v.Stechow 1. Ausdruck 13.05.2016 Plural ........................................................................................................................................ 1 1.1. Literatur ............................................................................................................................ 1 1.2. Modell mit Extensionen ................................................................................................... 2 1.2.1. Aufgaben .................................................................................................................. 5 1.3. Mereologische Begriffe .................................................................................................... 6 1.4. Sternprädikate, Pluraloperatormorphem .......................................................................... 8 1.5. Kollektivität, Distributivität, intermediäre Lesarten ...................................................... 11 1.5.1. Aufgaben ................................................................................................................ 15 1.6. Relationale Plurale ......................................................................................................... 16 1.7. Mehrstellige Kumulierung ............................................................................................. 18 1.8. Beschränkungen von Pluralrelationen durch Kontextvariablen ..................................... 19 1.9. Semantische Pluralisierung von VPs ist unverzichtbar! ................................................ 26 1.10. Komplexe Plural-VPs und Lokalität .......................................................................... 31 1.11. Reziprozität ................................................................................................................ 33 1.11.1. Starke und schwache Lesarten ............................................................................... 33 1.11.2. Starke Reziprozität nach (Heim et al., 1991b) ....................................................... 34 1.11.3. Das Auflösungsproblem ......................................................................................... 40 1.11.4. Schwache Reziprozität ........................................................................................... 42 1.12. „Verschiedene“ und „anders“ ..................................................................................... 47 1.13. Plurale Prädikation ..................................................................................................... 51 1.13.1. Aufgaben ................................................................................................................ 52 1.14. Literatur ...................................................................................................................... 55 1. PLURAL Vorsicht. Dies ist ein im Werden begriffenen Skript. Es ändert sich jede Woche, enthält viele Fehler und dient alleine der Kontrolle des Unterrichts. 1.1. Literatur Einige der folgenden Arbeiten von Beck sind als downloads auf der Homepage verfügbar: (Beck, 1999a, Beck, 1999b, Beck, 2000a, Beck, 2000b, Beck, 2000c, Beck and Sauerland, 2000, Beck and Sharvit, 2002). Relevant sind hier auch (Carlson, 1987), (Dalrymple et al., 1998). Die folgenden beiden Arbeiten sind Klassiker zur Analyse der Reziprokpronomina (Heim et al., 1991b), (Heim et al., 1991a). Das folgende Skript übernimmt sehr viel aus dem unveröffentlichten Vorlesungsmanuskript (Heim, 1994), insbesondere den radikalen mereologischen Ansatz. In technischen Einzelheiten unterscheidet sich unsere Ontologie ein wenig von der bei Heim. Die Formulierung der Axiome, welche den Individuenbereich mereologisch strukturieren gehen auf eine Diskussion mit U. Friedrichsdorf zurück. Der Sache nach sind sie in (Lewis, 1991) vorhanden. (Langendoen, 1978) ist ein Klassiker für den relationalen Plural; hier ist klar erkannt, dass Relationen zwischen pluralen Argumenten nicht auf den Singular + QR zurückgeführt werden 1 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 können. Viele wichtige Beispiele für den relationalen Plural gehen auf (Scha, 1981) zurück. (Krifka, 1989). (Schwarzschild, 1996) hat in den letzten Jahren wie kaum ein anderer die linguistische Semantik des Plurals beeinflusst. Die Auseinandersetzung mit (Landman, 1989a, Landman, 1989b) ist ein entscheidender Durchbruch in Richtung einer mereologischen Ontologie und gegen ein Mengenuniversum für die natürliche Sprache. (Landman, 1996) enthält eine Antwort auf Schwarzschild, die ich allerdings nicht kenne. (Sternefeld, 1998) hat den Kumulierungsoperator für Relationen populär gemacht und zum ersten Mal linguistische motiviert LFs für relationale Plurale vorgeschlagen. Sternefeld entwickelt eine Analyse der Reflexiv- und Reziprokpronomina, die mit Phänomenen fertig wird, an denen die Autoren in (Heim et al., 1991b) scheitern. Ein Klassiker in der Pluralsemantik ist G. Link, von dem hier die folgenden Arbeiten aufgelistet sind: (Link, 1983, Link, 1984, Link, 1987, Link, 1991). Dem Anspruch nach verfolgt Link einen radikal mereologischen Ansatz, den er durch die Analogie von Begriffsbildung für Massennomina und dem Plural motiviert. Er arbeitet allerdings mit einem Begriff des absoluten Atoms, der mir in diesem Framework gar keinen Sinn zu machen scheint. Relationale Plurale sind bei Link nicht ernsthaft analysiert. Ein ernsthafter Einstieg in die Pluralsemantik von Verben würde einen Einstieg in die Ereignissemantik verlangen. Das kann hier nicht geschehen. An Literatur sei hier genannt (Schein, 1993), sowie neuere Arbeiten von A. Kratzer, die auf dem semantics archive als download zur Verfügung stehen. Der folgende Stoff wird in diesem Skript berührt: Mereologische Ontologie, Kollektive, Distributive und gemischte Lesarten, Relationaler Plural und Kumulation, Reflexivität und Reziprozität, die Bedeutung von verschiedene und andere, die des bestimmten Artikels, die von alle, die von Numeralien. 1.2. Modell mit Extensionen Wesentliche Neuerung: Wir führen Wahrheitswerte 0 und 1 ein. Propositionen sind (partielle Funktionen von Situationen in Wahrheitswerte. Ein großer Vorteil dieses Systems besteht darin, dass wir Präsuppositionen formulieren können. Insbesondere können wir die Fregesche Version des bestimmten Artikels ausdrücken, den wir für den Plural laufend benötigen. Im bisherigen System müssen wir ständig auf die umständliche Russellsche Umschreibung zurückgreifen. Ein Modell für unsere Sprache besteht aus der Menge der Individuen E, den Situationen S, den Wahrheitswerten {0,1}, der aktuellen Situation s0, und einer Belegung g und der Interpretationsfunktion [[ ...]], die durch das Lexikon und die Kompositionsprinzipien bestimmt ist. s0 und g spielen die Rolle des Kontexts. (1-1) Modell = E, S, {0,1}, s0, g, [[ ...]] ( 1-2) Typen: Die Grundtypen sind: e (Individuen), s (Situationen/Welten), t (Wahrheitswerte). Die Typensyntax besteht aus den folgenden Regeln: (a) jeder Grundtyp ist ein Typ; (b) wenn a und b Typen sind, ist (ab) ein Typ; (c) nichts sonst ist ein Typ. (1-3) Semantische Bereiche: 2 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 De = E, Ds = S, Dt = {0,1}, Dab = DbDa Sätze haben ab sofort den Typ t. Der bisherige Typ p wird durch st rekonstruiert. Die Denotate vom Typ sa heißen a-Intensionen, die Denotate vom Typ a heißen a-Extensionen. Bedeutungen von Konstanten des Typs a sind a-Intensionen, während Variablen vom Typ a immer a-Extensionen bezeichnen. (1-4) Syntax a. ist ein Ausdruck vom Typ a, wenn eine Konstante oder Variable der Form a ist. b. Wenn vom Typ a ist und entweder (i) vom Typ ab, oder (ii) vom Typ (sa)b ist, dann sind () und () Ausdrücke vom Typ b. c. Wenn vom Typ b und x eine Variable vom Typ a ist, dann sind (x) und (x) Ausdrücke vom Typ ab. (1-5) Interpretationsprinzipien Sei ein Modell a. Wenn a eine Konstante ist, dann ist [[ a]]g eine durch das Lexikon festgelegte aIntension.. b. Wenn a eine Variable ist, dann ist [[a ]]g = s S.g(a) ci. Extensionale funktionale Applikation (EFA) Wenn die Form () oder () hat, vom Typ ab und is vom Typ a ist, dann gilt: [[ ()]]g = [[ ()]]g = s S: s dom([[ ]]g) dom([[ ]]g)) & [[ ]]g(s) dom([[ ]]g(s)). [[ ]]g(s)([[ ]]g(s)) cii. Intensionale funktionale Applikation (IFA): Wenn die Form () oder () hat, vom Typ (sa)b und vom Typ a ist, dann gilt: [[()]] g = [[ ()]]g = s S & s dom([[ ]]g) & [[ ]]g dom([[ ]]g): [[ ]]g(s)(k S.k dom([[ ]]g).[[ ]]g(k))1 d. Abstraktion: Wenn die Form (a) mit vom Typ b hat, dann [[(a)]]g = [[(a)]]g = s S:u Da:[[]]g[/u](s) ist definiert.[[]]g[/u](s) Den Index lassen wir im folgenden in der Regel weg. (1-6) a. b. c. d. Satz ist wahr unter gdw [[ ]]g(s0) = 1. Satz folgt aus Satz unter gdw. {s |[[ ]]g(s) = 1} {s S |[[ ]]g(s) = 1} Die Wahrheitsbedingung des Satzes in ist {s S |[[ ]]g(s) = 1}. Für jeden Ausdruck heißt [[ ]]g die Intension von , während [[ ]]g(s) Extension von am Index s heißt, für ein bel. s S. Für die -Schreibweise von Funktionen gelten die in (Heim and Kratzer, 1998) auf S. 37 festgelegten Konventionen. 2 Einfacher: [[ ]]g(s)([[ ]]g) 2 „Lies „[: .]“ entweder als (i) oder (ii), je nachdem was sinnvoll ist. (i) „die Funktion, die jedes so dass gilt, auf abbildet“ 1 3 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Übersetzung von bisherigen Lexikoneinträgen; die umständlichen Präsuppositionen sind weggelassen. (1-7) a. [[ Allae ]] = s S.Alla b. [[ lachtet]] = s S.x De.x lacht in s. (1-8) a. [[ [t Allae lachtet]]]g = s S.Alla lacht in s b. [[ [t Allae lachtet]]]g(s0) = 1, falls Alla in s0 lacht; 0 falls Alla in s0 nicht lacht. (1-9) a. [[ jeder(et)((et)t)]] = s S.P Det.Q Det.x De[P(x) = 0 Q(x) = 1 ] b. [[ Studentet ]] = s S.x De.x ist ein Student in s. (1-10) [[ [t [(et)t jeder(et)((et)t) Studentet] lachtet]]](s0) = 1 gdw. x De[x ist kein Student in s0 x lacht in s0] Berechung der Extension am Punkt s: ( 1-11) [[ [t [(et)t jeder(et)((et)t) Studentet] lachtet]]](s) = (EFA) [[ [(et)t jeder(et)((et)t) Studentet] ]](s)([[ lachtet]](s)) = (EFA) [[ jeder(et)((et)t)]](s)([[ Studentet ]](s))([[ lachtet]](s)) = (Bedeutung jeder) t S.P Det.Q Det.x De[P(x) = 0 Q(x) = 1 ](s)([[ Studentet ]](s))([[ lachtet]](s)) = (FK) P Det.Q Det.x De[P(x) = 0 Q(x) = 1 ]([[ Studentet ]](s))([[ lachtet]](s)) = (FK) Q Det.x De[[[ Studentet ]](s)(x) = 0 Q(x) = 1 ]([[ lachtet]](s)) = (FK) x De[[[ Studentet ]](s)(x) = 0 [[ lachtet]](s)(x) = 1 ] = (Lexikon) x De[x ist kein Student in s x lacht in s ] Berechnung der Intension: (1-12) [[ [t [(et)t jeder(et)((et)t) Studentet] lachtet]]] = (EFA) s.[[ [(et)t jeder(et)((et)t) Studentet] ]](s)([[ lachtet]](s)) = (EFA) s.[[ jeder(et)((et)t)]](s)([[ Studentet ]](s))([[ lachtet]](s)) = (Bedeutung jeder) s[t S.P Det.Q Det.x De[P(x) = 0 Q(x) = 1 ](s)([[ Studentet ]](s)) ([[ lachtet]](s))] = (FK) s[P Det.Q Det.x De[P(x) = 0 Q(x) = 1 ]([[ Studentet ]](s))([[ lachtet]](s))] = (FK) s[Q Det.x De[[[ Studentet ]](s)(x) = 0 Q(x) = 1 ]([[ lachtet]](s))] = (FK) s[x De[[[ Studentet ]](s)(x) = 0 [[ lachtet]](s)(x) = 1 ]] = (Lexikon) sx De[x ist kein Student in s x lacht in s ] Beispiel für IFA: p = st (1-13) [[ glaubtp(et)]] = [[ glaubt(st)(et)]] = s S.p Dst.x De.x glaubt p in s. (1-14) (ii) „die Funktion, die jedes so dass gilt, auf 1 abbildet, falls , und auf 0 sonst“ 4 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 St Fritz e VPet: IFA! V st et glaubt St Alla e VPet lacht (1-15) [[ [et[t Allae lachtet] glaubt(st)(et)]]] = (IFA) s S[[[ glaubt(st)(et)]](s)(t S.([[ [et[t Allae lachtet] ]](t)))] = (Bed. glaubt(st)(et)) s S.x De. x glaubt t S.([[ [et[t Allae lachtet] ]](t))) in s = s S.x De. x glaubt {t S | Alla lacht in t} in s 1.2.1. Aufgaben Aufgabe 1 Formulieren Sie die Regeln für die folgenden Ausdrücke unter : [[ kein]] [[ nicht]] [[und]] [[ attr ]] [[ possrel ]] Aufgabe 2 Rechnen Sie die Wahrheitswerte der folgenden Sätze aus: 1. Wenn Fritz schläft, bellt Athos nicht. (Formalisieren sie den Satz als [[Fritz schläft nicht] oder Athos bellt nicht]) 2. Der alte Computer ist nicht schnell. 