Ev. Jugend im Kirchenkreis Ronnenberg GLS 2007/2008 _____________________________________________________________________________ ______ Was ist Kindheit? Kindheiten fallen ganz unterschiedlich aus. Sie unterscheiden sich vor allem je nach der Umwelt, in denen sie stattfinden. Wenn wir die proletarischen Lebensgeschichten betrachten, entsteht der Eindruck, es habe keine Kindheit gegeben, da es keine „ kindgemäße Umwelt „ gegeben hat. Auch heute noch werden Kinder um ihre Kindheit betrogen. Gewalt gegen Kinder Misshandlungen Vernachlässigung Prostitution Hunger, Seuchen, Armut, Krieg Kinder werden zur Arbeit gezwungen Kinder werden zu Erwachsenen gemacht ( z. B. Fotomodelle) Familien Wegfall der Großfamilien Immer weniger Kinder in kleinen Familien Alleinerziehende Einzelkinder Kinder leben durch Trennung der Eltern mit „ mehreren Eltern „= Bastelbiografie Zusammenleben auf Zeit (Lebensabschnittspartner - Kontinuität wird selten erlebt) Unterschiedliche soziale Schichten (Kluft zwischen Armut und Reichtum) Unterschiedliche Ressourcen an Geld Wege und Verkehr Vor einigen Jahren spielten Kinder vorwiegend draußen auf Wiesen, Feldern und Wäldern oder auf der Straße. Sie hatten dadurch die Gelegenheit unkontrolliert von Erwachsenen und selbstständig ihren Nahraum zu erobern und zu erweitern. Veränderte Siedlungsformen, veränderte Wohnstrukturen sowie Veränderungen der gesamten Straßenöffentlichkeit geben Kindern wenige Anregungen zum Spiel. Für Stadtkinder wird es immer schwieriger, Orte und Nischen zu finden, die aktiv und selbst bestimmt angeeignet werden können. Auch die Straßen sind eher autogerecht als bespielbar. Oft ist es für Eltern schwierig aus Mehrfamilienhäusern heraus ihre jüngeren Kinder vom Fenster zu beaufsichtigen. Das Spielen verlagert sich mehr und mehr in die Wohnung, wo die Kinder der direkten Kontrolle der Erwachsenen unterliegen. Das Kind greift immer mehr auf verschiedene Medien und vorfabriziertes Spielzeug zurück. Ev. Jugend im Kirchenkreis Ronnenberg GLS 2007/2008 _____________________________________________________________________________ ______ Das Auto als Massenverkehrsmittel Der Lebensraum der Kinder heute kann mit einem „ Leben auf mehreren Inseln“ verglichen werden: Die „Wohninsel“ ist Ausgangspunkt für Ausflüge zur „Kindergarten – oder Schulinsel“, zur Insel, auf der Spielkameraden oder Verwandte leben, zu den Inseln, wo eingekauft wird usw. Die Entfernungen werden meist mit dem Auto zurückgelegt. Natürlich haben diese Veränderungen auch ihre positiven Seiten. So haben Kinder heute größere Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Freizeitangebote und Freundschaftsbeziehungen. Der Preis dafür liegt jedoch in der Zerstückelung des Lebensraumes und in der wachsenden Abhängigkeit des Kindes vom Erwachsenen. Das gehetzte Kind Viele Kinder nehmen an betreuten Freizeitangeboten, organisierten Kinderfesten und am Musikunterricht teil; diese Termine müssen mit den festen Sendezeiten der beliebten Fernsehsendungen und auch noch mit dem Autofahrplan der Eltern abgestimmt werden. Vor allem ehrgeizige Eltern vermitteln ihren Kindern, dass Zeit knapp und produktiv genutzt werden muss. Aus Angst die Entwicklung ihres Zöglings könne sich verzögern, beginnen viele Eltern frühzeitig mit Fördermaßnahmen (Musikschule, Schwimmkurs, Ballettunterricht, Kunstschule...) So wird bereits die frühe Kindheit von Zeitdruck begleitet! Wenn Kinder zu wenig Zeit für sich haben können sie mit Unruhe, Hektik und Gereiztheit reagieren. Das perfekte Kind Die strenge autoritäre Erziehung aus früherer Zeit ist heute in Verruf geraten. Der Erziehungsstil ist sanfter geworden: Es wird mehr geredet und weniger