Zwischen Aufbruch und Neubeginn Der Weg in eine Pflegefamilie Integration, Konflikte, Perspektiven Pflegekind zu sein bedeutet, dass man nicht im Bauch seiner Mama gewachsen ist, sondern in ihrem Herzen George Dolan, 9 Jahre Einleitung Ich möchte mich in meiner Facharbeit vor allem auf die Entwicklung der Beziehung in Pflegefamilien konzentrieren. Beim Erarbeiten des Themas bin ich aber recht schnell dahinter gekommen, dass es nicht möglich ist, in diesem Prozess die Herkunftsfamilie komplett auszuschalten, denn sie ist Teil des Pflegekindes und darf nicht außer Acht gelassen werden. Ein Kind kann sich viel besser an die neuen Menschen gewöhnen, wenn es sich nicht so enorm anstrengen muss, sein früheres Leben zu vergessen. Meiner Meinung nach ist das Kind in der Pflegefamilie umso besser aufgehoben, je besser die Pflegeeltern mit der doppelten Elternschaft zurecht kommen und je mehr diese die Herkunftseltern respektieren. Das Wiedersehen oder auch Abschiednehmen ermöglicht es dem Kind erst, sich auf die neue Familie einzulassen. Erst dann kann ein erfolgreicher Beziehungsaufbau zwischen Pflegekind und Pflegeeltern beginnen. Wir wissen, wie wichtig Eltern-Kind-Beziehungen sind, denn sie stellen die Grundlage bzw. die notwendige Bedingung für die Ausbildung von Persönlichkeitsstrukturen dar, hierzu gehört die Ich-Fähigkeit, die Gewissensentwicklung und die Selbstachtung. Beziehungen sind die Basis dafür, dass ein Kind als Jugendlicher und schließlich als Erwachsener Bindungen außerhalb der Familie eingehen kann. Bei der Integration eines Kindes, insbesondere bei älteren, in eine Pflegefamilie , müssen Pflegeeltern wissen, dass genau diese Integration nicht als Eingewöhnungsprozess verstanden werden kann. Die Lebensgeschichte setzt sich nicht einfach bruchlos in der Ersatzfamilie fort. Gerade wenn Integration gelingt, erfährt die Lebensgeschichte einen Bruch, weil die aus den früheren Familienbeziehungen stammende Identität des Kindes erschüttert wird und nicht aufrecht erhalten werden kann. 2 Für Pflegeeltern ist es wichtig zu wissen, dass ihr Pflegekind in der Lage ist, noch einmal neue, individuelle und persönliche Eltern-Kind-Beziehungen herzustellen, weil das Kind ein inneres Bedürfnis nach genau diesem liebevollen Band hat. Auch besitzt das Kind die Fähigkeit, mehrere Bindungen gleichzeitig einzugehen, wenn diese klar von einander abgegrenzt sind. Um allerdings dieses Vorhaben auch verwirklichen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen vorhanden sein. Eine wichtige darunter ist, dass Pflegekind seine Bedürfnisse unverstellt zum Ausdruck bringen kann und das geht nur, wenn es so viel Sicherheit erfahren hat, dass es davon ausgehen kann, dass genau diese Bedürfnisse auch befriedigt werden. Bis es allerdings soweit ist, durchlaufen Kinder, die in eine Pflegefamilie vermittelt werden, viele verschiedene Stationen und sind diversen Belastungserlebnissen aufgesetzt. Wissen Pflegeeltern über die Ausgangssituation aller Betroffenen und die auftretenden Übergänge Bescheid, können viele Missverständnisse und Krisen verhindert bzw. gemildert werden. 3 1. Ausgangssituation 1.1. Situation des Pflegekindes Ein Pflegekind ist ein Kind zweier Familien, es bringt normalerweise die Einstellungen, Wertehaltungen und Gewohnheiten seiner Herkunftsfamilie mit und muss sich in der Pflegefamilie neu orientieren. Es muss sich aus bestehenden Beziehungen lösen und neue Beziehungen zu vorerst fremden Menschen eingehen. Zum Zeitpunkt der Unterbringungen erleben vor allem ältere Kinder unterschiedliche Erziehungsformen ganz bewusst und müssen diese in ihre Erlebniswelt integrieren. Oft ist es so, dass das Pflegekind Unsicherheit, Konkurrenz und Uneinigkeit der beiden Elternpaare erlebt und die unterschiedlichen Erwartungen und Wünsche spürbar sind. Das Kind muss den schwierigen Wechsel seiner gesamten Lebenswelt verkraften und realisieren, dass die einzigen Eltern, die es bis dahin kannte, nur mehr beschränkt, oft aber auch gar nicht, greifbar sind. Die Konfrontation mit Trennung, Verlust, Neuorientierung und Anpassung stellt mehr Anforderungen an die Kräfte eines Kindes, als es sonst für seine Entwicklung brauchen würde und je nach Alter und Veranlagung kann es einem Pflegekind besonders schwer fallen, mit seiner Lage zurecht zu kommen. Vor allem ein älteres Pflegekind kommt mit einem „Rucksack“ in die neue Familie, in dem quasi Überlebensstrategien wie z.B. auffällige Verhaltensmuster, alte Erfahrungen mit den Eltern, Konflikte und Probleme gepackt sind und muss sich mit diesem an das Herstellen neuer Beziehungen machen. 1.2. Situation der Pflegeeltern Die Pflegefamilie übernimmt in der täglichen Erziehung die Elternrolle für das Kind, das ihnen bis dahin völlig fremd ist, noch dazu müssen sie es mit den leiblichen Eltern „teilen“. Pflegeeltern müssen zwar keine pädagogische Ausbildung haben, doch sind sie in ihren persönlichen Fähigkeiten sehr gefordert, wie z.B. im erzieherischen Geschick, in Einfühlungsvermögen, Toleranz, Gesprächsfähigkeit und 4 Konfliktlösungskompetenz. Die Kontakte zur Herkunftsfamilie sind für das Kind und seine Identität sehr wichtig und wird erwartet, dass Pflegeeltern dies unterstützen und auch den leiblichen Eltern von Beginn an Wertschätzung entgegen bringen. Oft haben Pflegefamilien auch eigene Kinder und müssen lernen, die Bedürfnisse dieser mit denen des Pflegekindes abzustimmen und integrierend zu wirken. Für viele Pflegefamilien ist vor allem die erste Zeit belastend, denn sie möchten dem Kind Sicherheit und Halt geben, während sie sich aber gleichzeitig damit auseinandersetzen müssen, den Familienzuwachs gegebenenfalls jederzeit wieder loslassen zu können. 1.3. Situation der leiblichen Eltern Kommt ein Kind in eine Pflegefamilie, so müssen sich die leiblichen Eltern von ihrem Kind trennen. Die betroffenen Eltern werden oft deprimiert, ratlos und zutiefst verunsichert zurück gelassen. Nicht für seine Kinder sorgen zu können oder zu dürfen, erleben viele Eltern als existenzielles Versagen, auch wenn sich oft eine gewisse Erleichterung über das Eingreifen der Sozialarbeiter einstellt. Sie befinden sich in einer sehr schwierigen Lebenslage, die von individueller Überforderung, mangelnder Erziehungskompetenz, ungünstigen familiendynamischen Verflechtungen und durch die meinst noch dazu kommende wirtschaftliche Not geprägt ist.Die Rolle, Eltern ohne Kind zu sein, ist in unserer Gesellschaft eher negativ besetzt und sie müssen gegenüber der Umwelt die Inpflegegabe rechtfertigen. Um das eigene Gewissen und die Umwelt zu beruhigen, leben Herkunftseltern oft in der Vorstellung, sie könnten ihr Kind sehr bald wieder zu sich holen. Sie haben Ängste, dass sich das Kind zu stark an die neue Familie bindet und sie es verlieren, gleichzeitig fühlen sie sich als Versager und sind verletzt, wenn sie die enge Beziehung ihres Kindes zu einer Pflegefamilie erleben. So kommt es oft vor, dass sie die Pflegeeltern für die sich verändernde Eltern-Kind-Beziehung verantwortlich machen und als Konkurrenz empfinden. 