Konflikte und deren Bewältigung in und zwischen Organisationsein

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Abstract
The willingness handle conflicts in the work environment in a sophisticated way is
not conditioned by the socialisation, initial education, or (self-assessed) cognitive
abilities of the business executives in large German companies. It is much rather
founded in company specific habits and certain personal dispositions.
10 upscale executive managers of 10 major German enterprises were questioned via
a standardised questionnaire and a guideline interview about how they handle conflicts on horizontal and vertical hierarchy levels. Thus conflicts over facts and conflicts of values are discussed objectively by the probands. As to conflicts in the relationship, a clear ambivalence shows in the behaviour.
The comparison of the descriptive analysis questionnaires and the extensive interview material showed that executives decide non-uniformly and independently of
their sociodemographic attributes whether or not they want to call in help, be it an
impartial third from the own company or an external counsellor, for a conflict they
are involved in themselves. On the other hand they are willing to call in help from
the inside or outside regarding conflicts they are not involved in.
1
1.
EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
Große Unternehmen haben eine ausdifferenzierte formale Organisationsstruktur,
wodurch es bei den strategischen und operativen Tätigkeiten zu zahlreichen
Berührungen
der
Mitarbeiter
untereinander
kommt.
Häufig
sind
diese
Unternehmungen über lange Zeit gewachsen und vor allem in Deutschland stark
hierarchisch und oft auch noch autoritär organisiert.
Zwischen
den
Organisationseinheiten
lauert
ein
großes
Potenzial
an
Reibungspunkten und damit einhergehend auch an Reibungsverlusten durch
Konflikte.
Führungspersonen stehen somit häufig vor der Frage, wie gehe ich mit Konflikten in
bzw. zwischen meinen untergeordneten Abteilungen um. Oder es kommt sogar zu
der Frage, wie gehen wir mit Konflikten um, die auf der gleichen Hierarchieebene
stattfinden.
Führungspersonen haben verschiedenste Herkunftsqualifikationen (Wirtschaftler,
Juristen, Ingenieure, Mathematiker, Soziologen bis hin zu eher künstlerisch
ausgebildeten Personen wie Architekten und Designern). Sie werden aufgrund ihrer
Qualifikation an eine Position gesetzt, an der sie das Fachliche beherrschen, das
Zwischenmenschliche (das Führen) jedoch mehr oder weniger vorausgesetzt wird.
Somit ist davon auszugehen, dass Führungspersonen Konflikte aus ihrer persönlichen
Lebenserfahrung heraus unterschiedlich wahrnehmen und ebenso unterschiedlich
damit umgehen. Des Weiteren spielt die Unternehmenskultur eine erhebliche Rolle.
Gibt es Fortbildungsmaßnahmen? Gibt es extra Abteilungen für Personalfragen und
Coaching?
Wie sehen Führungspersonen Konflikte? Eher positiv oder eher
negativ?
Wie gehen Sie persönlich in Ihrem Arbeitsumfeld mit Konflikten um und was
würden sie sich für einen besseren Umgang damit von Ihrem Unternehmen
wünschen?
Durch die
Befragung von 10
Führungspersonen mit
unterschiedlichen
Herkunftsqualifikationen aus 10 großen deutschen Unternehmungen möchte ich
herausfinden, wie Führungspersonen Konflikte wahrnehmen und wie sie dann damit
in ihrem Wirkungsfeld umgehen. Denn Veränderungen im Umgang miteinander und
somit auch im Konfliktmanagement eines Unternehmens werden nach Olfert und
Steinbuch zumeist von der Führung nach unten in die Abteilungen (top – down)
2
weitergegeben1.
Ziel
meiner
Untersuchung
ist
es
herauszufinden,
wie
Führungspersonen mit Konflikten umgehen. Welche Unterschiede treten bei den
einzelnen Führungspersonen auf und haben diese Unterschiede Auswirkungen auf
deren Konfliktmanagement. Dazu verwende ich bei der Befragung zur persönlichen
Merkmalsausprägung und zum Unternehmen zunächst einen standardisierten
Fragebogen. Danach folgt ein Interview mit problemzentriertem Leitfaden.
1.2 Ausgangshypothese
Je nach Merkmalsausprägung einer Führungsperson (abgeleitet aus der Sozialisation
und Herkunftsqualifikation der einzelnen Probanden) in Kombination mit der
Unternehmenskultur variiert die Sicht auf Konflikte und damit einhergehend der
Umgang mit ihnen.
Daraus leite ich folgende Arbeitshypothesen ab:
− Bei einer eher positiven Einstellung zu Konflikten wird der Umgang mit
ihnen bereitwilliger geführt
− Sachkonflikte werden von allen Probanden mit für sie sinnfälligen
Strategien bewältigt; bei Beziehungs-/Wertkonflikten findet hingegen eine
Differenzierung je nach Merkmalsausprägung der Probanden statt
− Je nach Unternehmenskultur unterscheidet sich die Bereitschaft mit
Konflikten offen umzugehen
− Bei einer direkten Beteiligung an einem Konflikt wird ein Mediator nicht
gewünscht
− Je nach Merkmalsausprägung der Führungskräfte wird eher ein externer
oder interner Mediator mehr oder weniger gewünscht
1.3 Vorgehensweise
Nach der Einleitung gliedert sich die Arbeit in drei Hauptteile und wird durch eine
Zusammenfassung mit Ausblick beendet. Im ersten Hauptteil (Punkt 2) erfolgt die
theoretische Aufarbeitung des Untersuchungsfeldes. Danach (Punkt 3) erläutere ich
meinen methodischen Ansatz und beschreibe das Untersuchungsdesign sowie das
Erhebungsinstrument. Der letzte Hauptteil (Punkt 4) enthält die Vorstellung der
einzelnen Probanden und ihre Kernaussagen. In der daran anschließenden
Deutungsmusteranalyse werden die Aussagen und Merkmalsausprägungen der
1
Vgl. Olfert/Steinbuch, 2003, S. 432f
3
Probanden miteinander verglichen, um so die Hypothesen zu validieren oder auch zu
verifizieren, woraus dann Folgerungen abgeleitet werden, die Konsequenzen für die
Mediation haben.
2. THEORETISCHE AUFARBEITUNG DES UNTERSUCHUNGSFELDES
Das
Untersuchungsfeld
sind
große
Unternehmungen
mit
ihren
meist
ausdifferenzierten formalen Organisationsformen, die im Folgenden unter Punkt 2.1
näher definiert werden. Die befragten Personen sind hochqualifizierte Führungskräfte
die in gehobener Stellung dort tätig sind. Da im Rahmen dieser Masterarbeit kein
ausdifferenziertes Persönlichkeitsprofil der befragten Führungspersonen erstellt
werden kann, wird unter Punkt 2.2 erläutert, wie aus der Sozialisation und
Qualifikation der Probanden und deren selbst einzuschätzenden kognitiven
Fähigkeiten ein Merkmalsprofil erstellt wird. Gegenstand der Untersuchung sind
Konflikte und Konfliktfelder in und zwischen den Organisationseinheiten, die den
Probanden unter- bzw. gleichgestellt sind. Hier gibt es verschiedene Ansätze zur
Konfliktforschung und daraus resultierend zum Umgang mit Konflikten, was unter
Punkt 2.3 theoretisch aufgearbeitet und vorgestellt wird.
2.1 Unternehmen und ihre Organisation
2.1.1 Unternehmensdefinition
„Unternehmen sind planmäßig organisierte Einzelwirtschaften, die zu dem Zweck
betrieben werden, Leistungen zu erstellen und zu verwerten. Dies geschieht durch die
Kombination elementarer und dispositiver Produktionsfaktoren, die im Unternehmen
zusammenwirken.“2 Die Kooperation der elementaren Produktionsfaktoren aus
Arbeit, Betriebsmitteln und Werkstoffen im ausführenden Sinne bewirken im
Unternehmen
güterwirtschaftliche,
finanzwirtschaftliche
und
informationelle
Prozesse. Diese meist umfangreichen betriebswirtschaftlichen Abläufe werden durch
die dispositiven Produktionsfaktoren einer Unternehmung, also durch die Leitung,
die Organisation und die Planung bzw. Kontrolle zweckentsprechend gestaltet. Das
Zusammenwirken aller sechs Produktionsfaktoren ergibt die unternehmerische
Leistung (siehe Abb.1). Je größer die Unternehmung, umso ausdifferenzierter und
2
Ebenda S. 25
4
umfangreicher werden die Produktionsfaktoren und damit einhergehend auch die
Organisation, die im Fokus der vorliegenden Arbeit steht3.
Abb.1 Kombination elementarer und dispositiver Produktionsfaktoren4
2.1.2 Kennzahlen zu Unternehmensgrößen
Was genau sind nun große Organisationen bzw. Großunternehmungen? Je nach
Branche
und
Land
variieren
die
Begriffsdefinitionen.
Das
deutsche
Handelsgesetzbuch (HGB) bezeichnet eine Kapitalgesellschaft nach § 267 als
„Große Kapitalgesellschaft“, wenn sie einen organisierten Markt im Sinne § 2 Abs. 5
des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinne des
§ 2 Abs.1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die
Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist. Des
Weiteren spricht man von Großunternehmen, wenn mindestens zwei der folgenden
drei Kenngrößen überschritten werden:
1. 16 060 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite
ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Abs.3)
2. 32 120 000 Euro Umsatzerlös in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag
3. 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt (ohne Auszubildende) 5
In der betriebswirtschaftlichen Literatur differieren die drei Kenngrößen nur
geringfügig, sodass die oben genannten Zahlen im Folgenden als Grundlage für die
Bestimmung von Unternehmensgrößen gesetzt werden.
3
Vgl. Mertins, 1989, S. 621
Ebenda S. 25
5
Vgl. Handelsgesetzbuch, 2004, § 267 Abs. 2 und 3
4
5
2.1.3 Unternehmensorganisation
In der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre wird eine Trennung zwischen
Aufbau- und Ablauforganisation vorgenommen. „Die Aufbauorganisation erstreckt
sich auf die Verknüpfung der organisatorischen Grundelemente (Stelle, Instanz und
Abteilung)
zu
einer
organisatorischen
Struktur
und
auf
den
Beziehungszusammenhang zwischen diesen Elementen.“6 Hier wird die Struktur der
Weisungsbefugnis geregelt. Durch die Vergabe von Weisungsrechten wird deutlich,
wer wem hierarchisch unterstellt ist und somit Rechenschaft schuldet. Es ist die
Antwort auf die Frage: An wen wendet man sich, wenn man ein Problem hat? „Bei
der Ablauforganisation handelt es sich demgegenüber um die Ordnung von
Handlungsvorgängen (Arbeitsprozessen). Anders formuliert: die Aufbauorganisation
befasst sich mit Fragen der Institution, die Ablauforganisation mit den Arbeits- und
Bewegungsabläufen innerhalb dieser Institution.“7 So weisen große Unternehmen in
ihrer tief gegliederten Aufbauorganisation nach Robbins, „… normalerweise eine
höhere Spezialisierung, eine stärkere Untergliederung, mehr vertikale Ebenen und
eine größere Anzahl Regeln und Vorschriften auf, als kleine Organisationen.“8
Mittlere Unternehmen sind dagegen eher flach organisiert. Die Aufbau- und
Ablauforganisation wird in der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre auch als
Primärorganisation
bezeichnet.
Arbeitsformen,
die
zu
Veränderungen
der
Primärorganisation führen, werden als Sekundärorganisation bezeichnet. Sie werden
aus den grundlegenden Organisationsformen einer Unternehmung entwickelt, um
Projekte besser bewältigen zu können.
„Die Aufgaben der abgeleiteten
Organisationsformen bestehen in der schnittstellen-übergreifenden Bearbeitung von
innovativen oder selten auftretenden Spezialaufgaben, die hierarchieergänzend bzw.
hierarchieübergreifend wirken.“9 Zusätzlich ist in den letzten zehn Jahren ein starker
Trend zu beobachten, nach dem die starre, funktionale Abteilungsbildung
zunehmend durch Teams ergänzt wird, die die traditionellen Abteilungsgrenzen
überschreiten10.
2.1.4 Unternehmenskultur und Führungsstil
6
Wöhe, 2008, S. 156
Ebenda, S. 156
8
Robbins, 2001, S. 503
9
Olfert/Steinbuch, 1989, S. 280
10
Vgl. Robbins, 2001, S. 487
7
6
Wie durch die Wirkung von individuellem und gruppenorientiertem informellen
Verhalten wird die soziale Organisation eines Unternehmens auch von Regeln,
Vorschriften und Direktiven beeinflusst, die sich in Gebräuchen oder auch Prinzipien
niederschlagen, welche sich aus der gewachsenen Struktur der gesamten
Organisation
herleiten lassen. Man spricht hierbei von der sogenannten
Unternehmenskultur. Der Begriff etablierte sich in den 80er Jahren als „ein Gerüst
und ein Vorrat an Sinnstrukturen und Handlungsmustern, aus welchen heraus
Situationen, Handlungen und Entscheidungen des Unternehmensalltags einer
bewerteten Interpretation hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Unternehmung als
Ganzes zugänglich werden.“11 Dormayer/Kettern konzeptionalisieren das Phänomen
Unternehmenskultur als einen integrierten Bestandteil eines soziokulturellen
Systems, also als ein Moment der informalen Unternehmensstruktur, das den
konnotativen Hintergrund liefert, auf dem sich jede formale Verhaltensstruktur
abstützen muss. Zum anderen kann die Unternehmenskultur als Ideensystem
analysiert werden, das in den Köpfen der Beteiligten Bedeutungsinhalte ausprägt12.
Die Unternehmenskultur als integrierter Bestandteil der sozialen Struktur einer
Unternehmung bildet somit, über die Ausprägung von bestimmten Werten und
Normen, eine Art Verhaltensorientierung im realen betrieblichen Geschehen. So
auch für Führungspersonen, die in spezifisch, historisch gewachsenen Strukturen
eines Unternehmens, Aufgaben übernehmen, die im Führungsstil verglichen mit
anderen Unternehmungen schon aus dem Gerüst der Unternehmenskultur heraus
differenzieren. Daher ist, so Ziegler, nicht von einem richtigen Führungsverhalten zu
sprechen, sondern es erweisen sich verschiedene Führungsstile als effizient, je nach
Art der Tätigkeit, der Kenntnisse und Einstellungen sowie der vorgegebenen
Machtstrukturen13.
2.2 Typologien von Führungspersonen
Jede unternehmerische Organisation besteht aus Menschen, und es ist u. a. auch die
Aufgabe von Führungskräften, diese Menschen anzuleiten, Ziele zu erreichen, ihnen
Aufträge zu erteilen, zu delegieren, Sitzungen zu leiten, Organisationen und
Strukturen aufzubauen oder zu verändern, Mitarbeiter zu motivieren und zu fördern,
11
Heinen, 1987, S.25
Vgl. Dormayer/Kettern, 1987, S. 58
13
Vgl. Ziegler, 1969, S. 1098
12
7
Teams zusammenzustellen, mit Finanzen, Terminen, Hierarchien und mit Konflikten
zwischen Mitarbeitern in den verschiedensten Umfeldern umzugehen14.
Ihr Erfolg hängt aber auch davon ab, wie sie es tun (soziale Kompetenz). Die
jahrelange Suche nach universellen Eigenschaften von Führern verlief bisher
weitestgehend erfolglos15. Lediglich sechs Eigenschaften, die Führer häufig von
Geführten unterscheiden, haben sich in Untersuchungen herauskristallisiert.
Kirkpatrick und Locke haben diese 1991 in ihrer Studie „Leadership: Do Traits
Matter?“ veröffentlicht. Es sind: Ehrgeiz und Tatkraft, der Wunsch zu führen,
Aufrichtigkeit und Integrität, Selbstvertrauen, Intelligenz und berufsrelevante
Kenntnisse. Darüber hinaus werden Personen meist als erfolgreiche Führer
angesehen, wenn sie als ehrlich, vertrauenswürdig und flexibel wahrgenommen
werden16.
Die genannten Eigenschaften sind Teile einer umfangreichen Persönlichkeitsstruktur,
die so nicht im Rahmen dieser Arbeit über die Probanden zusammengetragen werden
können.
Die
vorliegende
Arbeit
beschränkt
sich
darum
auf
die
soziodemographischen Angaben der Probanden und bildet dieses Personenprofil
bestimmend ab.
2.2.1 Soziodemografische Angaben zu Personen
Bei soziodemografischen Merkmalen zu Personen wird zwischen demografischen
und sozioökonomischen Merkmalen differenziert. Zu den demografischen zählen
Alter, Geschlecht, Familienstand sowie Zahl und Alter der Kinder. Die
sozioökonomischen Merkmale sind u. a. Ausbildung, Beruf, Einkommen17.
Zusammengefasst sind soziodemografische Angaben zu Personen quantitative
Kriterien zur Beschreibung von Zielgruppen unter sozialen und/oder wirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Diese Kriterien wirken Verhalten prägend. So hat Perkins 1993
herausgearbeitet, dass Mitglieder einer bestimmten Altersgruppe sich zwar in vielen
Dingen unterscheiden, sie aber doch in der Regel Wertvorstellungen und kulturelle
Erfahrungen
teilen
und
diese
ihr
Leben
hindurch
beibehalten18.
Alter,
Familienstruktur und soziale Schicht, d. h. aus welcher Art Haushalt stammen sie
und in welcher sozialen Schicht bewegen sie sich jetzt, sind weitere wichtige
14
Vgl. Thomann, 2007, S. 247
Vgl. Geier, 1967, S. 316-323
16
Vgl. Kirkpatrick/Locke, 5/1991, S. 48-60
17
Vgl. Meffert, 1998, S. 184f
18
Vgl. Perkins, 1993, S. 23
15
8
demografische Variablen, die großen Einfluss darauf haben, wie sich das Freizeitund auch das Sozialverhalten von Menschen gestaltet19. Gerade Personen, die
derselben sozialen Schicht angehören, verfügen meist über ein ähnlich hohes
Einkommen und haben den gleichen sozialen Status. Somit entsteht ein gemeinsamer
kultureller und sozialer Referenzrahmen. Sie haben häufig ähnliche Einstellungen
und lehnen andere Dinge gleichermaßen ab. Sie verbringen die meiste Zeit mit
ihresgleichen und teilen somit häufig Meinungen und Wertvorstellungen20.
Als weiteres soziodemografisches Merkmal wird die Zugehörigkeitsdauer zum
Unternehmen gesehen. „Wenn wir die Beschäftigungsdauer als die an einem
Arbeitsplatz verbrachte Zeit definieren, dann können wir sagen, dass die jüngsten
Forschungsergebnisse eine positive Beziehung zwischen Beschäftigungsdauer und
Produktivität
ausweisen.“21
Ebenso
positiv
zueinander
korrelieren
Zugehörigkeitsdauer und Zufriedenheit22. Was wiederum einen hohen Grad an
Identifikation mit der Unternehmenskultur abbildet.
2.2.2 Zur Ausbildungsqualifikation − kognitive Fähigkeiten
Der Begriff Ausbildungsqualifikation wird im Folgenden als die Fähigkeit der
Probanden
verstanden,
den
unterschiedlichen
Anforderungen
an
ihre
Führungsqualifikation gerecht zu werden.
Sämtliche befragten Führungspersonen in der vorliegenden Untersuchung sind
Akademiker. Sie weisen alle einen hohen Grad an fachlichem Wissen auf, was sie u.
a. dazu befähigt, ihre vorrangige Stellung im jeweiligen Unternehmen auszufüllen.