3. Jeder Kater, den Alla streichelt, schnurrt. Aufgabe 3 Verhältnis von Teilbeziehung zu Elementbeziehung Für Prädikate vom Typ (et) gilt: a P gdw. P(a) =1 Betrachten Sie für ein Prädikat P die Fusion P, d.h. die Fusion aller P-Atome, zeigen Sie durch ein Beispiel, dass für jedes a E gilt: a P a P das aber nicht gilt: a P a P Geben Sie ein sprachliches Beispiel dafür an. 5 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 1.3. Mereologische Begriffe Wichtigste ontologische Annahme: Der Individuenbereich E ist unter mereologischer Fusion abgeschlossen. Anders ausgedrückt: der Individuenbereich ist durch die Teil-von-Beziehung (partiell) geordnet. Jedes Ding lässt sich in (vermutlich unendlich viele) Teile aufspalten. Bezüglich der Fusion bildet der Individuenbereich eine Boolsche Algebra ohne minimale Elemente, aber mit einem größten Element, welches alle anderen Dinge als Teile hat. Wir halten uns im folgenden in allen ontologischen Details, d.h., Fragen der semantischen Begrifflichkeit zum Plural, an die Theorie, die David Lewis in Parts of Classes entwickelt hat.3 Auf Seite 1 f. des Buches wird zunächst sehr prägnant gesagt, was Mereologie ist: Mereology is the theory of the relation of part to whole, and kindred notions. One of these kindred notions is that of a mereological fusion, or sum: the whole composed of some given parts. The fusion of all cats is that large, scattered chunk of cat-stuff which is composed of all the cats there are, and nothing else. It has all cats as parts. ... It does have other parts too: all cat-parts are parts of it, for instance catwhiskers, cat-cells, cat-quarks. For parthood is transitive; whatever is a part of a cat is thereby part of a part of the cat-fusion, and so must itself be part of that cat-fusion. The cat-fusion has still other parts. We count it as a part of itself: an improper part, a part identical to the whole. But also it has plenty of proper parts – parts not identical to the whole — besides the cats and catparts already mentioned. Lesser fusions of cats, for instance the fusion of my two cats Magpie and Possum, are proper parts of the grand fusion of all cats. Fusions of cat-parts are parts of it too, for instance the fusion of Possum's paws plus Magpie's whiskers, or the fusion of all cat-tails wherever they be. Fusions of several cats plus several cat-parts are parts of it. And yet the catfusion is made of nothing but cats, in this sense: it has no part that is entirely distinct from each and every cat. Rather, every part of it overlaps with some cat. (1-16) Teil-Beziehung ≤ ist antisymmetrisch, reflexiv und transitiv a. xy[x ≤ y & y ≤ x x = y] b. x[x ≤ x] c. xyz[x ≤ y & y ≤ z x ≤ z]f (1-17) x ist ein echter Teil von y gdw. x ≤ y & x ≠ y. (1-18) Überlappung O: x überlappt mit y gdw. x und y haben einen Teil gemeinsam. 3 Lewis (1991). 6 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 xy[x O y z[z ≤ x & z ≤ y]] Zeige: Die Überlappungsbeziehung O ist symmetrisch und reflexiv. Argumentiere: O ist nicht antisymmetrisch und auch nicht transitiv. (1-19) Fusionsaxiome4 A1. Kleine Fusion +: x E.y E.!z E[x ≤ z & y ≤ z & u E.[u ≤ z u O x u O y]] x + y bezeichnet dieses eindeutig bestimmte Individuum für beliebige Individuen x und z, d.h. für jedes x, y E ist x + y = das z E[x ≤ z & y ≤ z & u E[u ≤ z u O x u O y]] A2. Große Fusion : Sei M eine beliebige nichtleere Menge von Individuen. Dann gibt es genau ein Individuum z mit: y[y M y ≤ z] & u[u ≤ z v[v M & u O v]]] Dieses zu einer Menge M eindeutig bestimmte Individuum nennen wir M, d.h. für jedes M E ist M = das z E[y[y M y ≤ z] & u[u ≤ z v[v M & u O v]]]] Die kleine Fusion ist ein Spezialfall der großen Fusion, d.h. man braucht das erste Axiom nicht. Die Axiome besagen, dass der Individuenbereich E ist bezüglich der Fusion abgeschlossen ist, d.h. für jedes M E gilt: M E. Es ist unklar, ob so etwas wie echte Individuen gibt, also absolute Atome. Das wären Dinge, die keine echten Teile haben. Für den Alltag ist das kaum vorstellbar. Jedenfalls scheint die Ontologie der Sprache diese Annahme nicht zu erzwingen. Für jedes noch so kleine Ding kann man sich stets echte Teil vorstellen. Der Terminus Individuum als Synonym für Ding ist also ein Misnomer. Für die Praxis können wir annehmen, dass jedes Ding echte Teil hat. Insbesondere gibt es die Fusion aller Dinge ein riesiges Individuum E, das mit jedem Ding überlappt.5 Dieses Ding ist ein Individuum, also E E. Die folgenden Definitionen gelten für Mengen von Individuen. (1-20) x ist ein P-Atom gdw. P(x) & y[y < x & P(y)] (1-21) P ist quantelnd gdw. xy[P(x) & P(y) & y ≤ x x = y] (1-22) P ist kumulativ/summativ gdw. xy[P(x) & P(y) P(x+y)] (1-23) P ist divisiv gdw. xy[P(x) & y ≤ x P(y)] (1-24) P ist ein Individualbegriff gdw. P quantelnd ist. P ist ein Massenbegriff gdw. P divisiv ist. (1-25) Fundiert(P) gdw. für jedes x: P(x) ist eine Fusion von P-Atomen. 4 5 Die Formulierung dieser Axiome geht auf eine Diskussion mit Ulf Friedrichsdorf zurück. David Lewis nimmt dieses Ding als Vertreter für die leere Menge her. 7 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Fund(P) gdw. x[P(x) (M P)y[y M P-Atom(y)] & x = M]] 1.4. Sternprädikate, Pluraloperatormorphem Individualbegriffe sind fundiert, Massenbegriffe sind nicht fundiert. (1-26) Der Operator *: * = s S.P Det.x E.Q[Q ≠ & Q P & x = Q]. Sei P eine Menge von Individuuen: *P = {x E | Q[Q ≠ & Q P & x = Q]} Der Operator geht letztlich Schriften von Link zurück; (Link, 1983, Link, 1984, Link, 1987, Link, 1991). Allerdings ist die hier vorliegende Version strikt mereologisch. Die Definition ist beeinflusst von (Heim, 1994), allerdings nicht identisch mit der dort gegebenen Definition. *P enthält also die Fusionen von beliebigen nichtleeren Teilmengen von P. Aufpassen. * ist intensionalisiert. Konvention für einführen. Standardhypothese: * ist die Bedeutung des Plurals. Die Hypothese verlangt allerdings, dass der *-Operator geeignet beschränkt wird. Z.B. lassen sich Massennomina nicht pluralisieren. Wie die Einschränkung genau aussieht, ist eine empirische Frage. Für den Augenblick sagen wir folgendes: (1-27) Das Pluralmorphem [[ Pl ]] = s S.P.P Det & P ist nicht divisiv.x De.Q Det[Q ≠ & Q P & x = Q] Beispiel: (1-28) [[ Studentet ]] = s S.x De.x ist ein Student in s. [[ Pl Studentet]](s) = [[ Pl]](s)([[ Studentet]](s)) = (Bed. Pl) x De.Q De[Q ≠ & Q [[ Studentet]](s) & x = Q] Nimm an, dass [[ Studentet]](s) = {Anna, Daniel, Luca} Dann ist [[ Pl Studentet]](s) = {Anna, Daniel, Luca, Anna + Daniel, Anna + Luca, Daniel + Luca, Anna + Daniel + Luca} (1-29) Der bestimmte Artikel 8 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Russellsch, attributiv [[ def(et)((et)t)]] = s.Pep.Qep.{s | x[s P(x) & s Q(x)] & y[s P(y) y ≤ x] & z[z ≤ x u[u ≤ x & u O z]]} Fregescher Artikel6 [[ def(et)e]] = s S. P.P Det & Es gibt ein x[P(s)(x) = 1 & y De[P(s)(y) = 1 y ≤ x]. das eindeutig bestimmte x mit P(s)(x) = 1 & y De[P(s)(y) = 1 y ≤ x] (1-30) [[ schnarch-]] = s S.x De.x schnarcht in s. Das Prädikat ist kumulativ aber nicht divisiv. (1-31) a. Der Student schnarcht: [[ def(et)e Student schnarch- ]](s) ist nur definiert, falls [[ Student]](s) genau ein Individum enthält. Falls dies definiert ist, ist der Wahrheitswert = 1 gdw. der Student in s schnarcht in s. b. Die Studenten schnarchen: [[ def(et)e Pl Student *schnarcht- ]](s) ist nur definiert, falls es mindestens einen Studenten in s gibt. Falls dies zutrifft, ist die Proposition wahr in s gdw. alle Studenten in s schnarchen. c. Die Butter ist ranzig: [[ def(s(et))e Butter ist-ranzig ]](s) ist nur definiert falls es in s mindestens einen Butterteil gibt. Falls dies der Fall ist, ist die Proposition wahr in s gdw. die gesamte Butter in s ranzig in s ist. (1-32) Die Studenten schnarchen S et * VPet schnarch - DPe def et e Pl et NP Studentet Distribution erklären! (1-33) Nomina 6 Die Idee, den bestimmten Artikel durch eine Maximalitätsbedingung zu definieren, geht auf Sharvy, R. 1980. A More General Theory of Definite Descriptions. The Philosophical Review 89.4:607-624. zurück. Vgl. auch Link, G. 1983. The Logical Analysis of Plurals and Mass Terms: A Lattice-Theoretical Approach. In Meaning, Use, and Interpretation of Language, eds. R. Bäuerle, C. Schwarze and A. v. Stechow, 302-323. Berlin: de Gruyter.. 9 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 a. [[ Studentet ]] = s S.x De.x ist ein Student in s. [[ Studentet ]] ist quantelnd. b. [[ Pl Studentet]] ist kumulativ und fundiert. c. [[ Butter]] = s S.x De.x ist Butter in s. [[ Butter]] ist divisiv und kumulativ. Numeralia in einem mereologischen Ansatz sind kompliziert. Was sie leisten müssen, macht man sich am besten an einem Beispiel klar: (1-34) [[ Sechs Studenten schnarchen ]](s) ist wahr in s gdw. x De : x ist die Fusion von 6 Studenten in s und jeder Teil dieser Fusion, der ein Student in s ist, schnarcht in s. Die genauere Analyse könnte diese sein: (1-35) St DP et t et * Det et et t indef VP schnarchen NPet Numd sechs NPet Studenten d ist der Typ der Zahlen. Später werden auch Grade allgemein diesen Typ haben. Zahlen stellen wir uns als gegeben vor. (1-36) Numeralia [[ 6d ]] = s S.6 Für die Kombination von Zahlen mit einer Kopf-NP benötigen wir eine eigene Kompositionsregel: (1-37) Modifikation durch ein Numerale Wenn ein Numerale vom Typ d ist und eine NP vom Typ et, dann ist, dann ist [NP ] ein wohlgeformter Baum vom Typ et. [[ [NP ]]]g = s S.x De.P Det.P ist eine Menge von [[ ]]g(s)-Atomen, welche die Mächtigkeit [[ ]]]g (s) hat & x = P. (1-38) [[ indef]] = s.P Det.Q Det.P Q ≠ Aus diesen Regeln ergibt sich, dass die LF (1-35) in s wahr ist, wenn es eine Pluralität x gibt, so dass x die Fusion von 6 [Studenten in s]-Atomen ist und sich x in [Schnarcher in s] aufteilen lässt. Auf die genauere Berechnung von Wahrheitsbedingungen dieser Art gehen wir später ein. Warum sind die folgenden schlecht? (1-39) 6 Student schnarcht. 10 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 7 Butter ist ranzig. 7 Butter sind ranzig. (1-40) a. [[ jeder ]] = Pet.P ist quantelnd.Q Dep.P Q. b. [[ alle]] = Pet.P ist kumulativ & nicht divisiv.Q Dep.P Q. „alle“ ist im wesentlichen synonym mit pluralischem „die“. Der Unterschied ist, dass „die“ Ausnahmen zulässt; cf. (Beck, 2000c). (1-41) a. Jeder Student schnarcht. b. *Aller Student schnarcht.7 c. *Jede Studenten schnarchen. d. Alle Studenten schnarchen. e. *Aller Wein ist verdorben. (1-42) a. b. c. d. *Jeder 6 Student schnarcht. Alle 6 Studenten schnarchen. 6 Studenten schnarchen. Die 6 Studenten schnarchen. 1.5. Kollektivität, Distributivität, intermediäre Lesarten (1-43) a. Fritz und Maria wiegen (genau) 100 Kilo. b. Fritz wiegt 100 Kilo und Maria wiegt 100 Kilo. (Distributiv) c. Fritz und Maria wiegen zusammen 100 Kilo. (Kollektiv) (1-44) Nicht-boolesches und [[ und(ee)e ]] = s Ds.x De.y De.x + y (1-45) [[ (genau) 100 kg wiegenet ]] = s Ds.x De.x wiegt 100 kg in s. Kollektive Lesart: Szenario für s1: [[ 100 kg wiegen et ]] (s1)(Fritz + Maria) = 1 also: [[ 100 kg wiegen et ]] (s1)(Fritz) = 0 [[ 100 kg wiegen et ]] (s1)(Maria) = 0 (1-46) [[ [Fritz [und Maria]] 100 kg wiegen ]] (s1) = 1 gdw. [[ 100 kg wiegen ]] (s1) (Fritz + Maria) = 1 Szenario für s2 [[ 100 kg wiegen et ]] (s2)(Fritz) = 1 7 Aller Anfang ist schwer ist lexikalisiert. 11 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 [[ 100 kg wiegen et ]] (s2)(Maria) = 1 [ 100 kg wiegen et ]] (s2)(x) = 0 für jedes x mit x ≠ Fritz & x ≠ Maria also: [[ 100 kg wiegen et ]] (s2)(Fritz + Maria) = 0 Distributive Lesart (1-47) Formalisierung mit Sternoperator? [[ [[Fritz [und Maria]] *[100 kg wiegen] ]](s2) = 1 gdw. [[ *[100 kg wiegen]]](s2)(F+M) = 1 gdw. x E.Q[Q ≠ & Q [[ 100 kg wiegen]](s2) & x = Q](F+M) = 1 gdw. Q[Q ≠ & Q [[ 100 kg wiegen]](s2) & F+M = Q] gdw. Q[Q ≠ & Q {F, M} & F+M = Q] Dies ist offensichtlich richtig, weil {F, M} = F + M. Probleme: [[ [Fritz und Maria] *[100 kg wiegen]]] ist in jedem s wahr, in dem Fritz und Maria zusammen 100kg wiegen. Problem A. Wir können Text (1-48) nicht für das Szenario s 3 formalisieren, in dem er intuitiv wahr ist ((Heim, 1994)) (1-48) Fritz und Maria wiegen nicht 100 Kilo. Sie wiegen nur 50 Kilo. Szenario für s3: [[ 50 kg wiegenet ]] (s3)(F) = 1 [[ 50 kg wiegenet ]] (s3)(M) = 1 also: [[ 100 kg wiegenet ]] (s3)(F + M) = 1 Wie kann man den ersten Satz formalisieren? Die Formalisierung mittels des einfachen Prädikats macht den ersten Satz falsch. Die Formalisierung mit dem *-Prädikat macht ihn ebenfalls falsch. Problem B (Heim) Die Formalisierung mit dem Pluralprädikat sagt voraus, dass (1-43a) in einer Situation s wahr ist, in der Fritz 130 Kilo, Maria aber 70 Kilo wiegt. Dazu zerlegt man F in F 1+F2, so dass F1 100 Kilo und F2 30 Kilo wiegt. F+M = F1 + (F2+M). Die beiden Teile wiegen jeweils 100 Kilo. Also ist F+M [[ *100 kg wiegen]](s). Satz (1-43a) ist in diesem Szenario aber intuitiv nicht wahr. Problem C: Gemischte Lesarten (1-49) a. Franz und Sveta und Ventsi stemmten das Klavier. 