handout Sozialpädiatrie

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Sozialpädiatrie
Definition:
früher:
- Suche nach Therapiemöglichkeiten bei behinderten Kindern
- ursprünglich eigenständige Subdisziplin der Pädiatrie
- Einbeziehung anderer Disziplinen war aber nötig:
Psychologie,
Sozialpädagogik,
Ergotherapie,
Krankengymnastik, etc.
- in Sozialpädiatrischen Zentren wird die Integration aller dieser Teildisziplinen
heutzutage verwirklicht
heute zusätzlich:
- wissenschaftliche Untersuchung der Kinder- und Jugendgesundheit in der Population
(anglo-amerikanisch "child health")
- Frage nach Erkrankungsursachen in der "Lebenswelt" = Umwelt, Familie,
alterstypische Moden etc.
- Präventionsmöglichkeiten
- wissenschaftliche Methodik / Instrumentarium: Epidemiologie
Epidemiologie
= Wissenschaft vom Auftreten und den Ursachen von Erkrankungen in der gesamten
Bevölkerung,
 der Patient ist hier nicht das Individuum, sondern die Population
Beispiel für Fragestellung:
Problem: Ursache der zunehmenden Allergiehäufigkeit bei Kindern?
Theorie Ende der 80er Jahre: "Umweltverschmutzung erhöht Allergierate"
Untersuchung: Vergleich der Häufigkeit von allergischen Erkrankungen bei Kindern
in Industriegebieten der ehemaligen DDR ("dreckig") und in entsprechenden
Ballungsgebieten der BRD ("sauber")
Ergebnis:
1. allergische Erkrankungen waren in den ostdeutschen Industriegebieten seltener
als in den westdeutschen
2. nach 6 Jahren zunehm. Sauberkeit: Anstieg der Heuschnupfenhäufigkeit auf
Westniveau!
= Widerspruch zur damaligen wiss. Theorie!
- bei der Deutung d. Erg. muß u. a. berücksichtigt werden, daß das Immunsystem
ostdeutscher Kinder durch den Besuch von Krippen mit viralen und
bakteriellen Infektionen stärker belastet aber auch besser "trainiert" war als das
westdeutscher Kinder
- heute zeichnet sich die Erkenntnis ab: Eine bestimmte Mindestbelastung ist für
die Reifung und Lenkung des Immunsystems erforderlich!
- noch unklar: wann muß welche Art der Stimulation erfolgen ohne zu gefährden,
welche Belastungsdosis mit „Dreck“?
= Beispiel für epidemiologische Studien
Epidemiologische Häufigkeitsparameter für Erkrankungen:
= Verhältniszahlen
- Parameter lassen sich unterscheiden danach,
 ob sie sich auf die gesamte Bevölkerung beziehen oder nur auf einzelne
Erkrankungen,
 ob sie Erkrankungshäufigkeiten für einen Zeitraum oder einen Zeitpunkt
angeben
1. bevölkerungsbezogene Parameter:
Morbidität = Krankenhäufigkeit in der Bevölkerung (jede Erkrankung), Zeitraum
Mortalität (Sterblichkeit) = Todesfälle in der Bevölkerung (jede Erkrankung),
Zeitraum
2. erkrankungsbezogene Parameter:
Letalität = Todesfälle bei bestimmter Erkrankung pro Betroffene (Erkrankte)
Inzidenz = Neuerkrankte bei bestimmter Erkrankung im Zeitraum (= Risiko)
Prävalenz = bereits Erkrankte zu bestimmtem Zeitpunkt
Nutzen / Verwendung dieser Zahlen:
- Quantifizierung des Risikos für Erkrankungen,
- Überprüfung der Wirksamkeit von Präventions- und Therapiemaßnahmen in der
Bevölkerung,
- Überwachung von zivilisatorischen und Umwelteinflüssen ("Monitoring"),
- sozioökonomische Schlußfolgerungen (Abwägung zw. Nutzen und Kosten einer
Präventionsmaßnahme)
Gesundheitsindikatoren im Kindesalter: Säuglingssterblichkeit
Dia
 Säuglingssterblichkeit = Todesfälle im ersten Lebensjahr pro 1000 Lebendgeborene
Differenzierung:
Frühsterblichkeit (0 - 7 Tage)
Spätsterblichkeit (8 - 28 Tage)
Nachsterblichkeit (29 - 365 Tage)
weitere Parameter:
perinatale Sterblichkeit = Totgeburtlichkeit + Frühsterblichkeit
Neonatalsterblichkeit = Frühsterblichkeit + Spätsterblichkeit
Entwicklung der Säuglingssterblichkeit in Deutschland:
Dia
- 1950 starb jedes 18. lebendgeborene Kind im ersten Lebensjahr = 5,54 % = 55,4 ‰
- 1960 starb jedes 30. Kind = 3,33 % = 33,3 ‰
- 1997 starb nur noch jedes 200. Kind = 0,5 % = 5 ‰
- bis 1965 deutlicher Rückgang von Nachsterblichkeit und Neonatalsterblichkeit
- Verbesserung der Nachsterblichkeit dann ausgeschöpft
- die höhere Neonatalsterblichkeit ging erst nach Einführung technischer
Verbesserungen (70er bis 90er Jahre) weiter zurück (Frühgeborene:
Beatmungstechnik, Infusionstechnik, Überwachungsmöglichkeiten ...)
Dia
- Es zeigt sich, daß die ersten Lebenstage von Neugeborenen entscheidend für die
Neonatalsterblichkeit sind: = empfindlichster Lebensabschnitt!
- zur Senkung der Neonatalsterblichkeit trug vor allem die
verbesserte Perinatalmedizin bei:
vorgeburtliche Überwachung durch Schwangerenbetreuung,
Früherkennung von Problemschwangerschaften durch Sonografie,
Laboruntersuchungen,
verbessertes Monitoring des Geburtsvorganges,
postnatale Betreuung: siehe oben
Säuglingssterblichkeit ist ein Politikum!
- gilt als Indikator für die Qualität des Medizinsystems eines Landes
- internationaler Vergleich = beliebt!
Dia (Tabelle)
- am besten schnitten in den letzten 50 Jahren stets die Skandinavier ab
- Deutschland:
1970: BRD nur Rang 15 mit 23,4 ‰, DDR aber Rang 10 mit 18,5 ‰!

