Konflikte verstehen Konflikt – meine Einstellung Übung: Was fällt Ihnen zu dem Wort Konflikt ein? Schreiben Sie bitte die ersten zehn Ausdrücke auf, die Ihnen jetzt einfallen. Überlegen Sie, ob Sie den einzelnen Ausdruck oder Begriff als etwas Positives, Neutrales oder Negatives bewerten. Kennzeichnen Sie die einzelnen Begriffe und werten Sie Ihre Gesamtbilanz aus. Wahrnehmungen, Gefühle und Verhaltensweisen wirken sich unmittelbar auf die Konfliktbewältigung aus. Wahrnehmung: Wann und wie nehmen Sie Konflikte im Allgemeinen wahr? Gefühle: Wie reagieren Sie in unterschiedlichen Konfliktsituationen? Verhalten: Wie verhalten Sie sich in Konfliktsituationen (mutig, aggressiv, ausweichend, offen oder ablehnend), wie ist Ihre Einstellung? Je nach Konfliktsituation ist zu überlegen, ob es sinnvoll wäre, eine dritte Person einzuschalten. Der Moderator hat einen neutralen Blick von außen und ist unbeteiligt. Wird eine dritte Person hinzugezogen, sollte diese Erfahrungen in der Konfliktbewältigung mitbringen. Konflikte sind Unstimmigkeiten auf der Inhalts- oder Beziehungsebene, die die Kommunikation in irgendeiner Weise so tangieren, so dass ein Ablauf ohne Störungen (in der Person oder im Arbeits- oder Gesprächsverlauf) nicht mehr möglich sind. Störungen haben Vorrang. Positive Funktionen von Konflikten nach K. Berkel: Konflikte: Weisen auf Probleme hin Verhindern Stagnation Regen Interesse und Neugierde an Setzten Energien frei, lösen gesellschaftliche Veränderungen aus Lösen persönliche Veränderungen aus Erweitern Handlungsspielräume 1 Einteilung von Konflikten 1. Innere Konflikte Einteilung nach dem Psychologen Kurt Lewin. Er unterteilt drei Konflikttypen: a) Annäherungs-Annäherungs-Konflikt Die Person steht zwischen zwei Zielen, die sie für gleich wertvoll hält, aber nicht gleichzeitig anstreben/ erreichen kann. Ein Schulabgänger muss sich für einen von zwei Berufen entscheiden, die beide seinen Neigungen, Fähigkeiten und Interessen entsprechen. b) Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt Die Person muss sich zwischen zwei Dingen entscheiden, die sie beide für ein Übel hält. Ein Mitarbeiter bekommt eine Terminarbeit nicht rechtzeitig fertig. Der Vorgesetzte muss ihn entweder zur Rede stellen (was er scheut), oder die Arbeit am Wochenende selber fertig machen. c) Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt Die Person steht vor einer Entscheidung, die sowohl Wertvolles als auch Übles bringt. Eine Person, die freiberuflich tätig ist, muss sich entscheiden, ob sie eine Führungsposition annehmen möchte, die große finanzielle Sicherheit beinhaltet, aber auch zur Folge hat, gewisse „Freiheiten“ aufzugeben. 2. Zwischenmenschliche Konflikte Nach Rapoport lassen sich zwischenmenschliche Konflikte danach unterscheiden, ob sie als Kampf, Spiel oder Debatte auftreten oder ausgetragen werden. Kampf: Der Gegner soll persönlich getroffen werden. Es ist jedes Mittel recht, von Drohungen, Einschüchterungen bis hin zur körperlichen Gewaltanwendung. Der Gegner wird als Ursache des Konflikts angesehen. Der Kampf ist gewonnen, wenn der Gegner bekämpft (ausgeschaltet) ist. Spiel: Der Gegner soll besiegt werden, es bestehen jedoch bestimmte Spielregeln, nicht jedes Mittel ist gerechtfertigt. Das Spiel ist beendet, wenn offenkundig ist, wer das Spiel gewonnen hat. Debatte: Die andere Konfliktpartei soll weder beschädigt noch besiegt werden. Die Debatte wird mit Worten geführt, es geht um Überzeugung. Die Debatte ist beendet, wenn eine Partei die Argumente der anderen Partei übernommen hat. 2 Beispiel von Strategiewechsel: Ein Vorgesetzter begründet, warum die Aufgabe