und weist darauf hin, dass die berufliche und allgemeine Bildung immer von enormer Bedeutung sei, zumal auch in Zeiten der Rezession.
Teil I: Aus- und Weiterbildung und Lehre in Europa - ein Überblick
Sebastian Stetter, Vertreter der Europäischen Kommission, macht darauf aufmerksam, dass kompetenzbezogene Themen in der Europa-2020-Strategie eine wichtige Rolle spielten, und verweist diesbezüglich besonders auf die Leitinitiative dieser Strategie "Eine Agenda für neue Kompetenzen und
neue Beschäftigungsmöglichkeiten". Außerdem bemerkt er, dass die Staats- und Regierungschefs der
G-20 auf ihrem letzten Gipfel die Arbeitsminister zur Erarbeitung einer globalen Ausbildungsstrategie
aufgefordert hätten. Anschließend wendet er sich dem von einer Gruppe unabhängiger Experten
erarbeiteten Bericht "Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen: Jetzt handeln" zu. Die wichtigsten Empfehlungen des Berichts seien in den folgenden vier Prioritäten zusammengefasst: 1) Es bedarf
der richtigen Anreize für Einzelpersonen und Arbeitgeber, Kompetenzen weiterzuentwickeln und besser zu nutzen: Die bisherigen Anreize reichten möglicherweise immer noch nicht aus, um Investitionen in Kompetenzen zu fördern. Das Bewusstsein hinsichtlich der Vorteile von Aus- und Weiterbildung sei zu wenig ausgeprägt. Zu den vorgeschlagenen Lösungen gehörten die Nutzanwendung früher
erworbener Kenntnisse, Verwendung von Ausbildungsgutscheinen und die Sensibilisierung für die
Vorteile der Entwicklung von Kompetenzen. 2) Die Bereiche Bildung, Aus- und Weiterbildung und
die Arbeitswelt näher zusammen bringen: Es sei an der Zeit, die bereits auf europäischer Ebene existierenden Instrumente zu nutzen, z.B. den Europäischen Qualifikationsrahmen, der in nationale Qualifikationsnetze umgesetzt werden sollte. Ein europäisches System der Klassifikation von Kompetenzen
und Berufsbildern werde derzeit entwickelt. 3) Die richtige Mischung von Kompetenzen entwickeln:
Mehr projektbezogenes Lernen und engere Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen und
dem privaten Sektor würden empfohlen. 4) Den zukünftigen Bedarf an Kompetenzen besser antizipieren: Frühwarnsysteme sollten entwickelt werden; außerdem sei es wichtig zu beobachten, ob dieser
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-2Ansatz für alle Wirtschaftszweige sinnvoll erscheine. Sebastian Stette betont, dass der Bericht der
Expertengruppe ein sehr wichtiges Referenzdokument für die Zukunft sei.
Eleonora Schmid, Vertreterin des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung
(CEDEFOP), gibt einen Überblick über die berufliche Bildung in Europa. Sie weist darauf hin, dass
die berufliche Bildung auf der politischen Tagesordnung nach oben gerückt sei. Trotz einer gewissen
Konvergenz hinsichtlich der gemeinsamen Prioritäten des Kopenhagen-Prozesses seien die Unterschiede zwischen den Ländern nach wie vor beträchtlich, insbesondere in Bezug auf den Stellenwert
der beruflichen Bildung, die an der beruflichen Bildung teilnehmenden Altersgruppen, die Mischung
der im Rahmen der beruflichen Bildung vermittelten Kompetenzen (allgemeine Kompetenzen oder
berufliche Fachkenntnisse), die Organisation (theoretische und praktische Ausbildung parallel, nacheinander oder alternativ) sowie die für die Ausbildung vorgesehene Stundenzahl. Eleonora Schmid
verweist auch auf einige allgemeine Tendenzen: niedrigere Abbrecherrate, da die Anforderungen in
der beruflichen Bildung nach der oberen Sekundarstufe herabgesetzt worden seien; eine steigende
Zahl an Programmen für spezielle Zielgruppen; leichte Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse
unter den Studierenden; Entwicklung von Programmen für die berufliche Bildung im Bereich grüne
Wirtschaft; mehr berufliche Bildung im postsekundärem Bereich und stärkere Einbindung der Sozialpartner. Die meisten Möglichkeiten der beruflichen Bildung würden von Unternehmen angeboten.