wurde in Westdeutschland als skandalös empfunden
- erst in den 90er Jahren holte Deutschland auf und stieg auf Rang 5 mit 5,0 ‰
Todesursachen im ersten Lebensjahr:
Dia
- vor 100 Jahren waren Infektionskrankheiten die häufigste Todesursache
- jetzt rangieren Infektionen nicht mal mehr unter den ersten vier der häufigsten
Ursachen
- Grund: Antibiotika;
- dieser Erfolg ist aber in Gefahr wegen zunehmender Resistenzen der
menschenpathogenen Erreger gegen Antibiotika (genetische
Anpassungsmechanismen von Mikroben sind schnell + effektiv)
- Ursachen hierfür: 1. oft unkritischer Einsatz von Antibiotika in der
Humanmedizin
(nicht indikationsgerecht)
2. viel schlimmer: Einsatz in der Landwirtschaft zur Steigerung
der Mast + Zuchterfolge (anabole Wirkung der Antibiotika),
resistentgewordene Keime kommen ins Grundwasser 
gehen auf den Menschen über
3. massenweiser Einsatz von Antibiotika in anderen
Wirtschaftszweigen
- Ausweg: Verordnungen des Staates,
Pharma-Industrie muß ständig neue Antibiotika entwickeln!
- häufigste Sterbeursachen von Ngb. sind heutzutage Probleme der Perinatalzeit
(Frühgb., Geburtskomplikationen) und angeborene Fehlbildungen
- die häufigste postneonatale Ursache für Sgl.-Sterblichkeit ist der plötzliche
unerwartete Kindstod = "SIDS":
- Ursachen hierfür nach wie vor nicht bekannt, wohl verschiedene Ursachen
- Zusammenhang mit Bauchlage beim Schlafen wurde in den 80er Jahren bekannt
- die vom SIDS dominierte postneonatale Sterblichkeit nahm nach Verbreitung
der Empfehlung, die Bauchlage als Schlaflage zu meiden, deutlich ab:
in Deutschland 1990 - 1995, in anderen Ländern eher
Todesursachen nach dem ersten Lebensjahr:
Gruppe der 1- bis 5-jährigen:
- Sterblichkeit nimmt nach dem Säuglingsalter deutlich ab
- am wenigsten sind Kinder zwischen 5 und 10 Jahren gefährdet
- jetzt dominieren Unfälle! Grund: Explorationstrieb der Kinder, oft im Haushalt, z. B.
Vergiftungen
- Kinder mit Fehlbildungen von Herz, Niere, ZNS, die man über das erste Jahr noch
retten konnte, sterben evtl. jetzt
Gruppe der 5- bis 15-jährigen:
- im Jugendalter dominieren ebenfalls Unfälle: Haushalt (Vergiftungen etc.)! weniger
Verkehr!
- Grund: Explorationstrieb der Kinder
- Unfälle sind aber prinzipiell eine vermeidbare Ursachenkathegorie!
 Prävention nötig:
Aufklärung von Eltern + Kindern: Schulung, Reklame in Medien, Arztpraxen
aber auch die Industrie ist aufgefordert: z. B. Prod. von Behältnissen für
Haushaltsreiniger, Lösungsmittel etc. mit engem Ausguß / Öffnung
Morbidität im Kindesalter
- interessant wären auch Daten über die Art + Häufigkeit von bestimmten Erkrankungen
- hier ist deutlich weniger bekannt als über die Mortalität
- Grund:
epidemiologische Erhebungen sind hierbei nicht so streng gesetzlich festgelegt,
wie für die Sterblichkeit;
dies wird lediglich der sporadischen Erfassung durch wissenschaftliche Studien
überlassen, was von der Initiative einzelner Wissenschaftler abhängt
- eine Ursache hierfür liegt darin, daß wir in einem freien, freiheitlichen Land leben, in
dem der Schutz der individuellen Persönlichkeit einen Schutz vor Verbreitung
individueller Daten erforderlich macht = Datenschutz
- bislang scheute man in der Bundesrepublik die Mühe zum Aufbau
datenschutzgerechter Krankheitsregister und entspr. Erfassungssysteme,  wird jetzt
z. T. nachgeholt
- in der DDR war dies bei zentralistisch-dirigistischem Gesellschhaftssystem ohne
persönlichen Datenschutz einfacher, aber auch effektiver!
es gab in der DDR sehr gute Statistiken über Erkrankungen, wie Krebs, Tbc,
SIDS und NSIDS etc.
- Perinatalerhebungen:
- seit den 70er Jahren: Erfassung von Daten zur perinatalen Versorgung von Ngb. in
der BRD = Instrument zur freiwilligen Qualitätskontrolle von
Geburtseinrichtungen und neonatologischen Behandlungszentren
- Erfassungsraten von 90 % in fast allen Bundesländern
- am Ende jedes Jahres "Abrechnung": Zahl der Kaiserschnitte, perinatalen
Todesfälle etc.  eigene Einrichtung über- oder unterdurchschnittlich?
- Neonatalerhebungen: - analog zu den Perinatalerhebungen
- Erfassung von Infektionserkrankungen nach dem Bundesseuchengesetz:
= gesetzliche Meldepflicht für ausgewählte Infektionserkrankungen
- gemeldet werden je nach Krankheit: Verdacht, Erkrankung, Tod, Ausscheider
- Erfassungsrate aber < 100%  nur Trends ablesbar
- Statistiken zu Krankenhaus-Entlassungsdiagnosen:
- Diagnosen müssen bei Entlassung dokumentiert und verschlüsselt werden: ICD 10
- ist aber "lästige Pflicht"  Dokumentationen sind unvollständig und unexakt, meist
werden breite Diagnose-Kategorien "kreativ" genutzt
- daten daher epidemiologisch wenig geeignet
Prävention / Prophylaxe
- Unterscheidung: primäre, sekundäre, tertiäre
primäre Prävention: Verhinderung des Auftretens von Erkrankungen
Beispiele:
- medizinisch-genetische Beratung (Risikoberatung Schwangerschaftsvermeidung bei genetischem Risiko)
- Impfungen
- Rachitis-Prophylaxe: Vitamin-D-Tabletten ...
- Karies-Prophylaxe: Kombination von Vit. D + Fluorid, dann nur noch
Fluorid
- Vitamin-K-Prophylaxe: Ngb.
- Ernährungsberatung
sekundäre Prävention:
= Fortgang von Erkrankungen bei ersten Anzeichen verhindern
1. Erfassung nicht heilbarer, aber behandelbarer Erkrankungen noch vor Einsetzen
der ersten Symptome oder vor Einsetzen irreversibler Folgen
Beispiele:
Neugeborenenscreening = "Massenscreening":
- Blutuntersuchung bei allen Ngb. am 3. Leb.tag;
- empfohlen wird Screening auf:
 klassisch:
 Phenylketonurie = „PKU“: Defekt des Stoffwechsels von Phenylalanin
 Galaktosämie: Defekt des Milchzuckerstoffwechsels
 Biotinidase-Mangel: Defekt des Biotinstoffwechsels
 Schilddrüsenunterfunktion = Hypothyreose,
 adrenogenitales Syndrom = „AGS“: Defekt der Hormonsynthese in der
Nebenniere
 neu:  modernste Methode: Tandem-MS, > 30 Erkrankungen erfaßt!
- davon empfohlen für Screening:
 5 Störungen der Fettsäureoxidation und des Fettsäuretransportes
 3 Störungen des Aminosäurenstoffwechsels: z. B.
Ahornsirupkrankheit etc.
Hörscreening:
- seit November 2001 Bestandteil des Neugeborenenscreenings!
selektives (spezielles) Screening:
bei ersten Symptomen mit V. a. eine Stoffwechselerkrankung
z. B. bestimmte neurologische Auffälligkeiten  Urin auf Organo/Aminosäuren, Blutammoniak zum Ausschluß von
 Organoazidurien: Propionazid-, Methylmalonazidurie, AhornsirupKh. etc.
 Harnstoffzyklusstörungen: Ammoniak im Blut 
 Erfassung von Kindern mit Hypercholesterinämie durch
Familienanamnese in der Praxis!  Blutentnahme!
2. Erfassung heilbarer Erkrankungen in frühem Stadium noch vor Einsetzen
irreversibler Folgen
Beispiele:
Dia U-Untersuchungen
= weitere Arten des Massenscreenings:
 im Rahmen der Vorsorge-Untersuchungen U1 bis U10 + J1:
sonografisches Screening auf angeborene Hüftdysplasie,
Screening auf Hör- und Sehstörungen...
- Dystrophie, Minderwuchs etc.
- Blutdruckmessung,
- Ernährungsberatung in den Arztpraxen
 Gesundheitsberatung (Drogen, Sexualität), Ernährungsberatung und z. B. Aufklärung
über altersspezifische Unfallrisiken sind leider noch keine gesetzlichen
Pflichtleistungen der Krankenkassen
 im Kindesalter besteht jedoch gesetzlicher Anspruch (§ 20 SGB V) auf sekundäre
Prävention im Sinne der U-Untersuchungen und des Neugeborenenscreenings
Früherkennungsuntersuchungen - Geschichte, Akzeptanz:
- in der DDR als Mütterberatungen schon seit den 50er Jahren, verbunden mit
Pflichtimpfungen, Checkliste für Entwicklung + Erfassung von
Gesundheitsstörungen
- in der BRD seit den 70er Jahren
- Akzeptanz der Früherkennungsuntersuchungen:
deutlich besser als für alle Präventionsuntersuchungen im Erwachsenenalter,
im 1. Lebensjahr werden 90 % aller Säugl. vorgestellt
mit 6 Jahren sind es noch 70 - 80 %
- Effekt, Wirksamkeit:
Früherkennung screeningwürdiger Erkrankungen gelingt nicht lückenlos
z. B.: DDR - Maldeszensus testis in Checkliste vergessen
z. B. Hörstörungen: Hörgeräteanpassungen sollten ab 1. Lebensjahr,
spätestens 2. Lebensjahr erfolgen; - aber: Diagnosealter liegt bei 20
Monaten
- 1998: Einführung eines neuen Präventionstermins als
Jugendgesundheitsberatung J1: Drogen, Sexualität etc.
tertiäre Prävention: Verhinderung von Spätfolgen bereits eingetretener Erkrankungen
durch Therapie und engmaschige Überwachung chronischer, nicht heilbarer
Erkrankungen
Beispiele:
 Diabetes mellitus Typ I:
Verhinderung / Hinauszögerung von Nephropathie, Retinopathie,
Neuropathie, Verhinderung von Wachstumsstörungen
 Mukoviszidose:
in den vergangenen 15 Jahren wurde die Dauertherapie immer weiter
intensiviert und optimiert,
dies hat eine Lebensverlängerung dieser Patienten um fast 20 Jahre
erbracht (Lebenserwartung  von 15 auf 35 Jahre)
 Behandlung chronischer Erkrankungen wird eine zunehmend wichtigere Aufgabe
in der Pädiatrie
Aufgaben des Gesundheits-, Jugend- und Sozialamtes
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Gesundheitsbehörden
Gesundheitsämter
Jugendämter
Sozialämter
niedergelassene Ärzte
Freie Wohlfahrts- und Fürsorgeverbände
-
Gesundheitswesen und öffentliche Fürsorge bestehen auf der Basis der
Grundrechte entspr. Grundgesetz
Interaktion der Behörden und Verbände unter Wahrung des Datenschutzes
Aufgaben gesetzlich festgelegt:
Dia
Aufgaben der Gesundheitsämter
- Beobachtung, Registrierung und Bewertung der gesundheitlichen Verhältnisse
in der Bevölkerung und insbesondere der relevanten Umwelteinflüsse
- Gesundheitsaufklärung, -beratung und -erziehung, Öffentlichkeitsarbeit
- Förderung von Selbsthilfemaßnahmen der Bevölkerung
- Gesundheitshilfe und -beratung bei Behinderten, geistig und seelisch Kranken,
chronisch Kranken, alten Menschen, Suchtgefährdeten und Drogenabhängigen
-
-
-
-
-
Sozialhygiene: Beratung zur Familienplanung, Schwangerenberatung,
genetische Beratung, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Kinder- und
Jugendzahnpflege
Berufsaufsicht: Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, nichtärztliche Heilberufe,
Heilpraktiker
Hygienische Überwachung von Einrichtungen: Krankenhäuser, Kurwesen,
Apotheken, Betäubungsmittelwesen, Kinderkrippen, Schulen, Altenheime,
Bäder, Krankentransport, Rettungswachen, Blutspendeeinrichtungen,
Trinkwasserversorgung, Häfen, Flughäfen, Bestattungswesen etc.
Seuchenhygiene zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten
auf der Grundlage einschlägiger Gesetze (Bundesseuchengesetz,
Geschlechtskrankheitengesetz etc.)
Umwelthygiene: Umweltbezogener Gesundheitsschutz, umweltmedizinische
Beratung, Begutachtung von Bauplänen z. B. für Kindertageseinrichtungen,
Schulen etc.)
Amtsärztliche Untersuchungen: Bescheinigungen, Gutachten, gerichtsärztliche
und vertrauensärztliche Tätigkeit
Gesundheitsamt: Pflichten in Bezug auf Kinder und Jugendliche
- gesundheitliche Kontrolle aller Kinderkrippen, Kindergärten, Kinderhorte
- Überwachung von:
hygienischen Verhältnissen,
Gesundheitszeugnissen des Personals,
Maßnahmen gegen Ausbreitung von Infektionen
Kinder- und Jugendgesundheitsdienst
Aufgaben, Teilbereiche:
Schulärzte:
- haupt- oder nebenamtlich
- arbeiten im Kinder- und Jugendgesundheitsschutz
- Tätigkeit:
Einschulungsuntersuchungen: Beurteilg. d. Schulfähigkeit, körperliche,
intellektuelle, soziale und emotionale Entwicklung;
Bei Förderbedürftigkeit, Impflücken  Mitteilung an Hausarzt, Kinderarzt
(erhalten die Eltern)
Mütterberatungsstellen:
- nur in einigen Bundesländern
- Sprechstunde: Amtsarzt oder extra bestellter Arzt + Assistentin des
öffentlichen Gesundheitsdienstes mit speziellen Kenntnissen
Säuglingsernährung, -pflege, Hausbesuche
Schulzahnpflege:
- Förderung der Zahngesundheit von Kindern und Jgdl.
- Reihenuntersuchungen: frühe Erkennung von Zahnstellungsanomalien und
Kieferverformungen
- Kariesprophylaxe: Erläuterung der Zahnhygiene, „Zahnputzaktionen“,
Fluoridempfehlung
Beratungsstellen für Schwangere:
- Grundlage: Schwangerenberatungsgesetz
- Vorbereitung der Frauen auf die Entbindung und die mütterlichen Aufgaben
- Mittelpunkt: Angebote zur Hilfe, Erhaltung des ungeborenen Lebens
- Aufklärung über mögliche Gesundheitsschädigungen für das Kind: Alkohol,
Rauchen, Drogen, Medikamentenabusus
-
Lösung von Problemfällen:
z. B. verhaltensauffällige Jugendliche, Delinquenten

