brain imaging and the study of emotional processes

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GERHARD ROTH
NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN
PSYCHISCHER ERKRANKUNGEN
FAKTEN UND SPEKULATIONEN
INSTITUT FÜR
HIRNFORSCHUNG
UNIVERSITÄT
BREMEN
G. Roth, 2010
GENERELLE AUSSAGE
Psychische Erkrankungen beruhen auf strukturellen und funktionalen Störungen subcorticaler und corticaler limbischer Hirnzentren
und ihrer Interaktion untereinander und mit cortical-exekutiven
Zentren (bes. präfrontaler Cortex)
Psychische Erkrankungen werden verursacht durch eine Kombination genetischer Vorbelastung (vornehmlich des serotonergen
System), Schwächung der Stress-Achse, frühkindlicher Traumatisierung und negativer Erfahrungen in späterer Kindheit und
Jugend.
Eine erfolgreiche Psychotherapie sollte einhergehen mit einer
sichtbaren Veränderung der gestörten Aktivität der limbischen
Zentren und ihrer Interaktion.
Längsschnitt
durch das
menschliche
Gehirn
Hypothalamus
(nach Spektrum der
Wissenschaft,
verändert)
Limbisches
System
Querschnitt durch das menschliche Gehirn auf Höhe des
Hypothalamus
Großhirnrinde
Basalganglien
Hypothalamus
Untere limbische Ebene
Gehirn: Hypothalamus – zentrales Höhlengrau – vegetative
Zentren des Hirnstamms
Ebene unbewusst wirkender angeborener Reaktionen und Antriebe: Schlafen-Wachen, Nahrungsaufnahme, Sexualität,
Aggression – Verteidigung – Flucht, Dominanz, Wut usw.
Diese Ebene ist überwiegend genetisch oder durch vorgeburtliche
Einflüsse bedingt und macht unser Temperament aus. Sie ist
durch Erfahrung und Erziehung kaum zu beeinflussen.
Hierzu gehören grundlegende Persönlichkeitsmerkmale wie
Stress-Management, Offenheit-Verschlossenheit, Selbstvertrauen,
Kreativität, Vertrauen-Misstrauen, Umgang mit Risiken, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein.
„STRESS ACHSE“
CRF-ACTH-Cortisol-Rückkopplungsschleife zwischen
Nebennierenrinde, Hypothalamus und Hippocampus
Hypothalamus
CRF
+
_
Hippocampus
_
Hypophyse
ACTH
_
Gluc.R.
+
Nebennierenrinde
Cortisol
Cortisol
Amygdala:
Zentrum für
emotionale
Konditionierung
und das
Erkennen
emotionaler
Signale
Amygdala
(Mandelkern)
Mittlere limbische Ebene
Gehirn: Amygdala, mesolimbisches System
Ebene der unbewussten emotionalen Konditionierung:
Anbindung elementarer Emotionen (Furcht, Freude, Glück,
Verachtung, Ekel, Neugierde, Hoffnung, Enttäuschung und
Erwartung) an individuelle Lebensumstände:
Diese Ebene macht zusammen mit der ersten Ebene (Temperament) den Kern unserer Persönlichkeit aus. Dieser Kern
entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und ist im Jugendund Erwachsenenalter nur über starke emotionale oder lang
anhaltende Einwirkungen veränderbar.
Steuerung der Furchtreaktion durch die Amygdala
(nach LeDoux, 1997)
Erkennen emotionalkommunikativer Signale
(Mimik, Gestik,
Körperhaltung,
Pheromone)
Mesolimbisches
System:
Nucleus
accumbens
Reaktion auf neuartige,
überraschende Reize
Antrieb durch
Versprechen von
Belohung (Dopamin)
Belohnungssystem
(hirneigene Opiate)
Ventrales
Tegmentales
Areal
Aktivierung des mesolimbischen
Systems bei Gewinn-Erwartung
Knutson B. et al. (2003) Neuroimage, 18:263-272.
Obere limbische Ebene
Gehirn: Prä- und orbitofrontaler, cingulärer und insulärer Cortex.
Ebene des bewussten emotional-sozialen Lernens: Gewinn- und
Erfolgsstreben, Anerkennung–Ruhm, Freundschaft, Liebe, soziale
Nähe, Hilfsbereitschaft, Moral, Ethik.
