Motivationswissenschaft - Wir sind gescheiter als unser Gehirn Forscher zeigen uns mit feinen Messemethoden, dass der Ärgermuskel längst aktiviert ist, bevor wir uns ärgern, der Lachmuskel tätig ist bevor, wir uns dem herrlichen Gefühl des herzhaften Lachens hingeben können. In den tieferen Schichten unseres Gehirns sind alle unsere Gedanken und Gefühle bereits vorbereitet, gleich einer Melodie, die eine Pianistin durch das Drücken der Tasten dem Konzertflügel entlockt. Gedanken und Gefühle können wir wie ein Klangerlebnis verstehen. Es ist mehr als das Drücken oder nicht Drücken der Tasten eines Konzertflügels, mehr als der Resonanzkörper des Klaviers, mehr als das Tempo und die Kraft des Drucks – das Phänomen des Klangerlebnisses ist mehr als die Summe der einzelnen Teile. So sind auch Gedanken und Gefühle mehr als das Reizen eines Hirnzentrums. Und doch, wenn ein neuronales Erregungsmuster aktiviert wird (ähnlich wie das Drücken der Klaviertasten…) entstehen Gedanken und Gefühle (ähnlich einer Melodie, die im Konzertflügel erklingt…). Wenn es also gelingt, verschiedene Zentren im Gehirn zu reizen, so reagiert der Körper in einer ganz bestimmten Weise und es entstehen ganz bestimmte Gefühle und Gedanken. Wir kennen sechs Emotionen, die allen Menschen gemeinsam sind. Es sind dies Körperreaktionen der Freude, Trauer, Wut, Überraschung, Angst und Abscheu und die dazupassenden Gedanken und Gefühle. Ist eine dieser Körperreaktionen aktiviert, so beeinflusst sie entsprechend Wahrnehmungen und daraus folgende Gedanken und Gefühle. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass alleine durch das Festhalten eines Bleistiftes zwischen den Zähnen der Lachmuskel aktiviert wird. Dieser Lachmuskel führt scheinbar zu einem neuronalen Erregungsmuster der Freude im Gehirn. Versuchspersonen in diesem biochemischen Zustand nehmen dargebotene Bilder signifikant positiver wahr als Personen, die keinen Bleistift zwischen den Zähnen halten. Stimmungen anderer Menschen beeinflussen unsere Gedanken und Gefühle(1): Auch das Betrachten anderer Personen führt zu ganz bestimmten neuronalen Erregungsmustern im Gehirn. Man hat Versuchspersonen gebeten dargebotene Bilder von Gesichtern zu betrachten. Die Photos zeigten Menschen mit neutralem Gesichtsausdruck. Die BetrachterInnen wurden gebeten, auch selbst einen neutralen Gesichtsausdruck zu behalten. Es wurden bei diesem Versuch die Lach- und Ärgermuskel der BetrachterInnen gemessen. Dargeboten wurden, für die BetrachterInnen bewusst wahrnehmbar, neutrale Gesichter. Unter der Wahrnehmungsschwelle (subliminal) aber wurden immer wieder Bilder von Gesichtern dargeboten, die entweder wütende Gesichter oder lachende Gesichter zeigten. Jedes Mal, wenn ein Lach- oder Ärgerbild gezeigt wurde, zeigte auch der Lach- oder Ärgermuskel der BetrachterInnen Aktivität. Man kann davon ausgehen, dass Emotionen der Menschen, mit denen wir uns umgeben, in uns neuronale Erregungsmuster aktivieren, die auf unsere innere Bilderwelt und unsere Stimmungen Einfluss haben. Gespeicherte innere Bilder und Botenstoffe erzeugen Gedanken und Gefühle (2, 5): Das Gehirn ist nicht so gescheit. Es kann z. B. nicht zwischen seelischem und körperlichem Schmerz unterscheiden. Wir haben dafür das selbe Schmerzentrum und dessen Botenstoffe zur Verfügung. Erleidet jemand einen schmerzlichen zwischenmenschlichen Verlust, so fühlt sich der Schmerzen gleich an, wie nach einer körperlichen Verletzung. Das Gehirn hat keine unterschiedlichen Möglichkeit dem Verstand seinen Zustand zu melden. Sichtbar werden diese Erlebniswelten z. B. bei Scheidungen, wo zwischenmenschliche Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht und vernichtet werden. Enttäuschte Partner erleben diese Schmerzen wie einen heftigen „Schlag in die Magengrube“ und zeigen gleiche neuronale Erregungsmuster und Botenstoffausschüttungen. Diese Menschen zeigen biochemische Stressreaktionen, die sie auch für Krankheiten anfällig machen. So geschieht es auch beim Betrachten einer traurigen und schmerzvollen Geschichte oder eines