Zusammenarbeit mit
+ Sozialarbeitern des Allgemeinen Sozialdienstes
+ Jugendämtern
+ behandelnden Ärzten

Maßnahmen: z. B.
Hausbesuche,
Erstellung eines Hilfeplans:
Erziehungsbeistand,
sozialpädagogische Familienhilfe,
Einzelbetreuung,
Vollzeitpflege,
Amtspflegschaft,
Inobhutnahme etc.
-
staatliche Bekämpfung jugendgefährdender Risiken:
z. B. Alkohol, Rauchen, Drogen, Pornographie
Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe:
Jugendfreizeiteinrichtungen, Ferienlager, etc.
-
Bundeszentrale für Gesundheitlichen Verbraucherschutz (BzGS)
Rehabilitation
Definition:
- "Wiedererlangung" von Fähigkeiten
- bei Kindern aber mißverständlich: überhaupt erst Erlangen altersentsprechender
Fähigkeiten vonnöten
- laut Bundessozialhilfegesetz und Sozialgesetzbuch V:
Rehabilitation = Maßnahmen zur Wiedereingliederung im Zusammenhang
mit chronischer Krankheit bzw. Behinderung
- Rahmenbedingungen werden festgelegt durch insgesamt drei Gesetzeswerke:
Bundessozialhilfegesetz von 1961
Sozialgesetzbuch V von 1990
Schwerbehindertengesetz von 1989
- Störungen körperlicher Funktionen werden in drei Ebenen beschrieben:
1. Schädigung = Impairment
= physische Grundlage des Schadens
2. Unvermögen = Disability
= daraus resultierende Funktionsstörung
3. Behinderung = Handicap
= letztlich resultierende Störung des Alltagslebens und der sozialen
Integration
- Beispiel:
Frühgeborenes mit Hirnblutung

