Dr. Martin Steinbach Diakonie-Krankenhaus Harz GmbH Brockenstr. 1 38875 Elbingerode Zusammenfassung des Vortrags Christliches Therapiekonzept und Behandlungserfolg bei depressiven Patienten am Diakonie-Krankenhaus Elbingerode anläßlich der 8. Arbeitstagung „Empirische Forschung in Psychotherapie und Seelsorge” am 22.2.2003 in Egenhausen Christliches Therapiekonzept Am 1. 7. 1996 wurde eine eigene Abteilung für Psychotherapeutische Medizin gebildet. Sie umfaßt 16 Betten (ca. 10 Betten für Gruppenpsychotherapie, ca. 6 Betten für Einzeltherapie und Krisenintervention). Hinzu kam am 01.05.1997 eine Tagesklinik mit 12 Plätzen. Wir behandeln Patienten, die an folgenden Krankheiten leiden: - psychosomatische Krankheiten und Störungen wie z.B. chronisches Schmerzsyndrom, Schlafstörungen, funktionelle Magen- und Herzbeschwerden, - neurotische Störungen (Ängste, Depressionen, Zwangserkrankungen), - Eßstörungen (Adipositas, Bulimie, Anorexie), - Störungen nach extremen Belastungssituationen (Verlusterfahrung, Gewalterfahrung, sexueller Mißbrauch), - Sinnkrisen, - Partnerschaftskonflikte, - Probleme am Arbeitsplatz (Burn out, Mobbing) (Eine Behandlung ist nicht möglich bei akuten Psychosen und akuter Suizidalität. Weiterhin nicht bei akuter Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Hilfe bietet hier unser Therapieverbund Sucht). Wir vertreten ein integratives psychotherapeutisches Konzept mit folgenden Hauptsäulen: 2 1. Tiefenpsychologisch fundierte dynamische Gruppentherapie mit täglichen Gruppengesprächen (90 Minuten = 5 x pro Woche) mit Einbeziehung von Gestalt-Therapie und Psychodrama. Mit Patienten, die (noch) nicht gruppenfähig sind, führen wir Einzelgespräche durch. 2. Die nächste Säule ist die körperliche Ebene: Körper-Wahrnehmungsübungen (einzeln und in der Gruppe), kommunikative Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren (progressive Entspannung nach Jacobson), regulative und aktive Musiktherapie, daneben täglich Gymnastik, Sport, Schwimmen (3 x pro Woche), körperliche Konditionierung, Wandern, Fahrradfahren, Fahrradergometer, Volleyball, Kegeln. 3. Eine weitere Säule umfaßt die kreativ-gestalterische Ebene: (Tonarbeiten, Basteln, Seidenmalerei, Mal-Therapie etc.) und Arbeits-Therapie. 4. Die vierte Säule ist die spirituelle Ebene (Logotherapie, Meditationen). Fragen nach dem Sinn, den Zusammenhängen des Lebens, nach persönlichen Werten, nach Gott, Maßstäben, Zielen werden zugelassen und besprochen, persönliche seelsorgerliche Gespräche sind möglich. 5. Zusätzlich integrieren wir in unser Konzept Methoden aus der Verhaltenstherapie, wie Training sozialer Kompetenzen, kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen und Angststörungen, Desensibilisierung, Rollenspiele und andere Übungen sowie Elemente aus der Familientherapie (Familienbrett, Familiengespräche, Paargespräche,). Wir haben 3 Angebote für Sie tagesklinische Therapie stationäre Therapie Für Patienten aus der Umgebung (ca. 50 km im Umkreis), die während der Therapie neues Verhalten zu Hause erproben wollen. Für Patienten, die Abstand von zu Hause brauchen, um ihre Probleme zu bearbeiten und natürlich für Patienten, die eine längere Anfahrt haben (aus dem gesamten Bundesgebiet). Ambulanz Vor- und Nachbehandlung bei stationären/tagesklinischen Patienten, unterstützende Gespräche bei akuten Krisen. 