statuspassagen-07 - Universität Siegen

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Der lebenslauftheoretische Ansatz
A. ÜBERGANGSRITEN – STATUSPASSAGEN – THEORETISCHE KONZEPTE
B. STATUSPASSAGEN IN KINDHEIT UND JUGEND
LEBENSLAUFEREIGNISSE - EIN INSTRUMENT ZUR UNTERSUCHUNG VON
STATUSPASSAGEN
C. KRITISCHE LEBENSEREIGNISSE
D. AUSGEWÄHLTE ERGEBNISSE UND ANALYSEN AUS STUDIEN ZU BEGINN DES 21.
JAHRUNDERTS
E. LITERATUR ZU
BIOGRAFIEFORSCHUNG, LEBENSLAUFFORSCHUNG, STATUSPASSAGEN
Begriff “Lebenslaufforschung”:
Lebenslaufforschung interessiert sich für Gestalt und Struktur von Lebensverläufen. Sie fragt
nach Gleichheiten und Ungleichheiten in den Lebensverläufen von Geburtskohorten, von
unterschiedlichen sozialen Gruppen, von Frauen und Männern, von unterschiedlichen Kulturen.
Sie fragt nach gesellschaftlichen Prägungen, Alters- oder Institutionengebundenheit von
Lebensabschnitten, nach Gestaltung von Übergängen von einem Lebensabschnitt in einen
anderen, nach Unterstützung und/oderVorgabe durch Institutionen u.ä. leiten die Forschungen.
Die Perspektive ist die - und das unterscheidet Lebenslaufforschung von Biographieforschung einer objektivierenden Außensicht.
Thema
A. STATUSPASSAGEN IN KINDHEIT UND JUGEND

theoretische Konzepte

Instrument zur Untersuchung von Statuspassagen (Lebenslaufereignisse)
Begriff “Statuspassage”
Übergänge im menschlichen Lebensverlauf; Wechseln von einem sozialen Status in einen
anderen.
Das können Hauptpassagen sein, Passagen, die den zentralen Status betreffen; wie Übergänge
von einem Lebensabschnitt in einen anderen: Kindheit - Jugend; Jugend - Erwachsenenstatus
oder sog. Nebenpassagen, hierbei handelt es sich um kleinere Passagen, die allgemein in
unserer Gesellschaft weniger wichtig sind. “Die Lebensläufe von Männern und Frauen können ...
als eine Serie von Statusübergängen registriert werden.” (Strauss 1974, S.116)
ÜBERGANGSRITEN (LES RITES DE PASSAGE)
Arnold van Gennep (1873 - 1959), Französischer Anthropologe, (urspr. 1909 - deutsche
Übersetzung 1989)
“DAS STRUKTURSCHEMA DER ÜBERGANGSRITEN” (S. 183)
I
Alte profane Welt
Trennungszeit
Trennungsriten
II
Sakrale Welt
III
Neue profane Welt
Umwandlungszeit
Wiedereingliederung
Integrationsriten
Beispiele
– Straßenkinder in Brasilien  Übergang von der Straße in eine betreute Gruppe
Alte profane Welt – Zeit der Trennung, Riten der Trennung
Sakrale Welt – Umwandlungszeit – Integrationsriten: Das Straßenleben, die Jahre auf der
Straße, die Kindheit vergessen – symbolisch: alles wird verbrannt (Kleidung, Besitz), Haare
abschneiden
Neue profane Welt – Wiedereingliederung: Neuer Name, Zimmer, neue Kleidung
– Schule  Universität: Alte profane Welt – Zeit der Trennung, Riten der Trennung: Schule SchülerIn , Übergang in die Universität. Zeit der Trennung – Riten der Trennung (in der
Schule eine Nacht durchmachen, Abschlussfeier
Sakrale Welt – Umwandlungszeit - Integrationsriten: Einführungswoche, ESE, WG
Neue profane Welt – Wiedereingliederung: Begrüßung durch das Rektorat, Seminare, usw.