Trotzdem verfügen, nach Tyler, alle Individuen über unterschiedliche Fähigkeiten,
was nicht bedeutet, dass einige andere aus sich heraus unterlegen wären. Tyler
beschreibt lediglich, dass jeder Stärken und Schwächen hat, die ihn hinsichtlich der
Erfüllung bestimmter Aufgaben oder Tätigkeiten im Vergleich zu anderen überlegen
oder unterlegen erscheinen lassen23. „Die Fähigkeiten eines Individuums setzen sich
im Wesentlichen aus zwei Faktorengruppen zusammen. Diese Gruppen umfassen die
kognitiven und die physischen Fähigkeiten.“24 Vorliegend werden nur die kognitiven
Fähigkeiten näher betrachtet. Sie sind die Voraussetzung für geistige Tätigkeiten.
19
Vgl. Solomon/Bamossy/Askegaard, 2001, S. 26ff
Vgl. Bürklin/Rebenstorf u.a. 1997, S. 101f
21
Robbins, a.a.O., S. 56
22
Vgl. Bedeian/Ferris/Kacmar, 1992, S. 40
23
Vgl. Tyler, 1974, S. 27f
24
Robbins, a.a.O., S. 57
20
9
Um allgemeine kognitive Fähigkeiten zu erfassen, wurden bspw. Tests zur Erfassung
des Intelligenzquotienten (IQ) entwickelt. Die sieben am häufigsten aufgeführten
Dimensionen zur Erfassung der kognitiven Fähigkeiten sind Fragen zur numerischen
und verbalen Intelligenz, zur Wahrnehmungsgeschwindigkeit, zum induktiven und
deduktiven Denken, zum räumlichen Vorstellungsvermögen und zum Gedächtnis25.
Unterschiedliche Aufgabenbereiche am Arbeitsplatz erfordern unterschiedliche
kognitive Fähigkeiten. So wird bspw. ein Justiziar nur selten mit der Neugestaltung
eines Büros beauftragt. Insofern wird sein räumliches Vorstellungsvermögen nur
wenig in seinem Arbeitsumfeld auf die Probe gestellt werden.
2.3 Der Konflikt − eine soziale Interaktion
Der
Begriff
Konflikt
ist
abgeleitet
aus
dem
lateinischen
„confligere“:
zusammenschlagen, zusammenprallen. Da sich die vorliegende Arbeit mit
Konflikten zwischen Menschen in Unternehmungen beschäftigt, muss der Begriff
um die soziale Komponente erweitert werden und im Folgenden als sozialer Konflikt
verstanden werden. Begriffsdefinitionen des sozialen Konflikts sind in der Literatur
in großer Zahl zu finden und wie Glasl formuliert „unterscheiden sie sich durch die
Vielfalt der Aspekte sowie durch ihre Weite und Schärfe.“26 Weil Konflikte in
Unternehmungen als soziale Interaktionen zu sehen sind, soll für die vorliegende
Arbeit die Definition von Glasl als Grundlage dienen: „Der soziale Konflikt ist eine
Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei
wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und
im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor
(den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der
Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die
andern Aktoren) erfolgt.“27
2.3.1 Ansätze der Konfliktforschung aus betriebswirtschaftlicher Sicht
Konflikte
in
Gruppen
und
allgemein
in
Organisationen,
werden
durch
verantwortliche Personen unterschiedlich gesehen. Wenn man sich verdeutlicht, dass
Führungskräfte etwa ein Fünftel ihrer Arbeitszeit investieren, um Maßnahmen und
25
Vgl. Dunnette, 1976, S. 480f
Glasl, 2004, S. 15
27
Ebenda, S. 17
26
10
Handlungen in Zusammenhang mit Konflikten durchzuführen, wird deutlich, warum
Konfliktforschung betrieben wird28. Bereits Mitte der vierziger Jahre entwickelte
sich der traditionelle Ansatz der Konfliktforschung. Verfechter dieses Ansatzes
vertraten die Auffassung, dass der Konflikt in Unternehmen ein dysfunktionales
Produkt schlechter Kommunikation, mangelnder Offenheit und mangelnden
Vertrauens sowie des fehlenden Eingehens von Managern auf die Bedürfnisse und
Bestrebungen ihrer Mitarbeiter sei, und damit jeglicher Konflikt schlecht sei. „Die
Annahme, dass Konfliktreduktion zu erhöhter Gruppenleistung führe, ist in neueren
Studien durch umfassende empirische Gegenbeweise widerlegt worden. Dennoch ist
dieser
veraltete
Maßstab
zur
Beurteilung
von
Konfliktsituationen
in
Unternehmungen nach wie vor sehr gebräuchlich. Selbst zahlreiche leitende
Angestellte und Konzernvorstände wenden ihn an.“29
Im Human-Relations-Ansatz zur Konfliktforschung, bei dem die sozialen
Bedürfnisse des Menschen wie Kommunikation, Anerkennung und Gruppengefühl
betont und auch soziale Normen und Werte, die außerhalb der jeweiligen
Betriebsorganisation entstanden sind, berücksichtigt werden30, lautet die Auffassung:
Man könne Konflikte nicht abschaffen, und in manchen Fällen könnten sie der
Gruppenleistung sogar auch dienlich sein. „So besteht ein Team, das dauerhaft völlig
konfliktfrei zusammenarbeitet, in der Regel aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
die ihre innere Kündigung bereits vollzogen haben: ‚wem nicht egal ist, wie es
weitergeht und was passiert’, der tritt mit hohem Engagement für seine Ansichten
und Interessen ein. Und da wir oft eine unterschiedliche Mentalität, verschiedene
Temperamente
und
abweichende
Ansichten
haben,
sind
Konflikte
vorprogrammiert.“31
Noch einen Schritt weiter geht der interaktionistische Ansatz. Hier werden Konflikte
gefördert. „Ohne sie gäbe es keine Veränderungen und keinen Fortschritt. Dies fällt
besonders auf, wenn hierarchische Strukturen sich in flache und flexible Einheiten
verändern, in denen multiprofessionelle oder internationale Teams für einen
befristeten
Zeitraum
zusammenarbeiten.“32
Der
wichtigste
Beitrag
des
interaktionistischen Ansatzes besteht also darin, ein ständiges Mindestkonfliktniveau
28
Vgl. Wittrock/Jennessen/Kastirke, 2007, S. 7
Robbins, a.a.O., S. 451
30
Vgl. www.organisation-sanierung.de/Handout_Human_Relations..doc, Zugriff am 8.4.2008
31
Jiranek/Edmüller, 2003, S. 10
32
Höher/Höher, 2004, S. 7
29
11
in Gruppen aufrechtzuerhalten. Das Niveau sollte genau so hoch sein, dass die
Gruppe lebensfähig, selbstkritisch und kreativ bleibt33.
2.3.2 Konflikttypologie
Bei der Einteilung von Konflikten in unterschiedliche Konfliktarten besteht bei den
verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen zunächst einmal Einigkeit darüber, dass
sie grundsätzlich in zwei Bereiche zu unterteilen sind. Es sind dies die
intrapersonellen, also inneren oder seelischen Konflikte sowie die interpersonellen,
also äußeren oder zwischenmenschlichen Konflikte. Bei intrapersonellen Konflikten
ist kein Konfliktlösungsprozess mit mediativen Methoden angezeigt. Hier sollte die
Entscheidung zur Unterstützung der Person eher in Richtung Beratung, Coaching
oder Therapie gehen. Jedoch haben intrapersonelle Konflikte gleichwohl einen
erheblichen Einfluss auf andere Konfliktarten34. So zeichnen sich Konflikte dadurch
aus, dass sie immer eine Innen- und eine Außenseite (eine seelische und eine
zwischenmenschliche)
haben,
die
sich
gegenseitig
beeinflussen.
Jedem
zwischenmenschlichen Verhalten und Geschehen folgt eine innerliche Verarbeitung
der Situation35.
Bei den interpersonellen Konflikten findet man eine Vielzahl von unterschiedlichen
Strukturierungen in der Literatur. Hier seien nur zwei erwähnt, auf die immer wieder
Bezug genommen wird. Das sind zunächst einmal Duve, Eidenmüller und Hacke, die
interpersonelle Konflikte nach ihrem Anlass im Wirtschaftsleben in vier Kategorien
einteilen: „Differenzen über Sachfragen (Sachkonflikte), Auseinandersetzungen über
Werte und Grundsatzfragen (Wert- und Grundsatzkonflikte), Streitigkeiten über die
Verteilung von Ressourcen, Ansehen oder Macht (Strategiekonflikte) sowie
Störungen des Verhältnisses zwischen Personen (Beziehungskonflikte).“36 Glasl
strukturiert Konflikte noch weiter aus, nach Streitgegenstand, Erscheinungsform der
Auseinandersetzung und Eigenschaften der Konfliktparteien und ordnet dieser
Struktur dann auch einzelne Konfliktarten und Konfliktverläufe zu37.
Für die vorliegende Arbeit soll jedoch ein recht überschaubares Modell
innerbetrieblicher Subsysteme aus betriebswirtschaftlicher Sicht, wie die Abbildung
2 zeigt, als
33
Vgl. Robbins, a.a.O., S. 451
Vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke, 2003, S. 25
35
Vgl. Crisand/Reinhard, 2002, S. 17
36
Duve/Eidenmüller/Hacke, 2003, S. 16
37
Vgl. Glasl, 2004, S. 54ff
34
12
Grundlage dienen. Aus der Abbildung werden die Wirklichkeitsebenen in ihren
gegenseitigen Wechselwirkungen deutlich. Im Zentrum steht das Individuum, das
intrapersonelle Konflikte ausprägen kann. Der Mensch als Mittelpunkt nimmt
Einfluss auf Ressourcen oder Verfahren, um ein Ziel zu erreichen. Sind sich Parteien
oder Individuen nicht einig über die Auswahl der Mittel oder das Vorgehen, so
entstehen häufig Sachkonflikte, die wiederum Auswirkungen auf das Individuum
haben. Auf der personalen Ebene entstehen meist aus dem zwischenmenschlichen
Bereich heraus Beziehungskonflikte. Diese ergeben sich häufig auch aus
umgelenkten Sachoder Wertkonflikten. Die Wertkonflikte entstehen durch Uneinigkeiten über
generelle Ziele, Prinzipien oder Grundsätze. Die verschiedenen Konfliktarten können
vielfältige Wechselwirkungen miteinander aufweisen. Es treten auch Mischformen
auf oder die Konfliktarten überlagern sich38.
Abb. 2: Innerbetriebliche Konfliktarten und ihre Wechselwirkungen39
2.3.3 Die innere Haltung zu Konfliktlösungsprozessen
„Wenn sich Organisationen mit Konflikten befassen müssen, dann kommen
Führungskräfte in die Lage, Konflikte ‚lösen’ zu müssen. Sie werden also zu einer
Art Schiedsrichter und müssen schließlich meist eine Entscheidung treffen. Das
versuchen
38
39
Führungskräfte
aus
verschiedenen
Gründen,
Ebenda
Fh. Nordostniedersachsen, www.sozioweb.de, Zugriff am 14.4.2008
13
beispielsweise
Überforderung, in der Regel zu umgehen oder zu vermeiden.“40 Müssen sie dann
doch agieren, weil der Konflikt sich weiter zugespitzt hat, ist die Frage, wollen oder
können sie selbst tätig werden oder holen sie sich Hilfe von intern oder von extern
des Hauses?
Die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Zusammenarbeit
mit
der
PricewaterhouseCoopers
Europa-Universität
Viadrina
eine
hat
2005
Studie
in
über
‚Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich’41 und daran anschließend 2007 ‚Praxis
des Konfliktmanagement deutscher Unternehmen’42 veröffentlicht. Gegenstand der
Studie von 2005 war die Frage, wie Unternehmen in Deutschland Konflikte mit
anderen Unternehmen bearbeiten. Ein herausgearbeitetes Ergebnis zeigte dabei, dass
die Verhandlung bei der Verfahrenswahl mit Abstand die meistpreferierte Auswahl
darstellt.
Mediation
rangiert
erst
an
vierter
oder
fünfter
Stelle,
hinter
Schiedsgerichtsverfahren, Schiedsgutachten oder bei hohem Streitwert auch noch
hinter Gerichtsverfahren. In der Einschätzung in Bezug auf Verfahrensvorteile
befindet sich Mediation meist auf Platz zwei der Zuordnungsauswertung hinter der
Verhandlung43. Die von den Befragten eingeschätzten Vor- und Nachteile der
einzelnen Konfliktbearbeitungsverfahren führt jedoch nicht zu dem entsprechenden
Verfahrenseinsatz in der Praxis, was laut der Studie von 2007 auch auf Praxis -und
Theorielücken,
fehlenden
Leidensdruck,
Systemwiderstände
und
optimierungsbedürftiges Prozessmanagement zurückzuführen ist44. Die in der Studie
aufgezeigten Diskrepanzen und Ergebnisse beziehen sich zwar auf Konflikte
zwischen Unternehmungen, die Folgerungen können aber sicherlich auch auf das
Konfliktverhalten bei internen Streitigkeiten übertragen werden.
3. METHODISCHER ANSATZ DER UNTERSUCHUNG
Als Grundlage für die Datenerhebung sind zwei unterschiedliche Instrumente
gewählt worden. Erstellt wurde zum einen ein standardisierten Fragebogen45 und für
den zweiter Teil ein Interviewleitfaden46. Die Untersuchung ist mit 10
Führungskräften aus 10 deutschen Großunternehmen durchgeführt worden und dann
40
Proksch/Königswieser, 2004, S. 168
Breidenbach/Gläßer/Kirchhoff, 2005
42
Wellmann/Kraus/Kampherm, 2007
41
43
Vgl. Breidenbach/Gläßer/Kirchhoff, 2005, S. 15ff
Vgl. Wellmann/Kraus/Kampherm, 2007, S. 9
45
Aufbau und Auswertung des standardisierten Fragebogens orientierten sich an Atteslander, 1984
46
Vorgehen und Auswertung des Leitfadeninterviews orientierten sich an Mayring, 2003
44
14
zur Auswertung gekommen. Der standardisierte Fragebogen, der Interviewleitfaden
und sämtliche Interviewtranskribierungen befinden sich im Anlagenband der Arbeit.
3.1 Untersuchungsdesign
Bei der Auswahl der Stichprobe ist insbesondere auf die Verteilung der
Interviewpartner (IP) nach bestimmten Kriterien geachtet worden. Selbstverständlich
kann man bei einer Stichprobengröße von n = 10 nicht von einer Quotenauswahl
sprechen47, dennoch wurde hiermit eine gewisse Aussagenbreite für die spätere
Auswertung angestrebt. Die Auswahl der IPs ist nach folgenden Strukturkriterien
erfolgt:
− Die IPs sollen Führungspersonen im gehobenen Management sein und
sowohl Vorgesetzte wie auch Mitarbeiter haben
− Es
soll
eine
Heterogenität
in
Alter
und
Geschlecht
sowie
im
soziodemografischen Erhebungsspektrum bestehen
− Die IPs sollen aus Großunternehmen kommen, welche sich in der Branche
differenzieren
Bei der Auswahl nach dem Geschlecht der IPs wurde berücksichtigt, dass in
deutschen Großunternehmen der Privatwirtschaft mit mehr als 250 Beschäftigten in
der zweiten Führungsebene im Durchschnitt nicht mehr als 12 % Frauen tätig sind
(Tendenz leicht ansteigend)48. So wurde nur eine weibliche Führungskraft als IP
ausgewählt (zusätzlich fand der Pre-Test mit einer weiblichen Führungskraft statt).
Für die Rekrutierung der IPs war es eine unerlässliche Bedingung, dass zwischen
dem Interviewer und der oder dem Befragten ein Vertrauensverhältnis besteht, da die
Personen zahlreiche Interna vom eigenen Verhalten, den Unternehmensbedingungen
und der Kombination von beidem preisgeben sollten. Daher konnte die Auswahl nur
aus dem persönlichen geschäftlichen Netzwerk heraus geschehen. Der potenzielle
Personenkreis wurde erweitert durch die Hinzunahme von Agenten, welche
wiederum Vertrauenspersonen angesprochen haben und somit ihr Vertrauen auf den
Interviewer übertragen konnten. Die Stichprobe setzt sich aus 7 direkt und 3 über
Agenten angesprochenen IPs aus 10 großen deutschen Unternehmen zusammen,
welche alle in einem oder mehreren wirtschaftlichen Indexen geführt werden.
Die Kontaktaufnahme erfolgte telefonisch. Ich schilderte kurz mein Anliegen:
47
48
Vgl. Hüttner, 2002, S. 93ff
Vgl. Brader/Lewerenz, 2006, S. 2
15
− Masterarbeit in dem noch jungen wissenschaftlichen Bereich Mediation an
der Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)
− Befragung (standardisierter Fragebogen und
Leitfadeninterview) von
Führungskräften über deren Sicht auf Konflikte und deren Bewältigung in
und zwischen Organisationseinheiten in ihrem Unternehmen
Alle 10 willigten ein, mir als Interviewpartner zur Verfügung zu stehen. Es wurde
vereinbart, dass die Gespräche im privaten Umfeld der IPs stattfinden. Hierdurch
erwartete ich eine größere Offenheit der Probanden aufgrund des entspannteren
Umfeldes und der Gewissheit, nicht vom Tagesgeschäft der IPs unterbrochen zu
werden. Die Interviews sollen mit einem digitalen Aufnahmegerät mitgeschnitten
und anschließend transkribiert werden. Auf Wunsch der IPs sind sämtliche
schriftlichen Unterlagen zu anonymisieren. Die entsprechende Zuordnung liegt bei
der Verfasserin. Die Treffen dauerten durchschnittlich 58 Minuten, wobei die
Interviews ca. 25 Minuten Zeit in Anspruch nahmen.
Zur Vorbereitung der Treffen wurde ein Pre-Test durchgeführt. Es zeigte sich dabei,
dass der Fragebogen, in dem die IPs eine Selbsteinschätzung ihrer kognitiven
Fähigkeiten vornehmen sollten, in den Formulierungen nachzuschärfen war. Des
Weiteren wurde beim Pre-Test deutlich, dass es beim Interview für die IPs einfacher
ist, über Konflikte aus der Vergangenheit zu sprechen als über aktuelle Konflikte.
Den Erfahrungen aus dem Pre-Test entsprechend, sind die Fragen im Leitfaden
modifiziert bzw. ergänzt worden. Außerdem wurde offensichtlich, dass vor dem
Gespräch die von mir gewählte Konflikttypologie kurz erläutert werden musste, um
Irritationen zu vermeiden49.
Die Auswertung erfolgt in mehreren Schritten. Aus dem Fragebogenteil wird eine
Klassifizierung der Gesamtgruppe dargestellt. Das umfangreiche Tonmaterial wird
wortwörtlich transkribiert, wobei Tonfall, Satzmelodie oder Dauer von Pausen nicht
erscheinen. Die IPs werden dann einzeln charakterisiert und ihre Kernaussagen
werden herausgestellt. Danach sind die Aussagen auf Gemeinsamkeiten zu
untersuchen, um so generelle Konfliktphänomene abzubilden. Alsdann erfolgt die
Differenzierung nach den Unterschieden von Herkunftsqualifikation in Kombination
mit den personenbezogenen Merkmalen und dem Konfliktverhalten. So gelange ich
zu Parametern, die dann in Relation zum Konfliktverhalten der Probanden gestellt
werden.