12 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 b. Franz stemmte das Klavier und Sveta und Ventsi stemmten das Klavier zusammen. (1-50) The physicists and the chemists met. The physicists met and the chemists met. (1-51) Rogers, Hammerstein and Hart wrote operas. Rogers komponierte A, Hammerstein komponierte B und Hammerstein komponierte C mit Hart zusammen. Die Formalisierung mit dem * ist zu liberal, weil sie das Problem A aufwirft. Die gemischten Lesarten zeigen bereits, dass diese Lesarten nicht über die Mehrdeutigkeit von und (boolesch vs. nicht-boolesch) erklärt werden können.8 (1-52) Diese Leute stemmten das Klavier. Der Satz hat dieselben Lesarten wie (1-49). Für das Beispiel (1-51) ist mit einem mehrdeutigen und auch nichts zu machen. Fazit: Die distributive Lesart ist mittels des Sternoperators (alleine) nicht ausdrückbar. (1-53) Überdeckung C ist eine Überdeckung von x, COV(C,x), gdw. C = x, d.h., die Fusion von C ist x, für bel. C Det. (1-54) Der Distributor D ist ein Symbol vom Typ (et)(e((et)t)) [[ D]] = s S.C E.x.x E & Cov(C,x).P Det.z E.C(z) = 1 P(z) = 1. (1-55) a. Franz und Sveta und Ventsi stemmten das Klavier b. D als DP-Kopf St VPet stemmten das Klavier et t DPe Franz und Sveta und Ventsi e et t D et e et 2 et D ist etwas wie ein Determinator. Das komplexe Subjekt kann gelesen werden als „jeder in der Überdeckung C von Franz und Sveta und Ventsi...“. Diese Analyse ist durch (Schwarzschild, 1996) motiviert. Schwarzschild arbeitet allerdings nicht mereologisch, sondern mit einer Quineschen Mengenlehre, die nicht Standard ist. Schwarschilds Überdeckungsoperator ist eine Menge von Mengen, die über eine Menge gelegt wird, und zwar so, dass jedes Element der überdeckten Menge in einer Menge der Überdeckung 8 Das boolesche und für Namen sieht so aus: [[ und ]] = x E.y E.P Det.P(x) & P(y). 13 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 ist. 2et ist eine freie Variable für Mengen. Nimm an, dass g(2) = {Franz, Sveta + Ventsi}. Nimm ferner an, dass [[ stemmten das Klavier ]] (s4) = {Franz, Sveta + Ventsi}. Dann ist [[ (1-55b)]](s4) wahr. g spielt die Rolle des Kontexts. Die Formel (1-55b) kann gelesen werden als: Jede Gruppe, die zur Menge g(2) = {Franz, Sveta + Ventsi} gehört und die ein Teil der Gruppe Franz und Sveta und Ventsi ist, hat die Eigenschaft stemmten das Klavier. Die Syntax dieser Konstruktion ist recht unbestimmt. Der Baum setzt voraus, dass D 2 Franz und Sveta und Ventsi eine DP ist. Ebenso könnte man den Komplex als einen VPModifikator ansehen, aus dem man dann das Subjekt heraus QR-en muss, um die Oberfläche zu kriegen. So machte es Heim in ihrem Pluraskript. Dies würde so aussehen: (1-56) D als VP-Modifikator S DP Franz und Sveta und Ventsi . l VPt 1 VPet stemmten das Klavier et t e et t D et e et t1 2 et Man sieht sofort, dass diese Struktur dieselbe Bedeutung hat wie (1-55b). Der einzige Unterschied ist, dass Franz und Sveta und Ventsi von der Objektposition des Distributors an die Subjektposition des Satzes QR-t worden ist. Da der bewegte Ausdruck den Typ e hat, ändert sich die Bedeutung nicht. Formalisierung mit dem Sternoperator nach (Heim, 1994). Sie ist heute die übliche Methode und ist äquivalent mit der Formalisierung mittels eines Distributors. Es gibt nur eine LF für die kollektive, die distributive und die gemischte Lesart, die kontextabhängig ist – Schwarzschilds Idee. (1-57) Die Studenten stemmten das Klavier. 14 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 S DP def et NP * Pl Student et 2 et VP stemmten das Klavier Die Kontextabhängigkeit schlägt sich in der Belegung der Mengenvariabel nieder, welche eine Überdeckung des Subjekts sein muss. Die Variable wird mit der VP Heim und Kratzers Regel der Prädikatsmodifikation kombiniert. (1-58) Prädikatsmodifikation Seien und Ausdrücke vom Typ et. Dann ist [] ebenfalls vom Typ et. [[ []]]g = s S.x E([[ ]]g(s)(x) = 1 & [[ ]]g(s)(x) = 1). Regeln für die Bildung und Interpretation von Pluralprädikaten: Adjungiere eine Mengenvariable an die VP und belege diese mit einer Überdeckung des Subjekts. Setze dann den Sternoperator vor die VP. Das Prädikat [[ 2 stemmten das Klavier]] trifft in eine Situation s auf ein Subjekt x zu, wenn x ein Element der Überdeckung g(2) ist und das Klavier in s stemmte. Der Sternoperator passt das Prädikat an das Subjekt an. Nimm an, dass [[ def Pl Student]](s) = Franz + Sveta + Ventsi. Ferner sei g(2) = {Franz, Sveta + Ventsi}. Dann lässt sich die LF lesen als „Die Gruppe Franz + Sveta + Ventsi lässt sich in Franz und Sveta und Ventsi aufteilen, wobei sowohl Franz als auch Sveta und Ventsi das Klavier stemmten. Man kann Folgendes zeigen: (1-59) Gegeben seien die Ausdrücke = [[[D xet] e]et] und = [e*[xet et]]. Sei g(xet) eine Überdeckung von [[ ]]g. Dann sind die beiden Ausdrücke synonym, d.h. [[ ]]g = [[ ]]g. (Übungsaufgabe) 1.5.1. Aufgaben 1. Problem A. Zeigen Sie, dass die Formalisierung des ersten Satzes in (1-48) alleine mit dem *-Operator in dem geschilderten Szenario falsch ist. Lösen Sie Problem A, d.h. zeigen sie wie der erste Satz vom Text (1-48) adäquat für das Szenario formalisiert werden kann. 2. Problem B. Zeigen Sie, dass bei geeigneter Formalisierung das Problem B nicht auftritt. Kann man die perverse in B diskutierte Lesart trotzdem erzeugen? 3. Überzeugen Sie sich durch eine Rechnung, dass [[ (1-55b)]](s4) tatsächlich wahr ist. Aufpassen bei der Auswertung der Variablen! Variablen liefern in diesem System für jede Situation dieselbe Extension. 4. Zeigen Sie die Behauptung (1-59) 15 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 5. Geben Sie eine Analyse für (1-51) an und sagen Sie, wie die Überdeckungsvariable belegt werden muss, damit die Szenarien richtig beschrieben werden. 6. Analysieren Sie den Satz (1-60) Anna wiegt zwei Katzen. Sagen sie, wie die Kontextvariable belegt werden muss, damit (a) die kollektive, (b) die distributive Lesart rauskommt. Hinweis: Man muss QRen. Thema für HS-Arbeit. Referieren Sie Schwarzschilds (1996) Argumente gegen die Pluraltheorie in (Landman, 1989a, Landman, 1989b). Für Landman sind Pluralitäten Mengen, welche gestufte Mengen als Element enhalten können. Z.B. kann die DP Napoleon und Blücher und Wellington die Mengen {Napoleon, Blücher, Wellington}, {Napoleon, {Blücher, Wellington}}, {{Napoleon, Blücher}, Wellington}, {{Napoleon, Blücher, Wellington}}, {Napoleon, {{Blücher, Wellington}}}, usw. enthalten. Thema für eine HS-Arbeit. Diskutieren sie die Pluraltheorie von Link in (Link, 1983, Link, 1984, Link, 1987, Link, 1991) im Hinblick auf seine Behandlung von distributiven und den noch einzuführenden kumulativen Lesarten bei Relationen. Links Mereologie arbeitet mit absoluten Atomen. 1.6. Relationale Plurale (1-61) Franz wiegt die Katzen. Wir haben die folgenden LFs zur Darstellung zur Verfügung: (1-62) a. Franz [die Katzen]e wiegte(et) . b. die Katzen . * . 2 et . l S 1 Franz t1 VP V wiegt Die LF ist gebildet, indem man erst das Objekt QR-t hat, dann evt. die Mengenvariable 2 et an das Abstrakt adjungiert hat und dann den Stern adjungiert hat. Wir haben in s1 zwei Katzen Minz (= k1), und Maunz (= k2). Die erste LF ist nur für die kollektive Lesart geeignet: Franz stellt die beiden gemeinsam auf die Wage. Die beiden anderen LFs unterscheiden sich nur durch das Vorhandensein einer Überdeckungsvariable. Beide kann man zur Darstellung der distributiven Lesart benutzen. Wir nehmen an, dass [[ 1 Franz t1 wiegt ]] 16 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 (s1)= {k1, k2}. Dann ist [[ *1 Franz t1 wiegt ]] (s1)= {k1, k2, k1+k2}, d.h. der Satz ist wahr. Wenn man die Variable 2 hinzunimmt, muss g(2) = {k1, k2} sein. Dann wird der Satz ebenfalls wahr. Wählt man z.B. für g(2) die Menge {1+2}, wird das Prädikat [[ 2 1 Franz t1 wiegt ]] (s2) leer und [[ *2 1 Franz t1 wiegt ]] (s2) ist ebenfalls leer, der Satz wird also falsch. Man sieht an dieser Stelle wieder, dass das Prädikat die Fakten beschreibt. Der * passt das Prädikat lediglich an das Subjekt an. (1-63) Die Tierärzte wiegen die Katzen. Szenario s2: Arzt a1 wiegt Katze k1 Arzt a2 wiegt Katze k2 [[ wiegen]](s2) = {a1,k1, a2,k2}9 (Dies ist eine Kurzschreibweise für: [[ wiegen]](s2)(k1)(a1) = 1 & [[ wiegen]](s2)(k2)(a2) = 1) Intuitiv ist Satz (1-63) wahr in s. Wir zeigen, dass wir mit den bisherigen Methoden den Satz nicht analysieren können. Mögliche LFs: (1-64) a. b. c. d. e. f. die Tierärzte die Katzen wiegen die Tierärzte *[die Katzen wiegen] die Tierärzte *[7 die Katzen wiegen] die Katzen *7 1[die Tierärzte t1 wiegen] die Katzen *7 1[die Tierärzte *[t1 wiegen]] die Katzen *7 1[die Tierärzte *8 [t1 wiegen]] Es sind weitere LFs möglich, z.B., indem man, von (f) ausgehend, die Tierärzte über das Objekt die Katzen skopiert. Keine von diesen LFs kann das Szenario s2 beschreiben. Dies zeigen wir für einige Fälle. Für (a) ist das klar: [[ die Katzen]](s2) = k1+k2, aber dieses Individuum gehört nicht zum Nachbereich von [[ wiegen]](s2). (b) ist nicht besser, denn [[ die Katzen wiegen]](s2) ist leer, weshalb auch das *-Prädikat leer ist. Ebenso überlegt man sich, dass das *-Prädikat von (c) leer sein muss. Die anderen sind interessanter. Wir zeigen, dass die Katzen [[ *7 1[die Tierärzte *8 [t1 wiegen]]]]g(s2) in dem Szenario für ein beliebiges g falsch ist. [[ t1 wiegen]]g[1/k1](s2) = {a1} [[ t1 wiegen]]g[1/k2](s2) = {a2} [[ t1 wiegen]]g[1/x](s2) = , für ein beliebiges x mit k1 ≠ x ≠ k2. Aus der Regel der Prädikatsmodifikation folgt, dass [[ 8et t1 wiegen]]g(s2) [[ t1 wiegen]]g(s2) für beliebiges g. Also gilt: [[ 8et t1 wiegen]]g[1/k1](s2) {a1} [[ 8et t1 wiegen]]g[1/k2](s2) {a2} Wir schreiben a,b R für R(b)(a) = 1. Bei der geschönfinkelten Schreibweise entsprechen die Argumente der Relation der Syntax der natürlichen Sprache, d.h., das Objekt wird zuerst abgebaut, bei der mathematischen Schreibung kommt das Subjekt zuerst. Im Prinzip ist die Abfolge der Argumente gleichgültig. Erst die Semantik macht klar, wie ein Ausdruck zu verstehen ist. 9 17 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 [[ 8et t1 wiegen]]g[1/x](s2) , für ein beliebiges x mit k1 ≠ x ≠ k2. Das *-Prädikat kann in keinem der Fälle größer sein. Also gilt: [[ *8et t1 wiegen]]g[1/k1](s2) {a1} [[ *8et t1 wiegen]]g[1/k2](s2) {a2} [[ *8et t1 wiegen]]g[1/x](s2) , für ein beliebiges x mit k1 ≠ x ≠ k2. Da [[ die Tierärzte]](s2) = a1+a2 und dieses Individum in keinem der drei Prädikate ist, gilt: [[ die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g[1/k1](s2) = 0 [[ die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g[1/k2](s2) = 0 [[ die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g[1/x](s2) = 0, für ein beliebiges x mit k1 ≠ x ≠ k2. Allgemeiner: [[ die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g[1/x](s2) = 0 für jedes x Also gilt: [[ 1 die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g(s2)(x) = für jedes x, d.h. die Extension ist leer. Da [[ 7et 1 die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g(s2) eine Teilmenge dieser Extension ist, ist dieses Prädikat auch leer. Der * kann nicht aus Nichts Etwas machen. Das Prädikat [[ *7et 1 die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g(s2) ist also auch leer, genauer: [[ *7et 1 die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g(s2)(x) = 0, für jedes x. Also ist [[ die Katzen *7et 1 die Tierärzte *8et t1 wiegen]]g(s2) = 0 QED Die Standardlösung besteht darin, die Relation zu kumulieren, d.h. einen *-Operator für das Verb zu definieren: (Krifka, 1989) und (Sternefeld, 1998). 1.7. Mehrstellige Kumulierung Wir verallgemeinern Links *–Operator für zweistellige Relationen R. Die Definition lässt sich dann für n-stellige Relationen verallgemeinern. Die Idee ist folgende: Wenn R(x)(y) und R(u)(v) wahr sind, dann ist [*R](x+u)(y+v) wahr. (1-65) *R ist also die kleinste Relation R’, die R als Teilmenge enthält und für alle Individuen x, y, u und v die Bedingung erfüllt: falls R’(x)(y) = 1 & R’(u)(v) = 1, so R’(x+u)(y+v) = 1. Leider kann man diese Definition nicht in die -Schreibweise bringen, wenn nicht sichergestellt ist, dass R eine fundierte Relation ist in dem Sinn, dass sich jedes Paar von Argumenten in kleinste R-Paare aufspalten lässt. Für eine präzise Definition benötigen wir die folgenden Begriffe. (1-66) Sei R eine zweistellige Relation in De(et). Wir definieren: a. den Definitionsbereich D(R) als {x | y:R(x)(y) = 1}, b. den Wertebereich W(R) als {y | x:R(x)(y) = 1}, c. das Feld F(R) als D(R) W(R). Für n-stellige Relationen R kann man analog den n-ten Bereich Dn(R) definieren. Für zweistellige R ist dann D1(R) = D(R) und D2(R) = W(R). (1-67) Die 2-stellige Sternoperatoren ** 18 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 haben die Typen (e(et))(e(et)). [[ **]] = s S.R D(e(et).x De.y De.Q1Q2[ Q1 ≠ & Q2 ≠ & Q1 D(R) & Q2 W(R) & u Q1.v Q2[R(u)(v) = 1] & v Q2.u Q1[R(u)(v) = 1] & x = Q1 & y = Q2]10 Mehrstellige Kumulierungsoperatoren sind von (Sternefeld, 1993) in die Literatur eingeführt worden. In (Krifka, 1989: S.92) ist nur von kumulativen zweistelligen Prädikate die Rede. Wir werden später sehen, dass Kumulationsoperatoren bei der VP unverzichtbar sind. Zurück zu Szenario s2: [[ die Ärzte]](s2) = a1+a2 [[ die Katzen]](s2) = k1+k2 [[ wiegen]](s2) = {a1,k1, a2,k2} (1-68) Die Ärzte wiegen die Katzen. (1-69) die Ärzte die Katzen **wiegen t e die Ärzte et e die Katzen e et e et e et ** e et wiegen Q1 = {a1, a2} Q2 = {k1, k2} [[ **wiegen]](s2) = {a1,k1, a2,k2, a1+a2,k1+k2} (1-69)) ist wahr in s2. 