Konfliktgespräch

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Sonja Wormsbächer, Patrizia Geisbe
Das Lösen von Konflikten
Theoretische Grundlagen:
Als theoretische Basis der im folgenden skizzierten Konfliktaustragung innerhalb der
Jahrgangsstufe 11 wurde der Beitrag „Lehrer – Schüler Konferenz. Wie man
Konflikte in der Schule löst.“ von Thomas Gordon zugrunde gelegt.
Ausgangspunkt des angestrebten Problemlösungsprozesses ist es, herauszufinden
und zu lokalisieren, welche der am Konflikt beteiligten Personengruppen (L – S,
sowohl – als auch) das eigentliche Problem besitzen.
Unter dem Begriff ‚Problem’ werden unannehmbare Verhaltensweisen verstanden,
die in diesem Fall „der Befriedigung der Bedürfnisse des Lehrers im Wege stehen
oder den Lehrer veranlassen, sich frustriert, besorgt, irritiert oder ärgerlich zu
fühlen.“1 Erst nachdem eindeutig bestimmt und deutlich gemacht wird, wer genau
das Problem besitzt, können Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet sind, die
gegenseitig belastende Situation zu beseitigen.
Hierzu ist es notwendig, dass die Lehrperson lernt, auf Anzeichen zu achten, die
darauf hinweisen, dass sie selbst im Besitz des Problems ist. Wenn seitens der
Lehrperson auf Unpünktlichkeit der Schüler, störendes Verhalten im Unterricht, sich
über aufgestellte Regeln hinwegsetzendes Verhalten (wie beispielsweise das
Unberücksichtiglassen von Gesprächsregeln oder auch wiederholtes Vergessen der
Hausaufgaben) mit Frustration, Verstimmung, Ärgerlichkeit oder Überreizung, oder
auch mit körperlichem Unwohlsein (Kopfschmerzen) reagiert wird, dann deuten
solche Reaktion auf Problembesitz auf Lehrerseite hin.2
„Derartige Verhaltensweisen von Schülern beeinträchtigen entweder tatsächlich oder
potentiell die legitimen Bedürfnisse der Lehrer“3, und können so nicht akzeptiert und
stillschweigend toleriert werden. Anders als im Falle des Problembesitzes auf
Schülerseite kann die Lehrperson sich nicht auf die Rolle des Zuhörers beschränken,
der durch aktives Zuhören und Eingehen Schüler zum selbständigen Problemlösungsprozess anregt, sondern sie muss selbst zur Handelnden werden, die die
Schüler auf das Existieren eines Problems auf Lehrerseite hinweist und um Mithilfe
bittet.
Gordons tabellarische Übersicht hilft diese, an der Frage des Problembesitzes
orientierten, Unterscheidung näher zu veranschaulichen:
Gordon, Thomas: Lehrer – Schüler – Konferenz. Wie man Konflikte in der Schule löst. Reinbeck bei
Hamburg, 1981. S. 44.
2 Vgl.: Gordon, S. 104.
3 Ebd., S. 104.
1
1
Wenn der Schüler das Problem besitzt
Wenn der Lehrer das Problem besitzt
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Schüler beginnt sich mitzuteilen
Lehrer ist Zuhörer
Lehrer berät
Lehrer möchte dem Schüler helfen
Lehrer akzeptiert die Lösung des
Schülers
Lehrer interessiert sich in erster Linie
für die Bedürfnisse des Schülers
Lehrer verhält sich beim Lösen der
Probleme passiver
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Lehrer beginnt sich mitzuteilen
Lehrer ist Sender
Lehrer beeinflusst
Lehrer möchte Hilfe für sich
Lehrer muss mit der Lösung zufrieden
sein
Lehrer interessiert sich in erster Linie
für die eigenen Bedürfnisse
Lehrer verhält sich beim Lösen der
Probleme aktiver
(Siehe hierzu: Gordon, S. 105)
Ein aktives Verhalten und Handeln wird aber erst dann denkbar, wenn klar
herausgestellt werden kann, was genau Grund und Anlass zur Verärgerung gibt,
welche möglichen Ursachen dafür ausgemacht und Überlegungen angestellt werden,
auf welche Art und Weise das bestehende Problem beseitigt werden soll und kann.
