Leben Kressmanns Elternhaus und Kindheit Willy Karl Erich Kressmann wird am 6. Oktober 1907 als ältester Sohn von Olga und Karl Kressmann geboren. Er wächst im Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg auf. Sein Vater, ein Werkzeugmacher, ist seit 1880 aktives Mitglied der SPD und der Gewerkschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg tritt er der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei und verkehrt mit prominenten Linkssozialisten. Georg Ledebour, Arthur Crispin und Robert Dißmann sind lange Zeit Vorbilder des jungen Kressmanns. Zu den Schlüsselerlebnissen seiner Kindheit gehörte eine Anti-Kriegs-Kundgebung mit Karl Liebknecht im Berliner Lustgarten. Seit seinem elften Lebensjahr gehört Kressmann der Kindergruppe der USPD an, später beteiligt sich an einem Schülerstreik, der von der Jugendorganisation der USPD organisiert wird. 1922 wechselt die ganze Familie Kressmann zur SPD. Willy Kressmann gehört der Jugendorganisation der Partei an, der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands (SAJ). Ausbildung und Beginn der politischen Tätigkeit Nach dem Abschluss der Volksschule beginnt Kressmann eine Lehre in der Kreuzberger Großdruckerei H.S. Hermann & Büchsenstein. Er wird als Vertrauensmann seiner Altersgenossen in den Vorstand der Buchdrucker- und Schriftsetzer-Gewerkschaft delegiert. Er engagiert sich in der „Vereinigung der Berliner Handsetzer“ sowie im „Verein der Buchdrucker und Schriftgießer“ und organisiert 1923 den ersten Tarifstreik der graphischen Jugend. Nach seiner Gesellenprüfung heiratet er Charlotte Lehmann. Ab 1926 ist Kressmann in der Druckerei des „Vorwärts“ an der Lindenstraße beschäftigt. In dieser Zeit leitet er Veranstaltungen und Ausflüge der SAJ, deren zweiter Vorsitzender er im Alter von 24 Jahren wird. Die Partei schickt den jungen Kressmann zu Kursen auf Parteischulen, doch er lässt sich nicht auf Linie bringen. Wegen eines öffentlichen Protestes gegen die versteinerte Funktionärs-Hierarchie und die Führungsschwäche der Partei wird er 1931 aus der SPD ausgeschlossen. Kressmann beteiligt sich nun an der Gründung eines „Sozialistischen Jugend-Verbandes“ (SJV), die die Jugendgruppe einer neuen, von Moskau unabhängigen, revolutionären „Sozialistischen Arbeiterpartei“ wird. Er wird Chefredakteur des SJV-Organs „Der Jungprolet“. Doch die SAP wird in den Wahlschlachten am Ende der Weimarer Republik zerrieben, sie wird nie mehr als 40 000 Wählerstimmen bekommen. Kressmann besucht in dieser Zeit Vorlesungen an der Berliner Hochschule für Politik und belegt an der Universität Seminare über Volkswirtschaft und Psychologie. Er nimmt Abschied vom Druckerberuf und wird Fürsorger des Sozial- und Jugendamtes im Bezirk Mitte. Verfolgung und Emigration Weil er als Chefredakteur des „Jungeprolet“ im Oktober 1932 zum offenen Widerstand gegen den die NSDAP schützenden Staates aufgerufen hat, ergeht gegen Kressmann Anfang 1933 Haftbefehl. Bis 1933 lebt er in der Illegalität in Berlin. Nach einer Hausdurchsuchungen beim Vater und der Verhaftung seines Bruders rät ihm der Parteivorstand, sich ins Ausland abzusetzen. Im Herbst 1933 geht Kressmann über das Riesengebirge nach Prag, das zu dieser Zeit Zentrum der im Exil wirkenden Sozialdemokratie ist. Hier tritt er wieder in die SPD ein. 1934 beteiligt er sich in Wien an einem Putschversuch der Österreichischen Sozialdemokraten gegen die Dollfuß-Diktatur. Nach dem Scheitern des Putsches flieht er in die Schweiz, hilft dort beim Aufbau der republikanischen Miliz und reist nach Spanien und Italien. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wird ihm von der Fremdenpolizei jede politische Betätigung untersagt. Er lebt deshalb unter falschem Namen und verdient seinen Lebensunterhalt als Betreuer schwererziehbarer und behinderter Kinder und studiert an der Universität in Zürich. Im Februar 1936 nimmt er am ersten Volksfront-Kongress in Paris teil. Nach der Aufdeckung seiner Identität wird er verhaftet und ausgewiesen und kehrt er über Dänemark, Frankreich und Spanien nach Prag zurück, wo er bis zum Einmarsch der deutschen Truppen 1938 bleibt. Es gelingt ihm, sich nach Polen zu retten, wo er in Kattowitz die Leitung einer Flüchtlingsstelle für Deutsche und Österreicher übernimmt. Von dort kommt er mit einem der letzten Flüchtlingstransporte im Sommer 1939 über Skandinavien nach Großbritannien. In Großbritannien In England trifft Kressmann auf viele ihm schon bekannte SPD-Mitglieder, die aus der Tschechoslowakei geflüchtet waren. Im Sommer 1939 heiratet er Charlotte Emma Köhler, geb. Schröter. Nach dem Kriegseintritt Großbritanniens wird Kressmann - wie alle deutschen und österreichischen Emigranten - zum „enemy alien“, zum feindlichen Fremden, erklärt. Von Oktober 1940 bis Herbst 1941 wird er auf der Isle of Man interniert, wo er den Hohenzollern-Nachkommen Louis Ferdinand Prinz von Preußen kennen lernt. Mit ihm wird ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden. Nach der Entlassung aus der Internierung bleibt Kressmann in England, verdient seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten, später leitet er ein kleines Unternehmen, das durch deutsche Bomben verursachte Schäden in London und Umgebung beseitigt. Über seine politische Tätigkeit in dieser Zeit ist nichts bekannt. Rückkehr nach Deutschland Als nach der Rückkehr der britischen Soldaten die Arbeitsplätze in Großbritannien knapp werden, entschließt sich Kressmann 1946 wieder Kontakt nach Deutschland aufzunehmen. Nach einer Rundreise durch Deutschland kehrt er Anfang Mai 1947 nach Berlin zurück. Er nimmt das Angebot einer Anstellung als persönlicher Referent des sozialdemokratischen Stadtrats Gustav Klingelhöfer in der Abteilung Wirtschaft des Magistrats von Groß-Berlin an. Seine Aufgaben ist die Organisation von Lebensmittel- und Rohstoffversorgung. Am 19. Juni 1947 wird er zum Leitenden Magistratsdirektor der Abteilung Wirtschaft ernannt. Mit unbürokratischen Hilfsaktionen zieht er sich bald die Kritik seiner Partei zu. 1949 wird er in das Amt des Bezirksbürgermeisters von Kreuzberg berufen, damit ihn seine Vorgesetzten und die Parteileitung - wie er selbst später sagt - aus dem Magistrat heraus bekommen. Bürgermeister von Kreuzberg Noch während der Berlin-Blockade wird Kressmann am 9. Februar 1949 über die Parteigrenzen hinweg einstimmig zum Kreuzberger Bürgermeister und gleichzeitig zum Dezernenten der Abteilung Wirtschaft gewählt. Drei mal - in den Jahren 1951, 1955 und 1959 - wird er bei den Kommunalwahlen in diesem Amt bestätigt. Während seiner Amtszeit gestaltet Kressmann den Wiederaufbau des Bezirks Kreuzbergs wesentlich mit. Sein Konzept von einer bürgernahen Kommunalverwaltung und seine wirtschaftspolitischen Maßnahmen sind jedoch nicht unumstritten. Auch hier steht er bald einer zeitgenössischen Pressestimme zufolge „in der Mitte zwischen amtlicher Rüge und öffentlicher Zustimmung“. 1962 wird er von seinem Amt abberufen. Im August 1959 heiratet Kressmann die Architektin Sigrid Kressmann-Zschach. Dies ist bereits seine dritte Ehe. Gemeinsam lebt das Paar in Berlin-Grunewald. Im Ruhestand Nach seiner Abberufung heiratet Kressmann in vierter Ehe Brigitte Succar, die Tochter des ehemaligen Abgeordnetenhauspräsidenten Prof. Kurt Langberg. Mit ihr zieht er sich an den Tegernsee nach Bayern zurück. Dennoch bleibt er Berlin verbunden und ist als Vorstandsmitglied vieler Stiftungen und Vereinigungen tätig. So ist er Mitglied des Berliner Presseverbands, der Freimaurer-Loge zu den drei Weltkugeln und der Deutschen Liga für Menschenrechte. 1978 kehrt Kressmann mit seiner Frau Birgit nach Berlin zurück. 1985 erhält er das Bundesverdienstkreuz I. Klasse für seine Verdienste um den Wideraufbau der Stadt. Am 5. März 1986 stirbt Kressmann, wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau. Er ist auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf begraben. Anlässlich seines 20. Todestages wird das Grab zur Ehrengrabstätte des Landes Berlins erklärt.