49
Pre-Test siehe Anlagenband S. 6ff
16
3.2
Untersuchungsinstrument
3.2.1 Standardisierter Fragebogen50
Zur Beschreibung der zu befragenden Personen wurde zunächst ein Fragebogen
erstellt, bei dem ihre jeweiligen demografischen und sozioökonomischen Daten zur
Erhebung kommen. Dies sind Fragen zu Geschlecht, Alter, Familienstand, Kindern,
mit jeweiligem Alter, sowie Fragen zur eigenen Aus- und Weiterbildung und zu den
Berufen der Eltern. Daran anschließend folgen Fragen zu Kennzahlen über das
Unternehmen, in dem die Probanden tätig sind. So wird gefragt nach Branche,
Anzahl der Beschäftigten, Jahresumsatz und Bilanzsumme. Es folgen Fragen zur
persönlichen organisatorischen Stellung im Unternehmen, in der Aufbauorganisation,
der Ablauforganisation und der Projektorganisation, wodurch bei jedem Probanden
dokumentiert wird, dass er a) in einem Großunternehmen tätig ist, b)
Führungsverantwortung trägt und c) im täglichen Arbeitsablauf Kontakte zu
Personen seiner Hierarchieebene hat.
Um eine individuellere Profilbildung der zu befragenden Personen zu erlangen, ist
dann ein weiterer Fragebogen zusammengestellt worden, bei dem die Probanden
durch Selbsteinschätzung ihre kognitiven Fähigkeiten einstufen sollen in den
Bereichen: − numerische Intelligenz
− verbale Intelligenz
− Wahrnehmungsgeschwindigkeit
− induktives Denken
− deduktives Denken
− räumliches Vorstellungsvermögen
− Gedächtnis
Anzukreuzen ist hier in vier Kategorien: ‚sehr ausgeprägt’, ‚ausgeprägt’, ‚weniger
ausgeprägt’, ‚nicht ausgeprägt’. Die Probanden werden an dieser Stelle aufgefordert,
möglichst schnell und somit intuitiv die entsprechende Antwort anzukreuzen.
3.2.2 Interviewleitfaden51
Der zusammengestellte Interviewleitfaden dient als Gerüst für die Befragungen.
Zunächst soll mit Hilfe der ersten Frage
− Welche Einstellung haben Sie grundsätzlich zu Konflikten?
50
51
Standardisierter Fragebogen siehe Anlagenband S. 1ff
Interviewleitfaden siehe Anlagenband S. 4f
17
die grundsätzliche Haltung der Probanden zu Konflikten herausgearbeitet werden.
Zur Hilfestellung für den Einstieg in die Befragung wird
eher positiv – fördert den Output der Gruppe oder
eher negativ – führt zu Reibungsverlusten
als Antwortenspektrum vorgegeben.
Mit Hilfe der nächsten Fragen
−
Erinnern Sie sich doch bitte einmal an den letzten von Ihnen
wahrgenommenen Konflikt
− Zwischen wem fand er statt?
− Können Sie ihn kurz zusammenfassen?
− Auf welcher organisatorischen Ebene war das?
kommt es dann zu einer Einordnung eines wahrgenommenen Konflikts in eine
bestimmte Konfliktart, in eine hierarchische Ebene und die Frage nach der
Eigenbeteiligung.
Der folgende Fragenkomplex umfasst den Umgang mit dem Konflikt und die
persönlichen Wahrnehmungen: Wie war Ihre Herangehensweise? Was war Ihnen
wichtig, hilfreich, nützlich? Was war Ihnen besonders gut gelungen? Was würden
Sie wieder tun? Und warum? Wie war das Resultat? Was war hinderlich? Was
würden Sie in Zukunft vermeiden, anders machen?
Da in der vorliegenden Ausarbeitung grundsätzlich von drei Konfliktarten in
horizontaler wie auch vertikaler Konfliktebene ausgegangen wird und zusätzlich die
Frage mit oder ohne Eigenbeteiligung zum Tragen kommt, entsteht die unten
abgebildete Matrix (Abb. 3), die als Befragungsrahmen dient.
vertikal
horizontal
vertikal
beteiligt
horizontal
beteiligt
Sachkonflikte
sachbezogener Bereich
Aufgaben und Mittel
Beziehungskonflikte
zwischenmenschl. Bereich
Rollen und Beziehungen
Wertkonflikte
organisatorischer Bereich
Zweck, Visionen, Kultur
Abb. 3 Untersuchungsmatrix
Beschreibt ein IP einen Konflikt, so wird dieser von der Interviewerin in der Matrix
eingetragen. Häufig wird es zu Überschneidungen bei den Konfliktarten kommen,
was bedeutet, dass vonseiten der Interviewerin eine Festlegung vorgenommen wird.
18
Alsdann wird der oben genannte Fragenkomplex weitestgehend nach allen in der
Matrix abgebildeten Feldern wiederholt, wenn der Interviewverlauf es zulässt.
Am Ende des Interviews stehen noch vier Fragen: Was würden Sie sich in Bezug auf
Konfliktbewältigung in Ihrem Unternehmen wünschen? Und die Frage nach der
Einschätzung des Unternehmens auf einer Skala von 1 bis 10: Sehen Sie Ihr
Unternehmen
als
eher
konservativ
oder
eher
jung/dynamisch
in
der
Unternehmenskultur? Sind Sie dadurch in Ihrem Konfliktverhalten mit geprägt
worden?
Und die letzte Frage: Wie ist Ihr Konfliktverhalten im privaten Umfeld? Verhalten
Sie sich dort anders als im Unternehmen?
3.3
Auswertung
3.3.1 Klassifizierung der Untersuchungsgruppe
Zunächst findet eine deskriptive Beschreibung der Gesamtgruppe nach ihren
soziodemografischen und -ökonomischen Daten statt. Hiermit wird die Stichprobe in
ihren eingrenzenden Parametern detailliert. Die Qualifizierung und teilweise
Quantifizierung der erhobenen Merkmale ergibt dann die Merkmalsausprägungen
der Stichprobe.
Der Verfasserin ist bewusst, dass die Untersuchung nicht als repräsentativ gesehen
werden kann, da die Stichprobe nur 10 Personen umfasst. Gleichwohl kann die
Gesamtuntersuchung als valide und reliabel betrachtet werden, da sie nicht etwa
hypothetische Annahmen, sondern persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen der
IPs entstammt. „Der Befragte wird also im offenen Interview dazu gebracht, selber
anzuzeigen, was für ihn in welcher Weise relevant ist.“52
3.3.2 Fallbeschreibungen und Konfliktverhalten
Der erste Schritt zur Bearbeitung der Interviews ist ihre vollständige Transkription.
Die Interviews IP I bis IP X werden in der Beschreibung der Population einzeln
vorgestellt. Hierbei werden die Probanden mit ihren für sie charakteristischen
Merkmalen
dargestellt
zusammengefasst
und
hervorgehoben.
jeweils
Um
anschließend
bereits
eine
ihre
Kernaussagen
Vergleichbarkeit
der
Interviewpartner zu gewährleisten, sind jeweils zu den spezifischen Fragestellungen
die Aussagen verkürzt und gebündelt wiedergegeben worden. So wird jeder Proband
52
Mayerhofer, 2008, S. 4, Zugriff am 14.6.2008
19
individuell erkennbar und die jeweilig spezifische Konflikteinstellung deutlich. Die
vereinheitlichte und kompakte Darstellungsform ermöglicht somit die unmittelbare
Vergleichbarkeit der Probanden. Auf eine Interpretation der Ergebnisse wird hierbei
verzichtet, um an dieser Stelle nur die Einzelaussagen herauszustellen. So wird der
erste Schritt zur systematisierten Komplexitätsreduktion der Interviews vollzogen.
Sie bildet die Ausgangsbasis für eine tabellarische Zusammenfassung. Die
interpretative Zusammenführung geschieht unter dem darauf folgenden Punkt.
3.3.3 Interdependenz zwischen Merkmalsausprägungen und Konfliktverhalten
Die Aussagen der Einzelinterviews werden in der Deutungsmusteranalyse
miteinander verglichen und auf Überschneidungen hin untersucht, um gemeinsame
Schnittmengen zu ermitteln. Dabei werden zunächst die Einstellungen und die
Herangehensweise an Konflikte aus der Sicht der Probanden verglichen. Es werden
die Aussagen der Interviewpartner auf ihre positive bzw. negative Einstellung zu
Konflikten und ihr personenbezogener Umgang mit den unterschiedlichen
Konfliktarten überprüft. Alsdann folgt die Analyse auf Zustimmung oder Ablehnung,
allparteiliche Dritte ins Konfliktmanagement zu integrieren. Hierbei werden erneut
die Merkmalsausprägungen der Interviewpartner und ihre Aussagen aus den
Interviews auf Gemeinsamkeiten hin betrachtet. Mittels einer tabellarischen
Konsolidierung der Merkmalsausprägungen und Einzelaussagen aller IPs können
dann die Arbeitshypothesen validiert bzw. verifiziert werden. Abschließend erfolgt
eine ganzheitliche Betrachtung auf Sinnfälligkeit der Ausgangshypothese.
3.3.4 Aussagen zur Mediation
Der Fragenkatalog des Interviewleitfadens ist so konzipiert, dass Aussagen der
Probanden Hinweise für Wirtschaftsmediatoren geben können, die neben der
Hypothesenprüfung Handlungsempfehlungen enthalten. Diese Hinweise werden in
der Auswertung in einem eigenständigen Punkt betrachtet. Es erfolgt eine
Auswertung der Ergebnisse um
− neue Untersuchungsfelder für die Mediationsforschung,
− Kritik an Unternehmungen und deren Organisationen und
− Wünsche von Führungspersonen aufzuzeigen.
4.
ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG
20
4.1 Beschreibung der Population
Die Stichprobe rekrutiert sich aus 10 Personen: 9 Männern und 1 Frau.
Zwischen 40 und 50 Jahren = 3 ♂
Zwischen 50 und 60 Jahren = 6 ♂ und 1 ♀
Verheiratet bzw. verwitwet sind 9 Probanden und nur ein IP ist ledig. 7 von ihnen
haben Kinder. Alle haben einen Hochschulabschluss, wobei 3 IPs über den zweiten
Bildungsweg bzw. eine Lehre in ihre heutige Position gekommen sind. Sie alle
arbeiten in 10 unterschiedlichen deutschen Großunternehmen, die folgenden
Branchen zuzurechnen sind:
1 x Energie53
2 x Versicherung54
2 x Automobil55
1 x Chemie56
1 x Bau57
1x Automotive58
1x Maschinenbau59
1x Elektrotechnik60
4 der 10 Probanden haben gleich nach ihrer Hochschulausbildung in dem
Unternehmen angefangen, in dem sie auch heute noch tätig sind. So ist die
Betriebszugehörigkeit im heutigen Beschäftigungsverhältnis:
7 IPs = 16 bis 38 Jahre
3 IPs = 2 bis 9 Jahre
Alle IPs arbeiten in der Hierarchie an mindestens dritter Ebene unter dem Vorstand.
Vorstand
1 IP
1. Ebene
2 IPs
2. Ebene
2 IPs
3. Ebene
5 IPs
53
Kennzahlen im Anlagenband S. 19
Kennzahlen im Anlagenband S. 133 und 146
55
Kennzahlen im Anlagenband S. 32 und 60
56
Kennzahlen im Anlagenband S. 82
57
Kennzahlen im Anlagenband S. 100
54
58
Kennzahlen im Anlagenband S. 157
Kennzahlen im Anlagenband S. 117
60
Kennzahlen im Anlagenband S. 100
59
21
Alle haben Führungsverantwortung, ob für Abteilungen, Gruppen oder Teams, was
von der jeweiligen betrieblichen Organisationsstruktur abhängig ist.
< 10 ständige Mitarbeiter = 2 IPs
> 10 ständige Mitarbeiter = 8 IPs
In der Ablauforganisation haben alle IPs Kontakt zu Führungspersonen auf gleicher
Hierarchieebene. Während partiell auftretender Projektarbeiten sind 4 Probanden in
der Regel einfaches Mitglied der Gruppe; 3 agieren generell als Projektleitung und
bei 3 IPs kommt es sowohl vor, dass sie als Projektleitung als auch im Projektteam
tätig sind. Bei der Selbsteinschätzung der kognitiven Fähigkeiten ist grundsätzlich
sehr
ausgeprägt
-
ausgeprägt
5
wenig
ausgeprägt
4
nicht
ausgeprägt
1
verbale Intelligenz
2
8
-
-
Wahrnehmungsgeschwindigkeit
4
4
2
-
induktives Denken
3
6
1
-
deduktives Denken
3
5
2
-
räumliches Vorstellungsvermögen
4
2
2
2
Gedächtnis
2
6
1
1
numerische Intelligenz
Abb. 4:
Ergebnisübersicht der Selbsteinschätzung kognitiver Fähigkeiten der
Interviewpartner
eine hohe homogene Einstufung aller IPs in der Kategorie „ausgeprägt“ zu sehen.
Nur bei der numerischen Intelligenz und dem räumlichen Vorstellungsvermögen ist
die Selbsteinschätzung der Probanden nicht gleichmäßig hoch verteilt (siehe Abb.4).
4.2 Beschreibung der einzelnen Interviewpartner IP I bis IP X
Die wörtlichen Auszüge bzw. Zusammenfassungen aus den Interviews werden zur
übersichtlicheren Darstellung im weiteren Text in kursiver Schrift hervorgehoben.
Bei der verkürzten Wiedergabe der Interviewinhalte wird auf ein wörtliches Zitieren
in vollständigen Sätzen verzichtet, da einzelne Satzpassagen themengebunden
zusammengefasst werden, um eine einheitlich gegliederte und miteinander
vergleichbare Wiedergabe zu erhalten.
4.2.1 Interviewpartner I
22
IP I61 ist männlich, 44 Jahre alt, verheiratet und lebt in einer Patchworkfamilie mit
drei Kindern im Alter von 14, 24 und 27 Jahren. Er stammt aus einem kaufmännisch
geprägten Elternhaus. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium machte er
noch einen zusätzlichen Akademieabschluss als PR-Berater. Nach kurzer freier
Mitarbeit bei zwei Tageszeitungen kam er zu einem großen deutschen
Energieunternehmen. Hier arbeitet er seit 16 Jahren und hat inzwischen die Position
des Pressesprechers und Leiters Kommunikation. Seine aufbauorganisatorische
Stellung im Unternehmen ist dem Vorstand direkt untergeordnet. Zu seiner
Abteilung gehören 15 ständige Mitarbeiter. Zusätzlich ist er weisungsbefugt
gegenüber zwei Teams, bei denen die Mitarbeiterzahlen, je nach Aufgabe, variieren.
IP I hat im laufenden Arbeitsprozess ständig Kontakt zu Führungspersonen auf
gleicher Hierarchieebene und ist während einzelner Projektarbeiten einfaches
Mitglied im Team. Die Leitung der Teams übernimmt in der Regel ein Mitglied des
Vorstands. Bei der Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten sieht IP I durchaus
eigene Schwächen. Seine Fähigkeiten in Bezug auf „numerischer Intelligenz“ und
„Gedächtnis“ stuft er nur als „nicht ausgeprägt“ bzw. „wenig ausgeprägt“ ein, was
für seinen Tätigkeitsbereich, seiner Meinung nach, auch nicht von besonderer
Relevanz ist. Er zeigt damit ein differenziertes Bild von Selbsteinschätzung und
Arbeitseinsatz.
Kernaussagen des Interviews IP I62
Einstellung zu Konflikten? − keine positive Beziehung zu Konflikten / etwas steckt
quer, kostet Zeit und Ressourcen und ist somit nicht förderlich / Dissensen
oder Diskurse sind eher förderlich.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Sachkonflikt in vertikaler Ebene mit
Eigenbeteiligung von IP I geschildert:
− In diesen Konflikt musste ich ganz persönlich eingreifen, der löste sich nicht
von allein zwischen uns.
− Ich habe das Gespräch mit dem Mitarbeiter gesucht und ihm mit reinen
Sachargumenten meinen Vorschlag begründet.
Was war gut gelungen?
− Ich habe es geschafft, ihn auf der Sachebene zu überzeugen
61
62
Vollständige Profilangaben zu IP I siehe Anlagenband S. 19f
Vollständige Transkription des Interviews IP I siehe Anlagenband S. 21ff
23
− Das Resultat war dann aber doch nicht so, wie ich es gern gehabt hätte und
ich habe dann nur noch sichergestellt, dass ich nicht für das Gezeigte
verantwortlich war.
Was in Zukunft ändern? – Ich fand es gut so.
Ein Beziehungskonflikt in horizontaler Hierarchieebene:
− Der wurmt mich sehr, ich will da aber nichts machen.
− Ich hab den anderen nicht angesprochen
− Auf der reinen Sachebene kommen wir ja prima zurecht.
Was ist mit Hilfe eines allparteilichen Dritten von außen?
– Ich würde immer versuchen, das ohne Externe oder Dritte bilateral zu regeln
versuchen, das ist ja ganz persönlich.
Auf die Frage nach einem Mediator von intern:
− Nein, da muss man selber Manns sein, das Thema bilateral anzusprechen.
Auf die Frage nach externer Hilfe, wenn er nicht selbst beteiligt ist: – Auf jeden Fall.
− Das hab ich auch schon gemacht.
− Ich habe einen Coach bestellt (von extern), um die Interaktion im Team zu
verbessern.
− Ob intern oder extern, ob Coach oder Mediator ist mir egal, ich muss
denjenigen kennen lernen, die Beziehung muss stimmen.
− Gibt es im Unternehmen Mediatoren? – Ja, mittlerweile. Das sind Leute, die
unser Unternehmen nach außen vertreten. Sie arbeiten bei unserer
Ingenieursgesellschaft (Stichwort Kraftwerkneubaupläne).
Auf die Frage nach einem Wertkonflikt aus der Vergangenheit:
− Konflikt zwischen Vorgesetztem und mir.
− Konnte nicht versachlicht werden.
− Habe ich nicht angesprochen.
− Schlussendlich haben sich unsere Wege getrennt.
Auf die Frage nach einem Wertkonflikt zwischen seinen Mitarbeitern:
− Zunächst Einzelgespräche, nicht in großer Runde, da ich nicht Schiedsrichter
sein will, und sehen ob man sachlich reden kann.
− Wenn es nichts bringt, würde ich auch Hilfe von außen annehmen
Mischt du dich bei Konflikten auf deiner Hierarchieebene ein, bei Nichtbeteiligung?
– Nein, keine Motivation.
24
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Wir bräuchten alle ein wenig mehr
Zeit.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: − Stockkonservativ
Auswirkungen auf das Konfliktverhalten: − Was sich auch auf das Konfliktverhalten
aller niederschlägt.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld:
– Da bin ich unüberlegter und noch emotionaler als in der Arbeit.
4.2.2 Interviewpartner II
IP II63 ist männlich, 54 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 20
und 26 Jahren. Er stammt aus einem kaufmännisch, handwerklich geprägten
Elternhaus. Nach dem Abschluss einer Ausbildung zum Elektroinstallateur kam der
Proband über den zweiten Bildungsweg zu dem technisch, künstlerisch
ausgerichteten Studium zum Industrie-Designer. Nach freiberuflicher Tätigkeit
übernahm IP II die Leitung eines kleinen Industriebetriebes, bis er dann zu einem
großen deutschen Autobauer wechselte. Hier arbeitet er seit 20 Jahren und ist
inzwischen Leiter Teileentwicklung und Fertigungsumsetzung. Seine Abteilung
befindet sich in der dritten Ebene unter dem Vorstand und hat 6 ständige Mitarbeiter.