Sie entwickelt sich in später Kindheit und Jugend. Sie wird
wesentlich durch sozial-emotionale Erfahrungen beeinflusst. Sie ist
entsprechend nur sozial-emotional veränderbar.
Hier werden zusammen mit den unteren Ebenen grundlegende
sozial relevante Persönlichkeitsmerkmale festgelegt wie
Machtstreben, Dominanz, Empathie, Verfolgung von Zielen und
Kommunikationsbereitschaft.
Selbsterfahrener Schmerz (rot) und beobachteter Schmerz
(blau)
(Olsson und Ochsner, TiCS 12: 65-71 (2007)
Kognitiv-sprachliche Ebene
Gehirn: Linke Großhirnrinde, bes. Sprachzentren und präfrontaler
Cortex.
Ebene der bewussten sprachlich-rationalen Kommunikation:
Bewusste Handlungsplanung, Erklärung der Welt, Recht-fertigung
des eigenen Verhaltens vor sich selbst und anderen.
Sie entsteht relativ spät und verändert sich ein Leben lang. Sie
verändert sich im Wesentlichen aufgrund sprachlicher Interaktion.
Hier lernen wir, wie wir uns darstellen sollen, um voran zu
kommen. Abweichungen dieser Ebene und den anderen Ebenen
führen zum Opportunismus.
Funktionale Gliederung der Großhirnrinde
BEWEGUNGSVORSTELLUNGEN
MOTORIK
ANALYSE
PLANUNG
ENTSCHEIDUNG
SOMATOSENSORIK
KÖRPER
RAUM
SYMBOLE
SEHEN
SPRACHE
BEWERTUNG
AUTOBIOGRAPHIE
OBJEKTE
HÖREN GESICHTER
SPRACHE SZENEN
OFC
CINGULÄRER CORTEX
Hemmende corticale Verbindungen, bes. vom orbitofrontalen, anterioren cingu-lären,
temporalen und ento-rhinalen
Cortex zur Amygdala
Erregende Verbindungen der
Amygdala zum Cortex, bes. zum
präfrontalen, prämotorischen,
insulären und ento-rhinalen Cortex
VIER-EBENEN-MODELL DER PERSÖNLICHKEIT
-
EINGRIFFSMÖGLICHKEITEN FÜR PSYCHOTHERAPIE
AUS SICHT DER NEUROBIOLOGIE
1.
Veränderung der Wahrnehmung von Umweltereignissen mit
emotionaler Valenz durch kognitiv-sprachliche Einwirkungen
(„kognitive Umstrukturierung“).
Dadurch Stärkung der Kontrolle subcorticaler emotional-affektiver
Zentren, insbesondere der Amygdala, durch den dorsolateralen
präfrontalen und orbitofrontalen Cortex und Wiedererlangen des
„Gleichgewichts“ zwischen kognitiven und emotionalen Zentren.
Schwierigkeit: Geht nur in Verbindung mit der oberen und mittleren limbisch-emotionalen Ebene!
GEHIRN UND DEPRESSION
Populäres funktionales Modell der „kognitiven Kontrolle“:
Depression beruht auf dem Zusammenbruch der kognitiven Kontrolle subcorticaler Zentren (vornehmlich der Amygdala) durch den
dlPFC und den dACC). Deshalb müsste sich zu Anfang eine Verringerung dorsofrontaler und eine Erhöhung amygdalärer Aktivität
zeigen, die sich nach erfolgreicher Therapie wieder zurückbildet.
2.
Reparatur „falsch konditionierter“ neuronaler Netzwerke in der
Amygdala und in anderen subcorticalen limbischen Zentren
durch positive Erfahrungen, Therapie.
Schwierigkeit: Die Amygdala „lernt“ sehr gut in den ersten
Lebensjahren und wird dann zunehmend resistent gegen
weitere Veränderungen.
Wahrscheinlich „vergisst“ die Amygdala nicht oder nur schwer
traumatische Erlebnisse (Evidenz aus Tierversuchen).
3.
Verbale und nichtverbal-emotionale Induktion des Entstehens von kompensatorischen Netzwerken in der
Amygdala oder anderen limbischen subcorticalen Zentren.
Diese reduzieren in unterschiedlichem Ausmaß den Zugriff
der „falsch konditionierten“ Netzwerke auf die Verhaltenssteuerung und erhalten selbst einen solchen Zugriff.
