Tim Rothe Psychosomatik 4. klinisches Sem. Januar 2006 „Gedächtnis für Angst“ von Joseph Ledoux US-amerik. Emotionspsychologe + Neurowissenschaftler, Schwerpunkt: nicht-pathologische Ängste Wie funktioniert emotionale Gedächtnisbildung? Ziel: Therapieentwicklung gg. Phobien, Angstzustände, Panikattacken, psych. Traumata etc …. Definitionen (Ledoux): Angst: ein subjektiver Zustand auf der Bewusstseinsebene (eines jeweiligen Lebewesens), eine Empfindung, die bei der Reaktion von Zentralnervensystemen auf Gefahr aufkommt Emotion: (+ Gefühle) sind im Gegensatz zu bloß reflexhaften Reaktionen das bewusst werdende Ergebnis von unbewussten Prozessen Gefühle: sind das Ergebnis von Reaktionsmechanismen zur Auslösung angemessenen Verhaltens, die sich im Zuge der Evolution herausgebildet haben und bewahrt worden sind Pawlow und folgende Experimente: 1897 Veröffentlichung der „Pawlow’schen Hunde“ Versuchsvariation im Text: Ratte Ton Stromschlag Reaktion Prinzip der Konditionierung (Reaktion bei Ertönen des Tons ohne Strom) unbedingter Reiz = Stromschlag bedingter Reiz = Ton Prinzip der Extinktion heute widerlegt, stattdessen Abspeicherung im emotionalen Gedächtnis in Stresssituationen erneutes Aufflammen (der „Ängste“) möglich (!) Reizleitung und Reaktionsmuster: Hörbahn verläuft durch Thalamus („Tor zum Bewusstsein“) Fasern an Cortex Amygdala Efferenzen (s.u.) Aufgaben Thalamus: grobes Bild, Weiterleitung an Amygdala Aufgaben Cortex (höchste Verschaltungsebene): detailliertes Bild, Weiterleitung an Amygdala, jedoch stellt dieser Weg einen „Umweg“ dar Thalamus-Amygdala-Weg führt zu emotional gesteuerter Schutzreaktion (z.B. Zurückschrecken), kann lebensrettend sein oder als überstürzt bewertet werden, je nachdem was uns der Cortex wenige msec später für ein Bild gibt sensorische Schnittstelle (mit Ausnahme der olfaktorischen Fasern) liegt im lateralen Kern der Amygdala Ziel: zentraler Nucleus der Amygdala Tim Rothe Psychosomatik 4. klinisches Sem. Januar 2006 Zentraler Nucleus der Amygdala: Afferenzen: hoch prozessierte Informationen, die bereits in sekundären visuellen, sensorischen + auditorischen Kortexarealen verarbeitet oder thalamisch verschaltet wurden Efferenzen: Hypothalamus (Sympathikus RR, HF) Formatio reticularis (Reflexe) Hirnnerven V + VII (mimische Muskulatur) Ncl. parabrachialis (Atmung) Ncl. paraventricularis (ACTH-Ausschüttung) N. Vagus (gastrointestinale Aktivität ) Ausschüttung v. Acetylcholin, Dopamin, Adrenalin wenn dieser zentr. Ncl. funtionsunfähig ist, keine Konditionierung möglich! (natürlich ebenso bei Zerstörung anderer afferenter+ efferenter Strukturen!) Einfluss der Amygdala auf Emotionen und affektgesteuertes Verhalten („emotionales Gedächtnis“) Einfluss der Amygdala auf Relevanz/Irrelevanz der Informationen: 2 Zelltypen: a) Zellen reagieren immer schwächer auf unveränderte Information (bspw. monotoner Ton) = sie „habituieren“ erhöhte Reaktion bei Abweichungen (Registrierung des Ungewöhnlichen) b) Zellen reagieren immer gleich stark auf Reiz; diese Zellen reagieren auch auf Schmerzreiz. Sie „denken“ bei jedem Ton, dass ein Schmerzereignis folgt Emotionales Gedächtnis deklaratives Gedächtnis: auffällige Reaktionen der Tiere wurden bereits bei Konfrontation mit den Versuchsräumlichkeiten beobachtet (vor Beginn des Versuchs, sofern Versuche an dem Tier schon durchgeführt wurden) räumliche Informationen (Ortskenntnis etc.) werden im Hippocampus (= deklaratives Gedächtnis) gespeichert Verbindung Amygdala/Hippocampus ist das Subiculum Erklärung, warum „deklarativ“ abgespeicherte Informationen Emotionen hervorrufen können Notwendigkeit des Cortex: bei einfachen Reizen kein Cortex notwendig (ist allerdings eine nicht alltagskompatible Vorstellung) bei komplexen Reizen (Strassenverkehr, mediale Welt, etc …) zwingende Mitarbeit des Cortex notwendig („höchste Verschaltungsebene“) Tim Rothe Psychosomatik 4. klinisches Sem. Januar 2006 Prinzip der Langzeitpotenzierung (Gedächtnisbildung): Glutamat NMDA-Rezeptoren durch Bindung Glu/NMDA erhält Nervenimpuls größeren Effekt bei wiederholter Erregung Variabilität der interindividuellen Emotionen: oder: Wieso reagieren Menschen emotional so unterschiedlich? Stichworte: Treue, Trauer, Freude, Angst; „Morbus mediterranea“, Eifersuchtsdrama, „reservierte Nordeuropäer“ … der präfrontale Cortex ruft ab, was im emotionalen Gedächtnis relevant ist und was nicht der präfrontale Cortex wird durch übendes Lernen, durch Einprägung, durch wiederholendes Auftreten beeinflusst Einflussnahme durch soziales Umfeld, Kultur, regionale Ethik und Moral auf eigenes Bewusstein rationale Betrachtung unterliegt oft der emotionalen (tatsächlicher [rationaler], heutzutage relevanter Sinn von Treue?!) Blockierung der NMDA-Rezeptoren (s.o.) verhindert Extinktion, durch Lernen kann diese Blockade reduziert werden; d.h.: eingeschliffene Verhaltensmuster sind angelernt (NMDA-Blockade) und können wieder verlernt werden (Extinktion)! Wobei der Begriff „Extinktion“ nicht als völliges Auslöschen verstanden werden darf, sondern als Abspeicherung „irrelevante Information“. Gedächtnis bzgl. traumatischer Kindheitserlebnisse: Reifungsprozesse von Hippocampus (deklaratives Gedächtnis) und Amygdala (emotionales Gedächtnis) unterschiedlich schnell traumatische Kindheitserlebnisse werden in der besser ausgereiften Amygdala gespeichert im späteren Leben können diese Informationen (ohne Information an das Bewusstsein, also unbewusst) Einfluss auf Reaktionen und Entscheidungen im späteren Leben nehmen (im pathologischen Rahmen dann Angststörungen etc …)