Niedrigere Steuern, Prämien für das Anbieten von Ausbildungsplätzen für junge Menschen und niedrigere Sozialversicherungsbeiträge hätten sich als wirksame Anreize für Arbeitgeber erwiesen. Die
Krise habe sich erheblich auf die berufliche Bildung ausgewirkt und besonders zu neuen Bildungsmaßnahmen für Erwachsene geführt. Einige Länder hätten Anstrengungen unternommen, Arbeitslose
oder Menschen, denen der Arbeitsplatzverlust drohte, wieder in formale Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zu bringen, während andere Länder ihre Budgets für Bildung sowie Aus- und Weiterbildung gekürzt hätten. Einige Regierungen hätten enorme Summen in Maßnahmen zum Ausgleich
der gesunkenen Zahl von Ausbildungsplätzen für junge Menschen investiert. Eine weitere Folge der
Krise sei, dass Menschen ihren Bildungsprozess verlängerten. In einigen Ländern seien auch die mit
dem Kopenhagen-Prozess verbundenen Reformen beschleunigt worden, durch die Bildungs- und Ausbildungsprogramme flexibler geworden seien und leichter aufeinander aufbauten. Nach Ansicht von
Eleonora Schmid ist eine Sensibilisierung hinsichtlich der Bedeutung des Zugang zu allgemeiner und
beruflicher Bildung sowie der Bereitstellung von mehr Orientierung und Beratung erforderlich. Es
müssten Partnerschaften zwischen allen Beteiligten gefördert werden. Die berufliche Bildung werde
an Bedeutung gewinnen, da jeder zweite künftige Arbeitsplatz ein mittleres Qualifikationsniveau
erfordern werde.
Anschließend findet eine allgemeine Aussprache statt. Leila Kurki erkundigt sich bei Sebastian
Stetter nach Synergien zwischen der Leitinitiative zur Europa-2020-Strategie "Eine Agenda für neue
Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten" und dem Bericht der Expertengruppe. Außerdem fragt sie ihn nach seinem Standpunkt zu dem Ziel von Europa 2020, den Anteil der Bevölkerung
mit Hochschulabschluss auf mindestens 40% zu steigern. Wolfgang Greif richtet an Eleonora Schmid
die Frage, welche Formen der beruflichen Bildung am besten für einen leichteren Übergang in den
Arbeitsmarkt geeignet seien. Er frage sich, was im Vergleich zu der Vorkrisenzeit mit der Rolle der
Unternehmen als Bereitsteller von Ausbildungsplätzen geschehen sei. Unter Verweis auf eine vor kur-
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-3zem verabschiedete Sondierungsstellungnahme über eine etwaige Einsetzung europäischer Branchenräte für Beschäftigung und Qualifikationen erkundigt sich der Berichterstatter Marian Krzaklewski
bei Sebastian Stetter, ob es solche Branchenräte in Zukunft geben werde. Christa Schweng fragt, wie
das 40%-Ziel bezüglich des Anteils der Bevölkerung mit Hochschulabschluss mit dem höheren
Bedarf an mittleren Qualifikationen vereinbart werden könne. Sie verweist außerdem darauf, dass
nach einem Bericht von CEDEFOP Anreize nicht zwangsläufig zu mehr Ausbildung führt. Abschließend bittet sie Herrn Stetter, das Beschäftigungsziel von 75% für Europa 2020 näher auszuführen.