3 Der Tages- bzw. Wochenplan für die Patienten weist ein relativ dichtes Programm auf, wobei die täglichen Gruppengespräche und die Meditationen (Logotherapie) 4 x in der Woche das Herzstück der Psychotherapie darstellen. Die Patienten haben im Durchschnitt 6 Stunden Therapie. Montag Wochenplan Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 6.30 Frühsport Frühsport Frühsport Frühsport Frühsport 7.00 Frühstück/AT Frühstück/AT Frühstück/AT Frühstück/AT Frühstück/AT 8.00-9.00 AMT GR 1 Schwimmen 08.0008.45 AT oder 7.45-9.00 Rückenschule 8.30-9.00 Chefvisite Einzelkrea 09.15Meditation - Meditation - GR 2 09.45 GR 2 10.00- GG - GR 2 oder GG mit KBT GG - GR 1 11.30 10.00-12.15 GR2 Krea. II 11.30-12.15 12.00-13.00 Uhr Volleyball 13.00 Mittagessen Mittagessen und Mittagessen und Mittagspause und Mittagspause Mittagspause 14.00 14.00-15.30 14.00-14.45 RMT 13.45 - 14.45 GSK GR 1 oder Krea II Körpertherapieg GR 2 ruppe MT - GR 1 15.0015.30 15.3016.15 15.30-16.00 Kaffee 16.00 Forum GR 1 16.3017.30 Meditation - GR 2 Meditation - GR 2 GG - GR 2 oder GG mit 10.00-11.45 Krea. Ämterverteilung II GR 2 11.50 AT/Tischtennis AT/Tischtennis Mittagessen und Mittagessen und Mittagspause Mittagspause 13.45-14.15 ET GR 1 13.45 - 14.15 ET 13.45-15.00 Essgruppe Teeküche Station 14.30 Kaffee 14.30 Kaffee Kaffee Kaffee 15.30-16.30 Ton oder Malen im Wechsel nach Thema 15.30-16.30 Krea. I 15.15-16.45 Gestaltungsauswert ung GR2 15.00-16.00 Kreativ I Einzelkreativ 16.45-17.45 Schwimmen 16.30-18.00 Kegeln AT/Wochenberich t 18.00 Abendessen Abendessen Abendessen 16.45-17.30 AT oder Tischtennis Abendessen 19.3021.00 Gruppenabend Abendessen Gruppenabend - schriftliche WEPlanung 4 Behandlungserfolg bei depressiven Patienten Daten zu Diagnosen, Verweildauer und Alter In den Jahren 2000 und 2001 wurden insgesamt 172 depressive Patienten - mit einer Verweildauer von mehr als 14 Tagen - behandelt, dies entspricht einem Anteil von 62% aller Patienten. Die Diagnosen gehen aus der nachfolgenden Tabelle hervor. Tabelle 1: Anzahl der Patienten mit Depressionen der Jahre 2000 und 2001 nach Diagnosen 32.1 32.2 32.8 32.9 33.0 33.1 33.2 34.1 F 32.0 leichte depressive Episode mittelgradige depressive Episode schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome sonstige depressive Episoden nicht näher bezeichnete depressive Episoden rezidivierende depressive Störung - leichte Episode rezidivierende depressive Störung - mittelgradige Episode rezidivierende depressive Störung - schwere Episode ohne psychotische Symptome Dysthymia F 41.2 Angst und depressive Störung, gemischt 15 36 11 3 5 9 47 4 24 F F F F F F F F 18 Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten mit Depressionen betrug insgesamt 65 Tage (Station: 61 Tage, Tagesklinik: 70 Tage); der Durchschnittswert aller Patienten lag bei 68 Tagen. Das Durchschnittsalter der depressiven Patienten lag bei 44 Jahren, vier Jahre über dem Mittelwert aller Patienten der Abteilung für Psychotherapeutische Medizin. Demographische Daten und Therapiedaten Die wichtigsten demographischen Daten: es sind deutlich mehr Frauen (60,3%) und der Anteil der Arbeitslosen ist mit 30,1% höher, als der Durchschnitt für die neuen Bundesländer (aus denen der überwiegende Teil der Patienten kommt). Beim Vergleich mit den amtlichen Daten sind weniger Personen mit Hauptschulabschluß (20,9%) und mehr mit Hochschulreife (30,8%) vertreten; etwa die Hälfte der Patienten hat einen mittlerem Bildungsabschluß - dieser Anteil stimmt von der Tendenz her. Außerdem sind verheiratete Personen am stärksten vertreten (52,6%), gefolgt von ledigen (26,3%), geschiedenen (17,9%) und verwitweten (3,2%). Der Vergleich depressiver Patienten mit allen Patienten zeigt, daß der Anteil der Frauen niedriger ist (insgesamt: 65,1%) und daß der weniger Ledige (insgesamt: 39,9%) und dadurch bedingt mehr Verheiratete (insgesamt: 43,3%). Der Anteil der Therapieabbrecher liegt mit 7,1% deutlich unter dem Wert für alle Patienten in Höhe von 17,4%. 