Substanzdefekt im Hirn = Schädigung = Impairment

Laufen ohne Hilfe nicht möglich = Unvermögen = Disability

später Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Wohnen im 5. Stock etc.
nicht oder erschwert möglich = Behinderung = Handicap

Rehabilitationsmöglichkeiten:
Schädigung = irreversibel
Unvermögen = graduell trainierbar
Behinderung = einer Rehabilitation oft am besten zugänglich; z. B.
Gehhilfen, Rollstuhl, Fahrstuhl, behindertengerechte öff. Fahrzeuge
- typische Beispiele für Behinderungen bei Kindern:
infantile Zerebralparese
Sprachentwicklungsstörungen
Sehbehinderungen
Hörstörungen
mentale Retardierung
- Rehabilitation = umfassende, individuell zugeschnittene Hilfe für das einzelne Kind
bestehend aus:
medizinischer Versorgung (ambulant, teilstationär, stationär)
Eingliederungshilfen: heilpädagogische Maßnahmen (Frühförderung),
Versorgung mit Prothesen,
angemessene Schulausbildung,
Vermittlung eines Ausbildungs- und eines Arbeitsplatzes
Behindertenhilfe
häusliche Pflege
Pflegegeld
Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten
- zur Eingliederung in den gesellschaftlichen Alltag wird ein Gesamtplan erstellt
- verantwortlich ist hierfür der Träger der Sozialhilfe
- Zusammenarbeit mit: dem Behinderten selbst,
dessen Familie,
behandelnden Ärzten (Kinderarzt, Orthopäde, Augenarzt,...),
Gesundheitsamt,
Jugendamt,
Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit
- der behandelnde Arzt ist verpflichtet, eine intensive Zusammenarbeit mit anderen
Fachgruppen und mit Elternselbsthilfegruppen zu suchen
- Integration erfordert geeignete pädagogische Maßnahmen
Beispiele für rehabilitationspflichtige Erkrankungsgruppen
infantile Zerebralparese
- Ursache: meist perinataler Hirnschaden durch Hypoxie bzw. Ischämie, Blutung
- Vorkommen: insbesondere bei ehemaligen Frühgeborenen
- Folge: Beeinträchtigung unterschiedlicher Hirnfunktionen
häufig motorische Störung als spastische Parese (Diplegie, Paraplegie)
mentale Retardierung
Hör-, Seh- und Sprachentwicklungsstörungen
Anfallsleiden
- Häufigkeit: bei Jungen 2,5 ‰
bei Mädchen 1,8 ‰
- Rehabilitation: häufige Mehrfachbehinderung erfordert
 Zusammenarbeit von
Ärzten, Krankengymnasten, Psychologen, Logopäden,
Sozialarbeitern und Pädagogen
 zusätzliche Einbeziehung der Eltern o. a. Pflegepersonen als
"Kotherapeuten" für häusliche Übungen
Einschränkungen des Sehvermögens
- Risikofaktoren:
 Frühgeburtlichkeit
 Hirnblutung
 perinatale Asphyxie
 Hydrozephalus
 pränatale Infektionen (z. B. Röteln)
 Refraktionsanomalien in der Familie (Myopie, Hyperopie,
Astigmatismus)
Entwicklung der Sehfunktion:
 zentralnervöse und periphere Nervenstrukturen
benötigen Reize in den ersten Lebenswochen
angeborene / perinatal erworbene
Augenschäden
 neurologische Entwicklungssequenz behindert
(z. B. "Fixationsaufnahme")

irreversible Sehstörungen
= Amblyopie
= nicht therapierbare Schwachsichtigkeit
Beispiel:
angeborene Katarakt
(= "grauer Star" = Linsentrübung)

Fixationsaufnahme (Entw.schritt des Gehirns)
bleibt aus

weitere neurologische Entw.schritte der Sehfunktion sind blockiert

Entfernung der Linse kommt jetzt zu spät

schwerste Amblyopie = Blindheit
(mit oder ohne trübe Linse)
 selektives Screening auf Sehstörungen:
so früh wie möglich
standardisierte augenärztliche Untersuchung
(u. U. noch im Ngb.-Alter)
spätere Rehabilitationsmaßnahmen für sehschwache Kinder (neben Brille):
 Sonderschulen für sehbehinderte Kinder oder
 Regelschulen mit besonderer Ausstattung + speziell ausgebildete
Pädagogen (Förderlehrer)
Einschränkungen des Hörens
- Ursachen: angeboren oder erworben
 Schallleitungsstörungen,
 Innenohrstörungen,
 zentrale Hörstörungen
- neurologische Entwicklungssequenzen:
nach der Geburt (= postnatal)
"Nachreifung" zentraler Hörbahnen