Weiterhin leitet er zwei Teams, bei denen die Personenzahl variiert. In der
Ablauforganisation hat IP II ständig Kontakt zu wenigstens einer weiteren
Führungsperson auf seiner Hierarchieebene. Bei Projektarbeiten ist er vorwiegend als
Leiter tätig. Bei der persönlichen Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten zeigt
sich der Proband sehr selbstbewusst in Relation zur Gesamtpopulation, da er sich
über alle Items gleichmäßig bei „sehr ausgeprägt“ (3 x) und bei „ausgeprägt“ (4 x)
einstuft.
Kernaussagen des Interviews IP II64
Einstellung zu Konflikten? − Sowohl als auch. Konflikte können sehr förderlich sein
und im Projekt geht es nicht ohne. Es darf nur nicht zu einer völligen
Disharmonie führen. Dissensen sind erwünscht / gewollt.
63
64
Vollständige Profilangaben zu IP II siehe Anlagenband S. 32f
Vollständige Transkription des Interviews IP II siehe Anlagenband S. 34ff
25
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Beziehungskonflikt
(auch
Wertkonflikt) in horizontaler Ebene mit indirekter Eigenbeteiligung von IP II
geschildert:
− In den Konflikt musste ich eingreifen, weil Mitarbeiter von mir an mich heran
getreten waren.
− Ich habe persönlich eingegriffen, indem ich den Mitarbeiter zu einem
Gespräch gebeten habe und ihm Wege aufgezeigt habe, wie er es besser
machen könnte. Aber es hat doch Jahre gedauert, bis es besser wurde.
Was war gut gelungen? – Dass ich ihm gesagt habe, wie er mit den Mitarbeitern
umgehen sollte. Dass er bereit war, was zu ändern.
Was in Zukunft ändern? – Eigentlich würde ich es immer wieder so machen. Ich
sollte vielleicht noch etwas direkter und fordernder sein.
− Schwierig ist auch, dass der Kollege schon älter ist, der lässt sich nicht gern
was sagen – bei jüngeren Kollegen ist das einfacher.
Ein Sachkonflikt in horizontaler Hierarchieebene: − Hier kann ich mit Daten, Fakten
und Zahlen kommen, dann wissen eigentlich alle, wo wir hin müssen.
− Ein reiner Sachkonflikt ist da schon einfacher.
Und einen Wertkonflikt? – Ich habe keinen parat.
Ein Konflikt zwischen seinen Mitarbeitern ohne direkte Eigenbeteiligung:
− Ein Beziehungskonflikt, den ich mir länger angeschaut habe, weil ich dachte,
das sich das im Grunde genommen selber regeln müsste.
− Dann habe ich Einzelgespräche geführt – die Einsicht war da, aber…
− Alle an einen Tisch − habe ich nicht gemacht.
− Die Lösung kam später – er hat die Abteilung gewechselt.
Was in Zukunft ändern? − Es gibt verschiedene Varianten, die wir alle schon genutzt
haben: mit dem Vorgesetzten absprechen, ein Coach aus dem Unternehmen
oder ein Psychologenpaar von extern. Vorteil Letztere – sie sind
unabhängiger.
Bei einem Beziehungskonflikt auf horizontaler Ebene, auf was zurückgreifen? – Als
Erstes versuchen, selber zu regeln, dann auf innerbetriebliche Abteilung für
solche Fälle zugehen. Die ist 100 % verschwiegen, sonst würde es sie nicht
mehr geben.
Bei einem Sachkonflikt auf horizontaler Ebene?
– Das ist Tagesgeschäft, das regeln wir in der Diskussion.
26
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Eigentlich keine. Es gibt bei uns
Seminarangebote zur Konfliktbewältigung.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: – 8, aber mit
rückläufiger Tendenz seit etwa vier Jahren. Das Konventionelle oder auch
Traditionelle tritt wieder in den Vordergrund.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten? – Auf jeden Fall
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld? – Ich
versuche es so zu machen wie in der Firma, aber die Konflikte sind mir näher
und sie sind anderer Natur, und somit gelingt es mir nicht, sie so zu
behandeln. Im Unternehmen ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass
solche Konflikte abgestellt werden.
4.2.3 Interviewpartner III
IP III65 ist männlich, 49 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 13, 17
und 19 Jahren. Er stammt aus einem eher technisch geprägten Elternhaus. Nach dem
Studium zum Dipl.- Ing. Maschinenbau promovierte er und kam dann zu einem
großen deutschen Unternehmen aus dem Bereich Elektrotechnik. Hier arbeitet er seit
18 Jahren und leitet eine innerbetriebliche Consultingabteilung. Seine Position in der
betrieblichen Aufbauorganisation ist auf dritter Ebene unter dem Vorstand. IP III ist
weisungsbefugt gegenüber 10 Mitarbeitern. Er hat im laufenden Arbeitsprozess
ständig Kontakt zu 3 weiteren Abteilungsleitern. Bei Projektarbeiten wird er sowohl
als Leiter wie auch als einfaches Teammitglied eingesetzt. Bei der persönlichen
Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten zeigt sich der Proband recht
selbstbewusst in Relation zur Gesamtpopulation. Er hat sich bei „induktivem
Denken“ und „Gedächtnis“ als „sehr ausgeprägt“ eingestuft und alle weiteren Items
mit „ausgeprägt“ vermerkt.
Kernaussagen des Interviews IP III66
Einstellung zu Konflikten? – Es gibt kein Gut und kein Schlecht bei einem Konflikt.
− Die Frage ist, wie schnell man eine Lösung finden will.
− Es ist abhängig von der Kompromissbereitschaft des anderen – wenn man die
nicht findet, kann das Projekt gegen die Wand fahren.
65
66
Vollständige Profilangaben zu IP III siehe Anlagenband S. 44f
Vollständige Transkription des Interviews IP III siehe Anlagenband S. 46ff
27
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Sach-/Beziehungskonflikt in
vertikaler Hierarchieebene mit Eigenbeteiligung geschildert: − Das war ein längerer
Prozess mit einem Minderleister. Da hab ich im Einzelgespräch gesagt, er
solle die Arbeit so und so machen – hat aber nicht funktioniert.
− Dann habe ich Fakten gesammelt und mir die Möglichkeiten von der
Personalabteilung mitteilen lassen, welchen Spielraum ich habe.
Was war dienlich / gut gelungen? – Dass alle Sachinformationen vorlagen und ich
sie offenlegen konnte.
− Dass ich auf die Sachebene gehen konnte.
− So würde ich immer versuchen vorzugehen: Fakten sammeln, dann vorlegen.
Was war hinderlich, was in Zukunft ändern? – Die teilweise Inkompetenz der
Personalabteilung.
Ein reiner Sachkonflikt in vertikaler Hierarchieebene:
– Fakten sammeln und ausdiskutieren.
− Ggf. einen halben Tag Zeit nehmen und mit allen diskutieren.
− Da ist es auch egal, ob Gleichgestellte oder Mitarbeiter.
− Es kommt dann irgendwann der Zeitpunkt, wenn ich, ich sage mal, im Prinzip
in der Vorgesetztenrolle bin, dann wird das auch irgendwann beendet nach
dem Motto: Und jetzt machen wir es mal bitte so, wie ich es möchte. Ich
übernehme dann aber auch die Verantwortung, das ist der Nachsatz. Weil,
man kann viel diskutieren, aber wir diskutieren es nicht bis zum
Sanktnimmerleinstag.
Ein Wertkonflikt in vertikaler Hierarchieebene: – Hier kann man schlecht Fakten
sammeln, also erst einmal Einzelgespräche, dann alle an einen Tisch, aber
die Entscheidung liegt dann doch bei mir.
Einmischen bei Konflikten auf gleicher Ebene ohne Eigenbeteiligung?
– Ja, ansprechen, wenn die Arbeit leidet.
− Einmischen auf der Sachebene.
Beziehungskonflikt auf gleicher Hierarchieebene: – Über die Arbeit sich annähern.
− Beziehungshürde über die Sachebene versuchen zu umgehen.
Hilfe von einem allparteilichen Dritten?
–
Nein, weder von innerbetrieblich noch von außen.
− Ich will es wenn möglich selber regeln.
28
− Was vielleicht noch geht, ist, dass ein Vorgesetzter regelt und dann dafür
geradesteht.
− Wenn ich wirklich Hilfe bräuchte, dann aber doch lieber von außen
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Mehr Sozialkompetenz bei den
Führungskräften vor allem im operativen Geschäft.
− Sollte vom Unternehmen stärker gefördert werden (auch Mediation).
Einschätzung
des
Unternehmens,
ob
konservativ
oder
dynamisch:
−
Abteilungsabhängig. Das Unternehmen bei 4; meine Abteilung bei 7.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Bei Konflikten wird dann in so einem Ingenieursladen auch immer
sachorientiert damit umgegangen, oder sie werden beiseite geschoben.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld: −
Ähnlich, aber teilweise ungeduldiger und kurzatmiger.
− Die Kinder werden schon mal eher angeschnauzt, so nach dem Motto „Jetzt
mach’s endlich!“
4.2.4 Interviewpartner IV
IP IV67 ist männlich, 56 Jahre alt, verheiratet und hat keine Kinder. Er stammt aus
einer rein kaufmännischen Familie. Nach dem Studium der BWL studierte er
zusätzlich Maschinenbau und promovierte dann an der Universität zum Dr.-Ing.
Danach ging IP IV zu einem großen deutschen Automobilbauer, bei dem er nun
bereits seit 22 Jahren tätig ist. Er hat zweimal den Arbeitsstandort gewechselt und ist
jetzt
Leiter Entwicklungsplanung, zugeordnet dem Bereich Personal und
Sozialwesen. Er arbeitet zurzeit auf der zweiten Ebene unter dem Vorstand und ist
weisungsbefugt gegenüber 40 Mitarbeitern. Im Wochenrhythmus hat der Proband
Kontakt zu drei weiteren Abteilungsdirektoren. Während Projektarbeiten übernimmt
er die Leitung. Bei der persönlichen Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten
zeigt sich der Proband in Anbetracht seiner Ausbildungsqualifikation und Stellung
im Unternehmen eher bescheiden, indem er eine recht heterogene Einschätzung
dokumentiert und sich in Relation zur Gesamtpopulation eher zurücknimmt. So
wertet IP IV sein „räumliches Vorstellungsvermögen“ mit „nicht ausgeprägt“, seine
„mathematische Intelligenz“ mit „wenig ausgeprägt“ und schätzt sich nur bei der
„Wahrnehmungsgeschwindigkeit“ als „sehr ausgeprägt“ ein.
67
Vollständige Profilangaben zu IP IV siehe Anlagenband S. 60f
29
Kernaussagen des Interviews IP IV68
Einstellung zu Konflikten? – Wenn sie auf im Wesendlichen Befindlichkeiten
beruhen, sind sie definitiv überflüssig. Sach- und Wertthematiken sind eher
positiv zu werten, Konflikte systemischer Art halte ich für positiv und
förderungswürdig.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Wert-/Sachkonflikt in vertikaler
Ebene mit Eigenbeteiligung geschildert:
− Bei diesem Konflikt musste ich persönlich klar sagen, was ich erwarte.
− Ich habe das Gespräch mehr zufällig gesucht und geführt.
Was war gut gelungen? – Durch meine klare Formulierung hat er nachgedacht und
mir noch am Abend telefonisch mitgeteilt, wie es zu der Situation gekommen
ist, und die muss ich akzeptieren und mich auch noch darum kümmern.
Was in Zukunft ändern?
− Meine Botschaften insbesondere bei Einzeladressaten, die aber in dem
Moment in einer Gruppe sind, vielleicht etwas überlegter auszusprechen.
Ein Beziehungskonflikt in vertikaler Richtung: − Zunächst habe ich ihn nur
wahrgenommen und ihn mir angeschaut.
− Durchaus auch mal auf das Thema angesprochen, aber nicht wirklich
angegangen.
− Die Lösung war, dass ich nach XXXXX gegangen bin und dann keinen
Kontakt mehr hatte.
Was wäre mit Hilfe von Dritten gewesen? − Wenn ich geblieben wäre, hätte ich
einen Dritten dazugeholt (Werkleiter).
− Also erst allein angehen, dann einen von intern und dann einen Externen.
Wie ist das mit einem Konflikt zwischen Mitarbeitern? – Ich habe zu viele Türen und
eine Sekretärin zwischen mir und meinen Mitarbeitern.
− An meinem letzten Standort war das anders, da gab es keine Einzelbüros.
Aber als Konfliktlöser für Beziehungsprobleme bin ich nie gefordert gewesen.
− Sach- und Wertkonflikte ständig.
Wie darangegangen? − Da setzen wir uns in Runden, auch großen Runden zusammen
und es wird diskutiert oder sogar Workshops durchgeführt.
68
Vollständige Transkription des Interviews IP IV siehe Anlagenband S. 62ff
30
− Wenn es gar nicht mehr mit Diskussion geht, sage ich als Chef klar, was ich
will und das wird dann auch so gemacht. Irgendwann ist Schluss mit lustig.
Wie bei Konflikten mit Eigenbeteiligung vertikal? − ebenso.
Grundsätzliche Bereitschaft, allparteilichen Dritten dazuzuholen? – Ja, bei
Beziehungskonflikten. Ich neige doch dazu, mich zu positionieren.
Gibt es so etwas im Unternehmen? − Nein.
− Wir können aber auf Externe zugreifen. Es gibt da Erfahrungen.
− Aber immer über die Personalabteilung gehen, das ist auch eine Budgetfrage
und ein Weg der Instanzen.
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Eine Möglichkeit finden, wie man
auch mit älteren Mitarbeitern Wertkonflikte nachhaltig lösen kann..
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: – Range von 7 bis
9. Nach außen geben wir uns gern als 10.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Im Konfliktverhalten sind wir viel zu viel abstimmungsorientiert und viel zu
konsensbedürftig.
− Neu ist der Begriff Dissens. Kontrolliert Konflikte angehen und einer Lösung
zuführen. Ein Großteil der Mitarbeiter kann damit noch nichts anfangen.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten in privaten Umfeld:
− Inzwischen anders, nicht mit der geschäftsmäßigen Härte.
4.2.4 Interviewpartner V
IP V69 ist männlich, 52 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder von 19 und 21
Jahren. Er stammt aus einem technisch, handwerklichen Elternhaus. Nachdem der
Proband sein Studium zum Chemiker abgeschlossen hatte, promovierte er zum Dr.Ing. und ging dann zu einem großen deutschen Pharmakonzern, bei dem er seit 28
Jahren tätig ist. Nebenberuflich machte er ein Weiterbildungsstudium im Bereich
Organisationsentwicklung, Arbeit und Beratung sowie Arbeit und Gesundheit.
Zusätzlich durchlief er eine Ausbildung zum Mediator. Als Leiter Laborentwicklung
arbeitet der Proband in der dritten Ebene unter dem Vorstand und ist weisungsbefugt
69
Vollständige Profilangaben zu IP V siehe Anlagenband S. 82f
31
gegenüber 42 Personen in drei Abteilungen. In der Ablauforganisation hat er Kontakt
zu drei weiteren Abteilungsdirektoren in zwei europäischen Ländern. Bei Projekten
ist IP V nicht als Leiter tätig. Bei der persönlichen Einschätzung seiner kognitiven
Fähigkeiten hat sich der Proband gleichmäßig bei „sehr ausgeprägt“ und
„ausgeprägt“ eingestuft, nur seine „Wahrnehmungsgeschwindigkeit“ hält er für
„weniger ausgeprägt“. Der Proband entspricht somit genau dem durchschnittlichen
Bild der persönlichen Selbsteinschätzung der Gesamtpopulation.
Kernaussagen des Interviews IP V70
Einstellung zu Konflikten? – Es kommt auf die Einstellung an, wie man letztendlich
damit umgeht.
− Häufig lang unter den Teppich gekehrt, wird es schwierig, sie anzugehen.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Wertkonflikt vermischt mit
Beziehungskonflikt auf der Mitarbeiterebene ohne Eigenbeteiligung geschildert: −
Da die Mitarbeiterin unter Tränen mit mir telefonierte, war klar: ich muss mich
einschalten.
− Zunächst ein Vier-Augen-Gespräch dann zu dritt an einem Tisch.
Was war gut gelungen? – Die Tatsache, für einen Naturwissenschaftler eine hehre
Erfahrung zu schaffen: Mensch, das geht ja doch.
− Nicht zu sagen ich mache eine Mediation, dann wäre keiner mehr bereit
mitzumachen.
Ich
mache
Flipchartprotokolle,
statt
Mediationsvereinbarungen und lade nach ca. 2 bis 3Monaten beide noch mal
zu einem Gespräch ein.
− Sie machen jetzt regelmäßige Teambesprechungen.
Was in Zukunft ändern? – Ganz am Anfang hab ich versucht es als Mediation zu
verkaufen, da stieß ich auf Ablehnung.
Ein Beziehungskonflikt auf der Mitarbeiterebene: – Hatten wir hier auch schon. Da
muss erst geklärt werden, ob die Abneigungen tatsächlich unüberwindbar
sind, und dann würde man letztendlich in klassischen Organisationen sagen,
eine Trennung und damit Versetzung von Petroleum und Feuerzeug ist nötig.
Ein reiner Sachkonflikt in vertikaler Linie mit Eigenbeteiligung: – Den gibt es ja
eigentlich nicht, da ist ja immer eine Beziehungskomponente mit enthalten.
70
Vollständige Transkription des Interviews IP V siehe Anlagenband S. 84ff
32
− Mein Vorschlag war: lasst uns die Gespräche gemeinsam mit einem Coach
machen, dann wird es nicht so konfliktiv.
Was ist mit Hilfe von neutralen Dritten? – Der Coach war ein Externer.
Was ist mit Hilfe aus dem Unternehmen? – Das Problem ist dabei der
länderübergreifende Prozess. Ist ein XXXX wirklich neutral für die Kollegen
aus den anderen Ländern?
− Grundsätzlich ist es aber bei Konflikten am besten einen von intern und einen
Externen zu haben.
Ein Sachkonflikt in horizontaler Ebene mit Eigenbeteiligung: – Ich habe versucht die
Probleme anzusprechen, was erfolglos war.
− Es war ein älterer Kollege, der schon seit 25 Jahren so arbeitet.
− Ich war zu stark involviert mit zu viel Eigenverantwortung.
Hilfe durch einen allparteilichen Dritten? – Wäre nicht gewährt worden, war bei dem
Leiter nicht vorstellbar.
Grundsätzliches zu Konflikten: – Im naturwissenschaftlichen Umfeld hat
Konfliktmanagement eine untergeordnete Rolle, sowohl vonseiten der
Beteiligten wie auch der Vorgesetzten, denn dort ist die Werkzeugbox leer.
− Naturwissenschaftler kriegen den Perspektivwechsel schlecht hin.
– Es wird in den großen Unternehmen immer mehr interkulturelle Konflikte
geben – da muss etwas getan werden.
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Einen gut ausgebildeten
hauptamtlichen Mediator pro Standort, an den sich jeder wenden kann.
− Der sollte nicht zur Rechts- oder Personalabteilung gehören, sondern
vielleicht zum Bereich Weiterentwicklung, Bildung, dann hätte er nicht gleich
einen Makel.