Sebastian Stetter betont, dass die Agenda für Kompetenzen nur eines der Elemente der Europa2020-Strategie sei. Das Ziel eines Bevölkerungsanteils von 40% mit Hochschulabschluss sei eine
Möglichkeit zur Erhöhung des Niveaus und der Qualität von Arbeitsplätzen. Die Europäische Kommission habe sich der Idee der Einsetzung europäischer Branchenräte verschrieben, die Initiative
selbst müsse aber von den einzelnen Branchen ausgehen. Eleonora Schmid unterstreicht, dass sich
die Bildungs- und Ausbildungsstrukturen in Europa beträchtlich unterschieden und es schwierig sei,
eine Patentlösung zu entwickeln; berufliche Bildung sei in die Traditionen eines jeden Landes eingebettet. Wenn Unternehmen keine Weiterbildung anböten, so lasse dies nicht unbedingt auf mangelnde
Mittel schließen, sondern deute darauf hin, dass ihre Arbeitnehmer bereits die erforderliche Qualifikation hätten. Der Umfang und zumal die Bedeutung von Anreizen unterscheide sich von Land zu Land
erheblich. Aufgrund der Krise würden mehr öffentliche Mittel für Weiterbildungen vorgesehen, und
die finanziellen Anreize würden zur Ebnung des Übergangs in den Arbeitsmarkt verwendet. In einigen Ländern gebe es Bestrebungen, die finanzielle Unterstützung von Schulen von dem Erfolg der
Absolventen bei der Arbeitssuche abhängig zu machen.
Teil II: Aus- und Weiterbildungs- sowie Praktikaprogramme in Unternehmen. Welche
Bildungsmaßnahme für wen und wann? Aus- und Weiterbildungsstrategien, Bestandsaufnahme
der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung, Anreize für Investitionen in die Aus- und Weiterbildung usw.
Mia Vanstraelen, Vertreterin von IBM Benelux, berichtet, dass IBM gemeinsam mit den Kunden
ständig nach neuen Talenten und neuem Wissen Ausschau halte; das Anbieten von Praktika sei ein
Weg, um auf Talente zugreifen zu können. IBM wünsche eine engere Partnerschaft mit Wirtschaftsschulen, Universitäten und Ausbildungseinrichtungen, um sicherzustellen, dass auch die richtigen
Kompetenzen und Fähigkeiten entwickelt würden. Praktika sollten als Möglichkeit für Praktikanten
betrachtet werden, berufsorientiertes Lernen zu erleben. Mia Vanstraelen führt drei konkrete Beispiele
für Ausbildungsprogramme von IBM an: Das erste Beispiel, und zwar das Projekt Extreme Blue, wird
von Jan Van De Poel näher erläutert, der selbst daran teilgenommen hat. Es handele sich um ein
zwölfwöchiges Praktikum, bei dem ein Team von vier Studenten (drei Technikstudenten und ein
Wirtschaftsstudent) mit einer Aufgabe eines realen IBM-Kunden betraut würden. Aufgrund der vollen
Unterstützung seitens IBM sei das Praktikum eine äußerst motivierende Erfahrung für das gesamte
Team gewesen. Dieser Ansatz vermittle sowohl den Kunden als auch IBM eine neue Sichtweise, während die jungen Menschen die Erfahrung machten, welch große Bedeutung dem Lernen zukomme.
Das zweite Beispiel, so Mia Vanstraelen, sei aus Deutschland, wo Bachelor-Studenten ihre Studienzeit sowohl bei IBM als auch in der Universität absolvierten. Dieses Programm bestehe bereits seit
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-425 Jahren und erstrecke sich auf derzeit etwa 700 Praktikanten. Das dritte Beispiel komme aus Frankreich und beziehe sich auf eine allgemeinere Form des Praktikums: Um ihr Studium zum Abschluss
zu bringen, arbeiteten die Studenten 6-12 Monate mit IBM an einem speziellen Thema. Unter Hinweis auf den Bericht "Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen: Jetzt handeln" bemerkt Mia
Vanstraelen, dass ihrer Ansicht nach innovative Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden könnten, wie etwa Steuersenkungen für Personen, die an Weiterbildungs- oder Bildungsmaßnahmen teilnähmen. Zum Thema Zusammenbringen der Arbeitswelt und der Aus- und Weiterbildung hebt sie
hervor, dass Systematik bereits eine bedeutende Rolle in der IT-Branche spiele und teilweise als Beispiel für andere Branchen übernommen werden könne. In Bezug auf die Entwicklung der richtigen
Mischung von Kompetenzen für die Zukunft, unterstreicht sie, dass die Lernfähigkeiten wichtig sei
und der Bildungssektor nicht so stark zersplittert sein dürfe. Das Lernen müsse in einem realen Kontext stattfinden, denn dies schaffe Motivation und führe zu Ergebnissen.