Der Erfolg einer Therapie hängt dann ab von der Stärke der
„falschen Konditionierung“ amygdalärer Netzwerke, der
individuellen Plastizität der Amygdala und anderer subcorticaler limbischer Zentren und der Art der Beeinflussung.
NEUROBIOLOGISCHE VALIDIERUNG VON
PSYCHOTHERAPIEN
Es gibt nur sehr wenige Studien, die Psychotherapie-Effekte
mit bildgebenden Verfahren untersucht haben, darunter
keine Untersuchung zum Effekt psychodynamischer
Therapien.
Zwei neuere Überblicksarbeiten zum Forschungsstand
funktioneller Bildgebung und Psychotherapie (Roffman et al.,
2005; Linden, 2006) weisen auf weltweit ca. 15 Orginalarbeiten hin.
Studien zu Depression
Studie
Therapie,
Dauer
Psychotherapie
Patienten
Kontrollen Bildgebung
Brody et al. IPT, 12
(2001a)
Wochen
14 MDD
10 MDD
Paroxetine
16 HC
Martin et
al. (2001)
13 MDD
15 Venlafa- SPECT,
xine
resting state
14 MDD
13 Paroxetine, (6
Wochen)
IPT, 6
Wochen
Goldapple KVT, 20-30
et al. (2004) Wochen
FDG-PET,
resting state
FDG-PET,
resting state
DEPRESSION: Mögliche Therapie-Effekte
PFC (Goldapple et al., 2004;
Brody et al., 2001a)
Ventraler ACC (Brody et al.,
2001a)
Dorsal midCC (Goldapple et
al., 2004)
R posteriorer CC (Martin et
al., 2001)
R Basalganglien (Martin et
al., 2001)
Hippocampus (Goldapple et
al., 2004)
L temporaler Cortex (Brody
et al., 2001)
Therapie-Effekte bei Depression
in bisherigen Studien
Die Mehrheit der Studien finden bei Depressiven eine präfrontale
Hypoaktivität, die bei Rückgang der Depression zurückgeht
(Navarro et al. 2002). Dieser Effekt trat jedoch sowohl bei
Pharmakotherapie als auch bei Verabreichung von Placebos auf.
(Mayberg et al. 2002).
Bei depressiven Patienten, die gut auf eine KVT oder eine IPT
reagierten, ergab sich bei PET- und SPECT-Untersuchungen eine
Aktivitätsverringerung im gesamten präfrontalen Cortex
(Goldapple et al. 2004; Brody et al. 2001; Martin et al. 2001).
Dies steht im eklatanten Gegensatz zum Modell der kognitiven
Kontrolle.
GENERELLE UNZULÄNGLICHKEIT BISHERIGER
UNTERSUCHUNGEN
Große Unterschiede in der Methodik (PET, fMRI, SPECT, CT)
und in der Auflösung der bildgebenden Verfahren
Zu grobe neuroanatomische Zuordnungen
Unklare Diagnostik, Ko-Morbiditäten, PsychopharmakaEffekte
Unterschiedliche Therapieverfahren (KVT, IPT)
Zu kleine Stichproben
Zu kurze Therapiezeiten (bis 8 Wochen)
Zum Teil keine Kontrollgruppen
Bisher keine Untersuchung der Wirkung von PA
HANSE-NEURO-PSYCHOANALYSE-STUDIE
(HNPS)
METHODE
20 depressive Patienten zu Beginn einer rund zweijährigen
psychoanalytischen Behandlung, 20 Kontrollpersonen.
Bestimmung des Schweregrades der Depression mithilfe des
Beck Depression Inventory (BDI) und der Heidelberg Structural
Change Scale (HSCS).
Ausgedehnte Interviews mithilfe der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD).
Identifikation von 4 „Kernsätzen“, die das psychische Betroffensein der Patienten und der Kontrollgruppen am besten ausdrücken.
EEG- und fMRI-Messungen zu Beginn der Therapie, nach 7-10
Monaten, nach 15-20 Monaten.