5 2. Phasen der Integration Wenn ein Pflegekind in eine Familie kommt, bewegt es sich in einer völlig neuen Umgebung, in der bereits ein natürliches Beziehungsgefüge existiert. Es kommt oft ohne Anbahnungsphase in die Pflegefamilie, entweder von einer Krisenpflegestelle oder direkt aus seinem früheren Zuhause. Jedes Kind, unabhängig vom Alter, befindet sich zunächst in einer Schockphase, wenn es seine Umgebung und die Menschen verliert, auf die es bisher angewiesen war. Das Kind ist einer völlig unbekannten Situation ausgesetzt und muss sich nun in diesem fremden System zurecht finden. Dies geschieht in der Regel in drei Phasen, wobei diese Eingewöhnung als prozesshaftes Geschehen zu sehen ist, bei dem keine klaren Übergänge zwischen den einzelnen Phasen und keine klaren Endpunkte zu bestimmen sind. 2.1. Anpassungsphase In dieser Phase ist das Kind bemüht, sich den neuen familialen Lebensbedingungen, den Pflegeeltern und ihren Erwartungen anzupassen. Dies geschieht oft scheinbar leicht und konfliktlos. Oberflächlich betrachtet könnte man den Eindruck bekommen, das Kind hätte sich schon in die neue Familie eingelebt. Es scheint in der Lage zu sein, sich im neuen Lebensraum zu orientieren, Neugier und Interesse für neue Erfahrungen zu entwickeln. Manchmal ist man regelrecht erstaunt, dass sich das Kind innerhalb kürzester Zeit so einfügt, als hätte es schon immer bei der Familie gelebt. Diese Phase hat allerdings noch nichts mit Integration gemein. Das Pflegekind ist einer gänzlich neuen, unbekannten Situation ausgesetzt, die sich nicht nur durch die neuen Lebensverhältnisse, sondern auch vor allem durch eine 6 Abhängigkeitsbeziehung auszeichnet. Das Kind geht in diese Situation mit gemischten Gefühlen, denn es kann noch nicht wissen, wieweit ihm die neuen Bedingungen zu- oder abträglich sein werden. Dadurch findet keine hinreichende Annäherung statt, es kann sich auf die neuen Gegebenheiten eigentlich nicht einlassen und bleibt distanziert, die früheren Erfahrungen verhindern dies. Jedes Kind, das neu in eine Familie kommt, ist in dieser ersten Phase bemüht, sich in die neue Familie einzugliedern, eigene Erfahrungen und eigene Lebensregeln über Bord zu werfen und die der neuen Familie zu übernehmen. In Wirklichkeit überfordert sich das Kind. 2.1.1. Überanpassung Die Überanpassung des Kindes an die Erwartungen der Pflegeeltern, sein Wohlverhalten und seine Orientierung an die bestehenden Normen und Werte – dies läuft in einem Zeitraum von einem Tag bis zu einem Jahr bei Ältern ab – dient nicht dazu, einen guten Eindruck zu machen, es zeigt nur, dass es seine Unsicherheit gut unter Kontrolle hat, gerade so, als müsste es darauf bedacht sein, seine Lage durch sein Verhalten nicht noch zusätzlich zu gefährden. Die Überanpassung wird aber meistens nicht als eine vorübergehende und für die Entwicklung neuer Beziehungen hinderliche Anpassungsform erkannt, sondern als Hinweis darauf verstanden, dass das Kind gut in die Familie passt, dass es schon die neuen Pflegeeltern als seine Eltern akzeptiert, dass die Eltern schon die Eltern des Kindes geworden sind. Durch diese Form der Überanpassung werden die Pflegeeltern dazu verführt, vom Kind Bestätigung und Anerkennung in ihrer Elternrolle zu erwarten und beginnen rasch damit, das Kind erziehen zu wollen. Infolge dieses Missverständnisses übernehmen Pflegeeltern rasch die Erziehungshaltung und reagieren mit Anpassungsdruck, wenn das Kind beginnt, die Beziehungen aufgrund seiner 7 früheren Erfahrungen nach alten Mustern zu gestalten. Das Auftreten von Konflikten wird nicht als Entwicklungsfortschritt erlebt, als Hinweis auf gewachsene Sicherheit und als Chance für die Klärung der Beziehung und eine Aufarbeitung der bisherigen Erfahrungen, sondern als Rückschritt und oft auch als Hinweis auf die eigene Unfähigkeit, mit dem Pflegekind angemessen umzugehen. Die rasche Bewältigung von Problemen wird hingegen als Erfolg verbucht, bedeutet aber meist nur, dass das Kind in die äußere Anpassung zurückgedrängt wird, ohne die Chance eines wirklichen neuen familialen Beziehungsaufbaus zu erhalten. Eine zu schnelle Erziehung führt nicht selten zum Aufrechterhalten der Überanpassung beim Kind und schließlich zum Scheitern des Bezeihungsaufbaus. Die Annahme eines Kindes erfolgt nicht dadurch, dass die neuen Eltern es an die Hand nehmen, sondern dadurch, dass sie sich von seinen Wünschen und Bedürfnissen führen lassen. Sie müssen dem Kind erlauben, dass es sie in ein – der Zeitpunkt wird vom Pflegekind bestimmt – Gespräch verwickelt. So gewinnt es Einfluss auf diejenigen, von denen es abhängig ist und nur auf diesem Weg kann es das Gefühl entwickeln, dass es ein angenommenes Kind ist. Indem sich die Eltern vom Kind an die Hand nehmen lassen, ermöglichen sie ihm, dass es Einfluss auf sie gewinnt und die aus ängstlicher Unsicherheit resultierende Überanpassung aufgeben kann. 2.1.2. Einfluss haben Gerade die Kinder, die ihre Eltern als rücksichtslos und überwältigend erlebten, haben kaum je erfahren, dass sie selbst Einfluss auf die Menschen haben, die die Befriedigung ihrer Wünsche und Bedürfnisse ermöglichen können. Wie viel und welche Aktivität und Initiative dem Kind zugestanden wird, berührt die Frage elterlicher oder erzieherischer Autorität und hängt meist mit dem Anspruch der 8 Eltern zusammen, dass das Kind lernen müsse, Rücksicht zu nehmen. Im gegenteiligen Fall werden eigene Gefühle der Ohnmacht aktiviert. Jedem Menschen geht es zunächst angesichts der eigenen Ohnmacht darum, selbst Einfluss auf seine Umwelt zu gewinnen, um die Befriedigung von Bedürfnissen sicherzustellen. Ohne Einfluss auf die Bezugspersonen bleibt das Kind hinsichtlich seiner Liebesbedürfnisse passiv und ohnmächtig, aber hinsichtlich seiner aus den Enttäuschungen stammenden Wut und Aggression aktiv. Aus dieser Erkenntnis lässt sich unschwer folgern, dass für die Herstellung befriedigender Beziehungen dem Kind erlaubt werden muss, einen anderen Menschen durch seine Signale zu steuern. Wenn das Kind die Erfahrung macht, dass seine Signale und Wünsche genau wahrgenommen und interpretiert werden, wird es sich trotz vieler vorausgegangener Enttäuschung auf neue Abhängigkeitsbeziehungen einlassen können. 