Alexandra Králiková, Vertreterin von Škoda Auto, erläutert zunächst die Geschichte des Unternehmens und dessen Humanressourcen-Konzept. Der größte Teil der Produktion befinde sich in der kleinen Stadt Mladá Boleslav in der Tschechischen Republik. Manchmal sei es schwierig, vor Ort qualifizierte Fachkräfte zu finden, weshalb es für Škoda Auto erforderlich sei, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren. Theoretisch habe jeder, der bei dem Unternehmen anfange, die Möglichkeit, Vorstandsmitglied zu werden, die Karriereentwicklung ziele aber immer auf die "nächste Stufe" bezogen
auf jeden einzelnen Arbeitnehmer ab. Es hätten sich sehr gute Möglichkeiten des lebenslangen Lernens herausgebildet. Škoda Auto habe eine eigene weiterführende Fachschule, eine eigene Universität
und ein eigenes MBA-Studienprogramm, da andere Schulen den Auszubildenden bzw. Studierenden
nicht die genau erforderlichen Kompetenzen vermittelten. Die meisten der Absolventen blieben später
im Unternehmen. Jeder Arbeitnehmer nehme durchschnittlich zweimal jährlich an einer Weiterbildungsmaßnahme teil, wobei die Ausbildung am Arbeitsplatz nicht eingeschlossen sei. In der weiterführenden Fachschule würden zwei Typen von Studierenden ausgebildet: künftige Arbeitnehmer
(Vorbereitung auf die Arbeit bei Škoda Auto bei gleichzeitiger Vermittlung der nationalen Lehrpläne)
und derzeitige Arbeitnehmer (Teilzeitstudium, Fernstudium oder Kurzlehrgänge). Die Ausbildungszweige und Zahl der Studierenden in den einzelnen Zweigen würden anhand der Bedürfnisse von
Škoda Auto festgelegt. Die Fachschule sei überwiegend produktionsorientiert. Sie werde teilweise
vom Staat finanziert (40%), habe etwa 1 000 Studierende und das Unternehmen sei zur Einstellung
derjenigen Absolventen verpflichtet, die dies wünschten (90%). In der letzten Ausbildungsphase
müssten die Studierenden mindestens die Hälfte ihrer praktischen Ausbildung im Unternehmen unter
Anleitung eines Vorarbeiters und eines Ausbilders absolvieren. Die Weiterbildungskurse würden
anhand der spezifischen Anforderungen des Unternehmens entwickelt, müssten aber von den Gewerkschaften und dem Staat anerkannt werden. Škoda Auto habe einen neuen Weiterbildungskurs in
Logistik einwickelt, der offensichtlich junge Frauen anspreche.
Magdalena Münstermann, Vertreterin der Münstermann GmbH in Telgte (Deutschland), spricht
über ihre Erfahrung bezüglich der Schaffung von Anreizen und Motivationen für die Erstausbildung
und Weiterbildung. Das Unternehmen sei bemüht, jungen Menschen positive Anreize zu bieten und
verstecktes Potenzial freizusetzen, selbst bei Menschen mit Lerneinschränkungen. Das Unternehmen
unterstütze generell jeden Arbeitnehmer, der einen Lehrgang oder eine Weiterbildungsmaßnahme
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-5absolvieren möchte, und finanziere dies auch. Da großer Wert auf Mobilität gelegt werde, verpflichte
das Unternehmen jeden Arbeitnehmer, im ersten Jahr seiner Anstellung drei Wochen ein Praktikum
oder eine Bildungsmaßnahme im Ausland zu absolvieren. Es biete auch Englischkurse an, die sehr
gefragt seien. In den letzten Jahren hätten die Auszubildenden des Unternehmens ihre gesamten sechs
Ferienwochen im Ausland verbracht. Bei einer Vereinfachung des Anmeldeverfahrens für das Programm Leonardo da Vinci wäre das Interesse ihrer Meinung nach sogar noch größer. Das Unternehmen beteilige sich auch an länderübergreifenden Kursen, und einige Auszubildende seien für Initiativen in größeren Unternehmen benachbarter Städte benannt worden, um dort ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Anschließend geht sie auf die Vernetzung von Schulen und der Wirtschaft ein. Das Unternehmen vertrete die Ansicht, dass junge Menschen mehr Wissen über verschiedene Berufe benötigten, um wählen zu können. Magdalena Münstermann ist der Überzeugung, dass dieses Problem durch