SOZIALE ROLLEN BEI ÜBERGANGSRITEN
Novizen (Initiierte); Paten (Gehilfen); Priester/Magier (Initianden)
STATUSPASSAGEN IN DER MODERNE
Anselm Strauss - amerikanischer Soziologe:
"Die Lebensläufe von Männern und Frauen können ... als eine Serie von Statusübergängen
registriert werden." (Strauss 1974, S.116)
Statuspassagen in der modernen Gesellschaft
1. mehr ausdifferenziert und spezialisiert
Jede Uni, jeder Fachbereich hat ihr eigens Programm, je nach Interesse und Idee der
VeranstalterInnen
2. säkularisiert
BerufsvertreterInnen; Eltern; andere Jugendliche ..., Kirche selten zugegen
3. umstritten/umkämpft (fehlender Konsens)
Diskussion um den Sinn, die Angemessenheit einer Statuspassage, z.B. Konfirmation als
Statuspassage vom Kind zum, zur Jugendlichen oder ist es die Heirat oder ist es die
Erwerbstätigkeit, die vom Status Jugendliche zum Status Erwachsene führt
4. individualisiert
eine Statuspassage wird heute selten im Kollektiv einer Alterskohorte vollzogen, sondern
individuell ausgestaltet und angeeignet: zu welchem Zeitpunkt und wodurch sich jemand als
Student/Studentin definiert, das geschieht nicht durch die einwöchige studentische
Einführungsveranstaltung (nach dem Motto, man geht als SchülerIn hinein und kommt als
StudentIn wieder heraus).
SELBSTINITIATION
Barbara Friebertshäuser: Übergangsphase Studienbeginn. Eine Feldstudie über Riten der
Initiation in eine studentische Fachkultur:
Der “Initiierte” muss seinen Übergang selbst “inszenieren”; diese ist freiwillig; individualisiert.
Zur Seite stehen: Anonyme Ratgeber, informelle “Paten” (andere Studierende)
B. STATUSPASSAGEN IN KINDHEIT UND JUGEND
LEBENSLAUFEREIGNISSE - EIN INSTRUMENT ZUR UNTERSUCHUNG VON
STATUSPASSAGEN
Grundidee:
LEBENSLAUFEREIGNISSE - EIN INSTRUMENT ZUR UNTERSUCHUNG VON
STATUSPASSAGEN
Die Grundidee ist, dass man in seinem Leben viele große, aber auch viele kleine Dinge
irgendwann einmal zum ersten Mal tut - tun kann, tun will, aber auch tun muss. Wenn man solche
Handlungen zum ersten Mal vollzieht, so lässt sich das als "Statuspassage" im Sinne auffassen.
Das können Passagen sein, die den zentralen Status betreffen; wie Übergänge von einem
Lebensabschnitt in einen anderen: Kindheit - Jugend; Jugend - Erwachsenenstatus (s. van
Gennep) oder sog. Nebenpassagen: Hierbei handelt es sich um kleinere Passagen, die allgemein
in unserer Gesellschaft weniger wichtig sind. Erinnern wir uns an den Satz von A. Strauss:
“Die Lebensläufe von Männern und Frauen können ... als eine Serie von Statusübergängen
registriert werden.” (Strauss 1974, S.116)
Das heißt konkret zum Beispiel:
Wer zum erstenmal genug Geld verdient, um für sich selbst sorgen zu können, zum ersten Mal
eine Zigarette raucht, zum erstenmal eigenständig über die abendliche Ausgangszeit bestimmen
kann, zum ersten Mal eine Diskothek besucht oder ein Freischwimmzeugnis erlangt, der vollzieht
eine - vielleicht nur kleine oder auch eine größere - Statuspassage: Er oder sie bewegt sich vom
Status des unerfahrenen Rauchers oder der unerfahrenen Diskothekenbesucherin zu einer
Person, die zur Gemeinde der Erfahrenen und Eingeweihten gehört - wenn auch nur im Status
eines Anfängers oder Anfängerin.
Solche Statuspassagen vollziehen wir ein Leben lang.
 Manche davon sind geradezu verpflichtend und unvermeidbar; sie sind, um in der
Fachsprache zu bleiben, “normativ”, damit sind jene Lebenslaufereignisse gemeint, die von
(fast) allen Menschen einer Gesellschaft erlebt werden: Geburt - Schuleintritt - Schulaustritt Heirat - Elternschaft - Tod. Der Begriff ist deshalb etwas verwirrend, weil "normativ" zunächst
meint, dass eine "Norm" besteht, etwas zu tun oder zu erreichen (die soziale Norm zu
heiraten). Vielfach meint man damit aber lediglich die objektive Tatsache, dass die
meisten/alle Menschen diese Lebenslaufereignisse auch durch- und erleben. Andere
Passagen vollziehen nur wenige.