5 Testwerte zu Beginn und am Ende der Therapie - Patienten der Jahre 2000 und 2001 Der Vergleich der Testdaten vom Anfang und Ende der Therapie zeigt eindrücklich, daß es für alle eingesetzten Tests (SCL-90-R, STAI und BDI) hochsignifikante Verbesserungen der Werte gibt. Die Testwerte der SCL-90-R liegen zu Beginn der Behandlung sämtlich oberhalb des Durchschnittsbereichs; bei der Entlassung ist nur noch der Wert für „Ängstlichkeit” und der Gesamtwert GSI leicht überdurchschnittlich, alle übrigen Skalenwerte liegen im Durchschnittsbereich. Beim STAI und beim BDI gilt Entsprechendes: bei der Aufnahme in die Klinik zeigen beide Testwerte eine klinisch relevante Angst- bzw. Depressionssymptomatik an; beim STAI liegen die Werte bei der Entlassung im Durchschnittsbereich und beim BDI in dem Bereich, der eine milde bis mäßige Ausprägung depressiver Symptome anzeigt. Effektstärken - Patienten der Jahre 2000 und 2001 Für die die SCL-90-R liegen die Effektstärken für „Zwanghaftigkeit”, „Unsicherheit”, „Depression”, „Ängstlichkeit”, „Aggressivität” und für den Gesamtwert GSI mit 0,80 oder darüber in dem Bereich, der starke Effekte anzeigt; Gleiches gilt für das BDI: Tabelle 2: Effektstärken (Beginn der Therapie - Ende der Therapie) SCL-90-R S 1 - Somatisierung S 2 - Zwanghaftigkeit S 3 - Unsicherheit S 4 - Depression S 5 - Ängstlichkeit S 6 - Aggressivität S 7 - Phobische Angst S 8 - Paranoides Denken S 9 - Psychotizismus GSI 0,65 1,12 0,91 1,28 0,93 0,80 0,72 0,69 0,75 1,27 STAI 0,78 BDI 1,36 Erwähnenswert ist, daß keiner der in obiger Tabelle ausgewiesenen Werte unter 0,40 liegt, d. h. in einem Bereich, der keine Effekte anzeigen würde. Hervorzuheben sind die starken Effekte beim den Depressionsskalen (S 4 der SCL-90-R und BDI), sowie beim Gesamtwert psychischer Belastungen GSI der SCL-90-R. Sämtliche Werte für depressive Patienten liegen über denjenigen für alle Patienten. Testwerte - Katamneseuntersuchung der Patienten des Jahres 2000 Von den insgesamt 85 Patienten, die sich an der Katamneseuntersuchung beteiligt haben waren 52 mit Depressionen (61,2%). Der Vergleich der Testwerte für die SCL-90-R, das STAI und das BDI vom Therapiebeginn mit denen ein Jahr nach Ende der Therapie zeigt erneut, daß es für alle Skalen hochsignifikante Verbesserungen der Testwerte gibt. Die Ergebnisse sind noch beeindruckender als für die beiden Patientenjahrgänge! Zu Beginn der Behandlung sind alle Werte deutlich oberhalb des Durchschnittsbereichs. Am Ende des Klinikaufenthalts liegen alle 6 Testdaten im Durchschnittsbereich, ebenso wie die ein Jahr nach dem Klinikaufenthalt festgestellten Werte; sie liegen sämtlich unter den bei der Entlassung gemessenen Werten! Dies ist ein ganz ausgezeichnetes Ergebnis, besagt es doch, daß die Patienten nach dem Klinikaufenthalt die gewonnene Stabilität nicht nur halten, sondern sogar in allen gemessenen Bereichen noch verbessert haben. Auch für das STAI und das BDI gilt, daß sich die Testwerte nach einem Jahr nochmals verbessert haben; beim STAI liegen die Werte bei der Entlassung und nach einem Jahr im Durchschnittsbereich und beim BDI im unauffälligen Bereich! Effektstärken - Katamneseuntersuchung der Patienten des Jahres 2000 Für die SCL-90-R liegt nur die Effektstärken für „Paranoides Denken” im mittleren Bereich zwischen 0,40 und 0,80; das gilt auch für den Wert des STAI. Alle übrigen Werte für die SCL90-R und auch der Wert für das BDI sind größer als 0,80 und liegen damit in dem Bereich, der starke Effekte anzeigt! Die folgende Tabelle zeigt alle Ergebnisse: Tabelle 3: Effektstärken (Beginn der Therapie - ein Jahr nach Therapieende) SCL-90-R S 1 - Somatisierung S 2 - Zwanghaftigkeit S 3 - Unsicherheit S 4 - Depression S 5 - Ängstlichkeit S 6 - Aggressivität S 7 - Phobische Angst S 8 - Paranoides Denken S 9 - Psychotizismus GSI 0,93 1,18 1,01 1,25 1,18 0,94 1,06 0,66 0,86 1,25 STAI 0,68 BDI 1,26 7 8 9