Praktika gelöst werden könne, weshalb sie ein lokales Netz von Unternehmen und Schulen aufgebaut
habe. Arbeitnehmer besuchten Weiterbildungskurse an den Schulen, während Schüler in das Unternehmen kämen, um beispielsweise Mathematik zu praktizieren. Im Sommer 2009 sei das Netzwerk
auf Gymnasien und Normalschulen sowie andere Unternehmen aller Art und Größe ausgeweitet worden. Außerdem habe man eine Internetplattform eingerichtet, und die Partner hätten Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer aus dem gesamten Münsterland geschaffen. Bezüglich der Perspektiven der
Weiterbildung verweist sie erstens auf die Rolle der Globalisierung. So gingen immer mehr Arbeitnehmer ins Ausland, und zwar nicht nur um technische Qualifikationen und Kompetenzen zu erwerben, sondern auch um Fremdsprachen zu erlernen. Zweitens sei die Weitergabe von Wissen und
Kompetenzen von Generation zu Generation innerhalb des Unternehmens wichtig. Drittens versuche
das Unternehmen, Verbindungen zu Bachelor- und Masterstudenten zu knüpfen, die eine praktische
Anwendung ihres Studiums finden könnten. Viertens verweist Frau Münstermann auf den Faktor
Mensch: Neben IT-Kenntnissen und anderen Fähigkeiten benötigten die Mitglieder der Gesellschaft
Selbstbewusstsein, persönliche Motivation sowie einen offenen und ehrlichen Umgang miteinander.
Anschließend findet eine allgemeine Aussprache statt. Dana Štechová möchte wissen, mit welchen
Problemen die Unternehmen während der Wirtschaftskrise im Aus- und Weiterbildungsbereich konfrontiert seien, ob in den Unternehmen Berufsbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer aus anderen
Ländern angeboten würden, inwiefern die Entwicklung in Richtung einer grünen Wirtschaft in die
Lehr- und Unterrichtspläne einfließe und wie die Ausbilder bei der Münstermann GmbH geschult und
vergütet würden. Vladimíra Drbalová betont die Verbindung zwischen sozialer Verantwortung der
Unternehmen (SVU) und beruflicher Bildung. Auch räumt sie ein, dass Škoda Auto in der Tschechischen Republik zu einer Richtgröße bei der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Qualifikationsdefiziten geworden sei. Jonathan Peel erkundigt sich bei den Rednern, ob es in ihren Unternehmen Möglichkeiten gebe, ältere Arbeitnehmer aus anderen Unternehmen umzuschulen, die über
anderweitige Qualifikationen verfügten. Helen Hoffmann von der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME) würde größere Fortschritte beim Abbau administrativer, technischer und finanzieller Hindernisse für die berufliche Bildung und die Mobilität begrüßen. Christa Schweng möchte wissen, wie die Münstermann GmbH bei der Auswahl ausländischer
Unternehmen für ihre Auszubildenden und sonstigen Beschäftigte vorgehe. Weiterhin stellt sie die
Frage, was Škoda Auto tue, um mehr Mädchen in das Unternehmen zu holen. Irini Ivoni Pari
verweist auf eine vom Europäischen Institut für Unternehmensführung (INSEAD) durchgeführte Stu-
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-6die, aus der hervorgehe, dass Europa bei den Grundkompetenzen und beruflichen Fachkenntnissen
sehr gut dastehe, jedoch hinsichtlich multikultureller Kompetenzen gegenüber den USA im Rückstand
sei. Meelis Joost möchte wissen, ob der Škoda-Konzern angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der
Einwohner der Stadt bei dem Unternehmen beschäftigt sei, auch Umschulungsprogramme anbiete.