1.8. Beschränkungen von Pluralrelationen durch Kontextvariablen Das Szenario s3: 2 Ziegen, die jeweils 50 kg wiegen 3 Hunde, die jeweils 40 kg wiegen In diesem Szenario sind die folgenden beiden Sätze wahr: 10 x Q bedeutet Q(x) = 1. 19 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 (1-70) a. Die Ziegen sind schwerer als die Hunde. b. Die Hunde sind schwerer als die Ziegen. Intuitiv liegen aber verschiedene Lesarten vor. Beim ersten Satz haben wir eine „jeweils“Lesart im Auge: Jede Ziege ist schwerer als jeder Hund. Beim zweiten Satz vergleichen wir zwei Kollektive: Die Hunde insgesamt sind schwerer als die Ziegen. Der Sternoperator kann dieser Fälle nicht unterscheiden. Ich kann Satz (b) bestreiten durch: ( 1-71) Das stimmt nicht. Die Hunde sind nicht schwerer als die Ziegen. Die Ziegen sind vielmehr schwerer als die Hunde. Die folgenden beiden LFs sind beide wahr in dem Szenario: (1-72) a. die Ziegen die Hunde **schwerer b. die Hunde die Ziegen **schwerer t e die Ziegen et e die Hunde e et A e et schwerer e et e et ** Der Baum ist die explizitere Darstellung der ersten LF. Wir überlegen uns die Wahrheit der beiden LFs in s 3. [[ Hund]](s3) = {h1, h2, h3} [[ Ziege]] (s3) = {z1, z2} [[ schwerer ]] (s3) = {z1,h1,z1,h2,z1,h3, z2,h1,z2,h2,z2,h3,...., h1+h2+h3,z1+z2,...} In [[ **schwerer ]](s3) sind die Paare, die durch komponentenweise Fusion von Paaren entstehen, die in [[ schwerer ]] (s3) sind. Dazu gehört das Paar z1+z2,h1+h2+h3. Andererseits ist das Paar h1+h2+h3,z1+z2 bereits in dem Basisprädikat [[ schwerer ]](s3) und ist deswegen auch in der Extension des Sternprädikats. Insgesamt haben wir also gezeigt: z1+z2,h1+h2+h3 [[ **schwerer ]](s3) und h1+h2+h3,z1+z2 [[ **schwerer ]](s3) 20 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Das sind gerade die Extensionen der beiden LFs in (1-72). Ebenso ergibt sich die Wahrheit des Satzes: (1-73) Die Ziegen sind schwerer als die Ziegen. (Übungsaufgabe) Dies sind unintuitive Resultate, denn niemand wird die Sätze so verstehen. „Schwerer“ sollte ein strikte Ordnung ausdrücken: wenn etwas schwerer ist als etwas anderes, ist das zweite nicht schwerer als das erste. Ferner ist nichts schwerer als es selbst. Das Grundprädikat schwerer hat natürlich diese Eigenschaften, aber das Prädikat **schwerer wird reflexiv. Daran ist nichts Widersprüchliches; aber das Adjektiv „schwerer“ bedeutet dies nicht. Die Analysen lassen sich dadurch reparieren, dass man die Relation schwerer einschränkt auf individuelle Tiere. Die individuellen Tiere sind in unserem Szenario die Elemente der folgenden Menge: {z1,z2, h1, h2, h3}. (1-74) yx.Tier(x) & Tier(y) & schwerer(y)(x) Da ‚Tier’ ein quantelnder Begriff ist, können in dieser Relation nur Paare von einzelnen Tieren sein, also gerade die Paare von Ziegen und Hunden. Insbesondere ist das Paar, das aus den Hunden und den Ziegen besteht, nicht in dieser Relation. Durch Kumulierung kann es auch nicht reinkommen. Mit andern Worten, von den folgenden beiden Quasi-LFs ist die erste wahr, die zweite falsch. Das entspricht den Intuitionen. (1-75) a. die Ziegen die Hunde **21.Tier(1) & Tier(2) & schwerer(2)(1) b. die Hunde die Ziegen **21.Tier(1) & Tier(2) & schwerer(2)(1) Das Problem ist, dass diese Ausdrücke noch keine LFs sind. Die Variablen 1 und 2 im Adjektiv sollen durch QR erzeugt werden. Den zweistelligen Sternoperator darf man überall hinzufügen, wo er sinnvoll ist. Die Information „Tier“ soll durch eine Kontextvariable hinein kommen, sagen wir 4et, die wir mit der Menge der Tiere in s 3 belegen. Wir setzen also g(4et) = {z1,z2, h1, h2, h3} „Tier in s3“ Die LF, die wir nun aufbauen, ist durch (Beck and Sauerland, 2000) inspiriert: (1-76) Die Hunde sind schwerer als die Ziegen (distributive Lesart) 21 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 t e die Hunde et die Ziegen e et ** e et l 2 et l 1 t t 4 et 1 e t t 4 et 2 e t1 APt et t2 schwerer Wir setzen voraus, dass zwei Schwestern des Typs t mittels einer verallgemeinerten Regel der Prädikatsmodifikation intersektiv gedeutet werden. Regel wird in einer Übungsaufgabe formuliert. Wie man nachrechnet, wird dann die LF wunschgemäß falsch in unserem Szenario. Die Erzeugung der LF geschieht folgendermaßen. Subjekt und Objekt werden parallel aus ihren D-Positionen bewegt: 1. DS: [AP die Hunde die Ziegen schwerer] 2. die Hunde 1 [AP t1 die Ziegen schwerer] (QR) 3. die Hunde die Ziegen 21 [AP t1 t2 schwerer] (QR) Dies ist der entscheidende Trick: Es wird unter das Subjekt bewegt, aber über den Abstraktor 1. Genau dies ist unter paralleler Bewegung gemeint, die ein zweistelliges Prädikat erzeugt. Man muss jetzt stipulieren, dass durch Bewegung entstandene Variablen durch eine Kontextvariable beschränkt werden können, d.h., man kann an die AP die komplexe Variablen der Form et(1e) und et(2e) adjungieren. Man erhält so: 4. die Hunde die Ziegen 21 [4et(1e)[4et(2e) [AP t1 t2 schwerer]]] Schließlich wird der **-Operator eingesetzt, und zwar genau über die beiden Abstraktoren: 5. die Hunde die Ziegen **21 [4et(1e)[4et(2e) [AP t1 t2 schwerer]]] Für das Beispiel sind wir mit einer 1-stelligen Kontextvariablen als Restriktion ausgekommen. In vielen Fällen braucht man aber sogar Relationsvariablen. Das Szenario s4: 1 Kuh, 3 Schweine, 2 Hunde, 1 Ziege (1-77) Die Kühe und die Schweine sind zahlreicher als die Hunde und die Ziegen. (Wegen des Plurals sollten die Nominale „die Kühe“ und „die Ziegen“ jeweils mindestens zwei Tiere bezeichnen. Wir lassen einzelne Dinge als Referenz zu, weil das die Überlegungen vereinfacht.) Die kumulative Lesart, d.h. die Formalisierung alleine mit **, macht den Satz in s4 wahr (Übungsaufgabe). Der folgende Einwand zeigt, dass der Satz in dem Szenario falsch sein 22 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 kann: (1-78) Das stimmt nicht. Es gibt mehr Hunde als Kühe. Der Sprecher hat hier eine Interpretation im Auge, in der er die Kühe mit den Hunden und die Schweine mit den Ziegen gruppiert. Wir benötigen eine kontextabhängige Beschränkung der Relation „sind zahlreicher“, welche die Basisrelation so einschränkt, dass Subjekt und Objekt geeignet zerlegt werden. Abkürzungen: [[ K]](s4) = [[ die Kühe]](s4) = k1 [[ S]](s4) = [[ die Schweine]](s4) = s1+s2+s3 [[ H]](s4) = [[ die Hunde]](s4) = h1+h2 [[ Z]](s4) = [[ die Ziegen]](s4) = z [[ zahlreicher-alsTA]](s8) = {k+s1+s2+s3,h1+h2+z,k+s1+s2+s3,h1+h2,k+s1+s2+s3,h1,s1+s2+s3,h1+h2,...usw.} aber: k,h1+h2 [[ zahlreicher-alsTA]](s4) Der Index TA erinnert an „Tieratome“. Man denke daran, dass die Paare, von denen die Relation ausgesagt wird, aus Individuen besteht und man wissen muss, nach welchen Kriterien ein Individuum gezählt wird. Die Zahl einer Tierfusion ist die Anzahl der Tieratome, aus denen sie besteht. Eine Tierpluralität ist zahlreicher als eine andere wenn sie aus mehr Tieratomen besteht. Es ist durchaus heikel, dieses Prädikat systematisch zu erzeugen. Dies Problem wird hier als lösbar vorausgesetzt. Die folgende LF wird in dem Szenario unter der Belegung g falsch, falls g(3e(et)) = {k,h1+h2,s1+s2+s3, z}: Die LF ist eine in (Heim, 1994) vorgeschlagene Umformulierung der Theorie von (Schwarzschild, 1996). ( 1-79) 23 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 t e K und S t e K und S et e H und Z e et ** e et 3 e et APe et zahlreicher- als et e H und Z e et ** e et 3 e et APe et zahlreicher- als Die Relationsvariable 3e(et) wird mit der AP mittels der verallgemeinerten Regel der Prädikatsmodifikation zusammengeführt. Die Regel bildet den Durchschnitt zweier Relationen. Man sieht das g(3(et)) [[ zahlreicher-als]](s8) = {s1+s2+s3, z} Die kumulierte Relation, also **{s1+s2+s3, z} bleibt gleich! [[ K und S]],[[ H und Z]] ist kein Element dieser Relation. Also ist der Satz falsch, wie gewünscht. Woher weiß man nun, wie man die Relationsvariable belegen soll? Es kann sich ja nicht um irgendeine zweistellige Relation handeln. Eine notwendige Bedingung für eine gute Belegung einer Relationsvariablen, die ein relationales Prädikat beschränkt, ist sicher, dass ihre Kumulation auf das Paar <Subjekt, Objekt> zutrifft. Genauer, R muss Subjekt und Objekt überdecken. (1-80) Eine zweistellige Relation R überdeckt ein Paar von Pluralitäten A,B genau dann wenn D(R), W(R) = A,B. Für unser vorliegendes Beispiel gilt folgendes. g(3(et)) = {k,h1+h2,s1+s2+s3, z} D(g(3(et))) = {k, s1+s2+s3} W(3(et)) = {h1+h2, z} D(g(3(et))) = k+s1+s2+s3 W(3(et)) = h1+h2+z D(g(3(et))), W(3(et)) = k+s1+s2+s3, h1+h2+z = [[ K und S]](s8), [[ H und Z]](s8) Wir können also mindestens Folgendes verlangen: (1-81) Wenn ein zweistelliges Prädikat P von einem Paar A,B ausgesagt werden soll, dann ist eine Relation R nur dann eine gute Beschränkung für P, wenn gilt: R überdeckt A,B. Dies ist keine Theorie für zulässige Beschränkungen einer Relation. Wir müssen uns von Fall zu Fall überlegen, was als Beschränkung in Frage kommt. (Beck, 1999b) beobachtet, das die beschränkende Relation R zudem immer eine Äquivalenzrelation (also reflexiv, symmetrisch und transitv) zu sein scheint, und sie entwickelt eine allgemeine Theorie, die zu einer anderen LF führt. Darauf kann hier nicht eingegangen werden. Für das vorliegende Beispiel kann g(3) z.B. 24 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 gelesen werden als „x steht bei y“. Beck versucht eine allgemeine Theorie der Beschränkung relationaler Plurale zu formulieren, die letztlich zu einer anderen LF führen wird. Wir bleiben hier zunächst bei der Methode Schwarzschild/Heim. Die Beschränkung soll eine Aussage natürlich nicht immer falsch machen: (1-82) Die Kühe und die Stuten lecken die Kälber und die Fohlen. (1-83) [Kü und S] [Kä und F] **2e(et) lecken Hier muss g(2e(et)) die Paare [[ Kü]], [[ Kä]] und [[ S]], [[ F]] als Elemente enthalten. Ein komplexes Prädikat kann Bestandteilen bestehen, von denen nur einer die Beschränkungsvariable enthält: (1-84) Die Kühe und die Stuten versammeln sich und lecken die Kälber und die Fohlen. Dieser Satz wird in einer Übungsaufgabe interpretiert. Klassische Beispiele für relationale Plurale: (1-85) Die Seiten von Rechteck 1 sind parallel zu den Seiten von Rechteck 2 (Scha) R1: R2: Diesen Sachverhalt kann man einfach analysieren als SR1 SR2 **parallel. (1-86) Die Wände des Bücherregals sind parallel zu den Wänden des Zimmers. (Heim) ------------------------------/ \ / -----------------\ / \ / \ / \ / \ -------------------------------------Die einfache Analyse mittels der **-Operators scheitert. Man benötigt eine Analyse im Stil von ( 1-79). Übungsaufgabe. (1-87) Die Quadrate enthalten die Kreise (Scha) s1: 25 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Der Satz ist intuitiv wahr in s1, er kommt aber bei einer Formalisierung mit dem **-Operator als falsch raus. Zeigen Sie das! (1-88) s2: (Beck) Es ist unklar, ob der Satz in s2 wahr ist. Der Kumulationsoperator macht ihn zwar falsch, aber wir können ihn nicht von dem ersten unterscheiden. (1-89) Die Fregatten sind schneller als die Flugzeugträger. (Scha) Gemeint ist: Die Fregatten in Region 1 sind schneller als die Flugzeugträger in Region 1 und die Fregatten in Region 2 sind schneller als die Flugzeugträger in Region 2. Wir benötigen hier wieder eine Analyse mit einer Relationsvariable unter dem **-Operator. 