schmerzvollen Films oder etwa Horrorfilms. Unsere Gedanken und Gefühle sind von einer düsteren Wolke der Trauer oder der Angst umgeben. Analoges gilt für gesunde Emotionen. Wird in Gesellschaft oder bei einem Film herzhaft gelacht, so sind auch die Gedanken und Gefühle der Betroffenen heiter und stärken das Immunsystem. Starke Angst kann den Körper in einen Schockzustand führen. Zum besseren Verständnis dafür betrachten wir den biochemischen Zustand eines Bungy Jumpers. Wenn ein Bungy Jumper vor dem Abgrund steht, so geht sein Emotionshirn beim Absprung davon aus, dass der Körper bald am Boden aufschlägt und tot ist. Der Verstand kann das Emotionshirn nicht beruhigen. Das Gehirn schüttet alle ihm zur Verfügung stehenden körpereigenen Opioide aus und aktiviert die Dopamin-Achse mit allen ihr zur Verfügung stehenden Botenstoffen. Das führt zu einem Schockzustand, der das Sterben erleichtern soll. Jetzt fängt der Gummi die Person auf, und sie hat überlebt. Der Körper ist voll gepumpt mit körpereigenen „Beruhigungsmitteln sowie Lach- und Antriebsmitteln“. Es dauert eine ganze Weile, bis all diese Botenstoffe wieder abgepumpt werden oder sich verbrauchen. Der weitere Tag fühlt sich angetrieben, belämmert und benommen an. Der Zustand wird von Betroffenen oft „geil“ oder als „Kick“ beschrieben. Nicht Bungy Jumpern will man glaubhaft machen, dass man sich dabei besser fühle als im normalen Leben. Diese Empfehlung ist ähnlich zu verstehen, wie: „...ich erfriere so gerne, weil es sich so beruhigend anfühlt.“ Auch erfrierende Menschen werden mit körpereigenen Botenstoffen in den Schockzustand versetzt. Es ist schwer zu verstehen, warum das ein „Kick“ sein soll. Von machen Menschen wird dieser Schockmechanismus, der von Natur aus Leben retten soll, als „Aufpeitscher“ missbraucht. „Ich schlage mir den Kopf auf, damit es mir besser geht! Nun ja, jedem sein Glück? Wünschen wir den Menschen, dass sie sich nicht für die Botenstoffausschüttung um den Tag „positiv“ erleben zu können, scheinbar zu Tode stürzen müssen. Das wäre doch ziemlich anstrengend und der Stoffwechsel hätte ständig den Schockzustand zu bewältigen, was den Körper tatsächlich bald zu Tode bringen würde. Nein, so sollten Menschen ihr „Glück“ nicht anlegen. Eine andere Frage mutet weit spannender an. Wie gelingt es Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen eine Basis zu schaffen, die ihre Talente und Fähigkeiten zum Blühen bringt? Das Wissen um das Motivationszentrum hilft im Umgang mit dieser Frage. Im Motivationszentrum befinden sich drei Achsen, deren Aktivierung für alltägliche Handlungen und Entscheidungen zuständig ist. Diese Achsen können willentlich, wie Tasten eines Konzertflügels aktiviert werden. (3) Bei der ersten Achse handelt es sich um die Dopamin-Achse. Immer, wenn zwischenmenschliche Anerkennung für uns in Aussicht steht, wird die Dopamin-Achse aktiviert und der Botenstoff Dopamin in unserem Gehirn ausgeschüttet. Wird die Leistung einer Person gesehen und geachtet, so wird der Botenstoff Dopamin freigesetzt. Dopamin kann man sich wie die Lokomotive einer Eisenbahn vorstellen. Mit der Freisetzung des Botenstoffs Dopamin im Organismus wird alltägliche Handlungsbereitschaft und Bewegungsfähigkeit aktiviert. Die Opioid-Achse wird aktiviert, wenn für uns Trost und Sicherheit in Aussicht steht. Tröstet die Ärztin bei einer schweren Krankheit oder ermutigt die Lehrerperson bei Misserfolg und vermittelt: „....das bekommen wir schon in den Griff….es wird alles wieder gut...