2.1.3. Dialogische Beziehungsformen Wenn ein Kind den Einfluss auf diejenigen Menschen zu gewinnen sucht, von denen es abhängig ist, indem es ungeheure Ansprüche und Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen entwickelt und gleichzeitig elterliche Forderungen und Erwartungen negiert, gewinnen Pflegeeltern den Eindruck, dass sie sich nicht alles gefallen lassen dürfen, um sich nicht beherrschen zu lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Kinder negative Erfahrungen in ihrer Herkunftsfamilie gemacht haben, die sie mit Wut und Aggressionen, provokanten Verhalten oder Rückzug reagieren lassen. Manchmal lassen sie sich nichts sagen und nicht anfassen und reagieren bei der geringsten Kritik wütend. Dass das Kind Einfluss auf einen Erwachsenen gewinnt und ihn in einen befriedigenden Dialog verwickelt, wird ein Erwachsener dem Kind nur erlauben können, wenn er nicht die Erfüllung seiner eigenen Wünsche und Bedürfnisse erwartet, wie z.B. Bestätigung und Anerkennung vom Kind. Man wird sich nur dann in ein Gespräch verwickeln lassen, wenn man davon ausgeht, dass das, was das Kind tut, denkt oder sonst wie artikuliert, nicht unbegründet ist und deshalb als notwendig akzeptiert werden muss – auch wenn man es nicht gutheißt. 9 Das Kind braucht die Erfahrung, dass es durch seine Signale auch steuern kann. Erst wenn es das Gefühl hat, dass andere auf seine Wünsche eingehen, dann kann es lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen und vor allem Frustrationstoleranz zu entwickeln. Frustrationstoleranz in diesem Zusammenhang bedeutet, die Zurückweisung und Enttäuschungen als solche wahrzunehmen und auszuhalten. Das Kind wird den Dialog von sich aus nur beginnen, wenn ein Grundsatz gilt: Alle Wünsche und Bedürfnisse sind erlaubt, alle Ängste und deren Abwehr sind berechtigt! 10 2.2. Phase der Wiederholung früherer Beziehungsformen Während in der ersten Phase der Integration die tatsächlichen Wünsche und Bedürfnisse des Kindes, insbesondere aber seine aus frühen traumatischen, verletzten Erfahrungen resultierenden Ängste und Aggressionen wenig sichtbar sind, sind diese in der zweiten Phase schon eher zugänglich, weil das Kind eine größere Sicherheit in der neuen Situation gewonnen hat, seine Angst reduzieren konnte und die Pflegeeltern als nicht bedrohlich wahrgenommen hat. Dieser Fortschritt in der Pflegebeziehung wird allerdings leicht verkannt und mit einem Rückschritt gleichgesetzt. Die früheren Erfahrungen und die daran gebundene Affekte werden vielfach in der Beziehung zu Pflegeeltern neu inszeniert, was bisweilen zu erheblichen Konflikten und Missverständnissen führt. Das Kind erlebt die neue Situation durch die Brille seiner früheren Erfahrungen, die es auf die jetzige Situation überträgt. Diese Phase kann therapeutischen Charakter haben, da das Kind nun neue Erfahrungen machen kann, an den Reaktionen der Pflegeeltern neues Verhalten erlernen kann. 2.2.1. Übertragungsbeziehung Übertragung ist ein allgemeines Phänomen. In der Übertragungsbeziehung tritt der andere, z.B. die Mutter für das Kind, in den Hintergrund. Die Beziehungen gestalten sich nach alten Mustern. Die alten Konflikte, Ängste und Wünsche werden als aktuelles Erlebnis lebendig. Für das Kind erwacht die Vergangenheit zum Leben und es fällt ihm schwer, ein realitätsbezogenes Handeln zu vollziehen. Ob und in welchem Ausmaß die gegenwärtige Beziehung durch prägende Erlebnisse der Vergangenheit zu Übertragungsbeziehungen führen, ist einerseits davon abhängig, wie beängstigend die früheren Erfahrungen waren und andererseits ob das Kind die gegenwärtige Situation als beschützende sieht, in der es so sein kann, wie es 11 tatsächlich ist. Diese Art der Wiederbelebung ist die Bedingung, die frühen Erfahrungen zu korrigieren. 12 Ein früh vernachlässigtes Kind kann lange Zeit die Erwartung haben, dass es sich nicht auf die Pflegeeltern verlassen kann, dass es ebenso alleine gelassen wird oder nicht ausreichend Nahrung erhält. Es wird überempfindlich auf die vermeintliche Trennung reagieren, so muss z.B. abends die Türe offen bleiben, damit sich das Kind vergewissern kann, dass noch jemand da ist, oder es will genau wissen, wer es vom Kindergarten wieder abholt und wie lange es dort bleiben muss. Auch beim Verreisen kann es darauf bestehen, dass die Eltern seine Sachen mit in ihren eigenen Koffer packen, damit sie es nur nicht mit seinem Koffer irgendwo zurücklassen. Es kann ständig das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, riesige Mengen essen wollen, Lebensmittel stehlen und horten, damit es sich im Ernstfall selbst versorgen kann. Bei Einschränkungen wird es sich lautstark beklagen, dass man es verhungern lassen wolle. Misshandelte Kinder können je nach Geschlecht des Misshandlers den Pflegevater oder die Pflegemutter nach einer Zeit der Reserviertheit mit Wut und Aggression begegnen – damit wartet das Pflegekind allerdings so lange, bis es sicher sein kann, dass der Pflegeelternteil nicht mit Gewalt reagieren wird. Oft werden die neuen Bezugspersonen geprüft durch ständige Provokation und etwa mit der Drohung, wieder zu gehen, weil es im Heim viel schöner sei oder weil die leiblichen Eltern viel besser wären. So versucht das Kind die Frage zu klären, wie viel es wert ist, wie sicher sie zu ihm halten, auch wenn es sie sehr beleidigt. Kinder machen den „neuen Eltern“ Vorhaltungen, die sich eigentlich auf Defizite in der Beziehung zu den leiblichen Eltern beziehen. Manchmal können sie nicht wahrnehmen, dass sie nun versorgende, gewährende, zuverlässige, schützende Eltern haben, da sie sich selbst als nicht liebenswert, böse, schlimm, für ihr Unglück selbst verantwortlich, erleben. Die alten Probleme und Konflikte müssen noch einmal durchlebt werden, um schrittweise durch die neuen Erfahrungen korrigiert werden zu 13 können. Und nur Schritt für Schritt, nämlich dann, wenn das Kind immer wieder verlässliche Erfahrungen macht, kann die Übertragungsbeziehung gelöst werden und sich in eine neue, persönliche Beziehung verwandeln. Eine gute Kenntnis der Geschichte des Kindes und die Vorbereitung auf diese Phänomene können den Pflegeeltern helfen, die Übertragungsreaktion besser zu verstehen, distanzierter zu betrachten und angemessener darauf zu reagieren, denn dieser Teil der Integrationsphase ist der krisenhafteste, wo am ehesten die Befürchtung nach einem Abbruch des Pflegeverhältnisses auftaucht. Ohne dieses Wissen kann sich schnell Hilflosigkeit und Ablehnung einstellen. Häufig reagieren Pflegeeltern aber so, wie das Kind es von seinen leiblichen Eltern gewöhnt ist, was oft oberflächlich gesehen zu einer raschen Lösung führt. Das Kind, das in der Phase der Übertragungsbeziehung größte Schwierigkeiten in den familialen Beziehungen produziert, kann mitunter in der Schule oder in der Nachbarschaft prächtig funktionieren, was bedeutet, dass Pflegeeltern dann mit ihren Sorgen auf Unverständnis stoßen. In dieser Phase ist es wichtig, dass Pflegeeltern Hilfe von Personen bekommen, denen dieses Phänomen durchaus bekannt ist, am ehesten wohl von anderen Pflegeeltern, denn hier ist die Wahrscheinlichkeit, Verständnis zu erlangen, am größten. 