Einschätzung
des
Unternehmens,
ob
konservativ
oder
dynamisch:
−
Wertekonservativ, aber sehr offen und dynamisch im Umgang mit modernen
Überlegungen
zu
neuen
Konzepten
für
Mitarbeiter
und
Kompetenzentwicklungen.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Somit hat sich auch das Konfliktverhalten verändert – zum Positiven.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld:
33
bei
– Da habe ich z. B. Vereinbarungen mit meiner Frau, an die wir uns auch
halten, und wenn es längere Zeit bei uns Unstimmigkeiten gibt, gehen wir zu
einer Beratungsstelle.
4.2.6 Interviewpartner VI
IP VI71 ist männlich, 56 Jahre alt, verheiratet und hat keine Kinder. Er stammt aus
einem technisch, handwerklichen Elternhaus. Der Proband absolvierte ein Studium
zum Dipl.-Ing. Architektur und war seit seiner Ausbildung in zwei Unternehmen
international tätig. Seit zwei Jahren ist er nun Leiter Baubüro Nord eines großen
Unternehmens im Bereich Bauindustrie. Er ist weisungsbefugt gegenüber 15
Personen und hat in der Ablauforganisation Kontakt zu seinem Vorgesetzten in der
Hauptverwaltung. Projektgruppen werden von IP IV geleitet. Bei der persönlichen
Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten hat sich der Proband dreimal bei
„ausgeprägt“ und viermal bei „weniger ausgeprägt“ eingestuft. In Anbetracht seiner
langjährigen Tätigkeit als Dipl.-Ing. Architekt eine vergleichsweise bescheidene
Einstufung seiner kognitiven Fähigkeiten.
Kernaussagen des Interviews IP VI72
Einstellung zu Konflikten? – Grundsätzlich positiv, da man unterschiedliche
Meinungen gezeigt bekommt. Gehen die Konflikte an die Substanz, also sind
sie
grundlegend und werden nicht gelöst, sind sie eher störend.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Sachkonflikt in vertikaler Ebene mit
Eigenbeteiligung von IP VI geschildert.
− Sehr sachliche Vier-Augen-Gespräche bei denen ich etwas lauter wurde.
Was in Zukunft ändern? – Gar nichts.
Was war gelungen? – Wir waren immer sachlich und das würde ich auch bleiben.
Ein Beziehungskonflikt in vertikaler Ebene mit Eigenbeteiligung: – Es gab ein VierAugen-Gespräch, in dem ich sehr emotional wurde.
− Das Ergebnis war so, dass es gemacht wurde wie mein Gegenüber es wollte.
Was wäre mit der Hilfe eines allparteilichen Dritten gewesen? – Ich hätte in der
Situation an so etwas nicht gedacht.
− Dazu wäre mein Chef auch nicht bereit gewesen.
71
72
Vollständige Profilangaben zu IP VI siehe Anlagenband S. 100f
Vollständige Transkription des Interviews IP VI siehe Anlagenband S. 102ff
34
Ein Beziehungskonflikt zwischen zwei Mitarbeiterinnen ohne Eigenbeteiligung:
− Den hab ich wahrgenommen. Der hat sich ganz langsam aufgeschaukelt.
− Da wollte ich mich nicht einmischen, das war ein Zickenkrieg, das müssen die
auch untereinander geregelt kriegen.
− Die sind dann zur Geschäftsleitung gegangen.
In heutiger Position? – Erst mal beobachten.
− Dann sehen ob das auch quasi per Ordre de Mufti geht.
− Sonst würde ich erst Einzelgespräche führen, mir die Argumente anhören,
mir ein Bild machen, wo eigentlich der Konflikt ist und dann mit denen
gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden.
Was ist mit Hilfe eines allparteilichen Dritten von extern? – Könnte ich mir
vorstellen, habe ich noch nie gemacht.
Und von intern? – Das habe ich schon mal gemacht.
− Ich suche dann jemanden, der von vielen Mitarbeitern anerkannt ist.
Gibt es im Unternehmen Konfliktmanager? – Ja, bei uns gibt es Seminare für alle bis
runter zur Bauleitung, die dann Konflikte zwischen dem Unternehmen und
anderen Unternehmen vermitteln. Und auch zwischen Berufsgruppen intern.
− Konfliktmanagement zwischen Unternehmen und Externen gab es aber schon
in allen Firmen, in denen ich gearbeitet habe.
Ein Beziehungskonflikt auf gleicher Hierarchieebene mit Eigenbeteiligung: – Zwei
unterschiedliche Charaktere, die auch nicht im Gespräch zusammenkommen.
− Hilfe eines allparteilichen Dritten hätte nichts bewirkt
Ein reiner Sachkonflikt zwischen Mitarbeitern:
– Das regele ich mit den Beteiligten auf der Sachebene.
Wünsche an das Unternehmen in Bezug auf Konfliktmanagement? – Wir können uns
da nicht viel leisten, wir sind zu klein.
− Die Findungsseminare, die die Hauptverwaltung macht, sind da schon gut,
da gibt es auch Konfliktmanagement.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: – Die Branche ist
konservativ, wir sind da etwas dynamischer, also 5.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Die Firmenkultur prägt das Konfliktverhalten.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld:
− Ganz ähnlich.
35
4.2.7 Interviewpartner VII
IP VII73 ist männlich, 54 Jahre alt, verheiratet und hat 4 Kinder im Alter von 11, 21,
25 und 33 Jahren. Der Vater war Schlosser, die Mutter Sekretärin. IP VII machte
zunächst eine Lehre zum Industriekaufmann, wurde danach im Unternehmen
weiterbeschäftigt und absolvierte berufsbegleitend ein Betriebswirtschaftsstudium an
einer
Akademie.
Der
Maschinenbauunternehmen
Proband
tätig
ist
und
seit
hat
38
Jahren
inzwischen
die
in
demselben
Position
des
Kaufmännischen Leiters. Er hat 8 Mitarbeiter und ist in seiner organisatorischen
Stellung auf der dritten Ebene unter dem Vorstand. In der Ablauforganisation hat IP
VII ständig Kontakt zu vier Abteilungsleitern auf gleicher Hierarchieebene. Bei
Projekten arbeitet er zum Teil im Team, zum Teil auch als Leitung. Bei der
persönlichen Einschätzung seiner kognitiven Fähigkeiten ist auffallend, dass er sein
„räumliches Vorstellungsvermögen“ als „nicht ausgeprägt“ sieht, alle anderen Items
stuft er zwischen „sehr ausgeprägt“ und „ausgeprägt“ ein und entspricht insoweit
genau dem Durchschnitt der Selbsteinschätzung der Gesamtpopulation.
Kernaussagen des Interviews IP VII74
Einstellung zu Konflikten? − Sie führen im Ansatz zu Reibungsverlusten und gehören
gelöst, um gestärkt herauszugehen.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Sachkonflikt zwischen Mitarbeitern
geschildert: – Erst schau ich ihn mir aus der Distanz an.
− Dann führe ich grundsätzlich Einzelgespräche.
− Dann setzten sich alle an einen Tisch, um Ross und Reiter zu nennen.
Eine Besonderheit: − Wenn Frauen untereinander oder mit mir einen Sachkonflikt
haben, dann wird er auch immer ein wenig emotional und geht leicht in die
Beziehungsebene. Da muss man vorsichtig sein, die interpretieren häufig
zwischen den Zeilen.
− Die Vorgehensweise bleibt aber gleich.
Was war gut gelungen? – Ehrlichkeit und klare Aussagen
Was in Zukunft ändern?
– Mehr Gelassenheit und Sachlichkeit und besser
vorbereitet in das Gespräch gehen.
73
74
Vollständige Profilangaben zu IP VII siehe Anlagenband S. 117f
Vollständige Transkription des Interviews IP VII siehe Anlagenband S. 119ff
36
Sachbezogene Konflikte auf gleicher Hierarchieebene mit Eigenbeteiligung? – Hier
argumentieren wir immer sachlich kontrovers, aber immer zum Wohle des
Unternehmens und finden dann auch einen Konsens.
Ein Beziehungskonflikt auf gleicher Ebene mit Eigenbeteiligung? – Schwierig, weil
man zum einen das Unternehmen sehen muss, zum anderen den Menschen.
Was wäre mit Hilfe eines allparteilichen Dritten: – Das wäre wohl gut gewesen.
Ein Sach- bzw. Wertkonflikt in horizontaler Ebene mit Eigenbeteiligung: – Die
Sache habe ich selbst in die Hand genommen und auf ein Gespräch unter vier
Augen bestanden.
Was wäre mit Hilfe eines allparteilichen Dritten? – Nein, das musste ich alleine
machen, da hätte ich mich sonst schlecht gefühlt.
Grundsätzliche Bereitschaft einen allparteilichen Dritten einzuschalten? – Ja,
durchaus, sowohl bei sachbezogenen wie auch bei Beziehungsproblemen.
Auf die Frage lieber externe oder interne Mediatoren: – Von extern wäre schon
besser. Bei internen müsste man doch schon recht viel Vertrauen haben.
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Mehr Fortbildungen und
Weiterbildungen in allen Bereichen.
Einschätzung des Unternehmens, ob eher konservativ oder dynamisch: − 5, es gibt
dynamische Alte und konservative Junge.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Sicherlich von meinen Chefs geprägt.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld? – Auch
immer mit Ehrlichkeit.
− Da gibt es keinen Unterschied, aber zu Hause sind sie schon emotionaler und
dichter an mir dran.
4.2.8 Interviewpartner VIII
IP VIII75 ist weiblich, 53 Jahre alt, unverheiratet und hat keine Kinder. Die
Probandin stammt aus einem bäuerlich, ländlichen Elternhaus. Nach einer
Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Bauunternehmen machte sie ein Studium
der Wirtschaftswissenschaften und studierte Politik und Anglistik auf Lehramt. Nach
75
Vollständige Profilangaben zu IP VIII siehe Anlagenband S. 133f
37
dem ersten Staatsexamen wechselte sie zur Journalistik. Ihre Etappen nach
Beendigung des Studiums waren Stadt, Ministerium, Unternehmerverband und Bank.
Seit
zwei
Jahren
arbeitet
IP
VIII
als
Abteilungsdirektorin
Unternehmenskommunikation in der Ebene direkt unter dem Vorstand in einer
Versicherung.
Sie
ist
weisungsbefugt
gegenüber
9
Mitarbeitern.
In
der
Ablauforganisation hat die Probandin Kontakt zum Vorstand und allen
Abteilungsdirektoren des Hauses. Während Projektarbeiten ist sie als Teammitglied
tätig. Bei der persönlichen Einschätzung ihrer kognitiven Fähigkeiten nimmt sich IP
VIII sehr zurück. Ihre eher bescheidene Einstufung liegt zwischen „ausgeprägt“ und
weniger ausgeprägt“, was deutlich unter dem Schnitt der Gesamtpopulation liegt.
Kernaussagen des Interviews IP VIII 76
Einstellung zu Konflikten? – Gruppe ohne Konflikte ist sicher sehr effektiv.
− Wenn es Konflikte gibt, positiv reagieren und darüber sprechen.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Beziehungskonflikt in vertikaler
Ebene mit Eigenbeteiligung geschildert: − Da habe ich recht schnell eingegriffen und
zahlreiche Einzelgespräche mit dem Mitarbeiter geführt.
Was war gut gelungen? – Dass ich immer die Initiative ergriffen habe und das
Gespräch gesucht habe.
Was in Zukunft ändern? – Die Ziele klarer und unmissverständlicher definieren.
Was ist mit Hilfe eines Dritten? – Ich habe meinen Vorgesetzten eingeschaltet, dass
hat nichts gebracht.
− Dann Hilfe von einem allparteilichen Dritten aus dem Unternehmen. Erst gab
es Einzelgespräche, dann Gruppengespräche – das war sehr gut.
Auf die Frage nach einem Beziehungskonflikt zwischen Mitarbeitern? – Da führe ich
dann immer Einzelgespräche und schaffe es auf meine mütterliche oder
schwesterliche Art, dass sie immer recht gestärkt aus den Gesprächen wieder
in die Gruppe gehen.
− Ich gehe immer auf die Beziehungsebene, wenn das nicht klappt, dann habe
ich ein Problem.
Auf die Frage nach Konflikt in horizontaler Ebene mit Eigenbeteiligung: – Kommt
als Frau hier häufig vor, dass man mit den Männern aneckt.
76
Vollständige Transkription des Interviews IP VIII siehe Anlagenband S. 135ff
38
− Da suche ich immer das persönliche Gespräch; wenn ich arbeitsmäßig zu
belastet bin, schaffe ich es allerdings nicht.
− Als Frau fahre ich immer gut, wenn ich lieb, freundlich und nett bin, also
irgendwie auf der Beziehungsebene bleibe.
Auf die Frage nach Hilfe von allparteilichen Dritten: – Ja klar, gern.
− Traumhaft schön wäre jemand von Extern.
− Im letzten Unternehmen waren das immer Interne – das war schon schwierig.
Mischen Sie sich bei Konflikten auf gleicher Ebene ein, wenn nicht betroffen?
– Nein.
Auf die Frage nach Wünschen an das Unternehmen: – Hier findet jetzt viel statt.
− Man kann auch Wünsche in Bezug auf Konfliktmanagement äußern.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: –
Im ersten
Drittel konservativ.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Das färbt auf das Verhalten ab.
− Aber auch die Größe spielt eine Rolle. Hier kann man sich eher mal einigeln,
und man schickt einen Mitarbeiter zur schwierigen Person.
− Aber es ist auch eine Sache der persönlichen Erfahrungen (auch des Alters).
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld:
– Da ist es ja noch emotionaler.
− Da bin ich nachgiebiger und habe keine Lust auf Konflikte.
4.2.9 Interviewpartner IX
IP IX77 ist männlich, 54 Jahre alt, verwitwet und hat drei Kinder im Alter von 21, 25
und 28 Jahren. Der Proband stammt aus einer kaufmännischen Akademikerfamilie.
Nachdem er sein Studium zum Diplom-Ökonom absolviert hatte, promovierte er an
der Hochschule. Danach arbeitete er in drei verschiedenen Bankhäusern und wurde
dann zum Professor an einer FH berufen. Nach einigen Jahren wechselte er als
Vorstand Finanzen zu einer Versicherung, wo er seit 9 Jahren arbeitet. Direkt
weisungsbefugt ist IP IX gegenüber drei Abteilungsleitern und deren Mitarbeiter. In
der Ablauforganisation hat er ständig Kontakt zu allen. Bei neuen Projekten arbeitet
er mit seinen Vorstandskollegen zusammen. Die Leitung übernimmt in der Regel der
Vorstandsvorsitzende. Bei der persönlichen Einschätzung seiner kognitiven
77
Vollständige Profilangaben zu IP IX siehe Anlagenband S. 146f
39
Fähigkeiten hat der Proband seine Gedächtnisleistung als „nicht ausgeprägt“
eingestuft, sein deduktives Denken als „wenig ausgeprägt“, alle weiteren Items mit
„ausgeprägt“ eingeschätzt, was man in Anbetracht seines beruflichen Werdegangs in
Relation zur Gesamtpopulation eher als bescheidene Selbsteinschätzung werten
muss.
Kernaussagen des Interviews IP IX78
Einstellung zu Konflikten? – Sachliche Konflikte sind eher positiv.
− Andere brauche ich nicht.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Sachkonflikt in horizontaler Ebene
mit Eigenbeteiligung geschildert: − Da diskutieren wir alles aus, das klappt.
Ein Beziehungskonflikt gepaart mit einem Sachkonflikt auf vertikaler Ebene mit
Eigenbeteiligung: – Da wollten welche in mein Ressort hineinfunken - das geht
nicht, da muss ich eingreifen.
− Ich habe das Gespräch dann mit allen gesucht.
Was war gut gelungen? – Ich weiß es nicht. Vielleicht, dass ich dadurch mehr
Respekt bekommen habe.
Was in Zukunft ändern? – Nicht mehr so lange warten, ehe ich einschreite.
Was ist mit Hilfe eines allparteilichen Dritten? – Nein, kann ich mir nicht vorstellen.
− Weder von intern noch von extern.
− Das muss ich selber schaffen, auch wenn ich dabei zurückstecke.
Was ist mit Konflikten auf Mitarbeiterebene ohne Eigenbeteiligung? – Da mische ich
mich möglichst nicht ein, denen geht es ja so wie mir, die wollen das regeln.
− Allerdings wäre ich eingeschritten, wenn es die sachliche Ebene verlässt.
− Dann hätte ich Einzelgespräche geführt.
− Wenn es dann immer noch nicht geht, dann würde ich mich auch noch
dazusetzen.
Was wäre mit Hilfe eines allparteilichen Dritten? – Das kann ich mir vorstellen.
Was käme eher in Frage – ein Externer oder ein Interner? – Keine Erfahrung.
− Ich würde mich an die Personalabteilung wenden, denn da sollte die
Kompetenz liegen.
78
Vollständige Transkription des Interviews IP IX siehe Anlagenband S. 148ff
40
− Wenn dem Unternehmen an beiden gelegen ist, sollte ein Dritter helfen.
Ansonsten enden Beziehungskonflikte meiner Erfahrung nach so, dass einer
der beiden Kontrahenten das Unternehmen verlässt.
Mischt du dich bei Konflikten auf deiner Hierarchieebene ein, wenn du nicht
beteiligt bist? – Erst mal raushalten, es sei denn das Unternehmen nimmt Schaden,
dann
würde ich meine Hilfe anbieten.
− Nicht vorschlagen, nehmt euch jemanden von extern, dass wäre anmaßend,
das könnte nur der Vorstandsvorsitzende oder der Aufsichtsrat tun.
Wie siehst du das Konfliktmanagement bei Wertkonflikten? – Wertkonflikte sollten
gar nicht stattfinden.
− Da muss schon im Ansatz gegen vorgegangen werden.
− Alle Mitarbeiter sollten die gleichen ethischen und moralischen Grundsätze
vertreten.
Wie ist grundsätzlich die Einstellung zu Mediatoren im Unternehmen? − Wir haben
keine.
–
Als nebenbei ausgebildete Mediatoren z. B. in der Personalabteilung wäre
das gut. Die müssten aber auch noch andere Dinge tun.
Wie sieht es insgesamt bei euch mit Konfliktbewältigung aus? – Wir haben relativ
wenige offensichtliche Konflikte.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch? − 3.
− Ich habe das Unternehmen gewählt, das die gleiche Kultur hat wie ich.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld: −
Emotionaler, das heißt achtsamer, vorsichtiger, dass man nichts kaputtmacht
auf dem Weg dieser Konflikte - mit noch mehr Zugeständnissen.
4.2.10 Interviewpartner X
IP X79 ist männlich, 46 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 8 und
10 Jahren. Er stammt aus einem von der Bundeswehr geprägten Elternhaus. Er
machte zunächst eine Feinmechanikerlehre bei der Marine und kam dann über den
zweiten Bildungsweg zum Dipl. Feinwerktechnik (FH). Seit 18 Jahren arbeitet der
Proband in einem Automotive-Unternehmen. Nebenberuflich machte er ein
Weiterbildungsstudium zum Projektmanager sowie eine Ausbildung zum NLP79
Vollständige Profilangaben zu IP X siehe Anlagenband S. 157f
41
Master. IP X arbeitet in der dritten Ebene unter dem Vorstand, hat vier Teams mit
wechselnden Mitarbeiterzahlen unter sich und während der Arbeitsabläufe ständig
Kontakt zu mehreren Teamleitern. Bei Projekten agiert der Proband sowohl als
Leitung wie auch im Team. Bei der persönlichen Einschätzung seiner kognitiven
Fähigkeiten hat er sich bei der „numerischen Intelligenz“ und dem „deduktiven
Denken“ mit „weniger ausgeprägt“ eingeschätzt. Alle weiteren Items hat er für sich
mit „sehr ausgeprägt“ und „ausgeprägt“ bewertet, was ganzheitlich betrachtet der
durchschnittlichen Ausprägung der Gesamtpopulation der befragten Führungskräfte
entspricht. IP X ist dabei aber klar der visuelle Typ.