Die zu stellenden Fragen sind demnach:
Bin ich als Person betroffen, d.h. bezieht sich das Verhalten der Schüler direkt auf
mich oder gibt es möglicherweise andere, von mir unabhängige, Ursachen, die ihr
Verhalten bedingen und/oder erklären helfen? Ist das gezeigte Verhalten der Schüler
für mich annehmbar oder unannehmbar, d. h. muss ich hierauf reagieren? Fühle ich
mich durch das Verhalten der Schüler belästigt, gestört, beunruhigt, d. h. befinde ich
mich momentan im Problembesitz? Bin ich in der Lage, mein Problem genau zu
bestimmen und zu artikulieren? Wenn ja, wie kann ich mit diese Situation umgehen,
welche Möglichkeiten zur Veränderung stehen mir zur Verfügung, welche Maßnahmen kann ich ergreifen?
Entweder kann der Versuch unternommen werden, das Verhalten der Schüler, oder
die Umwelt (beispielsweise durch veränderte Aufgabenstellung, zur Verfügung
stellen von anderen Materialien) oder auch das eigene Verhalten (auf Lehrerseite) zu
modifizieren.4
Im vorliegenden Fall wurden alle drei Möglichkeiten in Betracht gezogen und
während des Konfliktgesprächs und der daran anschließenden Folgezeit der Versuch
unternommen, diese miteinander zu verbinden. Im Verlauf des Konfliktgesprächs
sollte sich zeigen, dass sowohl die Lehrperson als auch die Schüler des Oberstufenkurses im Problembesitz waren.
Bevor dieses Gespräch zur Konfliktklärung im betreffenden Kurs stattfand, wurde das
Verfahren der kollegialen Fallberatung als unterstützende Maßnahme ausprobiert.
In einer 1. Phase wurde hierbei zunächst das Problem ausgesprochen und
beschrieben5, und konnte in der daran anschließenden Gesprächsrunde durch die
Beantwortung der Nachfragen noch präzisiert und konkretisiert werden. Dadurch,
dass im Anschluss die Identifikation mit den am Fall Beteiligten geleistet wurde,
konnte durch den erfolgenden Perspektivwechsel deutlich werden, dass zwischen
einzelnen Schülergruppen innerhalb des Kurses differenziert werden muss, was
entlastend wirkte. Darüber hinaus konnten andere, bislang auf diese Weise so nicht
4
5
Vgl.: Gordon, S. 105f.
Siehe hierzu: Konfliktbeschreibung, S. 3.
2
wahrgenommene Erklärungen für das Verhalten der Schüler bewusst gemacht und
wahrgenommen werden, die den Blick von der eigenen Betroffenheit auf den
möglichen Problembesitz auf Seiten der Schüler lenken halfen. Als Lösungsvorschlag wurde das Führen eines offene Gespräch mit den Schülern angeboten.
Die in diesem Zusammenhang zentrale Rolle und Bedeutung von Ich-Botschaften
wurde daraufhin noch einmal in den Blick genommen.
Gordon führt zu der Frage, warum Ich-Botschaften in solchen Situationen effektiver
seien, Folgendes aus: „Ein Lehrer, der eine Ich-Botschaft sendet, nimmt die
Verantwortung für sein Unbehagen auf sich und teilt dies dem Schüler ehrlich mit.“ 6
Auf diese Weise wird die Lehrperson für die Schüler als Mensch erfahrbar, der auf
unannehmbare Verhaltensweisen ähnlich wie sie selbst, nämlich menschlich reagiert.
So kann gegenseitiges Verständnis geweckt werden, was die Grundlage eines
respektvollen Umgangs miteinander bildet.