Entwicklung der Sprache
- Forderung für Diagnosezeitpunkt:
 im ersten Lebenshalbjahr!
- Rehabilitationsmaßnahmen:
 Anpassung von Hörgeräten im 4. - 6. Monat!,
 bei gestörtem Innenohr ( Sinneszellen der Hörschnecke = Cochlea):
Cochlea-Implantate vor Ende 2. Lebensjahr
- Realität bisher:
Vermutung eines Hörschadens:
mit 23 Lebensmonaten (durchschnittl.);
Bestätigung des Hörschadens:
mit 31 Lebensmonaten (durchschnittl.);
Hörgeräteanpassung:
mit 36 Lebensmonaten (durchschnittl.)
nur bei 1/3 der betroffenen Kinder rechtzeitige Diagnosestellung
- Ursache:
Anwendung von subjektiven Hörtests im ersten Lebensjahr,
z. B. Klatschen, Klingel, Quietsche-Entchen etc.,
= Tests mit geringer Sensitivität und Spezifität
 seit 1. November 2002:
Massenscreening aller Neugeborenen
in Mecklenburg-Vorpommern
Voraussetzung:
- sichere Testmethoden mit objektvierbarem Ergebnis
- Problem: Kinder nicht kooperativ
objektive Meßmethoden
1. TEOAE
2. BERA
zu 1. Was sind OAE und TEOAE?
- OAE = otoakustische Emissionen
- Weg der Schallenergie:
Mittelohr  Innenohr  Hörschnecke 
 Basilarmembran  Sinneszellen:
- bilden Schallwellen = Töne
- Sinn: Verstärkung einlaufender Schallwellen
- Registrierung mit empfindlichem Mikrofon möglich
Meßvorgang:
- Klicktöne mit verschied. Frequenzen ins Ohr
- Haarzellen reagieren mit Erzeugung neuer Töne:
= "transitorisch evozierte OAE" = TEOAE
zu 2. Was ist die BERA?
= brainstem electric response audiometry
= objektive Hörschwellenbestimmung durch Messung der elektrischen
Nervenimpulse;
- Schallenergie  Umwandlung
in Nervenimpulse in den Sinneszellen 
 Hörnerv 
 Hörbahn 
 auditorische Hirnrinde
Meßvorgang:
- Elektroden auf Stirn und Warzenfortsatz
- Klickton ins Ohr
- Registrierung typischer elektr. Wellen der o. g. Nervenbahnen
Ablauf des Screenings:
 Erstscreening für alle:
TEOAE am 2./3. Lebenstag (U2)
verantwortl.: Neonatologen, Hebammen, Krankenschwestern
 Bestätigungsuntersuchung für testauffällige Neugeborene (U3):
2. TEOAE + Ohrmikroskopie + Tympanometrie
verantwortl.: HNO-Arzt, Pädaudiologe
 abschließende Diagnostik:
BERA
verantwortl.: pädaudiologische Einrichtungen
selektives Screening:
- für alle vor dem 1.11.02 Geborenen
- für die nicht im Massenscreening erfaßten
- wann?:
bei Sprachentwicklungsstörungen
Ursache oft Paukenhöhlenerguß mit Schallleitungsstörung (reversibel)
- Vorgehen:
 primär Ausschluß einer Schallleitungsstörung;
- bei Nachweis eines Paukenhöhlenergusses
Therapie: SH-Abschwellung, Paukenröhrchen
 ansonsten BERA: Innenohr-Funktionsstörung?
- evtl. NMR: Innenohrfehlbildung?
 falls keine Hörstörung nachweisbar:
- geistige Entwicklungsstörung?
psychometrische Testmethoden:
Denver-Test, Griffith-Skala, modifiziert nach Flehmig,
Kaufmann-Assessment-Battery-Test,
Hamburg-Wechsler-Intelligenz-Test,
Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik, Frostig-Test
 bei Bestätigung einer mentalen Retardierung:
Suche nach Ursache:
- genetische, molekulargenetische, hormonelle und
Stoffwechseluntersuchungen
(hormonell: z. B. Ausschluß einer Schilddrüsenunterfunktion)

Rehabilitation:
Frühförderung je nach Behinderung (mental, akustisch, visuell, motorisch
etc.)
z. B. Logopädie, Ergotherapie
Betreuung des sozial gefährdeten Kindes und Jugendlichen
soziale Probleme in der Familie eines Kindes / Jugendlichen:
z. B. Vater = Alkoholiker, schlägt Mutter und Kinder etc.
oder: Eltern sehr leistungsorientiert und gefühlskalt  überfordern das Kind

psychische, soziale und gesundheitliche Entwicklung gefährdet

 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG):
 präventive und familienunterstützende Jugendhilfe
 Integration des Kindes in die Herkunftsfamilie hat Priorität, wird als schützensund erhaltenswert angesehen
 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 1666:
 bei Gefährdung des Kindeswohls  Maßnahmen zur Abwendung von
entwicklungsgefährdenden Risiken
 unterschiedliche Stufen des Entzuges elterlicher Rechte dem Kind gegenüber:
- Aufenthaltsbestimmungsrecht: Trennung des Kindes von der Familie,
viele andere Vormundschaftsrechte aber erhalten, z. B. Entscheidung über
medizinische Eingriffe!
- Sorgerecht: Entziehung der Personensorge insgesamt
nicht ehelich geborene Kinder:
gesetzliche Amtspflegschaft durch das Jugendamt  Wahrung der Rechte des
Kindes
z. B.: Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegenüber einem Elternteil
bei zusätzlichen sozialen Problemen, Minderjährigkeit der Mutter etc.:
Vormundschaftsgericht  Bestellung eines Vormundes
Fremdunterbringung von Kindern: Heim oder Pflegefamilie
1. Unterbringung in Pflegefamilie:
- Voraussetzung: Beratung der Herkunftsfamilie
- Vermittlung an Pflegefamilie sinnvoll für:
Waisen,
Kinder aus unvollständigen / zerstörten Familien,
gefährdete Kinder aus „Brennpunktfamilien“

Verbleib in Pflegefamilie:

 Hilfeplan,
 Begleitung und Beratung der Pflegefamilie,
 Sicherung der Rechtsstellung der Pflegeeltern  Ausübung ihrer Rechte
im Alltag des Kindes,
 Festlegung des Pflegegeldes


Frage: Änderung der häuslichen Verhältnisse in Herkunftsfamilie?
Ja: Rückkehr des Kindes möglich?
Nein: Verbleib in der Pflegefamilie?
unabhängig davon: Aufrechterhaltung des Kontaktes zu den leiblichen Eltern
 entsprechend Hilfeplan
Auswahl einer Pflegefamilie:
Prüfung durch Jugendamt