1.9. Semantische Pluralisierung von VPs ist unverzichtbar! Die Idee der mehrstelligen Kumulierung wird in der in der Literatur (Krifka, 1989) zugeschrieben (vgl. z.B. (Sternefeld, 1998) oder (Beck, 1999b)). Bei Krifka gibt es aber keine mehrstelligen Kumulierungsoperatoren. Diese gehen nach meiner Kenntnis auf (Sternefeld, 1993) zurück. Krifka nimmt an, dass viele mehrstellige Verben bereits qua lexikalischer Bedeutung kumulativ sind. Er nennt die Eigenschaft solcher Prädikate summativ. Es gibt bei Krifka keine semantischen Operationen *, **, ***,... welche ein Verb bzw. eine VP pluralisieren. Die korrekten Plurallesarten sollen sich aus der Pluralisierung der DPs und der Summativität des Verbs ergeben. Wir zeigen in diesem Abschnitt, dass man *-Operatoren bei der VP braucht. Die Theorie von Krifka und ebenso die von (Schwarzschild, 1996), welche ebenfalls keine semantische Pluralisierung von VPs kennt, ist deswegen zu schwach. Derselbe Punkt wird in (Beck and Sauerland, 2000) gemacht. (1-90) Summativität (nach (Krifka, 1989: S, 92)). Eine Relation R De(et) ist summativ genau dann, wenn für beliebige Individuen x, y, z, w: falls R(x)(y) = 1 und R(z)(w) = 1, so R(x+z)(y+w) = 1. Betrachte den folgenden Text (das Beispiel ist durch Heims Skript angeregt): (1-91) The cats ruined just one sofa. Reg’ dich nicht auf. Die Katzen haben gerade mal ein Sofa zerkratzt. Der Determinator „gerade mal n“ bedeutet „n, aber nicht mehr als n“. Der Determinator bedeutet im wesentlichen dasselbe wie „genau n“, nur dass bei dem Letztgenannten die 26 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Implikatur „und das ist wenig“ fehlt. Wir formalisieren den Determinator „genau n“. Heims Satz ist mehrdeutig und hat die folgenden beiden LFs: (1-92) a. genau ein Sofa 2 [die Katzen t2 zerkratzt] b. die Katzen *1[genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]] (kollektiv) (distributiv) Szenario 1: Es gibt 10 Sofas im Haus. Minz und Maunz haben das Sofa im Wohnzimmer zerkratzt, die anderen aber in Ruhe gelassen. In diesem Szenario sind die beiden LFs wahr. Szenario 2: Es gibt 10 Sofas im Haus. Minz hat das Sofa im Wohnzimmer zerkratzt, Maunz das im Schlafzimmer. Die anderen sind in Ordnung. In diesem Szenario ist die erste LF falsch, die zweite aber wahr. Zur Formulierung einer präzisen Semantik von „genau n“ erinnern wir daran, dass Zahlwörter einfach Namen für Zahlen sind, die den Typ d haben (vgl. Abschnitt 1.4). Ausdrücke wie „genau n Sofas“ haben die folgende Analyse11: (1-93) DP Det' et et t Det d et et t genau NPet Sofa Numd eins zwei drei Es bleibt hier offen, ob „Sofas“ semantisch ein Plural oder ein Singular ist. (1-94) Der Determinator genau12 11 Der Baum wird aus irgendeinem Grund nicht ausgedruckt und erscheint deshalb hier: DP Det' et Det d et et t genau et t NPet Sofas Numd eins zwei drei P’ ist eine Menge von P-Atomen bedeutet: x E gilt[ x P’ gdw. [P(x) = 1 & y[y < x & P(y) = 1]] 12 27 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 [[ genau]] = s S.n Dd.P.P Det & P ist fundiert.Q Det.x De.P’ Det [P’ ist eine Menge von P-Atomen & card(P’) = n & x = P’ & Q(x) = 1 & y De[P’’ Det[P’’ ist eine Menge von P-Atomen & y = P’’ & Q(y) = 1] y ≤ x]] „Genau zwei Sofas sind zerkratzt“ bedeutet also: „Es gibt eine Gruppe von zwei Sofas, die zerkratzt sind, und dies ist die größte Gruppe von zerkratzten Sofas“. Diese Semantik ist äquivalent zu der Formulierung, die in (Kadmon, 2001: S. 70) gegeben wird. Kadmon schreibt die Idee zu dieser Semantik Hans Kamp zu. Die folgende LF ist in dem geschilderten Szenario 1 wahr, in dem Szenario 2 aber falsch. (1-95) genau ein Sofa *2 [die Katzen t2 zerkratzt] Der wesentliche Unterschied dieser LF und der in (1-95b) besteht darin, dass hier der Quantor genau ein Sofa weiten Skopus bezüglich des *-Operators hat. Diese Beispiele zeigen also, dass es eine Rolle spielt, ob ein Quantor innerhalb oder außerhalb eines Sterns steht. Wir zeigen dies nun. Vereinfachtes Szenario s2: [[ Katze]](s2) = {k1,k2} [[ Sofa]](s2) = {s1,s2} zerkratzt ist (lexikalisch) summativ und hat die folgende Extension in s. [[ zerkratzt ]](s2) = {k1,s1k2,s2,k1+k2,s1+s2} Behauptung. Dann können wir die distributive Lesart von (1-91) in diesem Szenario nicht ohne den *-Operator ausdrücken. Mit anderen Worten, die folgende Analyse ist in diesem Szenario falsch: (1-96) die Katzen 1[genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]] Dazu überlegt man sich, welchen Wahrheitswert die Extension [[ genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]]]g(s2) für verschiedene Werte von g für die Variable 1 hat. 1. Fall: g(1) = k1: [[ genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]]]g(s2) = 1 2. Fall: g(1) = k2: [[ genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]]]g(s2) = 1 3. Fall: k1 ≠ g(1) ≠ k2: [[ genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]]]g(s2) = 0 Insbesondere gilt für den Fall, dass g(1) = k1 + k2: [[ genau ein Sofa 2[t1 t2 zerkratzt]]]g(s2) = 0 Die letzte Aussage gilt, weil k1+k2 nicht nur ein einziges Sofa zerkratzen. Das sieht man daran, dass weder das Paar k1+k2,s1 noch das Paar k1+k2,s2 in der Extension des Verbs ist. Also gilt: [[ 1[genau ein Sofa 2 [t1 t2 zerkratzt]]]](s2) = {k1,k2} Folglich: [[ die Katzen 1[genau ein Sofa 2 [t1 t2 zerkratzt]]]](s2) = 0 28 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Pluraloperatoren werden also benötigt, unabhängig von der Frage, ob Verben qua lexikalischer Bedeutung summativ sind oder nicht. Derselbe Punkt mit dreistelligen Verben: Für die distributive Lesart wird der **-Operator benötigt. (1-97) Die Jungen schenken den Mädchen eine Blume. (distributiv) Szenario 3: 3 Blumen: eine Rose, eine Nelke und eine Aster [[ die Mädchen]](s3) = Anna und Sveta = m1+m2 [[ die Jungen]](s3) = Daniel und Ventsi = j1+j2 [[ Blume]](s3) = {die Rose, die Nelke, die Aster} = {b1, b2, b3} Fakten: Daniel schenkt Sveta die Rose Ventsi schenkt Anna die Aster Wir nehmen an, dass das Prädikat schenken summativ ist und für s3 folglich gilt: [[ schenken]](s3) = {j1, b1, m1,j2, b2, m2,j1+j2, b1+b2, m1+m2} Eine LF ohne *-Operatoren bei der VP kann nur etwas wie das Folgende sein: (1-98) eine Blume 1 die Jungen den Mädchen t1 schenken Man kann sich nun überlegen, dass [[ 1 die Jungen den Mädchen t1 schenken]] (s3) = {b1+b2}. Offensichtlich ist keine der drei Blumen in dieser Menge. Deswegen ist die LF (1-98) falsch in diesem Szenario. Den genauen Nachweis führt man in einer Übungsaufgabe. Ohne einen geeigneten Sternoperator geht es also nicht. Gleichgültig, ob das Verb summativ ist oder nicht, die LF muss etwas wie die folgende Struktur sein: 29 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 (1-99) Distributive Lesart . . die Jungen . den Mädchen ** . l 2 . l 1 . DP eine Blum e . l 3 VP t1 V' t2 V' t3 V schenken Die LF wird nach einer Strategie erzeugt, welche auf (Sauerland, 1998) und (Beck, 1999a) zurückgeht. Hier ist eine Auflistung der relevanten Schritte der Ableitung: 1. die Jungen den Mädchen eine Blume schenken DS 2. eine Blume 3 die Jungen den Mädchen t3 schenken QR-en des direkten Objekts 3. die Jungen 1 eine Blume 3 t1 den Mädchen t3 schenken 4. die Jungen den Mädchen 21 eine Blume 3 t1 t2 t3 schenken QR-en des Subjekts QR-en des indirekten Objekts unter das Subjekt! 5. die Jungen den Mädchen **21 eine Blume 3 t1 t2 t3 schenken LF Pluralisieren der 2-stelligen VP Der entscheidende Schritt wird als vierter vollzogen. Hier wird direkt an die VP adjungiert, die wir durch Bewegung des Subjekts erzeugt haben. Auf diese Art gelingt es uns, eine zweistellige komplexe VP auf LF zu erzeugen, die wir dann pluralisieren können. Man kann nun zeigen, dass die LF das Szenario korrekt beschreibt. Übungsaufgabe. Das Ergebnis unserer Überlegungen ist also, dass wir ohne Pluralisierungsoperatoren in der Syntax bei der VP nicht auskommen. Da wir die Operatoren also auf jeden Fall benötigen, brauchen wir die Annahme, dass Verben summativ aus dem Lexikon kommen, nicht. Ob ein Verb summativ ist oder nicht, ist eine empirische Frage, deren Beantwortung sich uns entzieht. Für die Zwecke unserer Diskussion gehen wir nach der folgenden Strategie vor: Mache die Extensionen eines Verbs möglichst klein, d.h., gerade so groß, dass die Fakten korrekt beschrieben werden. D.h. wir werden nicht allgemein annehmen, dass Prädikate summativ aus dem Lexikon kommen. 30 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 1.10. Komplexe Plural-VPs und Lokalität Plurale VPs können mittels QR gebildet werden. Für QR gibt es eine Lokalitätsbeschränkung, die in erster Annäherung Folgendes besagt: (1-100) Satzgebundenheit von QR13 Die Landestelle eines durch QR bewegten Ausdrucks muss eine Adjunktionssposition des nächsten finiten Satzes sein, in dem vorkommt. Gemeint ist, dass man nicht über einen weiteren finiten Satz hinwegbewegen darf. Die genaue Formulierung einer solchen Bedingung ist technisch sehr aufwändig und wird hier nicht versucht. Was gemeint ist, illustrieren die folgenden Beispiele aus (Beck and Sauerland, 2000): (1-101) Max and Peter said that Bill married two dentists. (= 44) ≠ Max and Peter said that Bill married Ann and Amy, respectively. Der Satz kann die hier paraphrasierte Lesart offensichtlich nicht haben. Völlig in Ordnung ist dagegen die folgende Konstruktion: (1-102) a. Max and Peter want to marry two dentists. (= 45) b. Max and Peter want to marry Sue and Amy, respectively. (1-103) a. Max und Peter wollen zwei Ukrainerinnen heiraten. = Max will Olga heiraten und Peter will Alla heiraten. b. Max und Peter wollen, dass Willi zwei Ukrainerinnen heiratet. ≠ Max will, dass Willi Olga heiratet und Peter will, dass Willi Alla heiratet. Die (a)-Sätze könnten synonym mit den (b)-Sätzen sein, wenn QR nicht satzgebunden wäre. Hier ist die Analyse der Kontrollkonstruktion, die wieder die Methode Sauerland verlangt: 1. 2. Max und Peter [VP [VP zwei Ukrainerinnen heiraten] wollen] DS Max und Peter 1[S t1[VP[VP zwei Ukrainerinnen heiraten] wollen]] QR-en des Subjekts 3. Max und Peter zwei Ukrainerinnen 21[S t1[VP[VP t2 heiraten] wollen]] QR-en des Objekts unter das Subjekt! Typenkonflikt! 4. zwei Ukrainerinnen 3[S Max und Peter t3 21[S t1[VP[VP t2 heiraten] wollen]]] QR-en des Objekts 5. indef zwei Ukrainerinnen 3[S Max und Peter t3 **21[S t1[VP[VP t2 heiraten] wollen]]] LF, Pluralisieren des zweistelligen Prädikats Der unbestimmte Artikel indef ist natürlich auch schon vorher beim Numerale. Er aus Platzgründen weggelassen. Es handelt sich um die „clause boundness“-Beschränkung von May, R. 1977. The Grammar of Quantification, MIT: Ph.D. Dissertation, May, R. 1985. Logical Form. Cambridge MA: MIT Press.. Die genaue technische Formulierung ist gar nicht klar. 13 31 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Die unerlaubte LF für (1-103b) unterscheidet sich von dieser dadurch, dass „wollen“ einen Satz einbettet, aus dem das Objekt unerlaubt herausbewegt wird. Semantisch ist alles in Ordnung (Übungsaufgabe). (1-104) Opazität, Transparenz, Spezifizität a. Ein Quantor steht in opaker Position, wenn er im Skopus eines intensionalen Operators steht, also im Skopus eines Quantors über Situationen/Welten. Falls Q nicht in einer opaken Position steht, steht Q in einer transparenten Position. b. Das Vorkommen eines Existenzquantors ist spezifisch bezüglich eines Vorkommens eines anderen Operators OP, falls OP im Skopus von steht. ist unspezifisch bezüglich OP, falls im Skopus von OP vorkommt. In der eben diskutierte Lesart kommt der Quantor zwei Ukrainerinnen in transparenter Position vor und ist spezifisch bezüglich des Operators **. Der Satz wird wahr in einem Szenario, in dem Max Alla heiraten will und Peter Olga, beides Ukrainerinnen. Der Satz hat noch mindestens drei weitere Lesarten: Szenario s12: Max und Peter wollen jeweils zwei bestimmte Ukrainerinnen heiraten: Max will Alla und Olga heiraten, Peter will Uljana und Natalja heiraten, alles Ukrainerinnen. Die zu diesem Szenario passende LF ist die folgende: (1-105) Max und Peter *1 [indef zwei Ukrainerinnen *2[S t1 [VP[VP t2 heiraten] wollen]]] Dies kann paraphrasiert als: Max und Peter lassen sich aufteilen in jeweils eine Person, für die es jeweils eine Gruppe von zwei Ukrainerinnen gibt, so dass die Person jede davon heiraten will. Hier steht zwei Ukrainerinnen in transparenter Position, ist aber unspezifisch bezüglich „Max und Peter jeweils“. 14 Die Fakten werden beschrieben durch: [[ heiraten wollen ]](s12) = {m,a,m,o,p,u,p,n} [[ Ukrainerinnen ]] (s12) = {o,a,u,n} In s12 ist die oben unter 5. genannte LF auch wahr (Übungsaufgabe). Szenario s13: Sowohl Max als auch Peter wollen sowohl Alla als auch Olga heiraten. [[ heiraten wollen ]](s12) = {m,a,m,o,p,a,p,o} [[ Ukrainerinnen ]] (s12) = {o,a,u,n} Die folgende LF wird diesen Fakten gerecht: (1-106) indef zwei Ukrainerinnen *2[S Max und Peter *[VP[VP t2 heiraten] wollen]] Diesmal ist der Existenzquantor vollständig spezifisch. Es handelt sich um zwei ganz bestimmte Ukrainerinnen, die von allen begehrt werden. Dies eine stark distributive Lesart: Jeder der beiden Jungen will jedes der beiden Mädchen heiraten. Die interessanteste Lesart ist die mit zwei Ukrainerinnen in opaker Position, d.h., der Quantor muss im Skopus von wollen sein. Max und Peter wollen Bigamisten werden und es müssen unbedingt Ukrainerinnen sein, ohne dass sie bestimmte Ukrainerinnen im Sinn haben. 14 Man sieht, dass die Terminologie „spezifisch bezüglich...“ nicht wirklich präzise greift. 