Darüber hinaus bleibt „die Verantwortung für das Verhalten des Schülers [beim
Senden von Ich-Botschaften] dem Schüler [selbst] überlassen“7. Auf diese Weise
erhält der Schüler die Möglichkeit, sich nach eigenem Ermessen dem Lehrer
gegenüber rücksichtsvoll und hilfsbereit zu zeigen, da ihm dieser Freiraum nicht
durch ihn verärgernde und provozierende, ihn darüber hinaus zur Unaufrichtigkeit
herausfordernde Du-Botschaften verstellt wird.8
Nach Gordon erfüllen Ich-Botschaften in diesem Zusammenhang drei für eine
effektive Konfrontation wichtige Kriterien, die er pointiert folgendermaßen
zusammenfasst:
1. sie fördern höchstwahrscheinlich die Bereitschaft, sich zu ändern
2. sie enthalten kaum eine negative Bewertung des Schülers
3. sie verletzen die Beziehung nicht. 9
Gerade die im ersten Punkt angesprochene positiven Auswirkung, nämlich die auf
der Grundlage von bewussterer Wahrnehmung entstandene Bereitschaft, sich zu
ändern, konnte durch Gespräche mit den Schülern erfahren werden.
6
Gordon, S. 114.
Gordon, S. 114.
8 Vgl.: Gordon, S. 115.
9 Gordon, S. 115.
7
3
Darlegung der Konfliktsituation in der Jahrgangsstufe 11
Konflikt
Beteiligte Personen: SuS – L
Konfliktinhalt:
Verhalten der SuS (Unpünktlichkeit,
provozierendes Verhalten im Unterricht)
keine
Hausaufgaben,
Beschreibung: In dem Kurs der Jahrgangsstufe 11 kommt es immer wieder zu
unangenehmen Situationen zwischen L und den SchülerInnen.
Einige SchülerInnen kommen regelmäßig zu spät und reagieren im
Unterricht oft mit spitzen Bemerkungen und Sarkasmus. Die
Hausaufgaben werden von einigen SchülerInnen nicht oder nur
unzureichend erledigt. In der Vergangenheit kam es sogar zu
Situationen, in denen einzelne Schüler vor L aufstanden und weiter
ihren Standpunkt vertraten, wodurch sich L bedroht fühlte. Zunächst
versucht L das Problem durch das konsequente Durchsetzen
einiger Regeln in den Griff zu bekommen (z.B. beim zweiten Mal zu
spät kommen wird ein Protokoll angefertigt), aber die Konflikte
wurden dadurch nicht verringert.
Mögliche Ursachen: Der Kurs besteht aus 19 SchülerInnen, von denen 9 von
Realschulen kommen. Das Leistungsniveau einiger SchülerInnen ist extrem schwach. Nach Gesprächen mit Kollegen
kristallisierte sich heraus, dass es sich bei einigen Schülern
des Kurses um Schüler handelt, die auch in anderen Fächern
nur sehr schwache Leistungen erbringen und durch ihr
Arbeitsverhalten negativ auffallen. Hinzu kommt die
Unerfahrenheit der L mit einer solchen Kurskonstellation
sinnvoll umzugehen und auch extrem schwache SchülerInnen gut zu fördern. Es ist also zu vermuten, dass der
Konflikt durch ein Zusammenspiel zwischen Frustration der
Schüler und mangelnde Erfahrung seitens L damit
umzugehen entstanden ist.
Verhandlungsvorbereitungen:
Thema: Atmosphäre im Kurs, Verhalten einiger SchülerInnen
Ziel: Verbesserung der Atmosphäre im Kurs
Gesprächspartner: Kurs der Jahrgangsstufe 11 – L
Meine Themen:
- störendes, provokantes Verhalten einiger SchülerInnen im Kurs
- Unpünktlichkeit
- Unregelmäßiges Erledigen der Hausaufgaben
4
Zu erwartende Einwände:
- Ausreden bezüglich der Unpünktlichkeit
- Stress aufgrund von anstrengender Klausurphase
- Abmildern der Situation/ Beschönigung des Verhaltens „Ich habe damit nichts
zu tun“, „Das ist doch alles nicht so“, „Sie haben mich auf dem ‚Kicker’“
Meine Antworten:
- gegenseitiger Respekt
 „Ich wünsche mir, dass Sie sich bemühen, pünktlich zum Unterricht zu
erscheinen.“
 Ich erwarte einen respektvollen Umgang miteinander
 HA sind vor allem für Sie selbst wichtig, um im Unterricht mitarbeiten zu
können
-
Wie empfinden die anderen im Kurs das Verhalten der „Unruhestifter“?