2.3.2. Rekonstruktion der Vorerfahrungen Wenn in der Übertragungsbeziehung die an Eltern gebundenen Erfahrungen und Gefühle wieder belebt werden und bearbeitet werden können, kann das Kind zur Überzeugung gelangen, dass die Pflegeeltern sich verlässlich und schützend verhalten. Das wichtigste Material für die Rekonstruktionsarbeit sind die Übertragungsbeziehungen selbst. Ein weiterer Hinweis sind die Fantasien des 14 Kindes, die im Spiel oder in spontanen Äußerungen gegenüber Dritten zum Ausdruck kommen. Dabei sind besonders die Fantasien, die sich ständig wiederholen, aufschlussreich. Schließlich lassen sich aus der Art der Verhaltens- und Beziehungsstörungen Rückschlüsse auf die Vorerfahrungen des Kindes ziehen, da sich in ihnen vielfach ungelöste und aufrechterhaltende Entwicklungsprobleme aus früheren Entwicklungsphasen widerspiegeln. Die Rekonstruktion der Vorerfahrungen ist allerdings wichtig, denn nur so können sich Kinder und Eltern mit ihnen auseinander setzen und Pflegeeltern können dann korrigierende Erfahrungen bieten. 2.3.3. Korrigierende Erfahrungen Die Kenntnis der Geschichte und eine direkte Aufklärung über die Zusammenhänge der Vorerfahrungen und des aktuellen Handelns wird dem Kind noch nicht unmittelbar helfen, seine traumatischen, verletzenden Erfahrungen und die daran gebundenen Gefühle und Vorstellungen zu verarbeiten und zu korrigieren. Nach Bettelheim 1975 ist das, was therapeutisch, heilend wirksam wird „nicht das Erinnern an die Vergangenheit, nicht einmal das Wiedererleben in der Vorstellung noch das Aufdecken des Unterbewussten, sondern die Neustrukturierung, die Integration der Persönlich“. Daher ist es wichtig, wenn ein Mensch das entsprechende Erlebnis in der Realität noch einmal hat – und zwar unter gänzlich anderen physischen und menschlichen Umständen und daher in der Lage ist, zu einem entsprechend anderen Resultat zu kommen. So sind Pflegeeltern immer wieder aufgefordert, dem Kind Schritt für Schritt die Gewissheit zu geben, dass sie es umsorgen, schützen und lieben. 2.3.4. Gewinn einer kritischen Distanz zu eigenen Geschichte 15 Wenn das Kind schrittweise zur Erkenntnis gelangt, dass die Pflegeeltern sich verlässlich ganz anders verhalten, als es seinen Vorstellungen und Befürchtungen entspricht, dann wird der Weg für realistische Erinnerungen und für den Gewinn einer kritischen Distanz zur eigenen Geschichte gebahnt. Bei der Erinnerungsarbeit können Pflegeeltern dem Kind behutsam helfen, wobei es wichtig ist, das Kind nicht in die Erinnerungen hineinzuzwingen. Wenn es sich zu erinnern beginnt, spricht es zunächst oft von ihren früheren Erfahrungen in verstellter, idealisierender Weise, indem die traumatischen Erfahrungen verleugnet werden und dürfen Pflegeeltern nicht der Versuchung unterliegen, die Bilder rasch zurecht zu rücken, um selbst aus der Rolle der „bösen Eltern“ heraus zu kommen. Sie sollten sich eher fragend verhalten und die Wünsche des Kindes aufgreifen. Geht man interessiert auf seine Äußerungen ein, spricht man seine Fantasien und Gefühle an und respektiert gleichzeitig seine Abwehrmaßnahmen, unterstützt man das Kind dadurch, beantwortet man die Fragen der Kinder realistisch und nimmt man schließlich auch Enttäuschung und Wut der Kinder über die leiblichen Eltern an, statt sie ihm auszureden und es zu rasch mit seiner Geschichte versöhnen zu wollen, so wird das Kind schließlich eine kritische Distanz zu seiner Geschichte entwickeln können. Es wird allmählich in der Lage sein, zwischen seinen früheren Erfahrungen und seinen jetzigen Lebensbedingungen zu unterscheiden und sich auf neue Beziehungen offen und unverstellt einlassen. 2.3. Regressionsphase Unter Regression ist die Rückkehr auf frühere Stufen der Entwicklung, die schon abgeschlossen schienen, zu verstehen, dies geschieht aus verschiedenen Gründen, die im folgenden erläutert werden: 2.3.1. Angstabwehrende Regression 16 Regressives Verhalten oder regressive Wünsche sind dann zu beobachten, wenn jemand aufgrund von Angst verunsichert ist und sich in einer Krise befindet. Ein Kind wehrt z.B. Angst und Unsicherheit mit Hilfe von Regression ab, wenn ein neues Kind in die Familie kommt und es annehmen muss, die Liebe der Eltern nun zu verlieren. Eine solche angstabwehrende Regression tritt auch zu Beginn der Pflegebeziehung bei einem Kind auf, wenn im alltäglichen Umgang die Distanz verringert wird, aber Nähe beängstigend ist. Gerade Kinder mit schlimmen Vorerfahrungen reagieren mit Angst und Schrecken, wenn ihnen jemand zu nahe kommt. Diese Angst vor Abhängigkeit und Nähe wird vermindert, wenn die Pflegeeltern z.B. dem Kind von vornherein signalisieren, dass sie durchaus bereit sind, auch diese Entwicklung zusammen mit ihm zu gehen indem sie „typische Babysachen“ nicht gleich wegnehmen und durch „altersadäquate“ Dinge ersetzen. 2.3.2. Regression als Weg zum Beziehungsaufbau Bei regressiven Verhalten werden frühe Bedürfnisse und befriedigende Erlebnisformen wiederholt. Die Regression tritt in den Dienst des Aufbaus neuer Beziehungen, in denen befriedigte Wünsche noch einmal wiederholt und unbefriedigte Wünsche endlich erfüllt werden sollen. Sie ermöglicht einen Neubeginn. Hier dient Regression nicht der Angstabwehr, sondern der Herstellung befriedigender Beziehungen, der Sicherung elementarer Wünsche und Bedürfnisse. Dabei wird die Regression direkt zu einer befriedigenden Angelegenheit, die Spaß macht und da es Spaß macht und lustvoll ist, darf es immer wieder wiederholt werden. Dadurch ermöglicht die Regression den Aufbau dichter, naher und persönlicher Beziehungen, die Exklusivität, Einmaligkeit und Intimität besitzen und dadurch unverwechselbar sind. Pflegeeltern dürfen nicht den Fehler machen, das regressive Verhalten als ein unangepasstes „albernes“ Verhalten zurückzuweisen und nicht zu respektieren, denn die Wünsche bleiben bestehen, bis sie angenommen und befriedigt werden. 