“ so werden im Betroffenen körpereigene Opioide ausgeschüttet. Endogene Opioide haben eine sanfte und wohltuende Wirkung auf das Emotionszentrum des Gehirns. Sie haben positive Effekte auf das Ich-Gefühl und auf die Lebensfreude und motivieren zu alltäglicher Handlungsbereitschaft. Die dritte Achse ist die Oxytocin-Achse, die beim Erleben von Sympathie oder Zärtlichkeit ihren Botenstoff ausschüttet. Mit der Freisetzung von Oxytocin gelingt Lernen und Problemlösung signifikant besser und das Vertrauen zum Mitmenschen intensiviert sich. Verliebte lernen und lösen Probleme signifikant besser, als andere. Verantwortlich dafür ist Oxytocin. Auch Zärtlichkeit und Sympathie aktivieren dieses Hormon. Motiviert ist man, wenn zwischenmenschliche Anerkennung Zugehörigkeit Sicherheit vorhanden sind. Erwachsene haben die Möglichkeit diese Gefühlszustände in sich zu erkennen und zu trainieren. Ein tiefenpsychologisches Motivationstraining kann diese Fähigkeit schulen. Eingeschult wird dabei in eine Form „Gedankenhygiene“, die man zum persönlichen Alltag werden lassen kann. Selbstverständlich sind in unserer Gesellschaft körperhygienische Maßnahmen geworden wie z.B. das Zähneputzen. Wir bringen das unseren Kindern von klein an bei. Ähnlich, wie dafür Techniken und Hilfsmittel entwickelt wurden: Zahnpaste, Zahnbürste, kreisende Bewegungen, elektrische Zahnbürsten, Aromen in Zahnpasten für Kinder uvm, können wir Techniken und Hilfsmittel entwickeln und erlernen um Gedankenhygiene selbst zu betreiben und auch unseren Kindern zu vermitteln. Damit versetzten wir uns und unsere Kinder in die Lage besser emotionale Unterschiede erkennen zu können und sie auch ein Stück weit steuern zu können. Ähnlich wie Eskimos viele unterschiedliche Formen von Schnee beschreiben können oder Seismographen die „Sprache“ von Vulkanen verstehen lernen, kann man emotionale Zustände bei sich und anderen besser verstehen lernen. Gleichzeitig können damit eigene Stimmungen besser gesteuert werden und die Basis für alltägliche Handlungsbereitschaft für uns selbst und unsere Kinder und Jugendlichen entwicklungs- und gesundheitsfördernd gestaltet werden. Wirtschaftliche Notwendigkeiten zwingen Eltern vermehrt in die Arbeitswelt und es werden alternative Entwicklungsbedingen für Kinder und Jugendlichen immer notwendiger. Kinder brauchen erwachsene Bezugspersonen, die ihre neuronale Bilderwelt gestalten. Kinder können noch nicht bestimmte innere Prozesse wachrufen, die ihnen Anerkennung, Zugehörigkeit und Sicherheit vermitteln können. Die dafür notwendigen Hirnstrukturen entwickeln sich erst in der späten Jugend. Sie lernen aber von Erwachsenen durch Assimilation. Sie lernen so ihre Emotionen zu kontrollieren und schädliche Folgen abzuwenden. Sie brauchen dafür Bezugspersonen, die Gefühle durch Gestik, Mimik und Prosodie (Wortakzent, Silbenbetonung oder Satzmelodie) auf differenzierte Weise ausdrücken können. Inneren Qualitäten einer Person beeinflussen das Leben der Menschen, die ihr nahe stehen enorm. Das gilt sowohl für den positiven Einfluss von Weisheit und Mitgefühl als auch leider für Gewalt und den Mangel an Liebe und Güte. Gandhis Forderung: “Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen“ gilt für Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen noch mehr als für alle anderen (4). Die Erfahrung zeigt, dass in jeder Schulklasse in etwa ein Drittel der Kinder Eltern haben, die regelmäßig am Schulalltag der Kinder teilnehmen. Es gibt auch an jeder Schule sozial engagierte Lehrpersonen, die sich für das Wohl der Kinder und Jugendlichen einsetzten. Diese Personen eignen sich besonders als Mentoren für Kinder und Jugendliche. Sie können für Kinder und Jugendliche eine Umgebung gestalten, die den Geist besänftigt und beruhigt, statt Emotionen durch Lärm, Gewalt im Fernsehen, Videospiele und Suchtverhalten immer wieder hochzupuschen. Sie können Leuten enorm dabei helfen den Boden für weitere emotionale Kontrolle und Ausgeglichenheit zu bereiten, wenn sie älter werden. Dr. Ursula Grohs, Klinische Psychologin, Individualpsychologische Kinderanalytikerin Für den Info_Kasten: Literatur: 1. Bauer J.: Warum ich fühle was Du fühlst: Joachim Bauer 2. damasio: der Spinozza Effekt 3. Prinzip Menschlichkeit 4. Singer W.& Ricard Matthieu. Hirnforschung und Meditation. Ein Dialog. Suhrkampp Verlag Frankfurt am Main. 2008V 5. Hüther G.: Die Macht der inneren Bilder Motivationsmeetings für potentielle Mentoren für Kinder und Jugendliche: Förderung der Differenzierungsfähigkeit emotionaler Zustände und die Vermittelbarkeit von Emotionen. www.motivationswissenschaft.com Tel.: 0316/ 388 744