Trägt das Verhalten dazu bei, dass der Kurs weiterkommt?
Durchführung des Konfliktgesprächs:
Gesprächsanlass benennen:
Ich möchte nun gerne mit Ihnen über das Miteinander in diesem Kurs
sprechen.
Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Ich werde zunächst meinen Eindruck
schildern und dabei versuchen, niemanden zu beschuldigen. Ich schildere die
Situation aus meiner Sicht, wie die Dinge auf mich wirken. Lassen Sie mich
dabei bitte ausreden. Am Ende können Sie dann Nachfragen stellen, wenn Sie
glauben, etwas nicht richtig verstanden zu haben. Danach schildern Sie die
Situation aus Ihrer Sicht. Dabei wäre es wichtig, dass beide Seiten
Anschuldigungen und Vorwürfe vermeiden und sich eher in Wünschen und
Wahrnehmungen ausdrücken. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden?
(Nicken)
Konfliktgespräch:
□ Ausdruck von Gefühlen
□
□
□
□
Ich-Botschaften
Wünsche
Aktives Zuhören
Spiegeln
□ Türoffnerfragen
 Sprecher 1 (L):
Schilderung der Situation:
Es ärgert mich, dass ich meinen Unterricht nicht pünktlich beginnen kann und
in den ersten Minuten durch zu spät Kommende unterbrochen werde. Zudem
fühle ich mich durch manche Äußerungen provoziert und habe das Gefühl, als
ob einige meinen Unterricht nutzen, um sich auszutoben und Dampf
abzulassen. Ich habe auch den Eindruck, dass nicht nur ich mich über solch
ein Verhalten ärgere, sondern auch andere in dem Kurs genervt sind. Es
5
macht mich traurig, dass einige die Hausaufgaben nicht ernst nehmen und ich
finde es schade, dass sie dadurch die Chance verpassen, den Unterricht aktiv
zu gestalten.
Ich fühle mich zur Zeit mit der Atmosphäre in diesem Kurs nicht wohl und
ärgere mich sehr oft noch, wenn ich schon zu Hause bin. Ich möchte nicht mit
einem unguten Gefühl an diesen Kurs denken.
Deshalb würde ich mir wünschen, dass ich meinen Unterricht pünktlich
beginnen kann, die Chance der Hausaufgaben besser genutzt wird und sich
das Klima im Kurs verbessert.
Sprecher aus dem Kurs:
-
Ich verstehe nicht, wo das Problem ist. Wenn sie Lehrer werden wollen, dann
müssen sie schon etwas aushalten können.
Genau! Wir benehmen uns doch noch ganz gut. Sie sollten mal bei der Frau X
dabei sein.
 Das ist zum Beispiel eine Sache, die mich stört. Die Art und Weise, wie hier
miteinander – und mit mir – gesprochen wird.
-
Wenn wir nach Hause gehen, dann machen wir uns auch keine Gedanken
mehr darüber, was wir hier gesagt haben. Das sollten Sie auch einfach so
machen. Wir meinen das ja nicht ernst.
 Aber ich wünsche mir einen respektvollen Umgang miteinander. Ich werde das
so nicht akzeptieren. Aber vielleicht können wir so vorgehen, wie wir es
besprochen haben. Ich hätte gerne, dass Sie die Lage mal aus ihrer Sicht
einschätzen.
-
Ja, machen wir doch. Wir finden den Umgang hier okay.
 Verstehe ich Sie richtig: Sie sagen, dass die Atmosphäre hier im Kurs gut ist
und sich jeder wohlfühlt?