 Einige sind strikt institutionell geregelt zum Beispiel Einschulung, andere bleiben der Willkür,
dem Interesse und der Entscheidung des Einzelnen anheimgestellt zum Beispiel eine
Tanzstunde besuchen.
 Einige der Statuspassagen sind an gewisse Lebensalter gebunden – in diesem Sinne also
Altersnormen. Es ist dann die gesellschaftliche Norm - oder doch wenigstens “normal” -, dass
die Heranwachsenden in einem bestimmten Lebensalter oder innerhalb eines eng begrenzten
Lebensabschnittes bestimmte Statuspassagen vollziehen. (Beispiel: Der Schuleintritt als
Lebenslaufereignis ist an die Zeit zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr geknüpft. Zwischen dem
20. und 30. Lebensjahr soll man in unserer Gesellschaft den Übergang von der "Jugend" in
das "Erwachsenenalter" vollziehen.
Für die Kindheits- und Jugendforschung bzw. die Sozialisationsforschung sind Statuspassagen
ein so interessantes Thema, weil sich in diesen frühen Lebensabschnitten diese Schritte in
bemerkenswerter Weise häufen. Kindheit und Jugend sind voller Situationen, wo die
Heranwachsenden bestimmte Handlungsschritte zum erstenmal in ihrem Leben vollziehen.
Statuspassagen lassen uns einige Eigenarten dieser Lebensphasen folglich besser verstehen.
DAS INSTRUMENT DER BEFRAGUNG – „LEBENSLAUFEREIGNISSE” (Fachbegriff)
Die Kinder und Jugendlichen werden danach befragt, in welchem Alter sie ein bestimmtes
Ereignis zum ersten Mal erlebt haben.
Die Vielzahl kleinerer und größerer lebenslaufbegleitender und -strukturierender Statuspassagen
treten im Lebenslauf in gebündelter Form auf. Sie verdichten sich zu übergeordneten
Statuskonfigurationen, die wir im allgemeinen als globale Übergänge von einer Lebensphase zur
nächsten identifizieren. In diesem Sinn sprechen wir von Statuspassagen zwischen Kleinkind und
Vorschulkind, Kind und Jugendlichem, Erwachsenem und altem Menschen usw. Die These
lautet, vereinfacht formuliert, dass das, was wir Lebensphasen nennen, durch solche strukturellen
Bündelungen von Statuspassagen entsteht.
Für die beiden Statuspassagen Kindheit-Jugend; Jugend-Erwachsensein lassen sich
übergeordnete Ziele des Statuswechsels formulieren, was hier angedeutet sei. Bezogen auf die
komplexe Statuspassage Kindheit - Jugend lässt sich vielleicht sagen, dass hier
Lebensereignisse kumulieren, die von kindlichen Unselbständigkeiten und NichtVerantwortlichkeiten hin zu einer weiter gefassten adoleszenten Eigenverantwortung führen.
Und zwar – so die Grundannahme – geht es um Statuspassagen in folgenden drei zentralen
Lebensbereichen:
1.
Stationen des Hineinwachsens in Ausbildung und Beruf;
2.
der Weg in intime Paarbeziehungen und in Familiengründung;
3.
das lebensgeschichtliche Feld einer Partizipation am Markt- und Konsumgeschehen bzw.
an der politisch-gesellschaftlichen Öffentlichkeit.
Beispiel:
Mit der Statuspassage Kindheit - Jugend treten die Jüngeren erstens als Mitgestalter ihrer
eigenen Bildungs- und Ausbildungslaufbahnen auf den Plan. Zweitens entfernen sie sich von der
kindlichen Abhängigkeit an den Binnenraum der Herkunftsfamilie und begeben sich - zunächst
erprobend - in den Lebensbereich intimer außerfamilialer Beziehungen und der persönlichen
Partnersuche. Schließlich beginnen sie, als Käufer und Konsumenten und als politische Bürger
an der kommerziellen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit eigenständig teilzunehmen.