geschlagen. Die Kinder bekommen weniger Verbote, sollen sich früh selbständig entscheiden und argumentieren lernen. Die meisten Eltern sind bemüht, auf die Gefühle ihrer Kinder einzugehen. Diese Entwicklung ist sicherlich positiv zu bewerten. Allerdings werden junge Eltern schon kurz nach der Geburt mit Ratgebern überschüttet, aus denen zu erfahren ist, wie Kinder zu sein und was sie zu lernen haben. Viele Eltern sind dadurch irritiert. Sie sind dankbar, die Erziehung an andere Instanzen, z. B. Kindergarten, Schule, Kirche u.a. abgeben zu können. So ist es modernen Eltern wichtig, dass bei ihrem Kind möglichst alle Anlagen und Fähigkeiten gestärkt und alle Mängel korrigiert werden. In diesen Familien werden Kinder immer weniger so angenommen, wie sie sind, mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren individuellen Eigenheiten. Das Ziel ist dann immer weniger das zufriedene Kind, sondern das perfekte Kind. Wirklichkeit aus zweiter Hand Der Tagesablauf eines Kindes wird viel durch Medien wie Video, Fernsehen, Telespiele, Hörkassetten und Computer bestimmt. Durch den Fernseher Ev. Jugend im Kirchenkreis Ronnenberg GLS 2007/2008 _____________________________________________________________________________ ______ beispielsweise, wird dem Kind die Welt ins Haus gebracht. Allerdings lernt das Kind seine Welt immer weniger aus eigener Anschauung kennen, sondern gewinnt seine Erfahrungen immer mehr aus zweiter Hand. Anstelle von unmittelbar Erlebtem tritt nun Übernommenes. Veränderte Spielgewohnheiten Durch die Abnahme der Kinderzahlen in unserer Gesellschaft und somit auch der Kinder in einem Wohngebiet verschwindet die „ Kindergroßgruppe“. Das führt wiederum auch zum Rückzug in die Wohnung, zum Einzelspiel bzw. zum Spiel mit einem Partner. Das Kinderzimmer hat sich oftmals zu einer regelrechten Konsumwelten entwickelt, in denen das Angebot der Fertigspielzeuge ständig wächst. Es wird zwar „ Aktivspielzeug“ genannt, aber meist spielt durch eingebaute Elektronik das Spielzeug von selbst. Solches Spielzeug gibt wenig Raum für kreatives, phantasievolles Spiel. Der Wandel der Kindheit hat seine Schatten – aber auch seine Lichtseiten. Fest steht jedoch, dass sich für Kinder grundlegendes geändert hat. Sie erleben ihre Welt und die Welt der Erwachsenen viel widersprüchlicher als früher. Auf der einen Seite sind sie heute freier, können mehr sagen, haben, wissen, erleben und konsumieren als früher. Andererseits sind sie auch viel abhängiger von den Erwachsenen. Sie sind gelangweilt, weil sie soviel haben, gestresst durch ständige Anforderungen und überfordert durch ständig neue Eindrücke. In den Familien werden sie früh als Partner ernst genommen und mit dem Wunsch nach Selbständigkeit überfordert. Trotzdem bleiben sie Kinder und müssen sich im Zweifelsfall dem Willen der Eltern beugen. In der Gesellschaft lernt das Kind, das es Leistungen bringen muss, um anerkannt zu werden, dass es sich ständig verbessern muss, dass die Ansprüche, die an sie gestellt werden, nicht aufhören, Kinder erleben ständig: Ich bin noch nicht – ich muss erst noch werden. Was Kindern heute am nötigsten fehlt, sind Freiraume, in denen sie selbstständig eigene Erfahrungen machen können, unabhängig von einer Erwachsenen– oder Medienwelt. Freiräume, in denen sie sich selbst erproben können, in denen sie entdecken, wie groß oder wie klein sie sind und was in ihnen steckt, ohne irgendwelche Leistungen oder Erwartungen erfüllen zu müssen. Freiräume, in denen sie eigentätig dazu betragen können, ihre Phantasie und Kreativität wiederzugewinnen. Freiräume, die es ermöglichen, wieder sensibel zu werden für das eigene Ich, die Umwelt, die Mitmenschen.