Mia Vanstraelen antwortet, dass das dringlichste Problem für IBM darin bestehe, das Aus- und Weiterbildungsangebot auf die Nachfrage abzustimmen. Die EU könnte mehr tun, um den Unternehmen
dies zu erleichtern. Die berufliche Ausbildung und Praktika seien wichtig - nicht nur, um auf Talente
zugreifen zu können, sondern auch als Motivationsfaktor und für die Innovationsförderung. Sie merkt
an, dass 50% der Beschäftigten des Unternehmens IBM Frauen bzw. Mädchen seien. Zum Thema
Umschulung bemerkt sie, dass IBM ein formales Umschulungsprogramm unter dem Motto "Kompetenzen für Wachstum" eingerichtet habe, das darauf ausgerichtet sei, gering qualifizierten Arbeitnehmern durch eine Lehre bzw. Praktika den Übergang von einem Beruf zu einem anderen zu erleichtern.
Insgesamt komme eine Lehrausbildung bzw. ein Praktikum in verschiedenen Bereichen und in unterschiedlichen Lebensphasen in Frage. Wie Alexandra Králiková erläutert, habe die Wirtschaftskrise
die Personalverwaltung bei Škoda vor allem dahingehend beeinflusst, dass die Aus- und Weiterbildung zielgerichteter geworden sei. Sie bestätigt, dass es bei Škoda Umschulungsprogramme gebe. Das
Unternehmen versuche, unternehmensintern frei werdende Stellen zu ermitteln und seine Beschäftigten mit Unterstützung der Fachschule entsprechend zu umzuschulen. Auch Beschäftigte, die im Ausland für Škoda arbeiteten, kämen in die Tschechische Republik. Das Unternehmen verfüge über verschiedene interkulturelle Aus- und Weiterbildungsprogramme für seine Angestellten. Die Ausbilder
bei Škoda würden nach unternehmensinternen Tarifen und nicht nach den in der staatlichen Bildung
üblichen Standards vergütet, was es dem Unternehmen ermögliche, einige der besten Lehrkräfte zu
halten. Zwar seien nur wenige Frauen in der Produktion tätig, doch betrage die Frauenquote unter den
Beschäftigen 50% (in der oberen Führungsebene nur 8%). Magdalena Münstermann erläutert, dass
die Ausbilder Fachangestellte aus dem Unternehmen seien, die eine entsprechende Qualifikation
erlangt hätten. Sie seien an der Gestaltung der Aus- und Weiterbildungspolitik beteiligt und erhielten
selbst Schulungen. Ihrer Ansicht nach müssten nicht zuletzt für weniger begabte Angestellte mehr
Mobilitätsanreize geschaffen werden. Das Unternehmen verfüge in Münster über ein sehr gutes Netzwerk, und ein Kontaktpunkt im Ausland sei ebenfalls sehr nützlich gewesen. Darüber hinaus seien
auch persönliche Netzwerke und Industriekammern bei der Suche nach Partnern wichtig gewesen.
Zwar seien nur wenige junge Frauen bei dem Unternehmen beschäftigt, doch hätten viele Schülerinnen Interesse an technischen Berufen und Praktika bei der der Münstermann GmbH gezeigt. Das
Unternehmen habe einige ausländische Beschäftigte, von denen stets mehr willkommen seien.
Teil III: Geeignete Lehrpläne - Wie können sich die Arbeitgeber engagieren und Schülerinnen
und Schüler für technische Berufe vor dem Hintergrund einer grünen Wirtschaft gewinnen?
Lesley Joyce von der schottischen Behörde für Qualifikationen (Scottish Qualification Authority SQA) gibt Erläuterungen zu den "Kursen für Berufskompetenz" (Skills For Work Courses - SfW).