(Kopfschütteln von mindestens der Hälfte des Kurses)
-
Ich finde es schwachsinnig, dass hier einige über so einen Unsinn diskutieren,
wie z.B. ob sie in ihrem Unterricht auf Toilette gehen dürfen. Das ist
Zeitverschwendung.
-
Ja, aber, wenn ich auf Toilette muss...
-
Komm schon, du musstest doch nicht wirklich auf Toilette gehen. Du spielst
eben manchmal gerne den Clown.
(wendet sich an mich) Sie müssen verstehen, der Patrick ist auch in der
Pause so. Der ist eben einfach so.
-
Jetzt wird wieder nur auf mir rumgehackt.
6
-
Genau! Es wird hier immer nur auf einigen rumgehackt, auch, wenn wir gar
nichts machen.
-
Vielleicht könnten sie ja versuchen, wenn der Patrick mal wieder „austickt“, gar
nicht darauf einzugehen. Dann hört der auch wieder auf.
-
(schreit) Oh, jetzt bin ich hier an allem schuld, oder was?
Ich verstehe auch, was sie meinen und ich würde mich lieber nicht mit so
Unwichtigkeiten beschäftigen, nur weil sich hier einige groß tun wollen.
(Gelächter und Motzen)
(über den Unmut der Schüler hinweg) Vielleicht können wir ja mal versuchen,
uns an die Regeln zu halten und vielleicht verbessert sich ja dann unser
Umgang miteinander und dann können wir auch mehr lernen. Wenn dann ein
besseres Vertrauen herrscht....
-
-
Ich wollte noch etwas zur Unpünktlichkeit sagen. Ich habe keine Uhr und ich
gehe dann ins Schulgebäude, wenn alle anderen auch gehen. Was soll ich
denn machen, wenn ich keine Uhr habe? Außerdem kommen die meisten
Lehrer sowieso auch immer zu spät.
 Ich komme aber pünktlich und ich möchte auch pünktlich anfangen. Zur Hilfe
haben wir hier ja zwei Gongs. Wenn Sie den ersten hören, gehen Sie los und
dann sind Sie pünktlich.
-
Aber wenn ich ganz am Ende des Schulhofes stehe und in den dritten Stock
möchte, dann bin ich nicht pünktlich.
 Dann sollten Sie sich eine günstige Uhr bei Aldi kaufen und auf die Uhr sehen.
-
Das ist doch jetzt wieder so schwachsinnig über eine Uhr zu diskutieren.
Können wir uns nicht bemühen, pünktlich zu sein. Andere Lehrer fordern das
auch und da klappt das auch, weil die uns dann nicht mehr reinlassen oder
uns prüfen. Wir können es ja mal versuchen oder wollt ihr, dass wir hier
Protokolle und HÜs die ganze Zeit schreiben müssen?
 Ich nehme das hier so wahr, dass einige von Ihnen sehr vernünftig sind und
verstehen, was mir hier nicht gefällt. Das sind aber genau diejenigen, die
pünktlich sind und respektvoll mit mir und den anderen umgehen. Die
Diskussion mit den anderen empfinde ich zur Zeit so wie auch sonst oft die
Gespräche im Unterricht. Einige versuchen, zu provozieren und sich auf
endlos Diskussionen mit mir einzulassen. Vielleicht besinnen sie sich noch
mal kurz und überlegen, ob sie nicht doch etwas Ernsthaftes zur Lage sagen
möchten.
(kurze Zeit Stille)
(lächelnd) Ja, also ich glaube wirklich, dass Sie das alles ein wenig zu ernst
nehmen. Ich kann schon verstehen, was Sie meinen, aber Sie müssen uns
glauben, das ist nicht persönlich gemeint. Nur manchmal sind wir gestresst
von den vielen Klausuren und dann ist es manchmal schwer, sich besonders
in der sechsten Stunde noch zusammenzureißen. Aber ich glaube schon,
7
dass wir uns bemühen könnten, das abzustellen. Aber vielleicht können Sie ja
auch etwas Lockeres in solchen Stunden machen.