Kernaussagen des Interviews IP X80
Einstellung zu Konflikten? – Auf jeden Fall führen Konflikte zu Reibungsverlusten.
Als erster wahrgenommener Konflikt wird ein Beziehungskonflikt zwischen zwei
Mitarbeitern geschildert: –
Zunächst beobachtet und ignoriert, dann nur noch
einzeln mit beiden gearbeitet, quasi den Konflikt umgangen.
Was in Zukunft ändern? – Wenn möglich, würde ich es wieder so machen, da es
keine extra Zeit und Energie kostet.
Ein Beziehungskonflikt zwischen Mitarbeitern: – Da hab ich alle an einen Tisch
gesetzt.
− Wir haben dann sachlich diskutiert und eine Strategie festgelegt.
Was war gut gelungen? – Schwer zu sagen. Ich habe einen guten Ruf in der Firma,
komme gut mit allen aus, und so kann ich gut vermitteln.
− Die Diskussion auf rein sachlicher Ebene geführt zu haben.
Was in Zukunft vermeiden? – Möglichst keinen Vorgesetzten dazu holen, der schafft
dann eine Lösung auf der Lösung und dann geht das gar nicht.
Auf die Frage nach einem allparteilichen Dritten von intern oder extern:
– Ja, eigentlich eine gute Idee.
− Kann aber gut kommen, durch Umstrukturierung mag es sein, dass das
Management so eine Situation heraufbeschwören will, um Schwachstellen zu
ermitteln.
Ein Beziehungskonflikt in horizontaler Ebene mit Eigenbeteiligung:
– Ich hab die Auseinandersetzung nicht gesucht.
− Da hab ich dann zurückgesteckt.
80
Vollständige Transkription des Interviews IP X siehe Anlagenband S. 159ff
42
Wie wäre es da mit Hilfe von außen? – Das wäre wirklich gut, da der Konflikt
weiter besteht.
Wäre es besser, jemanden von extern oder intern zu holen? – Externer wäre gut.
− Ein Interner müsste auf einer entsprechend hohen Hierarchieebene sein,
sonst wäre er nicht anerkannt.
Wertkonflikt auf gleicher Hierarchieebene mit Eigenbeteiligung:
– Mehrere Gesprächsrunden waren da in wechselnder Zusammensetzung nötig.
Was in Zukunft vermeiden? – Dass immer wieder andere nach ihrer Meinung
gefragt wurden und keiner die Verantwortung übernommen hat.
Was wäre dienlich? – Einen Moderator haben, der alles protokollarisch festhält.
− Der sollte so neutral wie möglich sein. Also auch gut von extern möglich.
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen: – Wir bräuchten Kommunikationsmanager, die auch gut bei Konflikten vermitteln können.
Einschätzung des Unternehmens, ob konservativ oder dynamisch: – Die Struktur ist
eher fortschrittlich, das greift aber bei den älteren Mitarbeitern nicht.
Hat das Auswirkungen auf das Konfliktverhalten im Unternehmen?
− Die Kultur hat mein Konfliktverhalten wenig beeinflusst. Auch nicht, wie ich
mit anderen Leuten umgehe.
Auf die Frage nach dem persönlichen Konfliktverhalten im privaten Umfeld:
− Ähnlich, wie im Unternehmen. Erst mal sachlich hinterfragen, bin ich schuld,
und dann möglichst einfach lösen.
4.3 Deutungsmusteranalyse
Im Folgenden werden aus den zehn Interviews die Aussagen miteinander verglichen
und
gegenübergestellt,
um
die
Validierung
bzw.
Verifizierung
der
Ausgangshypothese durchzuführen. Sie lautete:
Sind die Wahrnehmung und der Umgang mit Konflikten abhängig von der
Merkmalsausprägung
und
Herkunftsqualifikation
einer
Führungsperson
und
beeinflusst von der Unternehmenskultur ihres Betriebes?
Hierzu werden zunächst die Arbeitshypothesen überprüft:
1. Wird der Umgang mit Konflikten bereitwilliger geführt, wenn die Einstellung
dazu eher positiv ist?
43
2. Findet ein für die Probanden sinnfälliger Umgang mit Sachkonflikten statt
und ist der Umgang mit Wert- und Beziehungskonflikten abhängig von der
Merkmalsausprägung der Probanden?
3. Wird der Umgang mit Konflikten von der jeweiligen Unternehmenskultur
mitgeprägt?
4. Wird ein Mediator bei direkter Beteiligung an einem Konflikt nicht
gewünscht?
5. Ist
der
Einsatz
von
Konfliktbewältigung
Mediatoren
abhängig
(ob
von
externe
der
oder
interne)
zur
Sozialisation
bzw.
Merkmalsausprägung des Probanden?
Da die Aussagen der Arbeitshypothesen z. T. voneinander abhängig bzw. strukturell
miteinander verknüpft sind, werden die Hypothesen 1, 2 und 3 unter dem Aspekt der
Einstellung zu Konflikten und der Herangehensweise der Probanden gemeinsam
überprüft und abgebildet. Alsdann folgt die Behandlung der Hypothesen 4 und 5
unter der Überschrift Konfliktbewältigung mit Mediatoreneinsatz. Abschließend
wird die Ausgangshypothese thematisiert.
4.3.1 Einstellung zu Konflikten und die Herangehensweise der Probanden
Für die Auswertung der Interviews im Hinblick auf die grundsätzliche Einstellung der
Probanden zu Konflikten und deren Art und Weise des Umgangs damit, muss
zunächst grundsätzlich festgehalten werden, dass sämtliche Probanden als
Führungspersonen mit Personalverantwortung immer mit Konflikten konfrontiert
sind, da es in den Bereich ihrer Führungsverantwortung fällt.
Dennoch wird bei der Auswertung der Interviews schnell deutlich, dass diejenigen
Probanden, die eine eher negative Einstellung zu Konflikten haben, im Umgang mit
den
Konflikten
dann
auch
zurückhaltender
agieren,
wie
in
der
ersten
Arbeitshypothese angenommen. Probanden mit der Einstellung, dass man auf
Konflikte, wenn sie auftreten, positiv reagieren sollte, indem man darüber spricht,
treten sehr viel bereitwilliger an das Problem heran. Die dritte Gruppe, die sofort
zwischen sachlicher und emotionaler Ebene trennt, hat kaum Probleme auf sachlicher
Ebene und agiert dort bereitwillig. Bei emotionaler Beteiligung wird die Bereitschaft
zum Umgang mit Konflikten zurückhaltender. Die Abbildung 5 zeigt die Verteilung.
44
a) Eher negative Einstellung zu Konflikten (IP I, X)
2 Probanden
b) Konflikte sind etwas ganz Normales. Man muss auf sie eingehen
3 Probanden
(IP V, VII, VIII)
c) Trennung zwischen sachlicher und emotionaler Ebene beim Konflikt
5 Probanden
(IP II, III, IV, VI, IX)
Abb. 5: Grundsätzliche Einstellung der Interviewpartner zu Konflikten
Damit muss die zweite Arbeitshypothese dahingehend korrigiert werden, dass nicht
nur Sach-, sondern auch Wertkonflikte mit für die Probanden sinnfälligen Strategien
bearbeitet werden, da sie aus Sicht der IPs meist gut auf sachlicher bzw. fachlicher
Ebene zu bearbeiten sind. Die Sachebene bildet für die 9 männlichen Probanden
unmittelbare Handlungssicherheit aus, nicht aber für die weibliche Führungskraft. Bei
Beziehungskonflikten
spielt
dagegen
tatsächlich
die
persönliche
Merkmalsausprägung und vor allem die Unternehmenskultur eine Rolle, auf welche
Weise mit Konflikten umgegangen wird. So kann auch die dritte Arbeithypothese
bestätigt werden.
IP X, mit einer eher negativen Einstellung zu Konflikten, antwortete im Interview
folgendermaßen: „Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass es zu Reibungsverlusten
führt und Geld kostet.“81 Bei der Beschreibung seines ersten wahrgenommenen
Konflikts wird dann schnell deutlich, dass IP X die Auseinandersetzung mit den
Konfliktinhalten eher vermeidet. „… da hatte ich die Aufgabe, so ein paar
abteilungsübergreifende Leute zusammenzuführen, … es gab da zwischen zwei
Personen so einen Beziehungskonflikt, worin auch immer das begründet lag, das weiß
ich nicht. … Es war also eine eiskalte Atmosphäre, man kam nicht richtig zur
Diskussion, wenn beide zusammen waren in einem Raum. Mit beiden alleine ging es,
kein Problem.“82 Beide arbeiteten in unterschiedlichen Unternehmensbereichen, die
sich wenig überschnitten. Von daher habe er Glück gehabt. Dann fragst du halt beide
getrennt, führte IP X weiter aus83. Auf die Frage, ob er den Konflikt nicht gelöst habe,
antwortete der Proband: „Nein, ich bin ihn umgangen in dem Fall.“84 Auf rein
sachlicher Ebene fällt es IP X dann im Konflikt leichter. Hier kann er sachlich
81
IP X, Anlagenband S. 159
Ebenda S. 159
83
Vgl. IP X, Anlagenband S. 160
84
IP X, Anlagenband S.160
82
45
einwirken, neutral beurteilen und ein Ranking machen85. Ähnlich sieht er das auch bei
einem Wertkonflikt. Jedoch werden dabei zahlreiche Positionen verteidigt, für deren
Umgang er sich gut einen allparteilichen Dritten als Helfer vorstellen kann86. IP X,
als technisch strukturierte, eher visuell ausgerichtete Führungsperson in einem
konservativen Arbeitsumfeld, bestätigt somit die erste Arbeitshypothese weitgehend.
Der eher geisteswissenschaftlich, rein verbal orientierte IP I, der ebenfalls Konflikte
eher negativ beurteilt, führt aus: „Also im Grunde habe ich keine positive Beziehung
zu Konflikten, … der Begriff ist schon so besetzt, dass es da um etwas nicht
Konstruktives geht, dass es eher zu Reibungsverlusten führt. … Sobald es ein Konflikt
ist, ist es etwas was quer steckt und Zeit kostet und Ressourcen verschlingt und
insofern nicht förderlich ist.“87 Die vom Probanden beschriebenen Konflikte, in
denen er selbst beteiligt war, hat er immer versucht, selbst zu regeln. Letztendlich hat
es aber in keinem seiner beschriebenen Konfliktfälle eine nachhaltige Lösung
gegeben. Hilfe von außen kommt für ihn in solchen Fällen aber nicht in Frage. „Ich
würde immer versuchen, das bilateral zu regeln, weil ich der Ansicht bin, dass so
etwas unter vier Augen hinhauen muss und dass das Ganze ohne Beteiligung anderer
und Externer oder Dritter leichter geht. Weil es auch eine sehr … persönliche und
absolut bilaterale Angelegenheit ist.“88 IP I macht dabei keine wesentlichen
Unterschiede zwischen den Konfliktarten. In dem in seinen Augen sehr konservativen
Unternehmen ist „das Konfliktverhalten sehr starr, ist sehr auf Zuständigkeit
abhebend, auf hierarchische Verortung, ist nicht flexibel, ist nicht proaktiv, ist nicht
überraschend oder mal anders, so über den Tellerrand hinaus denkend.“89
Die drei Probanden, die Konflikte von vornherein als normale Erscheinungen des
Arbeitsalltages betrachten, antworteten bspw. folgendermaßen (IP V): „Es kommt auf
die Art und Weise an, wie man letztendlich damit umgeht. … Wenn man sie lange
unter den Teppich kehrt und nicht auf den Tisch packt, dann führt das zu einer
Kultur, die letztendlich keinem nutzt. Wenn man sie dann versucht zu bearbeiten, ist
das manchmal vielleicht schmerzlich ... Wenn sie bearbeitet sind, machen alle die
Erfahrung, dass es tragfähige Kompromisse gibt und, ja, man dann besser weiterhin
85
Vgl. IP X, Anlagenband S. 163
Vgl. IP X, Anlagenband S. 166ff
87
IP I, Anlagenband S. 21
88
Ebenda S. 25
89
Ebenda S. 31
86
46
zusammenarbeiten kann.“90 Hier wird nicht nach der Konfliktausprägung oder
Konfliktart gefragt, sondern zielorientiert der Lösungsweg in den Fokus genommen.
Eine Herangehensweise an Konflikte, die sich sicherlich auch aufgrund der
Mediatorenausbildung des Probanden erklären lässt. Wird IP V nach einer
bestimmten Konfliktart befragt, lautet seine Antwort: „Reine Sachkonflikte … das
wird schwierig sein, die zu finden. Weil, mit der Verteilung von Aufgaben und
Verantwortung ist auch immer die Frage nach Macht und Einfluss verbunden, und
dann ist man schon wieder bei Beziehungen.91 Oder auch: „Also es hat erstmal was zu
tun mit Arbeitskultur hier im Hause, weil Naturwissenschaftler auf der
Beziehungsebene irgendwie blind sind … sie kriegen einfach den Perspektivwechsel
sehr schlecht hin, was das für den anderen bedeutet oder wie es bei ihm ankommt,
wenn ich mich so oder so verhalte. Aber es hat auch natürlich was mit Werten zu tun
… ein Aufschrei nach Wertschätzung und Respekt.“92 In den Augen von IP V ist auch
klar, dass das Konfliktverhalten aller Mitarbeiter von der Firmenkultur geprägt wird
und die wiederum wird von den Führungspersonen an der Spitze mit vorgegeben. Er
äußerte sich dazu folgendermaßen: „ Also mit der Übernahme dieser Abteilung durch
mich, hat sich hier was verändert, das war vorher ganz anders. Und ich hatte einen
Vorgänger, der war halt älter und stand, denke ich auch, für andere Werte.“93 Und
wenn die Führung einen bestimmten Stil vorgibt, dann prägt das eben auch die
Mitarbeiter, führt der Proband weiter aus und ergänzt: „…Wenn man eben die
Historie im Blick hat, wie es dann in früheren Zeiten so war, glaube ich auch nicht,
dass es den großen Befreiungsschlag seitens der unteren Ebenen geben kann. Die
wollen einfach nicht die Pyramide umdrehen. Und wenn man denen erzählt, dass
Führung eigentlich auch einen Dienstleistungsaspekt hat, … dann haben das viele
noch so nicht im Blick.“94
Die einzige weibliche Führungskraft in der Befragung (IP VIII) äußert sich wie folgt:
„Ich versuche die Sachebene einzuhalten, … aber da bin ich dann nicht ganz so
locker und easy, sondern dann versuche ich mich selbst in den Griff zu nehmen,
versuche, freundlich zu sein. Ich denke mir nur manchmal, dass der dann nicht ganz
so viel Spaß mit mir haben könnte. ... Dann bin ich einfach in der Rolle der
90
IP V, Anlagenband S. 84
IP V, Anlagenband S. 88
92
Ebenda S. 86
93
Ebenda S. 98
94
Ebenda S. 98
91
47
Beraterin.“95 Für sie haben Konflikte immer auch eine emotionale Ebene, in der sie
sich besonders sicher fühlt. So scheut sie sich auch nicht, die Konfliktparteien mit
dieser Ebene zu konfrontieren. Ob das nun eine besonders weibliche Art ist, mit
Konflikten umzugehen, kann mit Hilfe der vorliegenden Aussagen nicht sicher
festgestellt werden, da in der Untersuchung nur eine weibliche Führungskraft befragt
wurde. Und der Pre-Test, der ebenfalls mit einer Frau durchgeführt wurde, kann diese
Aussage nicht grundsätzlich bestätigen, sondern nur aufzeigen, dass auch diese
weibliche Führungskraft bereitwillig mit Konflikten umgeht. Auch die Pre-TestPerson hält Konflikte für Erscheinungen, die in einer Gruppe normal sind, dass sie
stattfinden. Für sie ist entscheidend, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt und
versucht, zu einer Lösung zu kommen.96 Die Probandin macht keine Unterschiede
zwischen den einzelnen Konfliktarten und der Herangehensweise
97
. Der Weg der
Bearbeitung und das Ziel stehen auch bei ihr im Fokus, jedoch geht sie nicht wie IP
VIII direkt auf die emotionale Ebene, sondern führt ihre Gespräche über die
Erläuterung der gegenseitigen Interessen98.
Bei der Analyse der dritten Gruppe Interviews wird sehr rasch deutlich, dass die IPs
keine nennenswerten Unterschiede in der Bearbeitung von Sach- und Wertkonflikten
machen, wenn sie überhaupt Wertkonflikte wahrnehmen. In den Augen der
Probanden lassen sich grundsätzlich beide recht gut versachlichen und so auch
ausdiskutieren
bzw.
als
„top
Chefsache
down“
zur
Lösung
bringen.
Beziehungskonflikte werden dagegen sofort mit Emotionen gleichgesetzt. Hierbei
fällt dann der Umgang damit eher schwer.
IP IV bspw. antwortet im Interview: „Es gibt Konflikte, die sind meines Erachtens
nach definitiv überflüssig, wenn sie weder eine konkrete Wertthematik …, …
Sachthematik oder … Problemstellung ansprechen, sondern einfach auf im
Wesentlichen
Befindlichkeiten
beruhen.“99
So
schildert
IP
IV
einen
Beziehungskonflikt, den er mit einem Mitarbeiter hatte: „In einer ganzen Reihe von
fachlichen Punkten … haben wir richtig gut zusammengearbeitet, gute Gespräche
geführt. Und das hat mich dann auch immer wieder in eine gewisse
Spannungssituation gebracht. ... Ich habe ihn durchaus auch mal auf das Thema
95
IP VIII, Anlagenband S. 141
Vgl. Pre-Test, Anlagenband S. 8
97
Vgl. Pre-Test, Anlagenband S. 11ff
98
Vgl. Pre-Test, Anlagenband S. 10
99
IP IV, Anlagenband S. 62
96
48
angesprochen und wir sind uns eigentlich beide darüber im Klaren gewesen, dass
wir offensichtlich Probleme in der gegenseitigen Chemie haben.“100 Eine wirkliche
Lösung des Konflikts hat IP IV jedoch nicht herbeigeführt. Das Problem löste sich
dadurch, dass der Proband andere Aufgaben übernommen hat101. Bei allen anderen
Arten von Konflikten geht der Proband direkt auf die Menschen zu und redet sich
dann wie er sagt, „den Mund fusselig“102, auf der sachlich, fachlichen Ebene.