sofort erledigt werden muss. Er versucht, den Mitarbeiter durch Argumente zu überzeugen. Der Mitarbeiter bleibt uneinsichtig. Der Vorgesetzte erkennt, dass er so nicht weiterkommt und erteilt eine Arbeitsanweisung. Der Mitarbeiter kontert und versäumt den Termin. Der Vorgesetzt lässt es auf einen Machtkampf ankommen. Entweder der oder ich. Strategiewechsel verändern den Konflikttyp und erfolgen in der Regel von der leichteren (Debatte) zur härteren Strategie (Spiel und Kampf), zwingt die Gegenseite sich anzupassen. Zwischenmenschliche Konflikte können viele Wurzeln haben: knappe Güter, gegensätzliche Interessen, unterschiedliche Lebenseinstellungen, Werte und Normen. Die Ursachen müssen nicht immer objektiver Natur sein. Aus psychologischer Sicht sind Wahrnehmungen, Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen bedeutsam. Drei Grundtypen der Problem- und Konfliktlösung nach F. Glasl Ziel Konflikt Kampf Verhandlung Kompromiss Sieg oder Niederlage Abstimmung der Interessen Durchsetzen eigener Interessen Nebeneinader Geben und nehmen Kalkulieren der Stärken und Schwächen Einstellung Übereinander nehmen Vorgehen Angriff auf Schwächen Stadien einer Eskalation: Nachdenken über die Aussage bzw. Verhaltensweise Negative Verarbeitung führt zur Eskalation Anlass für negatives Gefühl Negatives Gefühl bekommen Handlungstendenzen, Angriff und Gegen-Angriff. 3 Kooperation Problemlösung Zusammenarbeit Integration Miteinander Beide geben WinWin Situation Stärken für das Ganze nutzen Wahrnehmungen Dass Menschen die Welt verschieden sehen, ist bekannt. Jeder Mensch hat seine eigene „Landkarte“, die für die Konfliktthematik eine erhebliche Rolle spielt. Beispiel: Die Ohrfeige, die Eltern ihrem Sprössling verabreichen, könnte je nach Standpunkt wahrgenommen werden: Ausdruck von Erziehungswillen und Disziplin Elterliches Aggressionspotential Allgemein gebräuchliche Erziehungsmethode Jugendliche, die sich einer bestimmten Gruppierung anschließen, werden automatisch in das Klischee gepresst, in dem die Gruppe wahrgenommen wird. „Die Wirklichkeit ist das Werk unserer Vorstellung. Es gibt keine Erkenntnisweise oder wissenschaftliche Methode, die eine jenseits aller spezifisch menschlichen Erkenntnis liegende „reine“ unverzerrte objektive Realität erschließen könnte, auf die sich alle Menschen zwangsläufig einigen müssten.“ Schopenhauer/ Watzlawick Gefühle: Die Psychoanalytikerin Gefühlsrichtungen: Karen Horney (1951) unterscheidet drei a) Hinwendung, der Wunsch, angenommen und geliebt zu werden b) Abwendung, emotionale Bindungen bedrohen die Selbständigkeit. Der Intellekt hat Vorrang vor dem Gefühl. Wunsch nach Abstand. c) Der Mensch ist des Menschen Wolf, offen oder verdeckt aggressiv. Einstellungen: Unsere Einstellung bedingt unser Verhalten. So kann die unterschiedliche Einstellung zu einem Menschen den Konfliktbewältigungsprozess völlig unterschiedlich gestalten. So kann die Einstellung zur Konfliktbewältigung in Verbindung mit einer bestimmten Person und Themen kooperativ, individualistisch oder konkurrierend geprägt sein. 4 Verhaltensweisen: Auch oder gerade Verhaltensweisen können Konflikte auslösen. Menschliche Beziehungen werden auch durch das Gesetz von Aktion und Reaktion beherrscht, wobei sich hier die Frage von Ursache und Wirkung stellt. Vergl. K. Berkel, Konflikttraining, Heidelberg. Vergl. R.W. Stroebe, Kommunikation I. 6 Phasen-Modell kooperativer Konfliktbewältigung Phase A: Erregung kontrollieren Der Konflikt beginnt in der Person, wenn sie wahrnimmt, dass eine andere sie in irgendeiner Weise behindert oder beeinträchtigt. Die Reaktion ist Erregung, die dazu