17 Die Regression als Weg zum Beziehungsaufbau unterscheidet sich von der angstabwehrenden Regression dadurch, dass letztere sich unmittelbar im Verhalten niederschlägt. Die Steuerung und die Motivation des Verhaltens erfolgten unbewusst. Dagegen wird die Regression als Weg zum Beziehungsaufbau eher als ein bewusster Wunsch wahrgenommen, die regressiven Beziehungsformen werden gewünscht, weil sie befriedigend sind. 2.3.3. Regressive Entwicklung Die Regression ermöglicht dem Kind, noch einmal Beziehungen wie ein kleines Kind aufzubauen. Sie ermöglicht ihm – wie am Ende eines langen therapeutischen Prozesses – einen „Neubeginn“, der bedeutet, die Rückkehr zu einem Punkt vor Beginn der Fehlentwicklung, gleichzeitig aber kommt es zur Entdeckung eines neuen, besseren Weges. Der Neuaufbau von Eltern-Kind-Beziehungen folgt den gleichen Entwicklungsschritten laut Erikson 1973. Erst sucht das Kind die befriedigende Nähe zur Mutter, die Eltern-Kind-Beziehung reduziert sich primär auf die Mutter-Kind-Beziehung, und wünscht sich, von ihr total versorgt zu werden. Die Regression ermöglicht dem Kind, seine scheinbare Selbstständigkeit auf zu geben und sich auf eine gefahrlose Abhängigkeitsbeziehung einzulassen, so kann es z.B. nicht mehr selbst die Schuhe anziehen oder seine Sachen wegräumen, es lässt sich am liebsten füttern und spielt beim Essen. Auf diese Weise erfährt das Kind Bestätigung und Anerkennung und seine früheren Beziehungswünsche werden endlich verwirklicht. Wenn das Kind die Erfahrung gemacht hat, dass es ohne eigenes Zutun, ohne etwas zu leisten, von der Mutter umsorgt und bewundert wird, fängt es an, sich von ihr ab zu grenzen, seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu verteidigen. Mit zunehmender Unabhängigkeit gewinnt das Kind Freude an dem, was es produziert und gelangt so zu einem guten Selbstwert. 18 Gerade in dieser Entwicklungsphase haben viele Pflegekinder in ihrer Ursprungsfamilie die größten Niederlagen erlebt, die sie zu absolutem Gehorsam oder aggressiver Selbstverteidigung zwangen. Darum kommt es jetzt darauf an, dass ein Kind nicht noch einmal in hoffnungslose Machtkämpfe mit Eltern verwickelt wird, sondern dass ihm erlaubt wird, Autonomie in Beziehungen zu entwickeln. 2.3.4. Annahme der Regression Oft erscheint das regressive Verhalten nicht annehmbar zu sein, weil das Kind Fähigkeiten, über die es schon verfügte, scheinbar wieder verliert. Viele betrachten es als Rückschritt oder Ungehorsam. Besonders schwierig ist es, wenn das ältere Kind sich einmal altersentsprechend und dann wieder wie ein Kleinkind verhält. Ein Grund zur Sorge ist das keinesfalls, denn Kinder verhalten sich normalerweise nur in der Pflegefamilie regressiv und die regressiven Wünsche beschränken sich auf die Eltern-Kind-Beziehung. Auch in dieser Phase geht es durchwegs um ein Annehmen des Kindes und dem Ermöglichen von neuen Erfahrungen, die alten korrigieren zu können. Monika Nienstedt und Arnim Westermann haben bereits in den 80er Jahren diese drei Phasen der Integration von fremden Kindern in Familien erkannt und erforscht. Diese schwierigen Zeiten kann man nicht unterdrücken oder verhindern, aber mit dem Hintergrundwissen einfach besser verstehen und somit besser damit umgehen. 19 3. Identität und Selbstwert Die seelische Entwicklung von Pflegekindern wird nicht nur vom psychischen Klima in der Pflegefamilie, sondern auch davon beeinflusst, wie die Realität, zweimal Eltern zu haben, vom Kind verarbeitet wird. Die Pflegeeltern eines Dauerpflegekindes sind die primären Bezugspersonen, ihnen fühlen sich die Kinder verbunden und es ist daher die Aufgabe jener, dem Kind zu seiner Identität und zu seinem Selbstwert zu verhelfen. 3.1. Ich Stärkung und Hilfen bei der Persönlichkeitsentwicklung Pflegekinder benötigen Lob und Anerkennung für recht selbstverständliche Leistungen. Damit sie sich selbst als wertvoll fühlen, sollten sie ermutigt werden, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Dies geschieht durch Förderung von Begabungen, Produktivität und Kreativität. Sind Kinder z.B. musikalisch, so sollte dies gefördert werden, denn das Spielen-Können eines Instruments stärkt das Selbstvertrauen und ist ein kleiner Schritt zur Selbstverwirklichung. Auch Kontakte zu anderen Menschen helfen uns, uns selbst zu finden, in Kontakt mit uns selbst zu kommen. Deshalb ist es wichtig, Pflegekindern Freundschaften zu ermöglichen. Eine große Hilfe für Pflegekinder ist es, wenn sie mit anderen Pflegekindern zusammentreffen. Schon fühlen sie sich weniger als Außenseiter/innen. Auch die Verantwortung für Türe fördert die Ich-Entwicklung. Wir alle haben unsere Persönlichkeit einerseits in Auseinandersetzung mit unseren Eltern, andererseits durch vielfältige Einflüsse wie Erfolg in der Schule, in der Ausbildung, im Beruf entwickeln können. Wir sind froh, wenn wir unseren persönlichen Stil, unsere Individualität gefunden haben. Deshalb ist es sehr wichtig, Kinder immer wieder zu ermuntern, nicht so sein zu wollen wie die anderen, sondern 20 Mut zu eigenen Wegen und Ideen zu verwirklichen. Wir sind geprägt durch unsere Stärken und Schwächen. Es ist erlaubt, gute und schlechte Seiten zu haben. 21 3.2. Identitätskonflikt Identitätsentwicklung bedeutet, heraus zu finden, wer wir sind und mit wem wir übereinstimmen. Ob sie ihren Eltern ähnlich sehen, in welchen Eigenschaften sie ihren Eltern gleichen, ist allen fremdplatzierten Kindern wichtig. Sie definieren sich als Teil ihrer Eltern. Wenn Pflegeeltern die Herkunftseltern nur negativ bewerten und keine guten Seiten an ihnen sehen können, reproduzieren manche Kinder aus unbewusster Identifikation immer wieder negative Verhaltensweise ihrer Eltern. Wenn Pflegekinder ihre leiblichen Eltern negativ bewerten, können sie sich selbst, als Kind dieser Eltern, nicht wertschätzen. Inneres Aussöhnen der Pflegeeltern mit der Herkunftsfamilie bedeutet manchmal ein inneres Abschiednehmen, es bedeutet manchmal, die Verschiedenheit beider Welten zu respektieren, aus denen jeder kommt, dies nicht in erster Linie für die Erwachsenen, sondern den Kindern zuliebe. Denn sie bleiben Kinder dieser Eltern. Kinder, die Trost und Hilfe bekommen, ihre Eltern nicht ausschließlich negativ zu sehen, können sich selbst positiver sehen und leichter eine eigene Identität finden. Die Identitätsentwicklung von Pflegekindern ist doppelt erschwert: Einmal, weil die meisten schwerwiegende Verletzungen erlitten haben, z.B. durch Vernachlässigung und sexuelle Ausbeutung, durch Schläge und emotionale Gewalt. Solche, in vielen Fällen frühkindheitliche Schädigungen sind massive Störfaktoren im natürlichen Entwicklungsprozess, der zur Bildung einer eigenen Identität führt. Zum anderen wird die Indentitätsentwicklung dadurch behindert, dass Pflegekinder in einer Familie aufwachsen, in die sei nicht hinein geboren wurden. Der Schmerz der Trennung von der vertrauten Lebenswelt und die enorme Aufgabe, sich in einer fremden Welt zurechtfinden zu müssen, verunmöglichen den natürlichen Prozess – es sei denn, die Verarbeitung der Trennungserfahrung und des Schicksals, Kind zweier Familien zu sein, gelingt. Möglich ist es: mit viel geduldiger und einfühlsamer Art von allen, die mit den Kind zu tun haben, in erster Linie von den Pflegeeltern. 