Prof.B.Rothgang/ Modul 1.13 Entwicklung, Erziehung und Lernen -Soziologie Aufgabenstellung zu den Studientagen am Beginn des SoSe 08 Liebe Studierende, zunächst einmal wünsche ich Ihnen einen guten Start ins Sommersemester! Die Inhalte meiner Lehrveranstaltung zur Soziologie zu Modul 1.13 werden für beide Kurse (Dienstag oder Mittwoch) ähnlich sein. Genauer werden wir über die Inhalte im SoSe in der Lehrveranstaltung nach Ostern sprechen. Einen wesentlichen Schwerpunkt wird die Auseinandersetzung mit der Situation von Kindern in unserer Gesellschaft bilden. Hierzu werden wir uns in einer der ersten Stunden mit dem grundlegenden Perspektivenwechsel in der Kindheitsforschung befassen. Aus dem folgenden Text von Liselotte Wilk, lassen sich die zentralen Tendenzen dieses Perspektivenwechsels entnehmen. Zur Vorbereitung auf das Thema bitte Sie, diesen Text während der Studientage durchzuarbeiten und möglichst zusammen mit anderen Studierenden die unten dazu angegebenen Fragen zu bearbeiten. Zum Perspektivenwechsel in der sozialwissenschaftlichen Forschung über Kinder "Die Auffassung von Kindsein und Kindern als handelnden Subjekten Die Studie geht von einem Bild des Kindes aus, das dieses nicht vorrangig als "Werdendes" bzw. als zukünftigen Erwachsenen sieht, sondern als hier und jetzt so "Seiendes", als Subjekt, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft (Qvortrup 1990). Kindern gebührt demnach wissenschaftliches Interesse als Kinder und nicht nur als zukünftige Erwachsene. Die Sicht und das Erleben der Kinder, ihre aktuell erlebten Probleme, ihre Bedürfnisse, Wünsche und Interessen, ihr aktuelles Wohlbefinden bilden den Gegenstand der Betrachtung. Nur Kinder werden als kompetent angesehen, über all dies zu berichten. Dabei wird von einem Modell wechselseitiger Beziehungen zwischen Subjekt und gesellschaftlich vermittelter Realität ausgegangen. Kinder nehmen den sozialen und ökologischen Kontext, der auf sie einwirkt, subjektiv wahr und verarbeiten ihn. Zugleich aber wird dieser Kontext von ihnen beeinflußt, mitgestaltet und verändert. Nach diesem Modell der "produktiven Realitätsverarbeitung" (Hurrelmann 1986, S.84) beschäftigen sich Kinder suchend, sondierend, konstruktiv eingreifend und gestaltend mit ihren Lebenswelten und sind darum bemüht, zu einer Abstimmung zwischen ihren eigenen Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten und den Umweltanforderungen zu gelangen. Die neuere Kindheitsforschung sieht Kinder als Akteure, die nicht nur ihr eigenes Leben handelnd gestalten können und als Folge des Modernisierungsprozesses das eigene Handeln und den eigenen Alltagsablauf auch selbst bestimmen müssen (Zeiher/Zeiher 1994,, S.11), sondern die auch damit zugleich die Lebensform Kindheit mitbestimmen und so zu Akteuren im Prozeß der Modernisierung von Kindheit werden (Preuss-Lausitz et. al. 1990). Auch wenn man aber von einer solchen Konzeption des Kindes ausgeht, so bleibt die Tatsache bestehen, daß das Kind aufgrund seines jeweiligen Entwicklungsstandes andere Möglichkeiten und Fähigkeiten als der Erwachsene hat, durch Handeln seine Lebenswelt zu gestalten und zu verändern. Unsere Welt ist weitgehend eine von Erwachsenen gestaltete, von Erwachsenen definierte und interpretierte Welt. Sie ist auch eine von erwachsenen bewertetet und beurteilte Welt. Kindern wird nur beschränkt Gelegenheit gegeben, Gesellschaft mitzugestalten. Ihre Chance der Mitgestaltung der meisten Lebensbereiche ist nicht gesetzlich abgesichert und ist abhängig von der Bereitschaft der Erwachsenen, innerhalb der ihnen selbst auferlegten strukturellen oder situativen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten die Bedürfnisse und Interessen des Kindes angemessen zu berücksichtigen." 1 Wilk, Liselotte: Die Studie "Kindsein in Österreich". Kinder und ihre Lebenswelten als Gegenstand empirischer Sozialforschung – Chancen und Grenzen der Surveyerhebung. In: Honig, M.-S.u.a. (Hrsg.): Kinder und ihre Kindheit. Weinheim und München 1996, S.57 f Prof.B.Rothgang/ Modul 1.13 Entwicklung, Erziehung und Lernen -Soziologie Aufgabenstellung zu den Studientagen am Beginn des SoSe 08 Bitte setzen Sie sich mit diesem Text von Liselotte Wilk auseinander und gehen Sie dabei – möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Studierenden - vor allem auf folgende Fragen ein: 1. Von welcher Sichtweise über Kinder und Kindheit geht dieser Text aus? 2. Welches sind die zentralen Fragestellungen/Themen zur Erforschung von Kindheit, mit denen sich dieser Ansatz auseinandersetzt? 3. Spezifische Merkmale des methodischen Vorgehens, das an dieser Perspektive der Kindheitsforschung orientiert ist? 4. Welche Anregungen gibt dieser Perspektivenwechsel für die Praxis der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen? 5. Nehmen Sie selbständig und kritisch Stellung zu dieser Perspektive. Mit Ihren Antworten auf diese Fragen werden wir dann in einer der ersten Stunden meiner LV zu Modul 1.13 befassen. Bis dahin viele Grüße Barbara Rothgang 2 3