Voraussetzung für Erteilung einer Pflegeerlaubnis:
Erfüllung der Mindestanforderungen an die sittliche, gesundheitliche,
wirtschaftliche Eignung
Pflegearten:
 Tagespflege oder
 Vollzeitpflege
Adoption:
= „Annahme an Kindesstatt“
für Kinder ohne Familie die beste Dauerlösung
Eingliederung gelingt um so besser, je jünger das Kind ist

daher möglichst Adoption im Neugeborenen-/ Säuglingsalter!
allerdings sind Rechte der leiblichen Mutter zu beachten:
Diese kann frühestens 8 Wochen nach der Geburt des Kindes ihre rechtlich
verbindliche Einwilligung zur Adoption geben
Ausnahme: Sie vernachlässigt ihr Kind in anhaltend grober Weise
 Vormundschaftsgericht entscheidet früher
Auswahl der Adoptiveltern:
- durch zentrale Adoptionsstellen
- können bereits Kinder haben
- Altersunterschied zw. Eltern und Kind nicht zu groß / klein! 
natürliches Eltern-Kind-Verhältnis soll gewährleistet sein
2. Unterbringung in Heim:
möglichst in Heimen mit „Familienatmosphäre“
z. B. durch Bildung von Familiengruppen:
 max. 8 bis 10 Kinder pro Gruppe,
 unterschiedliches Geschlecht + Alter,
  nur ein Betreuer als Bezugsperson = „Vater / Mutter / Eltern“
Verwahrloste Minderjährige:
Aufgabe der Jugendhilfe

Einrichtung einer „Hilfe zur Erziehung“ für die Eltern;
= auf Antrag der Eltern oder mit Billigung der Eltern
geschlossene Fürsorge:
heilpädagogische
Kinderheime betreute
Wohnformen Tagesgruppen
offene Fürsorge:
Kind wird in seinem sozialen Milieu
belassen;

„nachgehende Fürsorge“:
Hausbesuche,
Betreuungshilfen,
sozialpädagogische Familienhilfen
Kindesmißhandlung, Vernachlässigung und sexueller Mißbrauch
 2 % aller stationär aufgenommenen Kinder weisen bei standardisierter, gezielter
Untersuchung verdächtige Symptome auf
(Daten aus Kinderkliniken in München und Freiburg)
- Angaben zu Inzidenz und Prävalenz in der Bevölkerung fehlen jedoch
Formen der Gewalt gegen Kinder:
 seelische Vernachlässigung
 seelische Mißhandlung
 körperliche Vernachlässigung
 körperliche Mißhandlung
 sexuelle Gewalt (sexueller Übergriff, sexueller Mißbrauch)
 fließende Übergänge
seelische Vernachlässigung
= passive Einwirkung
Vernachlässigung = „Deprivation“
= Folge von Mangel an Zuwendung, Anregung und Schutz
Ursachen:
- Heimunterbringung mit unqualifizierter, fehlender oder rasch
wechselnder Betreuung
 „seelischer Hospitalismus“
- innerfamiliär: fehlende Liebe für ungewolltes Kind, emotionale
Stumpfheit der Mutter
Folgen:
- Retardierung: geistig, vor allem sprachlich; körperlich
seelische Mißhandlung
= aktive Einwirkung
- Fehlhaltung der Eltern:
Ablehnung des Kindes,
übertriebener Ehrgeiz,
Projektionen eigener Wünsche / versagter Lebenschancen auf das
Kind

- emotionale Mißhandlung durch Eltern:
- fehlende Geborgenheit
- ständige Demütigungen
- Einsperren
- Isolation von anderen Menschen
- Nachweis solcher Mißstände ist schwer
- mögliche Hinweise:
 psychomotorische Entwicklungsverzögerungen,
 auf unerklärliche Verhaltensstörungen achtgeben!
 Schulkinder: Nachlassen im Lernverhalten, Einbruch der Schulleistungen

körperliche Züchtigung

Kind versagt jetzt erst recht
= „Circulus viciosus“
körperliche Vernachlässigung:
= passive Einwirkung
Ursachen:
- meist im unterprivilegierten Milieu
- soziale Isolierung der Familie
- mangelnde Fähigkeit zur Krisenbewältigung
- elterliche Inkompetenz
Folgen:
- unzureichende Ernährung
- mangelnde körperliche Pflege