dient, Kräfte zur Überwindung der behindernden Situation zu mobilisieren. Aufgabe: Die eigene Erregung unter Kontrolle zu bringen. Nur so besteht die Chance zu einer vernunftsgeleiteten Auseinandersetzung. Wichtig ist, sich darüber klar zu werden, dass jede Konfliktsituation gefühlsgeladene Vorstellungen und Handlungsimpulse auslöst. Für die Konfliktbewältigung ist es wenig zuträglich, wenn eine der beiden Komponenten entweder nicht bewusst oder unterdrückt wird. Aufgabe: a) Registrieren Sie Ihre ersten Reaktionen. b) Wie weit sind Ihnen bestimmte Gefühle bewusst? Wie klar sind Ihre Vorstellungen davon, was Sie tun möchten? c) Welchen Weg sehen Sie, Gefühle und Gedanken so auszudrücken, dass eine befriedigende Konfliktbewältigung möglich erscheint? Konfliktbewältigung beginnt im Inneren jedes einzelnen. Friedliches Handeln in der Konfliktaustragung kann als moderne Tugend begriffen werden. Das heißt, sich selber hindern, den anderen anzugreifen und zu verletzen, in sich das Bedürfnis nach Beruhigung wecken, Gedanken zu entwickeln, wie sie den Konflikt am besten in den Griff bekommen. Den anderen auffordern, die genannten Dinge selber zu praktizieren. „Glaubst du wirklich, dass ich dein Feind bin? Du greifst einen Freund an!“ Verhaltensweisen, die eine Eskalation unterbinden, zählen zu den hervorragenden Leistungen, es gehört Phantasie und Selbstbewusstsein dazu, in vertrackten und gereizten Situationen ein versöhnliches Wort, eine spielerische Geste, eine entwaffnende Bemerkung zu finden. 5 Phase B: Vertrauen aufbauen Wichtig ist es, zu der anderen Partei eine Beziehung herzustellen. Vertrauensbildende Maßnahmen sind also der nächste Schritt. Vertrauen beinhaltet eine absichtliche und das Risiko bewusst einkalkulierende Entscheidung. Demgegenüber ist Misstrauen eine fast reflexartige Reaktion auf bedrohliche Situationen. Misstrauen gleicht einer Art Selbstschutz. Dicht machen bedeutet Abwehrkampf. Nur wer offen seine Fehler und Schwächen eingesteht, Selbstzweifel und innere Ängste überwunden hat, kann den Mut und Optimismus aufbringen, dem Anderen mit offenem Visier gegenüberzutreten. Aufgabe: Selbstoffenbarung und Schonung sind die wichtigsten Elemente beim Aufbau von Vertrauen. Phase C: Offen kommunizieren Vertrauen im Prozess der Konfliktbewältigung bedarf der ständigen Vergewisserung. Diese kann nur durch eine offene Kommunikation zu Stande gebracht werden. Oftmals wird die Sache auf dem Tisch verhandelt, unter dem Tisch läuft derweil ein Machtkampf ab, in dem Rivalität und Neid, Minderwertigkeit und Überlegenheit eine viel nachdrücklichere Rolle spielen als logische Argumente. Heftige Reaktionen auf dem Tisch lassen sich nur verstehen, wenn man die Lage unter dem Tisch mitbedenkt. Statt verschlossener und defensiver Kommunikationsmuster ist eine offene und akzeptierende Kommunikation zu wählen. Für die Phase offener Kommunikation sollten folgende Punkte beachtet werden: Situation, Wahrnehmung, Gefühle, Einstellungen. Situation: Ist der Ort für die Konfliktbewältigung günstig? Steht ausreichend Zeit zur Verfügung? Sollte eine dritte Partei hinzugezogen werden? Wahrnehmungen: Wichtig ist, wie jede Seite den Konflikt sieht und auf welche Wahrnehmungen sie sich beruft. Beobachtbare Ereignisse, nachprüfbare Fakten erleichtern, Andeutungen und diffuse Vermutungen erschweren die Klarstellung. Wichtig ist, welche konkreten Ereignisse für den Konflikt verantwortlich gemacht werden. Gefühle: Gefühle sind als persönliche Reaktionsweisen hinzunehmen. Entscheidend ist nicht, welche Gefühle eine Person hat, sondern dass sie sich dieser Gefühle bewusst ist und diese angemessen zum Ausdruck bringt. Gefühle werden direkt zum Ausdruck gebracht, wenn eine Person ausspricht, was sie bewegt. Jedes Gefühl gehört unmittelbar zur Person, nicht zur Sache. Einstellungen: Kooperative oder konkurrierende Einstellung? Kooperativ ist eine Grundeinstellung, wenn die Person bewusst Enttäuschungen der anderen Seite einkalkuliert und diese nicht benutzt, selber konkurrierende Haltungen zu übernehmen. 