Wertkonflikte erkennt der Proband als „Mindset-Thema“ oder „Einstellungsprozess“,
in denen es um grundlegende Strukturen geht. Hier kann nicht von oben herab
bestimmt werden103. Aber auch für ihn gibt es „allerdings sehr wohl natürlich
Konflikte oder ich sage mal Situationen, wo mir auch dann der Geduldsfaden
reißt“104 und es dann so gemacht wird, wie er es will, denn er ist der Chef105. Also
durchaus eine gewisse Härte, die er nach eigenen Angaben im privaten Umfeld nicht
hervorbringt106. Die Firmenkultur prägt auch ganz klar sein Konfliktverhalten,
gerade, wenn man so wie er, ein langjähriger Mitarbeiter ist107. Ein Vorgesetzter
sagte ihm: „Wir sind viel zu viel abstimmungsorientiert und wir sind viel zu
konsensbedürftig. Und irgendwo hat er Recht. … Vielleicht, weil wir mit harten
Konflikten nicht so gut umgehen können, weil wir Sorge haben, das geht relativ
schnell ins Persönliche rein.“108
IP IX hält „grundsätzlich auf sachlicher Ebene Konflikte für unterstützend,
problemlösend, wenn man konstruktiv rangeht. … andere brauche ich nicht.“109 So
erzählt
der
Proband
von
häufigen
konfliktiven
Sitzungen
auf
gleicher
Hierarchieebene, in die er involviert ist, die sachlich ausdiskutiert werden und für ihn
im Umgang unproblematisch sind110. Anders ist es bei einem Konflikt zwischen
seinen Mitarbeitern. Hier sagt er, habe er sich nicht eingemischt „ich habe die
gewähren lassen. Die denken ja genau wie ich, für sich selber das Richtige zu
machen. Ich wäre allerdings eingeschritten, wenn es die sachliche Ebene verlassen
hätte. … ich hätte sie mir einzeln vorgeknöpft … appelliert… beobachtet. Also erst
100
Ebenda S. 66
Vgl. IP IV, Anlagenband S. 66
102
Vgl. Anlagenband S. 71
103
Ebenda S. 72
104
IP IV, Anlagenband S. 73
105
Vgl. IP IV, Anlagenband S.73
106
Vgl. IP IV, Anlagenband S. 81
107
Ebenda S. 115
108
IP IV, Anlagenband S. 80
109
IP IX, Anlagenband S. 148
110
Vgl. IP IX, Anlagenband S. 148
101
49
zurück und wenn das nicht geht, hätte ich mich irgendwann dazugesetzt.“111 Bei
Wertkonflikten geht IP IX dann noch einen Schritt weiter: „Wertekonflikte dürfen…
bei uns im Unternehmen nicht groß auftreten. Da müssen wir vorher einschreiten.
Also ich kenne den Fall jetzt nicht, weil ich die Leute, mit denen ich zu tun habe, …
nicht einnorde, aber darauf vorbereite, was ich erwarte und wie wir denken. Und
dass man halt erwartet, dass dieses Denken mit übernommen wird, die Kultur.“112
Dieser sehr strukturierte Proband mit seinem geradlinigen Werdegang hat klare
Vorstellungen von Unternehmenskultur und den Umgang mit Mitarbeitern. Er kann
auf zahlreiche Erfahrungen in anderen Arbeitsumfeldern zurückblicken und sagt
deshalb, nicht die Firmenkultur habe ihn geprägt, sondern er habe sich das
Unternehmen danach ausgesucht. In anderen Unternehmen wird „ein Drittel der Zeit
damit verwendet, irgendwelche Tretminen … Minen unterm Stuhl zu beseitigen. …
Und das ist bei uns nicht der Fall, das lassen wir nicht zu.“113 Im privaten Umfeld
hingegen zeigt sich IP IX emotionaler und eher zu Zugeständnissen bereit114.
Auch Proband III mit seinem technisch orientierten Hintergrund findet einen
Konflikt positiv, „wenn man ihn ausdiskutieren kann, wenn man auch die
Kompromissbereitschaft des anderen findet. Und wenn man die nicht hat, dann kann
ein ganzes Projekt gegen die Wand fahren.“115 Mit seinem hohen technischen und
organisatorischen Wissen und seiner auch daraus resultierenden selbstbewussten Art
agiert er bei den unterschiedlichen Konfliktarten immer sehr ähnlich. So sammelt er
bei einem reinen Sachkonflikt Fakten, um dann auf der Faktenebene den Konflikt
auszudiskutieren116. Allerdings „kommt dann irgendwann der Zeitpunkt, wenn ich …
im Prinzip in der Vorgesetztenrolle bin, dann wird das auch irgendwann beendet
nach dem Motto: Und jetzt machen wir es mal bitte so, wie ich es möchte. Ich
übernehme dann aber auch die Verantwortung, das ist der Nachsatz. Weil, man kann
viel diskutieren, aber wir diskutieren es nicht bis zum Sanktnimmerleinstag.“117 Bei
einem Wertkonflikt geht der Proband folgendermaßen vor: „…da kann man im
Prinzip dann die Fakten nicht so gut sammeln. Der Weg wäre dann zu sagen, mit
jedem sich einzeln hinsetzen und sich mal anhören, wo die Positionen sind, und dann
versuchen, was weiß ich, in einer Dreierrunde zu vermitteln. … am Ende muss ich
111
IP IX, Anlagenband S. 151f
IP IX, Anlagenband S. 153
113
IP IX, Anlagenband S. 155f
114
Ebenda S. 156
115
IP III, Anlagenband S 46
116
Ebenda S. 50f
117
IP III, Anlagenband S. 51
112
50
dann auch entscheiden, wenn ich die Verantwortung für das Gesamtthema habe.“118
Bei einem Beziehungskonflikt würde IP III dann auch „über die gemeinsame
Erarbeitung von Inhalten, den Versuch unternehmen, die Beziehungshürden
abzubauen.“119 Bei einem konkret von ihm geschilderten Fall empfand er es als
hilfreich, dass er ruhig bleiben konnte. „Ich konnte das Ganze von einer emotionalen
Ebene weghalten, so dass wir uns also nie angeschrien haben, sondern immer auf
der Sachebene halten.“120
Noch extremer reagiert IP VI, der aus einem technisch, handwerklichen Umfeld
stammt, bei Beziehungskonflikten unter Mitarbeitern. Auf die Frage, wie er
vorgegangen sei, als er den Konflikt bemerkte, antwortete er: „Gar nicht. Das Ganze
ist dann richtig ausgeufert und führte dann zu … mehreren riesigen Beschwerden
von beiden Seiten. … Dann wurde ich auch einfach überrollt und dann ging das an
die Geschäftsleitung.“121 Und auf die Frage, wie er in Zukunft reagieren würde,
führte er aus: „Ich würde mir das erstmal angucken, weil man kann sicherlich das
nicht verallgemeinern. … Man muss schon immer sehen, worum geht es denn
eigentlich. Und häufig ist es ja auch so, dass man dann quasi per Ordre de Mufti
Ruhe reinbringen kann.“122 Bei allen anderen Konfliktfeldern sieht der Proband
immer die Chance frühzeitig in den gegenseitigen Austausch zu gehen. „Dazu
können irgendwelche Jour Fixe dienen, die man dann einberuft und dann den Leuten
sagt ganz klar: Was passt euch nicht? Was ist in Ordnung?... Das würde ich gerne so
machen.“123
4.3.2 Mediatoreneinsatz
Die vierte Arbeitshypothese besagt, dass bei direkter Beteiligung der IPs an einem
Konflikt ein Mediator nicht gewünscht wird. Wertet man die Interviews mit dem
Blick auf diese Hypothese aus, so kann sie nicht vollständig bestätigt werden. Es
ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Fünf Probanden sprechen sich klar gegen Hilfe
durch einen allparteilichen Dritten aus. Im Gegensatz dazu können sich die anderen
fünf vorstellen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Abbildung 6 zeigt noch
ergänzend, dass sich neun der zehn Probanden gut vorstellen können, Hilfe in
118
Ebenda S. 52
Ebenda S. 52
120
Ebenda S. 49
121
IP VI, Anlagenband S. 107
122
Ebenda S. 108
123
Ebenda S. 114
119
51
Anspruch zu nehmen, wenn sie einen Konflikt unter Mitarbeitern zu bearbeiten
haben, an dem sie nicht direkt beteiligt sind. Nur ein Proband sagt klar, dass er keine
Hilfe annehmen möchte. Er löse seine Probleme lieber für sich, als dass er damit
‚durch die Dörfer gehe’124.
Wunsch
nach
Hilfe
durch
allparteilichen Dritten bei:
Konflikten mit Eigenbeteiligung
einen
Konflikten ohne Eigenbeteiligung
ja
nein
II, IV, V, VIII, X
I, III, VI, VII, IX
I, II, IV, V, VI, VII,
VIII, IX, X
III
Abb. 6: Wünschen Führungspersonen Hilfe bei Konflikten?
Um aufzuzeigen, wie die Probanden mit Konflikten umgehen und wie sich ihre
Einstellung begründet, seien hier einige Beispiele aufgeführt. IP II bspw. sieht bei
sich und in seinem Wirkungsbereich im Unternehmen folgende Vorgehensweise als
gegeben. „Die normale Stufe ist die: Ich setze mich mit diesem Thema mit meinem
Vorgesetzten auseinander und beratschlage gemeinsam, was wir machen. ... Die
zweite Möglichkeit, auch schon passiert: Ich habe mich mit meinem Vorgesetzten
abgestimmt und habe gesagt, ich gehe auf die Abteilung bei uns zu, die genau für so
was da ist, die solche Sachen coacht. … Und wir haben noch eine dritte Möglichkeit:
… Psychologen, die uns in Workshops unterstützt haben. ... Und zu denen habe ich
auch schon mal Kontakt aufgenommen. Das ist auch eine Sache, die funktioniert.“125
Eine Herangehensweise an Konflikte, die einigen Probanden als sinnfällig erscheint:
„Ich, sagen wir mal so, nicht wir, ich bin eigentlich so gepolt, ich versuche das
immer erst mal mit Bordmitteln zu machen, also erst im kleinen Kreis. Und dann
versuche ich sukzessive, den Kreis zu erweitern.“126
Proband V, der selbst Mediator ist, schildert im Interview ein länderübergreifendes
Meeting, zur Festlegung der Budgets für das nächste Jahr, zwischen ihm und zwei
Kollegen aus anderen Standorten in zwei anderen europäischen Ländern. Ihm war
aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten und Wertvorstellungen der
Beteiligten von vornherein klar, dass bei dem Zusammentreffen ein enormes
Konfliktpotenzial im Raum sein würde und hat in dem Zusammenhang
vorgeschlagen: „Wenn wir uns begegnen und solche Dinge klären, dann lass es uns
124
Vgl. IP III, Anlagenband S. 53
IP II, Anlagenband S. 40
126
IP IV, Anlagenband S. 69
125
52
in der Anwesenheit eines Coaches tun. ... Er ist ein Israeli, der ein Unternehmen in
Kanada und Amerika betreut und der dann eben als Coach als extern gebucht
wird.“127
Auch die Probandin ist sehr offen für die Hilfe eines ausgebildeten allparteilichen
Dritten: „Also, es gab Einzelgespräche mit uns und es gab Gruppengespräche mit
uns. Und die waren schon viel besser, weil das da wirklich - man merkte, dass da ein
Profi sitzt und der das Gespräch lenkt, der auch versucht, irgendwie einen Weg nach
vorn zu gehen.“128
Demgegenüber steht die Einstellung derjenigen Probanden, die Hilfe nicht in
Anspruch nehmen möchten. So ist für IP VI klar, dass wenn zwei Meinungen
aufeinandertreffen und es dazu noch ein Machtgefälle gibt, auch eine neutrale Person
nichts ausrichten kann129. Proband VII schildert einen Konflikt zwischen ihm und
einem Vorgesetzten, zu dessen Regelung er klar sagt: „Das musste ich alleine
machen. Ja. Also wenn mir da einer Hilfe hätte geben müssen, hätte ich mich
schlecht gefühlt.“130
Ebenso käme Hilfe, egal ob von intern oder extern, für IP IX ebenfalls nicht in Frage:
„Das muss ich so lösen. Also das könnte, wenn es eskaliert, nötig sein, aber das
müsste mir quasi aufgedrungen werden, … also es müsste quasi empfohlen… Ich
würde es nicht machen. … der Konflikt wird gelöst. … Und auch mit der Bereitschaft
etwas zurückzustecken, also nicht nur zu gewinnen.“131
Die fünfte Arbeitshypothese, die ursächlich mit der vorangehenden verwoben ist,
fragt danach, ob die Merkmalsausprägungen der Probanden eine Begründung dafür
geben, ob Mediatoren zur Hilfe herangezogen werden. Hier hat die Analyse der
erhobenen Daten ergeben, dass die Hypothese anhand der Stichprobe nicht verifiziert
werden kann. Betrachtet man die beiden Probanden, die Konflikte eher als negativ
ansehen (IP I und IP X), sind kaum Überschneidungen sichtbar (siehe Abb. 7).
Ergänzt man die Gegenüberstellung um den Probanden, der gar keine Hilfe wünscht
(IP III), erklärt sich seine Haltung ebenfalls nicht aus seinen persönlichen
Merkmalausprägungen, wenn man sie zu den zwei anderen in Relation sieht. Die
einzige, die eine
127
Ebenda, S. 89f
IP VIII, Anlagenband S. 137f
129
Vgl. IP VI, Anlagenband S. 106
130
IP VII, Anlagenband S. 127
131
IP IX, Anlagenband S. 151
128
53
etwas hervorstechende Sozialisation und Merkmalsausprägung hat, ist die weibliche
Führungskraft (IP VIII). Ihre Merkmalsausprägung ist signifikant anders als die der
anderen Probanden. Sie nimmt gern Hilfe in jeder Situation an. Stellt man sie jedoch
in Relation zu der Person, die auch gern Hilfe annimmt und dazu noch eine
Mediatorenausbildung hat (IP V), so sind die Unterschiede in ihren Ausprägungen
wieder so groß, dass man auch hier nicht von sinnfälligen Überschneidungen
sprechen kann. Ähnlich setzt sich das Bild mit den anderen Interviewpartnern fort.
Betrachtet man die fünf Probanden, welche auf die Frage nach Einstellung zu
Konflikten sofort mit der Trennung zwischen sachbezogenen Konflikten und
Beziehungskonflikten
oder
54
IP I
IP II
IP III
IP IV
IP V
IP VI
IP VII
IP VIII
Sozialisationshintergrund
kaufmännisch
nicht akadem.
kaufmännisch
nicht akadem.
technisch
akademisch
kaufmännisch
nicht akadem.
handwerklich
nicht akadem.
handwerklich
nicht akadem.
handwerklich
nicht akadem.
landwirtschaftl. kaufmännisch
nicht akadem. akademisch
militärisch
nicht akadem.
Geschlecht
männlich
männlich
männlich
männlich
männlich
männlich
männlich
weiblich
männlich
männlich
Familienstand
verheiratet
verheiratet
verheiratet
verheiratet
verheiratet
verheiratet
verheiratet
ledig
verwitwet
verheiratet
Kinder
3
2
3
keine
2
keine
3
keine
3
2
Ausbildung
Zusatzausbildungen
Geisteswiss.
PR-Berater
Ind.-Designer
Ingenieur
Ingenieur
Naturwiss.
Mediator
Architekt
Kaufmann
Geisteswiss.
Kaufmann
Ingenieur
NLP-Master
Numerische Inteligenz
Verbale Inteligenz
Wahrnehmungsgeschw.
Induktives Denken
Deduktives Denken
Räuml. Vorstellungsv.
Gedächtnis
4*
2
1
2
1
1
2
1
1
2
1
1
2
2
* 4 = nicht ausgeprägt
2
2
2
1
2
2
1
3
2
1
2
2
4
2
2
1
3
2
1
1
2
3
2
3
2
2
3
2
2
2
2
1
1
4
2
3
2
2
3
2
3
2
2
2
2
2
3
2
4
3
2
1
2
3
1
1
3 = wenig ausgeprägt
Branche
Energie
Automobil
Elektronik
Automobil
Pharma
Bau
Maschinenb.
Versicherung
Versicherung
Automotive
Firmeneinschätzung
konservativ
dynamisch
dynamisch
dynamisch
mittig
mittig
mittig
konservativ
konservativ
konservativ
Konflikteinstellung
negativ
trennend
trennend
trennend
normal/ganzheit trennend
normal/ganzheit normal/ganzheit trennend
negativ
Hilfe bei Eigenbeteiligung
Hilfe bei Mitarb.konflikten
Interne Hilfe
Externe Hilfe
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
nein
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
ja
ja
-
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
-
Bei privaten Konflikten
unüberlegter,
emotionaler
ähnlich
ähnlich aber
ungeduldiger
gelassener,
weniger Härte
gleich
gleich
ähnlich, noch
emotionaler
nachgiebiger,
emotionaler
emotionaler
Konflikte lösen,
nicht umgehen
2 = ausgeprägt
Abb. 7: Merkmalsausprägungen der Interviewpartner IP I bis IP X
55
IP IX
IP X
1 = sehr ausgeprägt
emotional bestimmten Konflikten geantwortet haben, ist auch hier keine
nennenswerte Signifikanz von Überschneidungen zu erkennen (IP II, III, IV, VI, IX).
Blickt man dann noch auf die angekreuzten Items der kognitiven Selbsteinschätzung
und hier insbesondere auf die „verbale Intelligenz“, das „induktive Denken“ und das
„deduktive Denken“, da diese am ehesten beim Konfliktmanagement hilfreich sind,
setzt
sich das uneinheitliche Bild ohne nennenswerte Überschneidungen fort. Es ist somit
anzunehmen, dass andere Faktoren, wie etwa psychologische Merkmale zu der
vorliegenden Diskriminierung der Probanden beitragen.
Die letzte Betrachtung ist die nach der Präferenz für interne oder externe Hilfe durch
allparteiliche Dritte, abgeleitet durch die Merkmalsausprägungen der Probanden.
Auch hier ist kein eindeutiges Bild zu erkennen. Interessant sind hierzu aber einzelne
Aussagen der Probanden. So ist es IP I egal, ob er unternehmensinterne oder -externe
Hilfe bekommt. Er würde sich in beiden Fällen vorab eine Meinung zu der Person
bilden und die Person auf jeden Fall vorher kennen lernen wollen132. IP II fände
einen externen allparteilichen Helfer eher unabhängiger, würde aber auch die interne
Abteilung zur Hilfe heranziehen133. Proband IV sagt, dass er beginnt mit
„Bordmitteln, ... also erst im kleinen Kreis. Und dann versuche ich sukzessive, den
Kreis zu erweitern.“134 Ganz anders sieht IP VI bei Konflikten unter Mitarbeitern da
seine Möglichkeiten. Er würde nach einer Person unter den Kollegen Ausschau
halten, die „von einer großen Menge der Mitarbeiterschaft anerkannt ist als
Kollege.“135 Ähnlich sieht es Proband X. Er präferiert auch interne Hilfe, sieht diese
aber in jedem Fall auf einer vergleichsweise hohen Hierarchieebene, da er sonst
bezweifelt, dass sich Kollegen an diese Person wenden würden136.
Für eher externe Hilfe spricht sich die Probandin VIII aus: „ Ich glaube, dass es von
extern schöner wäre, weil, wenn das Leute sind aus dem Unternehmen – das war ja
in der XXXX der Fall – da hat man dann schon gewusst, dass die auch Lieblinge
haben.“137 Interviewpartner V sieht dagegen als optimale Lösung, „wenn es einen
Internen und einen Externen gäbe, weil man dann beide Blicke hat.“138
132
Vgl. IP I, Anlagenband S. 30
Vgl. IP II, Anlagenband S. 40
134
IP IV, Anlagenband S. 68
135
IP VI, Anlagenband S. 109
136
Vgl. IP X, Anlagenband S. 165
137
IP VIII, Anlagenband S. 142
138
IP V, Anlagenband S. 90
133
56
4.3.3 Führungspersonen und ihr Umgang mit Konflikten
Die Ausganghypothese der vorliegenden Arbeit fragt, ob die Merkmalsausprägungen
von Führungspersonen (abgeleitet aus der Sozialisation und Qualifikation der
einzelnen
Probanden)
in
Kombination
mit
der
Unternehmenskultur
die
Wahrnehmung und damit einhergehend den Umgang mit Konflikten beeinflusst.