22 4. Besuchskontakte Pflegekinder haben das unangefochtene Recht, Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie zu halten, denn diese bleibt in der inneren Welt des Kindes präsent. Besuchskontakte können für das Pflegekind eine zusätzlich Hilfe sein, seine besondere Situation zu verarbeiten, zwei Familien zu haben. Der Abbruch von Kontakten zur Herkunftsfamilie kann beim Kind unbewusste Selbstwertprobleme, Schuldgefühle und Identitätskonflikte verstärken. Dennoch ist der Abbruch manchmal bei besonders schweren Gefährdungen und Misshandlungen in der Vergangenheit durch einen Elternteil zum Schutz des Kindes erforderlich. Kontakte zu den Angehörigen beziehen sich nicht nur auf die Eltern. Der regelmäßige Umgang mit Geschwistern, manchmal auch mit Großeltern oder anderen vertrauten Personen des früheren Lebens stärken das Selbstwertgefühl des Kindes. Hat ein Kind mit seinen Eltern schon länger zusammen gelebt, so kann es auf neue Menschen besser Bindung übertragen, wenn es die Menschen des früheren Lebens nicht vollends verliert. Die Besuche dienen dann der Fortsetzung dieser Bindung und der Vertrautheit. Auch wenn ein Kind keine Bindung zu seinen Eltern hatte, so können Kontakte auf das Kind beruhigend wirken, weil es erlebt, dass die Eltern es nicht vergessen haben. Kinder können anlässlich der Besuche manchmal besser einordnen, weshalb sie nicht bei ihren Eltern leben können. Meiner Ansicht nach sind Besuchskontakte zu befürworten, denn so wird zum Beispiel die Sehnsucht nach Rückkehr zu den leiblichen Eltern nicht von fantastischen Vorstellungen genährt. Der Selbstwert eines Kindes erfährt eine Aufbesserung, vor allem eine solidarische Haltung der Pflegeeltern zur Person der Herkunftseltern entlastet das Kind und ermöglicht Selbstannahme. Außerdem wird 23 eine Entwurzelung vermieden, indem die Wurzeln der eigenen Herkunft gepflegt werden können. Die Ungewissheit und Unklarheit ist immer schlimmer als die Realität. Außerdem ermöglicht die Kenntnis der eigenen Geschichte oft, die Geschwisterbeziehungen aufleben lassen zu können, denn Geschwister begleiten einander in der Regel länger als Eltern. Am wichtigsten ist es aber, dass, falls das Pflegekind sein Verhältnis zu den leiblichen Eltern später einmal klären oder ordnen möchte, durch einen kontinuierlichen Kontakt bessere Möglichkeiten bestehen. Dennoch muss gesagt werden, dass Kontakte häufig nicht konfliktfrei verlaufen. Pflegeeltern sind diejenigen, die immer wieder daran arbeiten müssen, dazu bei zu tragen, dass die Atmosphäre für das Kind entspannt ist. Sie sollten lernen, sich nicht angegriffen zu fühlen und sogar respektieren, wenn die Herkunftseltern sie nicht wertschätzen. Schließlich wurden Pflegeeltern oft gegen den Willen der Eltern eingesetzt. Pflegeeltern können viel zur Deeskalation beitragen. Es ist ihre Aufgabe, sich dahingehend klar auszusprechen, in welcher adäquaten Form ein Besuchskontakt aus ihrer Sicht für das Kind stattfinden kann. Denn sie sind es, die den Alltag mit und für das Kind gestalten, sie müssen in der Lage sein, in wesentlichen erzieherischen Belangen ihr Gewicht geltend machen zu können. Verlaufene Besuche zu spannungsreich, benötigen Kinder Begleitung der Besuche durch Fachkräfte. In jedem Fall benötigen Kinder vor und nach den Besuchen ihrer Angehörigen viel Hilfe, Beistand, Klärung und oft auch Trost durch die Pflegeeltern. Die Kontakte machen dem Kind, auch wenn sie spannungsfrei verlaufen, seine besondere Situation neu bewusst. Oft tun diese Kontakte zur Vergangenheit weh, sie sind aber auch eine Chance, das eigene Schicksal in Portionen zu verarbeiten. Die Trauer nach Besuchen ist angemessen. sie zeigt, dass das Kind seine Gefühle nicht abgespalten hat.Der Verlust der ersten Bindung ist für das Kind immer traumatisch, eine Beibehaltung der alten Bindung daher oft sinnvoll. 24 Wichtige Voraussetzung der Pflegeeltern für einen positiven Ablauf der Besuchskontakte sind Offenheit nach außen, Bereitschaft zur Veränderung innerhalb des Familienlebens, Toleranz und wenig Vorurteile gegenüber der Herkunftsfamilie und deren Milieu und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. 25 Oft werden regelmäßige Kontakte von der Pflegefamilie als große Belastung empfunden. Sie hat Angst vor der Unruhe und den Verhaltesauffälligkeiten des Pflegekindes vor bzw. nach dem Besuchskontakt, sie fühlt Unsicherheit im Ungang mit den Kindeseltern, sie hat Angst vor dem Verlust der Liebe des Kindes bzw. der Lebensgemeinschaft mit dem Kind, sie spürt Unsicherheit der eigenen Reaktion auf Zu- oder Abwendung des Kindes zu den leiblichen Eltern. Doch auch Herkunftseltern leiden nach oder während des Besuchs unter Ängsten, sie fühlen sich als Versager, sie befürchten, dass ihr Kind sie nicht mehr kennt, sie empfinden die Welt als ungerecht, wie sie ihrem Kind kein gutes Leben bieten können, oft geben sie sich auf und fühlen sich nicht gebraucht. Dennoch muss immer das Wohl des Kindes im Auge behalten werden und meiner Erfahrung nach haben fehlende Besuchskontakte oder der Abbruch schon bestehender Besuchskontakte meist eine negative Auswirkung auf das Pflegekind. Aufrechterhalten von Bindungen ist Voraussetzung für das seelische Gedeihen von Kindern. Sehr selten ist es der Fall, dass sich Pflegekinder als Erwachsene wünschen, sie hätten keinen Kontakt zur Herkunftsfamilie gehabt, in den meisten Fällen ist es so, dass sie den Pflegeeltern dankbar sind, wenn diese die Kontakte ermöglichen und zusammen mit den Herkunftseltern und dem Pflegekind eine gute gemeinsame Basis gefunden haben. 