6 Phase D: Probleme lösen Folgende Schritte sind nun notwendig: a) die Definition des Problems b) die Suche nach einer Lösung c) die Entscheidung bzw. Übereinkunft. Bei der Definition ist die Einsicht, dass jedes Problem eine persönliche und eine sachliche Seite beinhaltet, erforderlich. Lösungen ergeben sich selten von allein. Eine Lösung lässt sich einfacher finden, wenn: die ersten Einfälle nicht sogleich als die besten betrachtet werden. Kreative Lösungen beanspruchen eine Weile anstrengenden Nachdenkens. Diese Durststrecke ist bewusst einzukalkulieren. Man die Meinungen und Vorstellungen anderer Personen einholt. Klar ist, dass es um die Beseitigung von Behinderungen geht, nicht um die komplette Umerziehung der anderen Seite. Eine Partei bewusst den Vorschlag macht, eine Brainstorming-Phase einzuschalten. Die Entscheidung für eine Lösung fällt leichter, wenn sie beiden Seiten entgegenkommt. Das heißt, dass jede Partei ihre Absichten oder Vorstellungen wenigstens teilweise verwirklichen kann. Lösungsvorschläge können die Vorstellungen und Wünsche einer Seite betreffen oder können neue Lösungen sein, oder wechselseitige Konzessionen bedeuten. Werden Vorstellungen und Wünsche einer Partei erfüllt, fällt es der anderen Partei leichter, wenn sie dafür Kompensationen erhält. Phase E: Vereinbarungen treffen Die schließlich gefundene Vereinbarung muss fixiert werden. Eine verbindliche Vereinbarung hat verschiedene Vorteile. Sie entzieht der Einigung die persönliche Willkür und macht sie dadurch verlässlicher. Sie entlastet die Beziehung von permanenten Kontrollen, die ja doch bloß wieder Misstrauen ausdrücken und wecken. Sie verankert die Einigung gleichsam in einem persontranszendenten Raum. Symbolisch wird damit klargestellt, dass Konfliktbewältigung die Beziehung betrifft, nicht unmittelbar den Einzelnen. Als Norm oder Regel wird sie unpersönlich, damit aber auch verbindlich. 7 Checkliste für Vereinbarungen: Sie sind nicht gegen zentrale Interessen oder grundlegende Vorstellungen einer Partei gerichtet. Zwischen den Konfliktparteien besteht ein gewisses Maß an Vertrauen. Die Vereinbarungen sind klar, eindeutig und widerspruchsfrei formuliert. Die Vereinbarungen sind auch den anderen bekannt. Sie legen fest, was jede Seite zu tun oder zu lassen hat. Werden die Vereinbarungen nicht eingehalten, ist mit Sanktionen zu rechnen. Die Beachtung der Regelung belohnt durch eine ungehinderte und störungsfreie Arbeitsbeziehung. Phase F: Persönlich verarbeiten Der Konflikt kann dann als bewältigt bezeichnet werden, wenn die Parteien wieder ungestört handeln können. In jedem wird er wahrscheinlich nachschwingen, je nach Stärke der Betroffenheit der einzelnen Parteien. Die Konfliktbewältigung findet eigentlich erst in der Person ihren Abschluss, wenn sie selbst rückblickend sagen kann, dass sie mit den getroffenen Entscheidungen leben und arbeiten kann. Aufs Ganze gesehen ist der Konflikt ein Phänomen, das das Wechselspiel zwischen Personen, ihren Beziehungen und einer jeweils thematisierten Sache kennzeichnet, folglich grundsätzlich nicht zu beseitigen (aufzulösen), sondern immer nur in stets neuen und energischen Anläufen in den Griff zu bekommen und damit zu bewältigen ist. 8