Vor einigen Jahren habe es in Schottland eine Bildungsdebatte gegeben, die zur Ermittlung von vier
Hauptzielen für alle Jugendlichen geführt habe: Sie sollten zu Lernerfolgen geführt und selbstbewusste Persönlichkeiten, verantwortungsvolle Bürger sowie effiziente Mitarbeiter werden. Ziel der
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-7SfW-Kurse sei es, diesen Prozess voranzutreiben und einer wesentlichen Schwäche des schottischen
Bildungssystems zu begegnen - nämlich der Tatsache, dass junge Menschen in der Regel nicht die
richtigen beschäftigungsrelevanten Qualifikationen vorzuweisen hätten und nicht auf den Eintritt in
den Arbeitsmarkt vorbereitet seien. Bei den SfW-Kursen handele es sich um ergebnisorientierte Schulungsmaßnahmen, bei denen es sowohl um Beschäftigungs- als auch Grundkompetenzen gehe; das
vorrangige Anliegen sei allerdings die allgemeine Beschäftigungsfähigkeit. Partnerschaften zwischen
Schulen, Universitäten, Arbeitgebern und Ausbildungsträgern seien sehr wichtig, um die verlangten
Qualifikationen zu ermitteln. Momentan gebe es ein breitgefächertes Angebot an verschiedenen Kursen für unterschiedliche Niveaus, die allesamt mit dem schottischen, britischen und europäischen
Leistungs- und Qualifikationsrahmen in Einklang stünden. Die Kurse beruhten in großem Maße auf
praktischen Erfahrungen und würden in einer echten oder simulierten Arbeitsumgebung durchgeführt,
beinhalteten Fallstudien und sehr wenige schriftliche Tests und Prüfungen. Auch würden die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer angeregt, sich mit der Lernerfahrung selbst zu beschäftigen. Die Auswertung habe zufriedenstellende Ergebnisse gezeigt; viele Lernende gaben an, selbstsicherer geworden zu sein. Branchenräte in Schottland und dem Vereinigten Königreich hätten starkes Interesse an
den Kursen gezeigt und sogar eine bestimmte Anzahl an SfW-Teilnehmern zu ihren eigenen Kursen
und Programmen zugelassen. Auch wenn die Teilnehmer nach dem Kurs nicht den entsprechenden
Beruf wählten, hätten sie zumindest einige allgemeine Beschäftigungskompetenzen erlangt.
Veronica Stefan vom rumänischen Jugendrat erläutert, dass eine kurze Praxiserfahrung zwar ein verpflichtender Bestandteil der Hochschulausbildung in Rumänien sei, die Arbeitgeber bei der Aufnahme
von Praktikanten jedoch zurückhaltend seien. Auch würde von den Hochschulen nicht immer ein
geeigneter Rahmen geschaffen. Daher habe der rumänische Jugendrat bei der Suche nach Partnerschaften mit Hochschulen und Studenten seinen Schwerpunkt von der Privatwirtschaft auf den nichtstaatlichen Sektor verlagert. Ziel des Jugendrats sei es, den Studenten bessere Praxiserfahrungen zu
ermöglichen sowie die Verbindung zwischen der formalen und nichtformalen Bildung zu stärken und
die beteiligten NRO zu unterstützen. Der Rat habe sich um Finanzmittel aus dem Europäischen
Sozialfonds beworben, damit die Studenten für ihr Praktikum bezahlt werden könnten. Dabei habe
sich der Jugendrat das Ziel gesetzt, 15% der Hochschulstudenten zu erreichen. Veronica Stefan macht
deutlich, dass von einer Zusammenführung von Arbeitgebern und Studierenden beide Seiten profitierten. Der Jugendrat verfolge, welcher Anteil der Teilnehmer nach Studienabschluss einen Arbeitsplatz
erhalte. Bei dem genannten Programm gehe es darum, das bestehende System zu verbessern.
Anschließend findet eine allgemeine Aussprache statt. Juan Mendoza Castro unterstreicht die
Bedeutung von Aus- und Weiterbildung sowie von Praktika für die Wettbewerbsfähigkeit. Es stelle
sich die Frage, ob der Rahmen ausreichend sei, um die Arbeitnehmer zu motivieren und ihre Möglichkeiten zu ermitteln. Er sehe die Gefahr, schlussendlich einen deregulierten Arbeitsmarkt zu schaffen,
auf dem berufliche Qualifikationen nicht gewürdigt werden. Christa Schweng bittet Lesley Joyce um
Präzisierungen hinsichtlich des Alters, in dem sich die Teilnehmer in die Kurse einschreiben könnten
und welche Qualifikationen für sie angestrebt würden. Maureen O'Neill betont, dass es sehr wichtig
sei, junge Menschen vor Ende ihrer Schullaufbahn zu motivieren, sowohl was ihre Arbeitseinstellung