32 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Jeder hat den Beschluss gefasst, zwei Ukrainerinnen zu heiraten. Sie werden sich dann im Internet nach geeigneten Kandidatinnen umschauen. Diese Lesart beschreiben wir in einer Übungsaufgabe. Eine Vorhersage unserer Theorie besteht darin, dass es keine distributiven opaken Lesarten geben kann. (Übungsaufgabe) Fazit: Mehrstellige Prädikate können syntaktisch durch LF-Bewegung erzeugt werden und anschließend pluralisiert werden. Diese Bildung ist beschränkt durch die Lokalitätsbeschränkungen für QR. 1.11. Reziprozität 1.11.1. Starke und schwache Lesarten Es gibt starke und schwache Reziprozität. Die folgenden Beispiele werden plausibel als stark reziprok interpretiert: „jeder jeden anderen“. (1-107) a. Fritz und Senta mögen sich/einander. = Fritz mag Senta und Senta mag Fritz. b. Die Studenten mögen sich. = Jeder Student mag jeden anderen Studenten. Schwache Reziprozität ist für die folgenden Beispiele plausibel: (1-108) a. Die Gläubigen reichen sich/einander die Hände. = Jeder der Gläubigen reicht einem anderen Gläubigen die Hand und jeder Gläubige kriegt von einem anderen Gläubigen die Hand gereicht. b. Die Soldaten schießen aufeinander. = Jeder Soldat schießt auf einen anderen Soldaten und jeder Soldat wird von einem Soldat beschossen. Es gibt Mehrdeutigkeiten: (1-109) a. Die Schweine und die Hunde kämpfen gegen einander. b. Die Schweine kämpfen gegen einander und die Hunde kämpfen gegen einander. c. Die Schweine kämpfen gegen die Hunde und die Hunde kämpfen gegen die Schweine. Hier denkt man eine Desambiguierung mittels einer Relationsvariablen. Eine andere Art von Kontextabhängigkeit liegt in den folgenden Sätzen vor: (1-110) a. Die Fregatten beschießen sich. b. Die Männer und die Frauen gehen aggressiv miteinander um. (1-110a) kann zwei Arten von schwach reziproken Lesart haben: (1-111) a. Hier schießt jeder der Fregatten auf eine andere der Fregatten und jede Fregatte wird von einer anderen Fregatte beschossen. 33 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 b. In jedem Einsatzbereich beschießt jede Fregatte eine andere und jede Fregatte wird von einer anderen beschossen. Für die zweite Lesart muss eine Kontextvariable die Fregatten in verschiedene Regionen aufteilen. (1-110b) hat verschiedene Interpretationen: ( 1-112) a. Jede Person der Männer und Frauen geht mit einer anderen Person davon aggressiv um und jede Person der Männer und Frauen wird von einer anderen Person aggressiv angegangen. b. Die Männer sind aggressiv zu den Frauen und die Frauen sind aggressiv zu den Männern. c. Die Männer und Frauen lasse sich so in Gruppen aufteilen, dass jede Person der Gruppe aggressiv zu jeder anderen Person der Gruppe ist. Es gibt noch mehr Möglichkeiten. Wie bei den relationalen Pluralen gibt es Ausnahmen: (1-113) a. Die Teller sind aufeinander gestapelt. b. Die Haie fressen einander auf. 1.11.2. Starke Reziprozität nach (Heim et al., 1991b) Was ist die Analyse von Reziprokausdrücken? In der GB-Theorie, d.h. (Chomsky, 1981), und der darauf aufbauenden syntaktischen Literatur wird das Reziprokpronomen als eine Anapher klassifiziert, die durch ein Antezedens in derselben regierenden Kategorien (dem nächsten finiten Satz) gebunden sein muss. Der Satz hat dort die folgende Indizierung: (1-114) The students1 like each other1 Hier ist das Reziprok durch „the students“ gebunden. Wie aber soll man das interpretieren? (1-115) Jeder der Studenten mag jeden anderen der Studenten. (starke Reziprozität) Jeder der Studenten mag einen anderen der Studenten und jeder Student wird von einem anderen der Studenten gemocht. (schwache Reziprozität) Wie soll man diese Lesarten aus Chomskys S-Struktur gewinnen? Spätestens seit (Heim et al., 1991a) wissen wir, das diese Struktur für eine Interpretation unzureichend ist. Das Reziprok enthält zwei Variablen. Welche Bestandteile hat eine Reziprokphrase?15 (1-116) a. Die Studenten mögen sich/einander. 15 Wenn es sich überhaupt um eine einzelne Phrase handelt. 34 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 b. c. c. d. e. The students like each other. russ. Studenty ljubjat drug druga. it. Gli studenti si vogliono bene (l’uno a l’altro). frz. Les étudiants s’aiment (l’un lautre) bulg. Studentite se obichat (edin drug) Das dt. sich hat eine reziproke Lesart, die synonym zu dem (in dieser Stellung) antiquierten einander ist. Im Dt. wird also nur die reflexive Komponente der Reziprokphrase ausgedrückt. Das Engl. drückt die Verschiedenheit (other) im Lexem aus, ohne den reflexiven Bestandteil zu lexikalisieren. (Heim et al., 1991a) nehmen an, dass der Bestandteil each tatsächlich auch mit zur Bedeutung gehört. Alle genannten Reziproke legen nahe, dass über zwei Dinge geredet wird „der eine den anderen“. Das Italienische und das Französische legen nahe, dass diese beiden Dinge definit sind. Die it., frz. und bulg. Morphologie kommen der im folgenden angenommenen Semantik für die Reziprokphrase, die wir von (Heim et al., 1991b) in der Version (Beck, 1999a) übernehmen, am nächsten. Demnach lässt sich unser Beispielsatz folgendermaßen umschreiben: (1-117) Die Studenten mögen sich/einander = Die Studenten mögen die anderen unter ihnen. Um uns an die Syntax/Semantik der Reziproks heranzutasten, beginnen wir mit der Analyse des Adjektivs „anderer“. (1-118) Franzis schwört auf Dieter und misstraut jedem anderen Arzt. (1-119) ander- ist ein Symbol vom Typ e((et)(et)).16 [[ ander-]] = x De.P.P Det & P(x) = 1.y De.y ≠ x & P(y) = 1. „ander-“ hat die Präsupposition, dass das andere Ding die Eigenschaft hat, welche durch das Adjektiv modifiziert wird. (1-120) Franzis misstraut jedem anderen Arzt. t et t jedem et l et t Franzis t 2 misstraut et Arzt et et e et et anderen 2 e 1 Für eine Belegung g drückt diese LF in einer Situation s nur dann einen Wahrheitswert aus, wenn g(1) ein Arzt in s ist. Falls dies gegeben ist, ist die LF wahr, falls für jeden Arzt in s, der von g(1) verschieden ist, gilt, dass Franzis diesem in s misstraut. Satz (1-117) wird analysiert nach der Idee „Die Studenten mögen die anderen (Studenten) unter ihnen“. 16 Vgl. Heim, Irene. 1994. Plurals. Ms. Cambridge, Massachusetts.. 35 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 (1-121) Die Studenten mögen einander . (erste Approximation) die Studenten3 . * . l 1 . die anderen Studenten unter ihnen3 einander3 . * . l 2 . t1 t2 . mögen Das Subjekt muss noch einmal QR-t werden, um das Pronomen „ihnen“ binden zu können, das in dem Reziprok enthalten ist, Chomskys Anapher. Dies ist zu lesen als: „Jeder der Studenten mag die anderen der Studenten“. Bei dieser LF fehlt aber noch einiges. „die Studenten“ ist eine Fusion von Studenten und wir müssen sagen, nach welchen Kriterien die Distribution vorgenommen wird. Man braucht eine das Prädikat beschränkende Prädikatsvariable 4 et, die z.B. mit der Menge der Studenten in s belegt wird. Eine solche Variable muss unter dem ersten Stern stehen. So eine Variable, vielleicht dieselbe, muss auch im Reziprok stehen, und zwar an der Stelle des eingeklammerten Wortes „Studenten“. Eine solche Variable muss offenbar auch unter dem zweiten Stern stehen. Eine bessere LF ist also das folgende Gebilde: (1-122) Die Studenten mögen einander (zweite Approximation) 36 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 . die Studen ten . 3 t3 . * . 4 et . 1 . die anderen 4 et unter ih nen3 ein ander3 . * . 4 et . 2 . t1 t2 . mö ge n Das genügt leider noch nicht, denn „ander-„ drückt Nicht-Identität des Subjekts von „ander-„ mit dem Objekt von „ander-“ aus, welches bisher noch unterschlagen ist. Offenbar handelt es sich um die Variable 1. Ferner ist zu bedenken, dass „die anderen unter ihnen“ ein Plural ist, welches aus der AP „ander- unter ihnen“ gemacht werden muss, welches semantisch ein Singular ist, weil „ander-„ ein Singular ist. Wir müssen zwischen dem bestimmten Artikel und „ander-„ also noch einen Stern interpolieren. Schließlich brauchen wir noch die abstrakte Präposition „unter“, welche die Teil-von-Beziehung ausdrückt. Wir kommen so zu der folgenden Struktur des Reziproks: (1-123) Die Reziprokphrase 37 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 DP e et e def et NP et * NP et AP et et A e et et ander - e 1 N 4 et PP et P e et UNTER Š e ihnen3 Diese Phrase hat eine völlig transparente Bedeutung. Diese Phrase müssen wir für das Reziprok in unserer LF einsetzen. Damit die LF nicht zu groß wird, machen wir das QR des Subjekts rückgängig und schreiben den * direkt an den Knoten, den er modifiziert. Wir gelangen so zu unserer (vorläufig) endgültigen LF: (dritte Approximation)17 ( 1-124) Die Studenten mögen einander 17 . dieStu de nten3 *et. 4 et . 1 . die anderen 4 et unterih nen3 e inan de r(1)(3) . *et. 4 et . 2 . t1 t2 38 . m ög en v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 . dieStu de nten3 *et. 4 et . 1 . die anderen 4 et unterih nen3 e inan de r(1)(3) . *et. 4 et . 2 . t1 t2 . m ög en Die LF ist noch etwas komplizierter, weil der Index 3 des Subjekts ein Bindungsindex ist, also ein -Operator, und das Subjekt noch QR-t werden muss. Die Überdeckungsvariable können wir uns mit den Studenten in den jeweiligen Situationen belegt vorstellen. An diesem Baum erkennt man, dass das Reziprokpronomen in viele Bestandteile dekomponiert. Wenn man es als ein einziges Wort auffassen will, muss man die gesamte Information, die in der Reziprokphrase enthalten ist, in eine einzige Bedeutungsregel packen. (1-125) Das Reziprokpronomen einander hat den Typ (e((et)(ee))). [[ einander]]= s S.x De.C Det.y De.[[ def]](s)([[*]](s)(z De.[z ≠ x & C(z) & z ≤ y])) Nehmen wir an, die Studenten in s sind Luka (l) und Timm (t), und g(4) = {l,t}. Dann ist diese LF mit Bezug auf g in s wahr, falls l,t [[ mögen]](s) und t,l [[ mögen]](s) (Übungsaufgabe). Um uns die Bindungsverhältnisse klar zu machen, nehmen wir einige radikale Vereinfachungen vor: Wir lassen die Überdeckungsvariable 4 weg und ignorieren die den Stern für die Distribution über das Objekt. Eine Kurzfassung unserer LF ist dann die folgende Struktur: 39 v.Stechow (1-126) Ausdruck 13.05.2016 t die Studenten et 3 t t3 *et 1 t t1 et e einander 1 3 e et mögen Man sieht an dieser Struktur, dass das Reziprok zwei anaphorische Variablen hat, die durch dasselbe Antezedens gebunden sein müssen. Dies ist erstmal in (Sauerland, 1994) formuliert worden, in der Semantik von Heim aber natürlich angelegt. Man kann diese Struktur nicht dadurch vereinfachen, indem man die beiden Argumente des Reziproks identifiziert und dann durch das Subjekt bindet, denn einander(x)(x) bedeutet „die z, die von x verschieden sind und ein Teil von x sind“. Dies ist keine definierte Kennzeichnung. Tatsächlich spielen die beiden Variablen eine verschiedene Rolle: die erste Variable dient zur Quantifikation über die relevanten Teile des Antezedens, die Zweite greift die Antezedenspluralität anaphorisch auf. Die Chomskysche S-Struktur (1-114) sieht nur eine einzige Variable vor, die vermutlich unserer zweiten Variable entspricht. Diese Struktur ist also zu simpel; eine bessere S-Struktur ist die folgende: (1-127) the students1,3 like [DP each other(3)(1)] Die Indizes des Subjekts müssen als zwei -Operatoren gedeutet werden, die sukzessiv durch QR abgearbeitet werden müssen. Die Indizes des Reziproks sind Argumente. Nach dem ersten QR-en muss ein Stern hinterlassen werden. 1.11.3. Das Auflösungsproblem In der Literatur heißt das Problem grain problem (vgl. (Heim et al., 1991b: S, 79)). Ich stelle mir vor, dass der Terminus aus der Fotografie stammt: je feiner das Korn, desto feiner die Auflösung. (Higginbotham, 1985) hat als erster beobachtet, dass der folgende Satz auf vielfache Weise mehrdeutig ist: (1-128) John and Mary told each other that they should leave. Man kann die Lesarten in Anlehnung an (Heim et al., 1991b) folgendermaßen paraphrasieren: (1-129) a. Die ich-Lesart 40 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 John sagte zu Mary und Mary sagte zu John: „Ich sollte jetzt gehen.“ b. Die du-Lesart John sagte zu Mary und Mary sagte zu John: „Du sollest jetzt gehen.“ c. Die wir-Lesarten John sagte zu Mary und Mary sagte zu John: i. „Wir sollten jetzt (gemeinsam) gehen.“ ii. „Jeder von uns sollte jetzt gehen“. Diese Paraphrasen zeigen, dass das Pluralpronomen they nicht als semantischer Plural gedeutet werden muss. In den Paraphrasen (1-129)(a) und (b) steht they für eine gebundene Variable, die über individuelle Personen läuft, nicht über Gruppen von Personen. In (c) läuft die Variable dagegen über Gruppen. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um einen abhängigen Plural. Man sieht das deutlich, wenn man die Bedeutungen mittels einer der indirekten Rede paraphrasiert: (1-130) a. ich-Lesart John sagte zu Mary, dass er gehen solle, und Mary sagte zu John, dass sie gehen solle. b. du-Lesart John sagte zu Mary, dass sie gehen sollte, und Mary sagte zu John, dass er gehen sollte. c. wir-Lesarten John sagte zu Mary und Mary sagte zu John, i. dass jeder von ihnen gehen sollte. ii. dass sie (gemeinsam) gehen sollten. Wenn ein abhängiger Plural vorliegt, ist die Pluralmorphologie ein Kongruenzphänomen, dem semantisch kein Pluraloperator entspricht. Nimmt man die im vorigen Abschnitt Indizierungen im Chomskyschen Stil an, so kann man die D-Struktur für die du-Lesart folgendermaßen darstellen: (1-131) du-Lesart (DS) [John and Mary]1,2 told [each other(2)(1)]3 they3 should leave. Die LF bilden wir daraus durch geeignetes QR-en: das Objekt muss die Variable they3 binden und die beiden Argumente von each other(2)(1) werden durch das Subjekt durch zweimaliges QR-en gebunden. (1-132) du-Lesart (LF) [John and Mary]1,2 told [each other(2)(1)]3 they3 should leave => QR-e Subjekt + *-einfügen [John and Mary]1 *[2 t2 told [each other(2)(1)]3 they3 should leave] => QR-e Subjekt noch einmal [John and Mary] [1 t1 *[2 t2 told [each other(2)(1)]3 they3 should leave]] => QR-e Objekt [John and Mary] [1 t1 *[2 [each other(2)(1)] 3 t2 told t3 they3 should leave]] Man denke daran, dass they3 eine gewöhnliche Individuenvariable ist. Die LF lässt sich paraphrasieren als: „Jeder von John und Mary ist ein x, so dass der von x verschiedene Teil von John und Mary ein y ist, so dass x dem y sagt, dass y gehen soll“. 41 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Die ich-Lesart erhält man, indem they durch die erste Spur des Matrixsubjekts gebunden wird: (1-133) ich-Lesart (LF) [John and Mary] [1 t1 *[2 t2 told [each other(2)(1)] they2 should leave]] In einer Übungsaufgabe überlegen wir uns, dass diese LF die intendierte Lesart ausdrückt. Die Formalisierung der beiden wir-Lesarten dürfte nun kein Problem mehr sein. Man muss nur sicherstellen, dass they korefentiell mit John and Mary gedeutet wird. Die LF wird in einer Übungsaufgabe entwickelt. 1.11.4. Schwache Reziprozität (1-134) a. Die Fregatten schießen auf einander. b. Die Kinder berühren einander. c. Die Kandidaten mustern sich. In der natürlichen Lesart liegt hier jeweils schwache Reziprozität vor: Jede Fregatte schießt auf mindestens eine andere und jede Fregatte wird von mindestens einer Fregatte beschossen. Wir stellen zuerst die Theorie von (Sternefeld, 1998) dar, welche auf die schwache Reziprozität zugeschnitten ist. Anschließen zeigen wir, wie die schwache Reziprozität in den Ansatz von Beck/Heim eingebaut wird. Die D-Struktur von (1-134c) stellt sich Sternefeld folgendermaßen vor: In unserem Framework stellt sich der Baum wie folgt dar: 42 v.Stechow (1-135) Ausdruck 13.05.2016 18 t DP die Kandidaten et l t 1 et t1 e et * * l 2l 1VP DP sich 1 DP ander 2 1 1š 2 VP t1 t2 . mustern Sternefeld stellt sich vor, dass die Reziprokphrase as zwei asyndetischen Bestandteilen sich+ander besteht. ander drückt Nicht-Identität, wobei die Variablen denen der VP entsprechen müssen (was durch eine geeignete Stipulation sichergestellt werden muss). Das Reflexiv muss wegbewegt werden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Anschließend wird über Abstraktion eine zweistellige Relation gebildet, die kumuliert wird. Das sich1 muss gebunden werden. Die genaue Herleitung dieser LF mag in den Einzelheiten problematisch sein, aber 18 t DP die Kandidaten et l t 1 t1 et DP sich 1 e et * * l 2l 1VP DP ander 2 1 1š 2 VP t1 t2 43 . mustern v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 man erhält die korrekte Lesart: Für jeden der Kandidaten gibt es einen anderen Kandidaten, den er mustert und jeder Kandidat wird von einem anderen Kandidaten gemustert. Wenn man den Bestandteil ander durch selbst ersetzt und dieses Morphem als Identität deutet, erhält man mittels derselben Theorie die korrekte Bedeutung für den Satz; (1-136) Die Studenten sorgen für sich selbst. (Beck, 2000b) nennt zwei Probleme für den Ansatz. Es gibt viele Szenarien, in denen starke Reziprozität im Sinne von „die Anderen von ihnen“ gebraucht wirt, und diese kriegt man nicht in Sternefelds Theorie. Zweitens verhält sich die Negation in manchen Fällen bei Sternefeld merkwürdig. (1-137) a. The forks ar propped against each other. (Dalrymple et al., 1998) Die Mitstgabeln sind gegen einander gelehnt. b. The satellite, called Windsock, would be launched from under the wing of a B-52 bomber and fly to a ‚liberation point’ where the gravitational fields of the Earth, the Sun and the Moon cancel each other out. Hier handelt es sich um starke Reziprozität: jede Gabel ist gegen die anderen von den Gabeln gelehnt. Zu Herleitung dieser Lesart nimmt Sternefeld eine LF an, die mit der von Heim/Beck praktisch identisch ist: (1-138) Sternfelds starke Reziprozität A steht hier für die Mistgabeln und R für lehnen gegen einander. In unserer Notation stellt sich die Formel ungefähr dar als: (1-139) A *1[[2.2 A & 2 ≠ 1] *2 R(2)(1)] „2 A“ ist zu lesen als „2 ist eines der A“. In unserem Ansatz darf man das nicht so schreiben. Für die starke Reziprozität landet Sternefeld also bei Beck/Heim. Die LF für die schwache Reziprozität sieht völlig anders aus. Eine Vereinheitlichung wäre wünschenswert. Das Problem mit der Negation besteht darin, dass eine triviale Lesart erzeugt wird, die es 44 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 nicht gibt. (1-140) Sie mögen sich nicht. a. sie, sie **21[1 ≠ 2 & 1 mag 2] b. sie, sie **21[1 ≠ 2 & 1 mag 2] c. sie, sie **21[1 ≠ 2 & 1 mag 2] Wir haben zwei Studenten {a,b}. Die erste Lesart ist damit verträglich, das a b mag. Aber das Umgekehrte ist dann nicht möglich. Die dritte Lesart sagt, dass jeder den anderen nicht mag. Dies ist die plausibelste. Die zweite Lesart ist eine Tautologie, denn die Aussage unter den Abstraktionen kann geschrieben werden als (1-141) **21[1 = 2 1 mag 2] Es ist aber klar, dass sich a+b so in Paare von Individuen aufteilen lässt, dass die Relation 21[1 = 2 1 mag 2] darauf zutrifft. Die Relation trifft offensichtlich auf a,a und b,b zu. Es ist unklar, wie (1-140b) verhindert werden kann. Es ist keineswegs so, dass der reziproke Teil immer ausserhalb der Negation stehen muss: (1-142) a. Mary and Sue introduced no one to each other. (Beck) b. There is nobody such that Mary introduced him to Sue and Sue introduced him to Mary. c. Mary didn’t introduce anybody to Sue and Sue didn’t introduce anybody to Mary. (Beck, 2000b) hat eine Theorie der schwachen Reziprozität vorgelegt, welche beide der bei Sternefeld auftretenden Probleme vermeidet. Die Idee ist, dass man die Reziprokphrase an der Objektstelle lässt und dann durch Abstraktion eine zweistellige Relation bildet, die kumuliert wird. Diese wird dann einem Paar, das aus Subjekt und Subjekt besteht, zugesprochen. Man schaut sich zunächst einmal die Sternefelds Reziprokrelation an, welche den Input für die Kumulierung bildet. Sie hat die allgemeine Form: (1-143) yx[x ≠ y & R(x,y)] Mittels des bestimmten Artikels kann man die Relation umschreiben als: (1-144) yx.R(x,def z[z ≠ x & z ≤ x+y & z {x,y}]) „x R-t den anderen von x+y“ Man sieht sofort, dass diese Relation niemals auf ein Paar von gleichen Dingen angewandt werden kann, denn für diesen Fall ist die Kennzeichnung nicht definiert, weil das Argument des bestimmten Artikels dann eine leere Menge ist. Wenn man R negiert, ändert sich nichts. Beck benutzt nicht genau diese Formulierung sondern die folgende: (1-145) yx.R(x,def z[z ≠ x & z ≤ y & C(z)]) Betrachten wir die Anwendung dieser Relation auf ein Paar <x,y>. R verbindet x mit dem zu x verschiedenen C-Teil von y. Da der bestimmte Artikel im Singular ist, muss y eine Fusion von diesem C und x sein. y gehört also nicht unbedingt zu der Relation R, sondern das herausgeschnittene andere C. Die Formulierung (1-145) ist recht unübersichtlich, aber sie hat genau das Format der Reziprokphrase. Damit ist auf jeden Fall eine Vereinheitlichung gelungen. Ein Unterschied zu der bisherigen LF besteht darin, dass der bestimmte Artikel in der 45 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Reziprokphrase im Singular steht und dass die ganze Relation kumuliert wird. Dass die Semantik richtig ist, macht man sich am besten an einer Rechung klar, die gleich folgt. Eine Kurz-LF für den Satz (1-110) ist die folgende: (1-146) F F **3e(et) 21[t1 def (4[4 ≠ 1 & 5et(4) & 4≤ 2]) beschießen] F steht für „die Fregatten“. g(3) ist das Kreuzprodukt der einzelnen Fregatten in der Situation, g(5) ist die Menge der einzelnen Fregatten in der Situation. Die Verdoppelung des Subjekts erhalten wir durch eine geeignete Bewegung. Die Formel ist einigermaßen unübersichtlich. Wir lassen die Überdeckungsvariablen weg und kürzen auch das Prädikat ab. (1-147) F,F **21.B(t1,def 4[4 ≠ 1 & 4≤ 2]) Wir wollen diese Formel so verstehen, wie die letzte. Um uns klar zu machen, dass diese Formel die korrekten Wahrheitsbedingungen ausdrückt, betrachten das folgende Szenario s mit den drei Fregatten a,b,c und der folgenden Fakten: [[ B]](s) = {a,b,b,ab,cc,b} Wir überlegen uns, dass alle diese Paare in der Relation R = [[ 21.B(t1,def 4[4 ≠ 1 & 4≤ 2])]](s) sein müssen, aber kein anderes Paar sonst. Daraus folgt sofort, dass die LF (1-147) in s wahr ist, denn [[ F]] (s) = a+b+c, und die größte mereologische Summe der ersten und zweiten Komponenten der Paare in der Relation ist gerade dieses Individuum. Betrachte das Paar a,b. Dieses gehört zu R, weil das Paar a, def z[z ≠ a & z ≤ a+b] zu [[ B]](s) gehört. Dies ist so, weil das *z[z ≠ a & z ≤ a+b] = b ist, wobei natürlich vorausgesetzt ist, dass nur solche Teile von a+b betrachtet werden, die jeweils ein Fregatte sind. Analog zeigt man, dass die anderen Paare in [[ B]](s) zu R gehören. Wir zeigen nun, dass kein anderes Paar zu R gehört. Man betrachte etwa das Paar a,das *z[z ≠ a & z ≤ a+c], welches offensichtlich gleich a,c ist. Dies gehört nicht zu der Relation. Man sieht, dass die definite Beschreibung nie etwas liefern kann, was Ärger macht. Man beachte, dass man für dieses spezielle Szenario stets eine Zweiergruppe für die Variable 2 wählen muss, weil die Grundrelation [[ B]] (s) keine Gruppenindividuen enthält. Die Grundrelation könnte durchaus Gruppen enthalten. Diese müssten dann aber swohl im Vor- wie im Nachbereich der Relation [[ B]] (s) auftauchen. Die für 2 eingesetzte Menge muss also eine Fusion des jeweiligen Subjekts und eines Objekts der Relation sein. In allen Fällen wird das Argument des bestimmten Artikels eine Einermenge sein. Deswegen kann man den * hinter def auch fortlassen. Die Deskription ist eine Singularphrase. Wir überlegen uns schließlich, dass die triviale Lesart unter Negation, die Beck bei Sternefeld beobachtet hat, in dieser Theorie nicht auftreten kann. Wir stellen hier noch einmal die beiden Formalisierungen gegenüber: (1-148) Die Fregatten beschießen einander nicht. a. Sternefeld: F,F **yx[x ≠ y & B(x,y)] 46 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 b. Beck: F,F **yx[B(x, def z[C(z) & z ≠ x & z ≤ y])], wobei C die Menge der Fregatten in s ist. Was passiert, wenn man die Relation yx[B(x, def z[C(z) & z ≠ x & z ≤ y] auf ein Paar von Fregatten <a,b> anwendet mit a = b? Dann müsste die Bedingung (1-149) [B(a, def z[C(z) & z ≠ a & z ≤ a], a eine Fregatte erfüllt sein. Betrachten wir dazu die Menge z[C(z) & z ≠ a & z ≤ a]. Ein Ding gehört dazu, wenn es eine Fregatte ist, wenn es verschieden von der Fregatte a ist und doch wieder ein Teil von a ist. Das ist ein Widerspruch. Die Menge ist also leer und die Existenzpräsupposition des bestimmten Artikels ist nicht erfüllt. In der Beckschen Theorie erhalten wir also eine Formel ohne Wahrheitswert, wenn die Reziprokphrase kein plurales Antezedens hat. Diese Präsupposition vererbt sich über die Negation hinweg. Ein weiterer Vorzug der Beckschen Theorie ist der, dass man nun für die Herleitung der starken und der schwachen Reziprozität mit denselben Bausteinen auskommt. Die Lesarten unterscheiden sich im Wesentlichen durch ein geeignetes Plazieren der Sternoperatoren. 