C. „KRITISCHE LEBENSEREIGNISSE” (Fachbegriff)
Erläuterung des Begriffs:
Mit „kritisch" ist gemeint, dass das Ereignis auf erkennbare, u.U. dramatische Weise in den
Verlauf des Lebens eines Menschen eingreift.
Bei „kritisch" denkt man zunächst an „negative" Ereignisse wie Scheitern in einer Prüfung, Tod
eines Familienangehörigen oder schwere eigene Krankheit.
Der Begriff meint jedoch auch „positive" Ereignisse, die in unser Leben entscheidend eingreifen,
wie z.B. das Bestehen einer Prüfung, eine Heirat, die Geburt eines Kindes.
In der älteren Forschaungstradition unterstellte man - zu Unrecht -, dass „negative" Ereignisse
wie Tod oder Krankheit in jedem Fall - d.h. „objektiv" - eine Belastung darstellten, „positive"
Ereignisse wie Heirat eine „objektiv" lebenslaufförderliche Wirkung haben müssten.
Die empirische Forschung hat gezeigt, dass wir das nicht in jedem Fall unterstellen dürfen.
Auch „positive" Ereignisse wie eine bestandene Prüfung oder eine Hochzeit können subjektiv von
den betroffenen Menschen als persönliche Belastung erlebt werden - wie umgekehrt Krankheit
oder Tod auch eine förderliche, nicht belastende Wirkung zeitigen können.
(Manche Menschen gehen aus Krisen gestärkt hervor!)
Heute untersucht man „kritische Lebensereignisse" zumeist in der Weise, dass man die
Betroffenen fragt, wie stark ein Ereignis auf das eigene Leben eingewirkt hat und ob dieses eher
als "positiv" oder als "negativ" gesehen wird.
D. STATUSPASSAGEN IN DER MODERNE – AKTUELLE FORSCHUNGEN
E. LITERATUR (THEORETISCHE KLASSIKER UND FORSCHUNGEN)
Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp:
Frankfurt/M.
Behnken, Imbke; Zinnecker, Jürgen (1992): Lebenslaufereignisse, Statuspassagen und
biofgrafische Muster in Kindheit und Jugend. In: A. Fischer; J. Zinnecker: Jugend '92.
Lebenslagen, Orientierungen und Entwick-lungsperspektiven im vereinigten Deutschland. Leske
& Budrich: Opladen 1992. S. 127-142
Brüderl, Leokadia (Hg.): Theorien und Methoden der Bewältigungsforschung. Juventa:
Weinheim/München 1988
Fend, Helmut (1988): Sozialgeschichte des Aufwachsens. Suhrkamp: Frankfurt am Main
Filipp, Sigrun-Heide (Hg.): Kritische Lebensereignisse. Urban und Schwarzenberg: München u.a.
1981
Friebertshäuser, Barbara (1992): Übergangsphase Studienbeginn. Juventa: Weinheim und
München
Fuchs, Werner (1981): Biographische Portraits. Einführung. In: A. Fischer; R. Fischer; W. Fuchs;
J. Zinnecker: Jugend '81. Lebensentwürfe. Alltagskulturen. Zukunftsbilder. Band 2. S. 6-18. Leske
& Budrich: Opladen
Fuchs, Werner (1985): Jugend als Lebenslaufphase. In: A. Fischer; W. Fuchs; J. Zinnecker:
Jugendliche und Erwachsene '85. Leske & Budrich: Leverkusen. Band 1. S. 195-264
Fuchs-Heinritz, Werner; Krüger, Heinz-Hermann; Ecarius, Jutta; Wensierski, Hans-Jürgen von
(1991): Feste Fahrpläne durch die Jugendphase? Jugendbiographien heute. Leske + Budrich:
Opladen
Gennep, Arnold van (deutsche Übersetzung 1986 nach der 1981 erschienen französischen
Ausgabe. Original 1909): Übergangsriten (Les rites de passage). Campus: Frankfurt/New York
Strauss, Anselm (1974, Original 1959): Spiegel und Masken. Die Suche nach Identität.
Frankfurt/Main
Zinnecker, Jürgen; Behnken, Imbke; Maschke, Sabine & Stecher, Ludwig (2002): null zoff & voll
busy. Die erste Jugendgeneration des neuen Jahrhunderts. Opladen: Leske + Budrich
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