als auch ihr Selbstbewusstsein angehe. Sie zeigt sich darüber erfreut, dass NRO in die Aus- und
Weiterbildung eingebunden werden. Auch vor dem Hintergrund des Europäischen Jahres 2010 zur
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-8Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung finde sie die Initiativen sehr wichtig. Jan Olsson
unterstreicht Partnerschaften als Erfolgsfaktor, hält aber auch die Abstimmung auf die Qualifikationsbedürfnisse des Einzelnen für wichtig. Formale und nichtformale Bildungswege sollten zusammengeführt werden, um neue Methoden aufzutun. Er erkundigt sich nach der Rolle der Gewerkschaften in
den SfW-Partnerschaften und möchte wissen, wie genau das Selbstvertrauen der Kursteilnehmer
gestärkt werde. Dana Štechová bittet Lesley Joyce um Informationen über die Qualifikationen der
Mitarbeiter der schottischen Behörde für Qualifikationen (SQA). Sie stellt die Frage, ob das Programm als Instrument zur Formalisierung nichtformaler Aus- und Weiterbildungsformen gesehen
werden könne und ob davon auch Lernende profitierten, die in ihrem formalen Ausbildungsweg
erfolgreich seien. Santa Ozolina vom Europäischen Jugendforum merkt an, dass der Übergang von
der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt ein Hauptproblem sei. Daher sei es äußerst wichtig, die Lehrund Ausbildungswege einer Bewertung zu unterziehen. Sie erkundigt sich bei Lesley Joyce nach
quantitativen Daten zur Beschäftigungsfähigkeit der Kursteilnehmer.
Lesley Joyce erläutert, dass die SfW-Kurse als Teil der Allgemeinbildung der Jugendlichen vor Beendigung ihrer Schullaufbahn im Alter von sechzehn Jahren konzipiert seien. Zwar seien die Gewerkschaften an dem Programm kaum beteiligt, doch arbeite die SQA relativ umfassend mit ihnen zusammen. Ihrer Einschätzung nach gingen die Teilnehmer mit einem besseren Bewusstsein über ihre Lernerfahrung und persönliche Entwicklung und somit auch selbstbewusster aus den Kursen hervor. Die
SQA erhalte finanzielle Unterstützung von der für Bildung zuständigen Stelle der schottischen Regierung (Learning Directorate) und beschäftige 700 Mitarbeiter. Die Behörde werde von 20 000 Vertretern von Schulen, Universitäten und Berufsbildungsanbietern aus ganz Schottland unterstützt. Die von
der SQA definierten Qualifikationen entsprächen in der Regel formalen Bildungsstandards, doch
beschäftige sich die Behörde auch mit der Anerkennung vorher erworbener Kompetenzen. Die SfWKurse seien bisher nur ein Pilot-Projekt, weshalb es zu diesem Zeitpunkt schwierig sei, aussagekräftige Statistiken zu erhalten. Sie verfüge jedoch über qualitative Informationen, aus denen hervorgehe,
dass die Lernenden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt nun fundiertere Entscheidungen träfen.
Veronica Stefan hebt die Bedeutung von Partnerschaften zwischen Schulen bzw. Universitäten und
Arbeitgebern hervor. Die Interessen des Einzelnen würden allzu oft vergessen.
Xavier Verboven macht einige abschließende Bemerkungen. Die Bildungs- und Ausbildungspolitik
müsse im Gesamtrahmen der Europa-2020-Strategie einen festen Platz erhalten. Bei der Anhörung sei
deutlich geworden, dass Partnerschaften und die Einbindung aller Akteure von zentraler Bedeutung
seien. Die Ausbildungsprofile sollten auf die Berufsbilder abgestimmt werden, um jungen Menschen
eine entsprechende berufliche und allgemeine Bildung zukommen zu lassen. Auch verweist er auf die
Bedeutung des lebenslangen Lernens. Christa Schweng macht darauf aufmerksam, dass kurzfristig
ein Mangel an Facharbeitern herrschen werde. Die Arbeitnehmer sollten dahingehend motiviert werden, Kompetenzen in zukunftsorientierten Branchen zu erwerben. Ebenso sollte ihr lebenslanges Lernen nicht vernachlässigt werden. Sie führt an, dass die Verbindung zwischen Wirtschaft und Bildung
sehr wichtig sei, um praxisorientierte Lehr- und Ausbildungsformen zu schaffen. Abschließend
bemerkt sie, dass die Mobilität ein hervorragendes Mittel zur Vorbereitung junger Menschen auf eine
globalere Zukunft sei.
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