In der eigenen Sprache bleiben Regisseur Stephan Weiland über die Theaterproduktion "Warum trägt John Lennon einen Rock?", die er im Theater im Marienbad in Freiburg inszeniert. 1. 2. Stephan Weiland inszenierte „Warum trägt John Lennon einen Rock?“ für das Theater im Marienbad. Foto: kunz Der Kulturaustausch ist dem Berliner Regisseur Stephan Weiland wichtig. 2007 inszenierte er für das Freiburger Theater im Marienbad ein Klassenzimmerstück von Claire Dowie, drei Jahre später kam auf Einladung des Theaters Minicult eine russische Version dazu. Das Theater im Marienbad veranstaltet am 7. und 8. Mai Aufführungen von "Warum trägt John Lennon einen Rock?" mit den Schauspielerinnen Nadine Werner und Olga Kobez und eine Diskussion. Annette Hoffmann sprach mit dem Regisseur über die Produktion. BZ: Herr Weiland, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Theater Minicult? Stephan Weiland: Anlässlich des Kinder- und Jugendtheatertreffens in Stuttgart 2008 haben wir die Inszenierung "Warum trägt John Lennon einen Rock?" gezeigt. Olga Kalaschnikowa war dort, sie ist Schauspielerin und war damals für internationale Kontakte am Rostower Jugendtheater Roamt zuständig. Sie meinte, dass wir das Stück unbedingt in Russland zeigen müssten, weil sie das Thema für junge russische Frauen spannend fand, und ihr die Form des Klassenzimmertheaters für Russland neu und wichtig erschien. Es hat dann noch eine Weile gedauert bis die Gastregie möglich wurde. BZ: Einfacher wäre es doch gewesen, die Inszenierung zu untertiteln. Weiland: Es ging uns darum, das Theaterstück dort zu inszenieren und auch zu spielen. Die Schauspielerin Julia Kobez ist damit mittlerweile in verschiedenen russischen Städten und auf internationalen Festivals aufgetreten. In Rostow hat Olga Kalaschnikowa mit Maria Shaporeva das Theater Minicult gegründet, das außergewöhnliche Projekte macht. Dafür lädt sie häufig ausländische Regisseure ein. BZ: Was ist das für ein Theater? Weiland: Minicult inszeniert Stücke für junge Leute, es geht in Schulen, Restaurants, Bars und Galerien. Aus der Not, kein eigenes Haus zu haben, macht es eine Tugend. BZ: Wie haben Sie die Sprachbarriere überbrückt? Weiland: Ich hatte Dolmetscherinnen. Wie bei der Inszenierung "Simurghs letzte Feder", bei der ich mit deutschen und iranischen Schauspielern gearbeitet habe, wollte ich nicht auf Englisch Regie führen. Im Sprechtheater muss jeder bei seiner eigenen Sprache bleiben. BZ: Sie sagten, Olga Kalaschnikowa fand das Stück wichtig für russische Frauen, es thematisiert die Auseinandersetzung mit Weiblichkeit. Was war ihr Eindruck von den jungen Frauen in Russland? Weiland: Der gesellschaftliche Umbruch hat mittlerweile den Alltag erreicht. Das bedeutet für junge Frauen in Russland, sich äußerlich sehr auszustellen. Als westlicher Besucher ist man da des Öfteren irritiert. Frauen, die nicht diesem Schönheitsideal entsprechen oder sich ihm nicht unterwerfen wollen, haben sehr zu kämpfen. Zuerst habe ich mich gewundert, dass Olga Kalaschnikowa ein solches Stück zeigen wollte, das eng mit der Emanzipationsbewegung der 1970er und ’80er Jahre verbunden ist, aber tatsächlich ist das Thema ständig präsent. BZ: Die Autorin Claire Dowie bezeichnet sich selbst als lesbisch oder bisexuell. War die sexuelle Orientierung ein Thema in Gesprächen nach den Aufführungen? Weiland: Das ist unter den Jugendlichen in Russland ebenso sehr oder ebenso wenig ein Thema wie bei uns. Aber ich bin gespannt, was die russischen Kollegen berichten werden, da Homosexualität mittlerweile als Antithema politisiert wurde. Der Autorin geht es jedoch nicht um ein Plädoyer für Homo- oder Bisexualität, sondern sie beschreibt, wie eine junge Frau im Kreis von Schwulen sich nicht mehr als Objekt von Wünschen und Forderungen fühlt. Sie geht dann eine Beziehung zu einem Mann ein und in dem Moment, in dem sie denkt, alle weiblichen Klischees überwunden zu haben, muss sie sich der Frage stellen, ob sie Mutter werden will. BZ: Inzwischen hat sich einiges in Russland getan. Gerade die Frauen demonstrieren mit viel Energie und mit ihrer Weiblichkeit gegen Putin. Man muss nur an Pussy Riot oder an den Auftritt von Femen auf der Messe in Hannover denken. Weiland: Das gab es damals nicht. Rostow ist auch nicht mit Moskau zu vergleichen. Man kann über die Bedeutung dieser Aktionen debattieren . Die Frauen wählen ein auffälliges Mittel, um hinzuweisen, in welch patriarchalischer Gesellschaft sie leben. Der Verfolgungswahn und der Druck, der daraufhin einsetzte, beschreibt dies ebenso. Es gibt in Russland auch sehr viele ethnische Konflikte, in denen das Geschlechterverhältnis eine große Rolle spielt. Es gehört aber zu den Erfahrungen eines solchen Kulturaustauschprojektes, dass man nicht den tiefsten Einblick in die Gesellschaft bekommt. Man kann nicht hingehen und denken: Jetzt habe ich alles kapiert.