schlechtes Gedeihen  Dystrophie
häufige akute Erkrankungen (Diarrhoe etc.)
retardierte Entwicklung
körperliche Mißhandlung:
= aktive Einwirkung
= „battered child syndrome“ = Syndrom des geschlagenen Kindes
dringender Verdacht auf Kindesmißhandlung bei:
 multiplen Hämatomen an ungewöhnlichen Körperpartien
 Rö: Frakturen unterschiedlichen Alters
 unglaubwürdigen oder auffällig verharmlosenden Angaben der Eltern zur
Verletzungsursache
Vorgehensweise:
- eingehende Anamnese:
Entstehung der Verletzung
familiäre Verhältnisse
soziales Umfeld
- klinische Untersuchung des vollständig entkleideten Kindes,
evtl. subtile Inspektion der Anogenitalregion
Suche nach Frakturen, z. B. Prüfung des Schädels auf Crepitation
- Dokumentation!
 schriftliche Dokumentation
 fotographische Dokumentation der Verletzungen!
am besten Videofilm
- augenärztliche Untersuchung:
Suche nach retinalen Blutungen als Folge eines Schädeltraumas
- Röntgen:
Frakturen?
Frakturen unterschiedlichen Heilungsgrades?
verdächtige Befunde:
klinisch:
- ungewöhnliche Verletzungen am Schädel, im Gesicht, an den Augen
- Biß-, Kratz- oder Brandwunden am Rumpf, v. a. Gesäß
- striemenförmige Hautläsionen
- Strangulationsmarken in der Halsgegend
röntgenologisch:
- subperiostale Blutungen (alt) = Blutungen unter der Knochenhaut
- metaphysäre Absprengungen der Extremitätenknochen
- Rippenfrakturen
- Schädelimpressionsfrakturen  Computertomografie!
Allgemeinzustand (AZ):
- verwahrlost?  oft nicht!!
- schlechter Pflegezustand = Indiz
- Teilnahmslosigkeit, Apathie = Indizien
Verhalten:
- verschüchtert, verängstigt?  oft nicht
- oft überangepaßt, freundlich, distanzlos!
Todesursachen mißhandelter Kinder:
- meist Hirnblututngen nach Schädelhirntrauma
 Schütteltrauma beim Säugling:
 Abriss der Brückenvenen
 Subarachnoidalblutung  Bewußtseinsstörung,
zerebrale Krämpfe;
 intrazerebrale Blutungen: am Augenhintergrund
Blutungen sichtbar!
 Verletzung der Halswirbelsäule
 Folgen: Blindheit, bleibende Hirnschäden
Epidemiologie:
Häufigkeit von Vernachlässigung und Mißhandlung
mit hoher Dunkelziffer belastet,
Schätzung: gemeldete Fälle  tatsächlicher Häufigkeit = 1  10 - 20
Todesfälle durch Kindesmißhandlung:
relativ sichere Zahlen, da kaum unerkannte Fälle,
pro Jahr etwa 600 Kinder in Deutschland, die durch Mißhandlung sterben
ärztliches Handeln bei Verdacht auf Kindesmißhandlung:
- bei Zweifel: evtl. Hinzuziehung eines Gerichtsmediziners
- Meldung bei:
Jugendamt
Sozialpädiatrischem Dienst
Erziehungshilfe
- bei relativ sicherer Situation: Anzeige bei der Polizei
-
Erwägung von entlastenden Differentialdiagnosen!
Beispiele:
Hirnblutung  Menkes-Syndrom, Glutarazidurie Typ I
häufige Frakturen  Osteogenesis imperfecta, Morbus Gaucher
komatöse Zustände  Harnstoffzyklusstörungen, Organoazidurien
Konsequenzen von staatlicher Seite (+ privater Organisationen + freiwilliger Helfer):
„Hilfe statt Strafe“:
- je nach Straftatbestand / -situation muß primär versucht werden, die Familie
zu therapieren und intakt zu lassen
- dies ist in den meisten Fällen erfolgreicher als die Abstrafung des Täters und
die Zerstörung der Familie
-
Maßnahmen:
 komplexe kinderärztliche, psychologische, pädagogische und soziale
Betreuung;
Ziel: Behandlung der Konflikte, Beeinflussung des Fehlverhaltens,
Vorbeugung von Wiederholung und Eskalation der Kindesmißhandlung
 in Fällen schwerer Kriminalität, wiederholter Mißhandlung, Gefahr für das
kindliche Leben: Sorgerechtsentzug, Inobhutnahme durch die Behörden;
strafrechtliche Verfolgung des vermutlichen Täters / Täterin
 Meldung oder Anzeige durch behandelnde Ärzte unterbleiben oft!
Gründe:
 Furcht, das schlechte Eltern-Kind-Verhältnis weiter zu belasten und das Kind
noch mehr zu gefährden,
 oder Bedenken, den Eltern Unrecht zu tun,
 bzw. einen bestehenden Verdacht nicht erhärten zu können
Folge:
Es ändert sich gar nichts, notwendige Hilfe unterbleibt
Sexueller Mißbrauch:
= sexuelle Handlungen an Kindern, die der sexuellen Befriedigung von
Erwachsenen oder Jugendlichen dienen;
Beeinflussung von Kindern, sexuelle Handlungen an Erwachsenen
vorzunehmen
Mißbrauch liegt deshalb vor, weil:
- die Handlungen können in ihrem Bedeutungsumfang nicht von den Kindern
erkannt werden
- Kinder können nicht durch eigene Entscheidung einwilligen
- Erwachsene spielen ihre Macht gegenüber den ohnmächtigen Kindern aus
- das oft von den Kindern ausgehende grenzenlose Vertrauen und ihre
Liebesbereitschaft werden ausgenutzt
-
-
90 % der Fälle = Mädchen
Täter und Kind kennen sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
z. B. Vater, Stiefvater, Bruder ...!
oder Bekannter
Kinder werden zum Verschweigen der sexuellen Handlungen unter Straf- oder
Tötungsandrohung verpflichtet
nahestehende Bezugspersonen (Mutter etc.) wissen von den Beziehungen oft
und tolerieren diese;
Grund: eigene Unsicherheit, eigene Probleme, Abhängigkeit vom Täter
Klinische Befunde:
- Genitalverletzungen
- Analverletzungen
- orale Wunden
Spurensicherung durch untersuchenden Arzt:
- Nachweis von Sperma noch nach 12 Stunden möglich
z. B. Abstriche aus Vulva:
 Nachweis von Spermien (nach Stunden),
 alkalischer Phosphatase (nach Tagen)
 molekulargenetisch (nach Wochen)
- Fotodokumentation
Gesundheitliche Folgen für die Kinder
körperlich:
- Chlamydieninfektion  persistierender vaginaler Ausfluß bei Mädchen
- nässende Ekzeme, Wunden genital oder anal bei Jungen
- Übertragung von Hepatitis, AIDS etc. möglich
psychisch (oft erst nach Jahren offenkundig):
- Persönlichkeitsstörungen, vorübergehend oder bleibend
- Identitätskrisen
- Probleme bei der Partnersuche
- Suizide
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