1.12. „Verschiedene“ und „anders“ Zu Becks Baum für „anders“ (1-150) a. Otto hat ein größeres Auto als Luise. b. Otto hat ein anderes Auto als Luise. Die beiden Sätze werden parallel nach Heims (1985) Theorie der phrasalen Komparative behandelt. Hier zunächst Heims Analyse für „Otto ist größer als Luise“. Gradadjektive haben den Typ d(et), wobei d der Typ der Grade ist. ( 1-151) Gradadjektive [A groß ] hat den Typ d(et). [[[A groß ]]] = s.d.x. x ist d-groß in s. Der Positivsatz (1-152) a. Otto ist groß b. DS: Otto [AP pos gross] ist wird analysiert als „Es gibt ein d, welches größer oder gleich der Norm für Größe in s ist, und Otto ist d-groß in s. Diese Information steckt in dem Positivoperator (vgl. (Stechow, 1984)). (1-153) Der Positiv pos hat den Typ (dt)t. [[ pos]] = s S.D Ddt.Es gibt ein d Dd.d ≥ Norm(s) & D(t) = 1. ( 1-154) LF: 47 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 AP t DegP (dt)t pos dt 1 t e Otto A et DegP d t1 A d(et) gross Als nächstes betrachten wir den phrasalen Komparativ: (1-155) Otto ist größer als Luise. Otto [er als Luise] groß ist ( 1-156) D-Struktur für den phrasalen Komparativ S . ist Otto . DegP e e(dt) AP d et gro§ Deg e e e(dt) er PP e als Luise Zunächst die LF dazu: (1-157) Phrasaler Komparativ -er hat den Typ e(e((e(dt))t)). [[ -er]] = s S.x E.y E.R D(e(dt))t. d[R(y)(d) = 1 & d > max d’[R(x)(d’)]] ( 1-158) LF-für den phrasalen Komparativ 48 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 t DegP (e(dt))t DegP e((e(dt))t) Deg e(e((e(dt))t)) er e(dt) e Otto 2 dt AP t 1 e Luise e t2 A et DegP d t1 A d(et) gross Π Wir haben zuerst die DegP QR-t und eine Spur vom Typ d hinterlassen. Dann QR-en wir das Subjekt und adjungieren es an die DegP. Die typengetriebene Interpretation sagt, dass wir die DegP die tiefere DegP zunächst auf ihr Argument anwenden, und das Resultat dann auf die AP, welche eine Relation vom geeigneten Typ beinhaltet. Man kann ausrechnen, dass in einer Situation s die LF wahr ist, wenn es ein d gibt, so dass Otto d-groß in s ist und d größer als das größte d’ ist, so dass Luise d’-groß in s ist. Die Analyse von (1-159a) geschieht völlig parallel nach dem folgenden Schema: (1-159) Otto hat ein größeres Auto als Luise. er(Luise)(Otto)(xd.x hat ein d-großes Auto) Freilich muss das Objekt noch QR-t werden. (1-160) anders hat den e(e(e((e(et)t))). [[ anders]] = s.y.x.R De(et).u[R(u)(y) & y ≠ def(v.R(v)(x))] Die Idee ist, dass wir mithilfe dieser Regel eine LF für (1-150b) erzeugen wollen, die ungefähr die folgende Struktur hat: (1-161) anders(Luise)(Otto)(yx.Auto(x) & hat(x)(y)) Ein Blick auf diese Formel zeigt eine Merkwürdigkeit: die LF enhält keinen Existenzquantor, der dem unbestimmten Artikel von „ein Auto“ entspricht. Tatsächlich sieht man auch nicht, wie man den unbestimmten Artikel hier unterbringen könnte. (Heim, 1982) hat in ihre Dissertation ausführlich argumentiert, dass der unbestimmte Artikel im Allgemeinen nicht den Existenzquantor bedeutet, sondern eine „neue“ Variable in die LF einführt. Für die Becksche LF nehmen wir an, dass der unbestimmte Artikel überhaupt nichts bedeutet. 19 Der 19 Der Satz „Otto hat ein Auto“ hat in diese Theorie die folgende LF: (Error! Main Document Only.) 49 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Ausgangspunkt der Herleitung von Becks LF ist die folgende D-Struktur: (1-162) DS: Otto ein anderes als Luise Auto hat. Die LF selbst muss der folgende Baum sein. (1-163) t (e(et))t AP e(et) 1 e Otto AP e((e(et))t) et 2 e(e((e(et))t)) anders t e Luise NP t AP e t2 S t N t1 VP et t2 V Auto hat Die beiden t-Konstituenten werden durch Prädikatsmodifikation gedeutet. Die AP wird QR-t und hinterlässt eine Individuenvariable. Anschließend wird das Subjekt durch QR an das die AP adjungiert. Allerdings ist unklar, durch welche Stipulation sicher gestellt ist, dass die Variable mit der Objektvariable koindiziert ist. An dieser Stelle ist die Theorie also noch nicht ausgearbeitet. t DP t et e ein Auto 1 i t Otto t1 et e(et) hat Die DP hat hier den Typ t, genau wie der Satz, an den die DP adjungiert ist. Der Index i erinnert daran, dass die Variable 1 ein Indefinitpronomen ist. Die beiden Adjunkte werden durch die verallgemeinerte Regel der Prädikatsmodifikation semantisch komponiert, also konjunktiv gedeutet. Indefinitbewegung (Heim) Adjungiere eine indefinite DP an einen Baum vom Typ t. Koindiziere die DP mit ihrer Spur.19 Beide Indizes werden als Variablen interpretiert. Wenn man die Variable 1 frei lässt, hat bedeutet die LF {s | g(1) ist ein Auto in s & Otto hat g(1) in s}. 50 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 1.13. Plurale Prädikation Übertragung von (Beck, 1999b) in den mereologischen Ansatz. Idee: Zweistellige oder mehrstellige Überdeckungen, die oft intuitiv nicht vorhandene Lesarten liefern, werden ersetzt durch eine Überdeckung der Auswertungssituation in saliente Teilsituationen. Eine Aussage der Form „die As stehen zu den Bs in der Relation R“ wird wahr in s, wenn für jede saliente Teilsituation s’ die Teile der As in s’ zu den Teilen der As in der Relation R in s’ stehen. Dabei ist R eine kumulierte Grundrelation. (1-164) Die Mädchen sind lieb zu den Jungen. ( 1-165) Becks Kumulierungsoperator für transitive Verben [Typ: (st)((e(et)(e(et))] [[ **]] = s S. C Dst:C ist die Zerlegung von s in die Menge der salienten Teilsituationen von s. R De(et). x De.y De.s’[C(s’) Q1Q2[Q1 ≠ & Q2 ≠ & Q1 D1(R) & Q2 D2(R) & x = Q1 & y = Q2 & [u[Q1(u) v[Q2(v) & R(v)(u)]] & v[Q2(v) u[Q1(u) & R(v)(u)]]] Szenario s: Anna ist lieb zu Cäsar und Bertha ist lieb zu Donald g(2et) = {s1,s2}, mit s1+s2 = s a : Anna b: Bertha c: Cäsar d: Donald [[ Mädchen]](s) = {a,b} [[ Mädchen]](s1) = {a} [[ Mädchen]](s2) = {b} [[ Jungen]](s) = {c,d} [[ Jungen ]](s1) = {c} [[ Jungen ]](s2) = {d} [[ lieb-zu ]](s) = {a,c,b,d} [[ lieb zu ]](s1) = {a,c} [[ lieb zu ]](s2) = {b,d} 51 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 t (1-166) e die Jungen et PP e ² zu den Mädchen AP e et AP e et lieb- zu e et e et st e et e et ** 2 st [[ (1-166)]]g (s) = 1 gdw. s’[(s’ = s1 s’ = s2) (u[u [[ Mädchen]](s’) v [[ Jungen]](s’)] & [[ lieb zu ]](s’)(v)(u)] & v[v [[ Jungen]](s’) v [[ Mädchen ]](s’)] & [[ lieb zu ]](s’)(v)(u)])] gdw. Anna ist lieb zu Cäsar in s1 und Bertha ist lieb zu Donald in s2. 1.13.1. Aufgaben Aufgabe 1. Beschreiben Sie die Funktion [[ wiegen]](s2) genau in der -Schreibweise und als Menge. Aufgabe 2. Folgendes Szenario s ist gegeben: Marlis und Dieter besitzen das Haus in der Seestraße (h1) Arnim und Franzis besitzen Cortennuovo (h2) Marlis und Dieter und Arnim und Franzis besitzen die Ca Negri (h3) gemeinsam [[ die Bergmanns]](s) = M+D [[ die Stechows]](s) = F+A In dieser Situation ist der folgende Satz intuitiv wahr: (1-167) Die Bergmanns und die Stechows besitzen drei Häuser. Fragen: Wie viele Häuser besitzt Franzis? Wie viele Häuser besitzen Franzis und Marlis? Geben Sie eine LF an, welche die Wahrheitsbedingung von Satz (1-167) korrekt beschreibt. Zeigen Sie, dass Ihre LF in dem geschilderten Szenario wahr ist. Aufgabe 3. Geben Sie die Bedeutung für die n-stelligen Sternoperatoren an. Aufgabe 4. Lesen Sie (Heim, 1994) bis zu den Reziproken. Aufgabe 5. Verallgemeinern Sie Syntax und Semantik der Regel der 52 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Prädikatsmodifikation, so dass die Koordination von 0-stelligen, 1-stelligen, 2-stelligen und dreistelligen Prädikaten erfasst wird. Aufgabe 6. Zeigen Sie, dass in dem in 1.8 geschilderten Szenario s3 der Satz Die Ziegen sind schwerer als die Ziegen wahr wird, wenn wir zur Formalisierung lediglich den zweistelligen **-Operator benutzen. Aufgabe 7. Analysieren Sie (1-84). Das Szenario besteht aus zwei Stuten, zwei Kühen, 2 Kälbern und 2 Fohlen. Die Tiere versammeln sich gemeinsam (kollektives Prädikat) und die Kühe lecken die Kälber und die Stuten lecken die Fohlen. Deuten Sie „versammeln sich“ als ein unzerlegtes Prädikat. Denken sie daran, dass wir gelernt haben, wie man eine komplexe VP der Form [VP und VP] interpretiert; Aufgabe 3 in Kapitel 9.8. Geben Sie die Extensionen aller beteiligten Bestandteile der LF genau an und rechnen Sie ihren Wahrheitswert aus. Die LF soll wahr werden. Aufgabe 8. Geben Sie eine LF für Heims Satz (1-86) an. Analysieren Sie „Wand des Zimmers“ und „Wand des Bücherregals“ als unzerlegte Nomina. Die LF soll nur den **Operator enthalten, also keine beschränkende Überdeckungsvariable. Geben Sie nun die Extension dieser Prädikate und des Prädikats „parallel“ für dies Szenario genau an. Zeigen Sie, dass die LF dann falsch wird. Geben Sie als nächstes eine LF mit einer beschränkenden Relationsvariable an und geben Sie eine plausible Belegung dafür an, die den Satz falsch macht. Aufgabe 10. Begründen Sie, warum Satz (1-87) bei Formalisierung mit dem **Operator in dem geschilderten Szenario falsch wird. Aufgabe 11. Manfred Pinkal fragte mich vor 15 Jahren, wie ich den Satz (1-168) Die Eltern aller Schüler versammeln sich analysieren würde. Ich dachte nach und sagte dann: „Keine Ahnung“. Wir betrachten etwas einfachere Sätze: (1-169) a. Die Mütter von Sveta und Ventsi treffen sich. b. Der Vater von Alain und Tom ist Ede. „Mutter“ ist ein gewöhnliches zweistelliges Prädikat von Individuen. Dass jeder nur eine Mutter hat, ist für die Lösung unerheblich. „von“ ist semantisch leer, wird also auf LF getilgt. Bitte diese Sätze analysieren: LF, Szenario angeben, Wahrheitswert ausrechnen. Aufgabe 12. Zeigen Sie, dass die LF (1-99) in dem Szenario 3 wahr ist. Sie können nun die Extension von schenken wieder vereinfachen, d.h. möglichst klein machen. Aufgabe 13. Geben Sie die unerlaubte LF für (1-103b) an, welche die intuitiv nicht vorhandene Lesart ausdrückt. Zeigen Sie oder argumentieren Sie zumindest, dass diese LF in dem geschilderten Szenario wahr ist. Aufgabe 14. Zeigen Sie, dass die hier wiederholte kumulative LF für Satz (1-103a) in dem Szenario s12 wahr ist: (1-170) indef zwei Ukrainerinnen 3[S Max und Peter t3 **21[S t1[VP[VP t2 heiraten] wollen]]] Wir müssen die Basisrelation beschränken, um die LF falsch zu machen. Wie könnte eine 53 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Belegung für eine Relationsvariable aussehen? Aufgabe 15. a. Geben Sie eine LF für (1-103a) mit zwei Ukrainerinnen in opaker Position. Hinweis: Sie müssen zwei Ukrainerinnen so QR-en, dass ihre Basis-VP nicht ernsthaft verlassen wird. b. Beschreiben sie für dieses Szenario die Extension von wollen. c. Argumentieren Sie, dass in diesem Szenario die LFs mit zwei Ukrainerinnen in transparenter Position falsch sind. d. Argumentieren Sie, dass wir keine opaken distributiven Lesarten haben können, d.h. dass unser Beispielsatz nicht die folgende Paraphrase hat: ( 1-171) Max und Peter wollen zwei Ukrainerinnen heiraten ≠ Max will eine Ukrainerin heiraten und Peter will eine Ukrainerin heiraten, aber weder Max noch Peter hat eine bestimmte im Sinn Aufgabe 16. derselbe. Gehen sie von dem folgenden Text aus: (1-172) Franziskas Arzt ist Dieter. Ede hat denselben Arzt. Analysieren Sie den zweiten Satz. Behandeln sie „selb-„ in Analogie zu „ander-“. Aufgabe 17. Beweisen Sie die über die LF ( 1-124) gemachte Behauptung. Geben Sie eine Extension für „mögen“ an, welche die LF wahr macht und geben Sie eine andere Extension an, welche die LF falsch macht. Aufgabe 18. a. Geben Sie Szenarien s1 und s2 an, welche die LFs für die ich- und die du-Lesart wahr machen. Sagen Sie dann jeweils, wie die Extension von tell aussehen muss. Fassen Sie should leave als ein komplexes Verb auf, ohne sich viel Gedanken zu machen, was should genau bedeutet. Wenn etwas mit den angegeben LFs noch nicht stimmt, dann verbessern Sie das. Hinweis: tell ist kein Kontrollverb; das Verb bedeutet einfach ‚mitteilen’. Die Semantik kann ganz banal sein: Subjekt teilt Objekt eine Proposition mit. b. Zeigen Sie, dass die LF für die du-Lesart in s1 falsch ist (oder, dass die LF für die ich-Lesart in s2 falsch ist). c. Entwickeln Sie die LFs für die beiden wir-Lesarten, für die kollektive und für die distributive. Geben Sie Szenarien für beide Lesarten an. Sagen Sie, wie die Extension von tell in beiden Szenarien jeweils aussehen muss. Rechnen sie für ein Szenario den Wahrheitswert aus. Aufgabe 19. a. Geben sie den genauen Baum für die LF (1-146) an. b. Betrachte das Szenario s: John hat zwei Briefe {a,b} an Anna geschrieben, Anna hat einen Brief an John geschrieben {c}. Zeigen Sie dass in diesem Szenario Satz (1-173a) wahr, Satz (1-173b) dagegen falsch ist. (1-173) a. John und Anna haben sich drei Briefe geschrieben. b. John und Anna habe sich 5 Briefe geschrieben. Hinweis: „geschrieben haben“ können Sie als ein komplexes Verb analysieren. Aufgabe 20. 54 v.Stechow Ausdruck 13.05.2016 Geben sie eine LF für den Satz (1-174) Das sind die Briefe, die sich John und Anna geschrieben haben. an. Betrachten Sie den Satz in dem vorhergehenden Szenario und zeigen Sie, dass der Satz dort wahr ist, wenn das Subjekt das (eine Variable) die Gruppe a+b+c bezeichnet. Aufgabe 21. Geben Sie ein Szenario für Becks Satz ( 1-175) Die fünf Frauen verhielten sich aggressiv zu fünf Männern an. Geben Sie eine LF für den Satz an und zeigen Sie, dass er in dem Szenario wahr ist. 1.14. Literatur Beck, Sigrid. 1999a. Reciprocals and Cumulation. Paper presented at SALT IX. Beck, Sigrid. 1999b. Plural Predication and Partitional Discourses, ed. Paul Decker, 67-72. Beck, Sigrid. 2000a. The Semantics of different: Comparison Operator and Relational Adjective. Linguistics and Philosophy 23:101-139. Beck, Sigrid. 2000b. Reciprocals are Definites. Natural Language Semantics 9:69-138. Beck, Sigrid. 2000c. Exceptions in Relational Plurals. Paper presented at Proceedings of SALT X, Ithaca, NY. Beck, Sigrid, and Sauerland, Uli. 2000. Cumulation is needed: A reply to Winter (2000). Natural Language Semantics:349-371. Beck, Sigrid, and Sharvit, Yael. 2002. Pluralities of Questions. Journal of Semantics 19:105-157. Carlson, G. 1987. 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