Wahrgenommen werden Konflikte von allen befragten Probanden, wenn auch ein
Proband erst überlegen musste, wann er das letzte Mal einen Konflikt erkannt hat.
„Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass es mir schwer fällt, mich an einen bleibenden
Konflikt zu erinnern.“139 Klar wird auch durch die Untersuchung, dass tiefe
Organisationsstrukturen
dazu
führen,
dass
Führungskräfte
in
den
oberen
Hierarchieebenen kaum noch Einblicke in den operativen Geschäftsablauf haben und
somit vieles, was zwischenmenschlich stattfindet, nicht mehr wahrnehmen. IP IV
sagt, dass er einfach zu weit weg sei, seine Sekretärin ihn abschotte und er zwei, drei,
vier Türen bis zum ersten Mitarbeiter überwinden müsse, um zu ihm zu gelangen.
Ein anderer Unternehmensstandort, von dem er auch berichtet, hätte dieses
Phänomen nicht, da gäbe es keine Einzelbüros, auch nicht für die Werkleitung. Da
bekäme man Konflikte eher mit140. Im Unternehmen von IP V wurden Probleme, die
er wegen seiner räumlichen Position so im Alltag auch nicht wahrnehmen konnte, an
ihm vorbei über den Betriebsrat ausgetragen. Um das zu verändern, führte er
monatliche, wie er sie nennt, Laborbesprechungen ein, an denen auch IP V versucht,
regelmäßig teilzunehmen141. IP IX dagegen, der auf Vorstandsebene tätig ist, hat
aufgrund der Organisation in seinem Unternehmen „ständig Kontakt zu allen“142,
wodurch
er
beim
Interview
keine
Schwierigkeiten
hatte,
sich
sofort
Konfliktsituationen aus seinem Arbeitsalltag ins Gedächtnis zu rufen143. So wird
deutlich, dass eine eher flache Unternehmensorganisation gepaart mit einer
kommunikativen
Unternehmenskultur
die
Konfliktwahrnehmung
bei
Führungskräften positiv unterstützt.
Wie Führungskräfte dann letztendlich mit Konflikten umgehen, ist nicht, wie in der
Ausgangshypothese angenommen, abhängig von ihren soziodemografischen
Lebensumständen oder ihrer Ausbildungsqualifikation. Auch wie konservativ oder
139
IP VI, Anlagenband S. 119
Vgl. IP IV, Anlagenband S. 69
141
Vgl. IP V, Anlagenband S. 87
142
IP IX, Anlagenband S. 146
143
Vgl. IP IX, Anlagenband S. 148ff
140
57
dynamisch sich ein Unternehmen für seine Mitarbeiter gibt, zeigt bei der
Gegenüberstellung aller abgefragten Items der 10 Interviewpartner keine signifikant
ablesbaren Auswirkungen auf deren Umgang mit Konflikten (siehe Abb. 7). Ebenso
erkennt man aus der Abbildung, dass der Vergleich der selbst eingeschätzten
kognitiven
Fähigkeiten
der
Probanden
in
Relation
zu
allen
anderen
soziodemografischen Angaben im Hinblick auf das Konfliktverhalten keine
Generalisierungen zulässt.
Auch auf die Frage zum Umgang mit Konflikten im privaten Umfeld lässt sich keine
Clusterung feststellen. Es ergeben sich keine übereinstimmenden Merkmale bei den
fünf IPs (I, IV, VIII, IX, X), die sich privat anders, im Wesentlichen emotionaler
verhalten. Proband I erlaubt sich, unüberlegter zu sein als bei der Arbeit und
eigentlich noch emotionaler144. IP IX sagt: „Vor allen Dingen emotionaler, das heißt
also achtsamer, vorsichtiger, dass man nichts kaputt macht auf dem Weg dieser
Konflikte.“145 Selbst die weibliche Führungskraft, die schon im Unternehmen recht
emotional mit Konflikten umgeht, sagt, dass sie im privaten Umfeld, noch mal
emotionaler sei, und sie außerdem noch nachgiebiger sei, weil sie keine Lust mehr
auf Konflikte habe146. Auch die fünf Probanden, die sich privat ähnlich oder gleich
verhalten wie im Unternehmen, bilden keine signifikanten Übereinstimmungen aus.
IP VII verhält sich nach eigenen Angaben privat wie geschäftlich. Bei ihm zählt
nicht Drum rum reden, sondern die Ehrlichkeit147. Proband V, der auch im
Unternehmen in jedem Bereich gern Hilfe in Anspruch nimmt, macht das Gleiche
auch im privaten Bereich. Hier wendet er sich ggf. auch an eine Beratungsstelle148.
4.4 Folgerungen für die Mediation
Die Folgerungen für die Mediation im vorliegenden Handlungsfeld erstrecken sich
über drei Erkenntnisbereiche. Die wissenschaftliche Forschung sollte sich intensiv
mit den psychologischen Merkmalen von Personen auseinandersetzen, die mit
Konflikten umgehen müssen, um daraus neue Erkenntnisse für den gezielten Einsatz
von Mediation zu gewinnen. Zweitens ist das Image des Begriffs „Mediation“
offensichtlich nicht so, wie wir Mediatoren es uns wünschen, und zum Dritten sollten
noch mehr Wünsche und Vorstellungen von Führungspersonen zusammengetragen
144
Vgl. IP I, Anlagenband S. 31
IP IX, Anlagenband S. 156
146
Vgl. IP VIII, Anlagenband S, 144
147
Vgl. IP VII, Anlagenband S. 132
148
Vgl. IP V, Anlagenband S. 99
145
58
werden, wodurch man das Angebot an unterstützenden Maßnahmen für
Unternehmen und deren Mitarbeiter noch attraktiver erweitern könnte.
4.4.1 Mediationsforschung mit Führungskräften
Weder die beruflichen Muster des Elternhauses noch die Herkunftsqualifikation der
Führungskräfte, ebenso wenig ihre privaten Lebensumstände scheinen die
vorrangigen Prägungen für den Umgang mit Konflikten darzustellen, wie die
vorliegende
Untersuchung
Führungspersonen
und
ihr
zeigt.
Um
differenziertere
Konfliktverhalten
zu
erlangen,
Aussagen
sollten
über
gezielt
psychologische Untersuchungen mit ihnen durchgeführt werden. So sollten bspw.
von möglichst vielen Führungspersonen in gleicher hierarchischer Stellung
Persönlichkeitsstrukturen abgebildet werden und diese gemeinsam mit den
Handlungsmustern bei Konfliktfällen untereinander verglichen werden. Die hieraus
gewonnenen Erkenntnisse könnten dann Aufschluss darüber geben, was genau das
Konfliktverhalten von Personen beeinflusst.
Im Weiteren sollte der Fokus auf die individuellen Konfliktmanagementstile bei
Führungskräften gerichtet werden, denn ähnlich wie es keinen allgemeinen, sondern
lediglich einen personenspezifischen, adäquaten Führungsstil gibt149, wird es
vielleicht auch bei der Bewältigung von Konflikten solch bestimmte Muster geben.
Ob sich konsistente Stile tatsächlich definieren lassen, ist ebenfalls nur anhand
weiterer empirischer Untersuchungen zu ermitteln.
Hätte die Forschung verlässliche Daten über die Handelnden und ihre Handlungen,
so bestünde die Möglichkeit, gezielt Angebote für Schulungen im Bereich Mediation
oder mediative Gesprächsführung anzubieten. Weiterhin könnte eine spezielle
Dienstleistung Mediation für Unternehmen und ihre Führungskräfte entwickelt
werden, die dann individuell maßgeschneidert sicherlich auf eine größere Akzeptanz
bei der Zielgruppe treffen würden.
4.4.2 Imageverbesserung für Mediation
Immer wieder musste ich zu Beginn der Untersuchung entweder den Begriff
Mediation genauer erläutern oder gezielt den Unterschied zwischen Schlichtung und
Mediation erklären. Obwohl diese in Deutschland noch junge Wissenschaft von der
Mediation immer mehr Verbreitung findet und in einigen Bundesländern
149
Vgl. Wöhe, a.a.O, S. 163f
59
Mediationsgesetze etabliert werden sollen, hat der Begriff wie auch die Umsetzung
in den Führungsebenen deutscher Unternehmen noch nicht überall Einzug gehalten.
IP V, selbst Mediator und in einem von Naturwissenschaftlern bestimmten Umfeld
tätig, erklärte im Interview, dass er bei einem Konflikt unter Mitarbeitern von der
„hehren Lehre der Mediation“ abweiche und die Beteiligten einfach nur zu einem
Gespräch einlädt, denn wenn er sagen würde: „Hier, wir machen eine Mediation,
dann wäre keiner mehr bereit dazu. Das hat was mit diesem naturwissenschaftlichen
Denken zu tun.“150 Und weiter führt er aus: „Ganz am Anfang habe ich mal wirklich
versucht, das als Mediation zu verkaufen und das ist also auf Ablehnung
gestoßen.“151
Bei der Aussage wird deutlich, dass noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist.
Ein Anfang könnte an den Hochschulen in Deutschland gemacht werden. So hat sich
an den juristischen Fakultäten Mediation bereits weitgehend etabliert. Workshops
oder Seminare vermitteln hier erstes Grundhandwerkszeug und ein Bewusstsein für
die Möglichkeiten sowie die Sinnhaftigkeit der Konfliktbewältigung durch
Mediation152. Ähnliches muss aber auch noch an anderen Fakultäten eingeführt
werden. So wäre durchaus ein Wahlfach „Konfliktmanagement für angehende
Führungskräfte“ an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten im Bereich
Personalführung denkbar. Ebenso sollten bspw. auch die technischen Fakultäten, wie
etwa
die
Architektur,
der
Maschinenbau,
die
Elektrotechnik
oder
die
naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer, ein Bildungsangebot über dieses Gebiet
bereithalten. Nur so kann das Wissen über Mediation langsam in die Führungsetagen
der Unternehmen hineinwachsen.
4.4.3 Wünsche der Führungspersonen an das Unternehmen
Gegen Ende der einzelnen Interviews sollten die IPs Wünsche äußern, die sie in
Bezug auf den Umgang mit Konflikten an ihr Unternehmen hätten. Fünf Probanden
sind mit dem Stand in ihrem Betrieb soweit zufrieden (IP II, IV, VI, VIII, IX).
Um die Bandbreite der Wünsche der anderen Interviewpartner zu verdeutlichen, hier
einige Auszüge aus den Interviews:
150
IP V, Anlagenband S. 87
Ebenda, S. 88
152
Vgl. Bargen/Knorr/Engel/Montada/Borgen, 2007, Zugriff am 11.6.2008; Matheis, 2008, Zugriff
am 11.6.2008
151
60
IP I wünscht sich zunächst einmal mehr Zeit. So würde der Druck abgebaut werden,
alle hätten die Möglichkeit zur Reflektion. Hier sieht er zwar keinen
Handlungsspielraum, denkt aber, dass besser qualifizierte Mitarbeiter souveräner mit
dem Zeitdruck und etwaigen Angriffen auf ihr Arbeitsfeld umgehen. Er sieht beide
Faktoren als häufige Auslöser für Konflikte153.
IP III wünscht sich mehr Sozialkompetenz auf der Seite der Führungskräfte im
Unternehmen154. Der Proband aus dem Maschinenbauunternehmen (IP VIII) sagt:
„Also, ich glaube, dass bei uns im Unternehmen Weiterbildung noch nicht den
richtigen … den ausreichenden Stellenwert hat.“155 Und Möglichkeiten zur
Veränderung, auch wenn sie vermittelt würden, lange bräuchten, ehe sie umgesetzt
werden156. IP X wünscht sich ganz praktische Hilfe. Er hätte gern eine Steuerung der
Kommunikation in arbeitsorganisatorischen Bereichen, da dort ein ganz großes
Konfliktpotenzial der Abteilungen untereinander lauert157. Proband V sieht klar, wie
ein Wunsch an sein Unternehmen umzusetzen wäre. „Ich würde mir wünschen, dass
es einen Ansprechpartner gibt, der geschulter Mediator ist, der von allen
Menschen,… die an diesem Standort arbeiten, eben eingeschaltet werden kann, wenn
es zu Konflikten kommt.“158 Auf die Frage an den Probanden, wo er so eine Person
ansiedeln würde: „… eigentlich, je nachdem, wo man ihn parkt, hat er gleich einen
Makel weg. Es müsste ein charismatischer Mensch sein, der also sehr deutlich
machen würde, selbst wenn er beim Betriebsrat oder bei der Personalabteilung oder
beim Rechtswesen aufgehangen wird, dass das also nicht gleichbedeutend ist, den
entsprechenden Stempel oder das Image zu haben. ... am ehesten so im Bereich
Weiterentwicklung, Bildung vielleicht, das wäre am unverfänglichsten und am
neutralsten.“159 In der Aussage des Probanden lassen sich sofort auch bekannte
Probleme bei der Etablierung von Konfliktmanagementsystemen in Unternehmen
oder Organisationen erkennen. Was aber deutlich wird, ist, dass Bedarf an
Schulungen
und
geschulten
Führungskräften
besteht,
und
dass
sich
5
Führungspersonen dafür aussprechen, dass sie Veränderungen wenigstens im Bereich
der Kommunikation in ihrem Unternehmen gern sehen würden. Mediation und/oder
153
Vgl. IP I, Anlagenband S. 29
Vgl. IP III, Anlagenband S. 56
155
IP VII, Anlagenband S. 130
156
Ebenda S. 130
157
Vgl. IP X, Anlagenband S. 169f
158
IP V, Anlagenband S. 96
159
Ebenda S. 96
154
61
mediative Gesprächsführung für Führungskräfte könnte dabei als Angebotspaket für
Unternehmungen interessant sein.
5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Große Unternehmen haben eine ausdifferenzierte formale Organisationsstruktur,
wodurch es bei den strategischen und operativen Tätigkeiten zu zahlreichen
Berührungen der Mitarbeiter untereinander kommt. Sowohl in vertikaler als auch
horizontaler
Hierarchieebene
treten
dabei
Konflikte
auf,
mit
denen
Führungspersonen umgehen müssen. Mithilfe der vorliegenden Untersuchung wird
herausgearbeitet, wie Führungspersonen in gehobener Hierarchieebene mit
Konflikten umgehen. Dazu wurde folgende Ausgangshypothese formuliert: Je nach
Merkmalsausprägung einer Führungsperson (abgeleitet aus der Sozialisation und
Herkunftsqualifikation der einzelnen Probanden) in Kombination mit der
Unternehmenskultur variiert die Sicht auf Konflikte und damit einhergehend der
Umgang mit ihnen.
In der theoretischen Aufarbeitung und Eingrenzung des Untersuchungsfeldes zeigt
sich, dass Führungskräfte in vertikaler und horizontaler Richtung mittelbar wie auch
unmittelbar an Konflikten partizipieren. So ergibt sich durch die Einteilung von
Konflikten in die drei Kategorien, Sach-, Wert- und Beziehungskonflikte, eine
12Felder-Matrix für ihren Handlungsrahmen, in dem sie dann selbst tätig werden
und/oder sich Hilfe aus dem Unternehmen bzw. von extern dazuholen können.
Für die Untersuchung sind 10 Führungspersonen aus 10 deutschen Großunternehmen
jeweils zunächst per standardisierten Fragebogen in ihren soziodemografischen
Daten und ihren Herkunftsdisziplinen erfasst worden. Alle 10 Probanden haben dann
einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung ihrer kognitiven Fähigkeiten ausgefüllt und
sind danach in einem Interview mit Leitfaden zu ihren Wahrnehmungen und ihrem
Umgang mit Konflikten befragt worden. Die deskriptiven Auswertungen der
erhobenen Daten und ihre Gegenüberstellung mit den Aussagen aus den Interviews
führen zu Ergebnissen, die in Relation zueinander keine Generalisierungen über die
befragten Personen und ihre Handlungsschemata nahelegen. Einzig die in der
Ausgangshypothese
angenommene
Prägung
der
Probanden
durch
die
Unternehmenskultur in Bezug auf ihren Umgang mit Konflikten kann anhand der
Ergebnisse weitestgehend bestätigt werden.
62
Trotz der heterogenen Ergebnisse hat die Untersuchung durchaus interessante
Erkenntnisse hervorgebracht. So unterscheiden 5 der 10 Probanden auf die Frage
nach ihrer Einstellung zu Konflikten sofort nach sachlicher und emotionaler Ebene.
Im Umgang mit Konflikten begegnen 7 Interviewpartnern sowohl Sach- wie auch
Wertkonflikten auf der Faktenebene und diskutieren sie sachlich aus. Ein Proband
versucht,
generell
Konflikte
zu
umgehen.
Der
einzige
Proband
mit
Mediationshintergrund sieht bei Konflikten, egal welcher Art, eine häufige
Kombination mit der Beziehungsebene, und die Probandin bewegt sich
weitestgehend auf der emotionalen Ebene. Auf die Frage nach Hilfe bei Konflikten
durch einen allparteilichen Dritten zeigt sich bei einer Eigenbeteiligung am Konflikt
ein zweigeteiltes Bild: 5 IPs lehnen Hilfe ab, die anderen würden gern Hilfe in
Anspruch nehmen. Bei Nichtbeteiligung würden sogar 9 Führungspersonen durchaus
Hilfe annehmen, wenn sie mit einem Konflikt konfrontiert würden.
Jenseits des Untersuchungsdesigns geben die Interviews noch vielschichtige
Einblicke in die Gesamtproblematik der Mediation in Unternehmen. So werden
einige Problemfelder thematisiert, deren weitere Bearbeitung für die befragten
Führungspersonen und somit auch für Unternehmen von Bedeutung sind. Ein
Interviewpartner erzählt von einer schwierigen Wertproblematik im Umgang der
Mitarbeiter untereinander, da sich sein Unternehmen seit Kurzem multinational
aufgestellt hat. Dies sollte als Herausforderung für Wirtschaftsmediatoren gesehen
werden,
sich
verstärkt
mit
dem
Bereich
interkulturelle
Mediation
auseinanderzusetzen, da vermehrt deutsche Unternehmen Dependancen im Ausland
haben. Vier Probanden sprechen über wiederkehrende Konflikte, mit denen sie im
Hinblick
auf
die
Generationsproblematik
konfrontiert
werden.
Auch
die
Geschlechterproblematik in und zwischen firmeninternen Organisationseinheiten
taucht in den Interviews häufig auf. Und immer wieder kommt es zu der
Vermischung der Begriffe Mediation, Moderation und Coaching, was erneut auf die
noch immer nicht ausreichende Verbreitung der jungen Wissenschaft von der
Mediation verweist.
Als Fazit der vorliegenden Untersuchung gilt es festzuhalten: Weder die beruflichen
Muster des Elternhauses noch die Herkunftsqualifikationen der Probanden oder auch
ihre Lebensumstände korrelieren mit ihrem Konfliktumgang. Dennoch unterscheiden
sich ihre Handlungsmuster beim Konfliktmanagement. Es wäre sicherlich lohnend,
weitere Feldforschungen zu betreiben, um die Parameter zu finden, welche diese
63
Differenzierungen
begründen.
Vermutlich
liegen
sie
nicht
in
der
soziodemografischen, sondern eher in der psychologischen Struktur der Probanden.
Eine Typologisierung dieser Struktur ist nicht nur in der Wirtschaftsmediation,
sondern auch in allen anderen Feldern der Mediation von Relevanz.
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