26 5. Loyalitätskonflikt Familienloyalität beruht auf der biologischen erblichen Verwandtschaft einerseits, aus den erworbenen Verdiensten anderseits. Die ursprüngliche Loyalität zu den biologischen Eltern bleibt bestehen, das Kind empfindet seinen biologischen Eltern gegenüber oft eine tiefe, wenn auch konfliktbeladene und zwiespältige Hingabe. Pflegekinder fragen sich häufig, ob sie ihre leiblichen Eltern gegen die neuen elterlichen Bezugspersonen austauschen sollen oder müssen. Sie setzen sich oft selbst unter den Zwang, sich für die eine und gegen die andere Familie zu entscheiden, weil nämlich jeder „normale“ Mensch nur eine Familie hat. So wie Scheidungskinder nur dann zufrieden aufwachsen, wenn beide Elternteile das Kind darin unterstützen, den anderen Elternteil zu lieben, so benötigt das Pflegekind die Erlaubnis seiner Herkunftsfamilie, sich in der Pflegefamilie daheim zu fühlen und von der Pflegefamilie die Zustimmung, den eigenen Eltern einen angemessenen Platz im Leben einzurichten, ganz gleich, ob Kinder Kontakte zu ihrer Herkunftsfamilie haben oder nicht. Sobald das Kind die Existenz seiner beiden Familien nicht miteinander in Einklang bringen kann, gerät es in Loyalitätskonflikte, die wiederum die häufigste Ursache für Verhaltensauffälligkeiten ist. Viele Pflegeinder fühlen sich verantwortlich für ihre Eltern und sie fühlen sich schuldig, dass sie sich in der Pflegefamilie zu Hause fühlen. Gleichzeitig ist ihnen auch gegenüber ihren Pflegeeltern unbehaglich zumute, weil ihnen die Eltern wichtig bleiben. Sie wollen die Pflegeeltern nicht kränken, es sich mit ihnen nicht verderben. Manche Kinder fürchten, die Zuwendung der Pflegeeltern zu verlieren und erklären selbst die eigenen Eltern zu Gegnern, die sie nicht mehr sehen wollen. 27 Viele Pflegekinder fühlen sich verpflichtet, die Gründe, warum sie von den biologischen Eltern getrennt wurden, zu verstehen. Sie haben eine Tendenz, um ihre biologischen Eltern einen Mythos zu entfalten. Oft nehmen Pflegekinder die Schuld des Verlassen-worden-seins auf sich, um so „gute, unschuldige, leibliche Eltern“ in ihrem Inneren bewahren zu können. Der innere Zwiespalt zwischen Mythos und Wirklichkeit, zwischen Herkunftsfamilie und Pflegefamilie beschäftigt viele Pflegekinder oft ihr Leben lang. Kinder können aber aus diesem Konflikt befreit werden, wenn Pflegeeltern dem Kind seine Rolle und seinen Status verdeutlichen. Dabei müssen diese Erwachsenen den Balanceakt vollbringen, dem Kind zu begründen, dass es nicht bei den Eltern leben kann, ohne ihm die Eltern schlecht zu machen und möchte ich hier ein Beispiel anführen, wie es gehen könnte: „Deine Eltern konnten wegen ihrer vielen Probleme nicht genug auf dich aufpassen. Sie hatten Anspruch darauf, dass ihnen jemand anderes dabei hilft, dich groß zu ziehen. Wir sind für deine Eltern eingesprungen. Du wirst für immer Kind deiner Eltern bleiben. Aber weil du schon so lange bei uns wohnst, hast du uns so lieb wie deine eigenen Eltern, das ist auch in Ordnung so. Du hast zwei Familien: eine, von der du kommst und eine, in der du lebst. Das ist für kein Kind leicht, mit so etwas klar zu kommen. Aber ich denke, du wirst das schaffen!“ Wenn Herkunftseltern und Pflegeeltern sich gegenseitig akzeptieren, sogar respektieren können, und den jeweils anderen Eltern einen Platz im Leben des Kindes einräumen, dann gerät das Kind nicht zwischen die Fronten und kommt mit seiner Situation sehr gut zu recht. Es ist der einzige Weg für Pflegekinder trotz ihrer schweren Situation zu reifen, wenn sie eine Ausgewogenheit, eine Balance zwischen ihren beiden Familien herstellen können. 28 6. Biografiearbeit Brücken in die Vergangenheit schlagen – für einen Ausblick in die Zukunft Jeder Mensch wird geprägt von seiner Herkunft, er hat Wurzeln. Diese ziehen sich durch den Lebenslauf eines jeden und ist mitbestimmend für die Entwicklung des Kindes. Der bewusste Besitz der eigenen Lebensgeschichte ist eine wichtige Voraussetzung für die Ich-Bildung eines Menschen. Kindern, die nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, fehlen diese Wurzeln, die Vergangenheit ist für sie wie ein unvollständiges Puzzle und oft ist die Herkunftsfamilie nicht greifbar, um das Puzzle zu vervollständigen und so ist es die Aufgabe der Biografiearbeit, dieses Bild herzustellen. Biografiearbeit ist eine Form der Zusammenarbeit zwischen Kindern und Erwachsenen, die zur Persönlichkeitsbildung der Kinder und gegebenenfalls ihrer Korrektur beitragen soll. 6.1. Ziele der Biografiearbeit sind die Stärkung autobiografischer Kompetenzen: d.h. fähig zu werden, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen; den Mut zum Erzählen vermitteln – denn besonders in den Geschichten der älteren Generationen liegen verborgene Schätze für die nachfolgenden. 29 die Rekunstruktion der Lebensgeschichte des Einzelnen: d.h. einzelne Geschichten sollen „wiederbelebt“ werden, um so ein ganzheitliches Verständnis der eigenen Biografie zu bekommen. die Integration der Lebensgeschichte: durch positive Verarbeitung können Brüche, Widersprüche und Scheitern zu einer versöhnten Lebensgeschichte reifen. Gewonnene Erkenntnisse können so sinnvoll für die Zukunft genützt werden. 30 6.2. Was können Pflegeeltern tun? Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass Biografiearbeit Pflegekindern helfen kann, ihre besondere Lebenssituation positiv zu bewältigen, so stellt sich im nächsten Schritt schnell die Frage: was benötigen Eltern, um mit ihren Pflegekindern biografisch zu arbeiten? Denn abgesehen von dem Grundwissen und dem methodischen Knowhow, brauchen Pflegekinder dazu die Bereitschaft, sich auf einen Prozess einzulassen, der sie auch emotional fordern wird. Sie müssen sich nicht nur selbst mit der – manchmal belastenden – Geschichte der Pflegekinder auseinander setzen, sondern müssen auch das Interesse ihrer Pflegekinder an der eigenen Familie und Geschichte „aushalten“ und begleiten können und sich möglichen Fragen stellen, die sie selbst nicht beantworten können. Das ist nicht immer leicht und löst nicht selten Angst aus, sie könnten die Kinder emotional ein Stück verlieren. Meiner Erfahrung nach macht es den Kindern allerdings Spaß, mit den Pflegeeltern gemeinsam die Vergangenheit zu erforschen und man wächst noch mehr zusammen. Die Pflegekinder sehen das Interesse an ihrer Person und an ihrer Vergangenheit und können sie so als einenTeil ihrer Person leichter akzeptieren. Pflegeeltern sollen ihr Kind dabei unterstützen, wichtig ist aber, dass das Tempo vom Kind bestimmt wird und dass dessen Kreativität freien Lauf gelassen wird. Biografiearbeit kann zum Beispiel mit Briefen, Fotos oder Reisen an Orte, die im Lebenslauf des Kindes eine Rolle spielen, geleistet werden. Hierzu möchte ich erwähnen, dass es schon zum Zeitpunkt der Herausnahme wichtig ist, dass die Kinder Gegenstände wie Puppen, Kuscheltiere oder Fotos mitnehmen dürfen und diese auch in das neue Leben integrieren können. Mein Tipp für Pflegeeltern ist, bei den Besuchskontakten Fotos von der ganzen Familie zu machen und soviel wie möglich an Informationen zu sammeln, damit sie es später an die Pflegekinder weitergeben können, dies ist vor allem dann wichtig, wenn der Kontakt zu der Herkunftsfamilie mit der Zeit verebbt. 