HNPS-STUDIE
Beck Depression Inventory bei T1
Siemens Allegra fMRI Scanner (3 Tesla)
(Universität Bremen, Zentrum für
Kognitionswissenschaften)
• Die VP bzw. der Patient liest vier Sätze, die sich auf
drei unterschiedliche Situationen beziehen:
– Entspannungssätze
– Stresshafte Verkehrssituation
– OPD-generierte individuelle Sätze
• 30 Minuten Präsentation der Sätze
HNPS-T1, fMRI-Daten:
Zentren, in denen die Präsentation der OPD-Sätze bei Patienten
eine höhere Aktivität hervorruft als bei Kontrollpersonen
fMRI-Daten zu T1:
Bei den OPD-Sätzen zeigen die Patienten in der Regel in
limbischen und parietalen Zentren eine höhere Aktivität als die
Kontrollen. Diese Erhöhung ist besonders deutlich im insulären
Cortex und in der Amygdala (Schmerz- und Furcht / Angstwahrnehmung) und im Caudato-Putamen (Verhaltensrelevanz).
Keine Unterschiede finden sich im dorsolateralen präfrontalen
Cortex.
T1: EEG-Daten
Ergebnisse der EEG-Wavelet-Analyse (ACC)
Kontrollpersonen zeigen bei Registrierung der Aktivität im
Bereich des anterioren cingulären Cortex im oberen
Alpha-Band bei OPD-Sätzen eine erhöhte corticale
Aktivität.
Patienten zeigen dagegen bei OPD-Sätzen eine
verringerte Aktivität.
Dies könnte auf eine verringerte limbisch-corticale Kontrolle psychisch belastender Sätze hindeuten.
OPD-EXPERIMENTE NACH 7-10 MONATEN
(T2)
VERÄNDERUNGEN IM BDI NACH 7-10 MONATEN:
Depressive Symptome gehen deutlich zurück, sind
aber noch nicht verschwunden
Reaktionen auf OPD-Sätze:
Während die Kontrollen in T1 und T2 die Sätze gleich-relevant und
gleich-aufregend beurteilen, vermindert sich in T2 bei Patienten beides.
Patienten scheinen „unempfindlicher“ geworden zu sein.
OPD Experiment – T2
Hirnareale getestet
in T1 und T2:
Deutlicher Rückgang
der Unterschiede
zwischen Patienten
und Kontrollen
Aktivität im ventralen anterioren cingulären
Cortex bei Präsentation von OPD-Sätzen in T2
Vergleich der Aktivität des Caudato-Putamen
von Patienten und Kontrollen bei T1 vs. T2
ZUSAMMENFASSUNG DER T2-BEFUNDE
Befindlichkeit: Die (oberflächliche) depressive Symptomatik,
gemessen mit dem BDI, fällt während 7-10 Monaten von 25 auf
15 deutlich unter den negativen Schwellenwert von 18. Die HSCS
(positives Maximum 7) zeigt ebenfalls signifikante Verbesserung
von 2,8 auf 3,5, bleibt noch unter dem Schwellenwert von 4.
Symptomatisch geht es den Patienten nach 7 Monaten deutlich
besser, eine tiefergreifende Besserung hat sich aber noch nicht
ergeben.
fMRI-Daten: Die anfängliche Übererregung limbischer Hirnzentren bei Patienten während Präsentation der OPD-Sätze geht
zurück (bes. subcortical) und „normalisiert“ sich.
ZUSAMMENFASSUNG
Diagnose und Therapie psychischer Erkrankungen benötigen eine
wissenschaftliche Fundierung. Die Neurowissenschaften können in enger
Zusammenarbeit mit Psychiatern und Psychotherapeuten eine solche
Fundierung liefern.
Es bestätigt sich die Hypothese, dass psychische Erkrankungen auf einer
Störung corticaler und subcorticaler limbischer Zentren, beson-ders des
anterioren cingulären, insulären und posterior-parietalen Cortex, der Amygdala
und des Caudato-Putamen und der Interaktion dieser Zentren einhergehen.
Bei einer erfolgreichen Psychotherapie scheinen sich solche Störungen
zurückzubilden.
Das populäre Modell der rein kognitiven Kontrolle wird allerdings durch Befunde
NICHT gestützt. Therapeutische Effekte beruhen wohl immer auf
Veränderungen der limbisch-emotionalen Zentren.
Diese Änderungen müssen nicht eine Rückkehr zum Normalzustand darstellen!
VIELEN DANK FÜR IHRE
AUFMERKSAMKEIT!
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