31 Für die Entwicklung der Kinder ist es wichtig, über sich selbst und ihre Herkunft Bescheid zu wissen. Denn Wurzeln gehören zum Leben dazu und dürfen nicht vergessen werden. 32 7. Persönliche Stellungsnahme Als ich von der Pädagogik Facharbeit hörte, war mir sofort klar, dass ich auf alle Fälle ein Thema rund um Pflegekinder nehmen werde, was mir nicht so klar war, war, dass es durch meine persönliche Betroffenheit gar nicht so einfach war, das Thema objektiv zu erarbeiten. Denn Tatsache ist, dass ich nicht nur angehende Sozialpädagogin bin, sondern auch Pflegemutter, mit all den dazu gehörigen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen für „meine“ Kinder. Oft sieht das professionelle Auge etwas Anderes, als das mütterliche und so bin ich sicher, dass ich selbst durch diese aktive und auch schriftliche Ausarbeitung dieses Themas eine Menge gelernt habe. Ich empfinde mich schon seit einiger Zeit auf dem Sektor Pflegekind als ziemlich routiniert, doch bin ich durch das viele Lesen aufschlussreicher Literatur hinter einige Dinge gekommen, die mir bis jetzt noch nicht bewusst waren. Andere Buchpassagen wiederum haben mich und mein Handeln bestätigt, dass ich in den letzten fünf Jahren doch auch einiges richtig gemacht habe – wenn auch nicht alles! Zur Beginn war ich mir nicht sicher, welche Schwerpunkte nun unter „Pädagogik“ fallen. Schließlich habe ich aber gemerkt, dass es mir dieses Hintergrundwissen überhaupt erst ermöglicht, pädagogisch wertvoll zu handeln. Hätte ich bei der Übernahme unserer Pflegekinder über dieses Wissen verfügt, häte ich mir andere Erziehungsziele gesetzt und in viel kleineren Schritten gedacht. Dann hat sich natürlich auch die Frage gestellt, welche Schwerpunkte ich setze, denn es gäbe so viel zu erzählen. Da ich diese Facharbeit aber zukünftigen oder gerade beginnenden Pflegeeltern zur Verfügung stellen möchte, war es für mich wichtig, die Punkte anzusprechen, womit Pflegefamilien am Anfang konfrontiert werden und was bei Übernahme eines Kindes zu bedenken ist – natürlich kann ich das nur aus meiner persönlichen Erfahrung heraus gliedern. Aber gerade durch meine Erfahrung wird klar, dass das nicht irgendein Thema ist, das ich mir ohne große emotionale Bindung aus einem Buch erarbeiten kann, sondern mein Leben. Alles, was hier zu lesen ist, haben meine Familie und ich durchgemacht, viel Anderes werden wir noch erleben. Wir sind gemeinsam durch alle beschriebenen Phasen der Integration gegangen, wir 33 haben Besuchskontakte gemeinsam erlebt und haben schon viel Zeit in die Biografiearbeit gesteckt. Ich will die Wahrheit nicht verschwiegen, es war nicht immer leicht, aber für mich persönlich war es die Anstrengung wert, für unsere Pflegekinder, aber auch für meinen Mann und mich, denn unsere Mädchen haben uns in vielerlei Hinsicht eine neue Welt eröffnet. Ich hatte auch das große Glück, während des Schreibens der Facharbeit ein Krisenpflegekind in Obhut zu bekommen und konnte ich so meine Angaben gleich überprüfen. Ich konnte sein Verhalten besser einordnen und verstehen und dadurch viel reflektierter handeln. Es ist auch beabsichtigt, dass sich diese Facharbeit meist um die Pflegekinder und die Pflegeeltern dreht, denn ich wollte von Beginn an so eine Art Leitfaden gestalten, wie man an dieses Thema herangehen kann. Ich möchte, dass angehende Pflegeeltern von meiner Arbeit profitieren, ich will ihnen etwas geben, das ich mir zu Beginn unseres Pflegeverhältnisses gewünscht hätte – Erfahrungen von jemanden, der sich bereits jahrelang mit dem Thema Pflegekind auseinandersetzt und hoffe ich sehr, dass mir das gelungen ist und ich den Anforderungen gerecht werden konnte. Das Erarbeiten dieses Themas hat mir persönlich im privaten Bereich – wie oben erwähnt – sehr viel gebracht, doch auch für meine zukünftige Tätigkeit als Sozialpädagogin habe ich mir viel mitgenommen. Da ich beabsichtige, im Bereich Jugendwohlfahrt zu bleiben, ist es meiner Ansicht nach auch für meine professionelle Arbeit sehr von Vorteil, über die Phasen der Integration Bescheid zu wissen, denn Integration geschieht ja nicht nur in Pflegefamilien sondern auch in Wohngemeinschaften. Auch als Sozialpädagogin bin ich in den Bereichen, die ich erarbeitetet habe, gefordert, denn abgesehen von den Phasen der Integration habe ich es natürlich mit dem Identitätskonflikt zu tun, ich muss mit meinen Schützlingen zu Besuchskontakten, ich muss mit den leiblichen Eltern zusammenarbeiten und ich muss mich um die Biografiearbeit kümmern. Natürlich ist das bei weitem nicht alles, 34 womit ich zu tun haben werde, aber ich denke, es ist ein Querschnitt von interessanten Ansatzpunkten. Pflegeeltern zu sein ist eine schwierige, manchmal belastende, aber auch wunderschöne Aufgabe. Ich persönlich empfinde meine Pflegekinder als Bereicherung in meinem Leben. Jeder Familie, die sich dazu entschließt, einem Pflegekind eine neue Chance zu geben, danke ich von Herzen, DENN WIR WERDEN GEBRAUCHT! 8. Literaturangaben Buchquellen: MONIKA NIENSTEDT / ARMIN WESTERMANN „Pflegekinder“ – Psychologische Beiträge zur Sozialisation von Kindern in Ersatzfamilien, Voltum Verlag, 5. Auflage 1998 IRMELA WIEMANN „Pflege- und Adoptivkinder“ Familienbeispiele, Information, Konfliktlösungen, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 7. Auflage, Februar 2003 IRMELA WIEMANN „Ratgaber Pflegekinder“ – Erfahrungen, Hilfen, Perspektiven Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 5.Auflage, November 2002 Internetquellen: de.wikipedia.org/wiki/Biografiearbeit 35 www.adoption.de www.dji.de/asd www.pflegekinder.ch Zeitschriften: INTERESSENSGEMEINSCHAFT NÖ PFLEGE- UND ADOPTIVELTERN „Elternpost“ diverse Ausgaben der letzten Jahre MAGISTRAT ELF Kinder-Jugend-Familie „Mamas & Papas“, Ausgaben der Jahre 2004 und 2005 36