 Habe ich Sie richtig verstanden: Sie können sich also nach fünf Stunden
Unterricht schwer auf Textanalyse konzentrieren?
(kurze Zeit Stille)
-
Also, das stimmt schon. Ich habe Schwierigkeiten, mich in der sechsten
Stunde zu konzentrieren, weil wir davor immer Mathe haben und das ist immer
so anstrengend.
 Mhm...
-
Bei mir ist es montags in der sechsten Stunde ähnlich. Ich habe das ganze
Wochenende Wettkämpfe und da fällt es mir montags besonders schwer.
 Gut, also ich erkenne, dass Sie manchmal Gründe für Ihr Verhalten haben.
Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass Sie mir kurz signalisieren, dass
Sie in einer stressigen Phase sind und dann können wir eventuell kurz etwas
zum Dampf ablassen machen und dann mit dem Unterricht fortfahren. Was
halten Sie davon?
(Kopfnicken, Lächeln)
 Ich würde mir jetzt von Ihnen wünschen, dass Sie auf diese zwei Blätter noch
einmal aufschreiben, was Sie selbst dazu beisteuern können, dass sich das
Klima im Kurs verbessert - auf das blaue Blatt - und auf das andere, was Sie
von mir erwarten. Ich fasse das dann für die nächste Stunde zusammen und
dann können wir uns über eine Einigung Gedanken machen. Ich danke Ihnen
für das Gespräch und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft.
Nach der Stunde stehen mehrere SchülerInnen vor mir und wollen sich noch einmal unter
vier Augen zum Thema äußern. Zwei Aussagen erscheinen mir besonders interessant:
Schülerin: Ich finde es gut, dass Sie mal gesagt haben, wie Sie sich fühlen. Man
denkt das gar nicht, dass die Lehrer sich solche Gedanken machen. Aber
bitte nehmen Sie das nicht persönlich. Das ist nichts gegen Sie.
Schüler: Ich wollte nur sagen, dass ich das schon verstehe und dass ich mich
manchmal echt etwas daneben benehme. Ich versuche wirklich, mich zu
bessern. Aber auf der Realschule war das wirklich alles ganz anders. Und
hier bekommt man immer nur eins drüber.
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Ergebnisse der Befragung:
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Erwartungen der SchülerInnen:
gute Laune
Aufnahme anderer Meinungen
nicht über Kleinigkeiten diskutieren
auf die Toilette gehen dürfen
Gruppenarbeit
entspannte und leistungsfähige
Atmosphäre
Respekt
Ansprechpartner
keine zu strengen Regeln
nicht immer HA
Themen selbst vorschlagen
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Bereitschaft:
weniger mit dem Nachbarn reden
besser aufpassen und mitarbeiten
pünktlich sein
HA machen
gute Laune
mehr Englisch sprechen
keine blöden Kommentare
Respekt
Weiteres Vorgehen/ Reaktionen auf das Konfliktgespräch:
In der folgenden Stunde haben wir die obenstehenden Inhalte als Grundlage für ein
gegenseitiges Bemühen genommen und seitdem kommen wir ohne viele strenge
Regeln und mit einer wesentlich besseren Atmosphäre im Kurs miteinander aus.
Obwohl einige SchülerInnen ab und an in ihr altes Muster zurückfallen, habe ich das
Gefühl, dass sie schnell durch die anderen gebremst werden oder aber sich selbst an
unser Gespräch erinnern. Die Regeln für die Hausaufgaben werden nun weitestgehend akzeptiert und auch die Arbeitseinstellung hat sich verbessert.
Mein erster Eindruck ist also sehr positiv. Ob sich das Konfliktgespräch auch
langfristig positiv auswirkt bleibt zu hoffen. Zumindest denke ich, dass mithilfe des
Konfliktgesprächs eine erste Basis des Vertrauens geschaffen wurde, auf die ggf.
zurückgegriffen werden kann. Da sich die SchülerInnen verpflichtet haben, ihr
Bemühen unter Beweis zu stellen, wird man sie zu gegebenem Anlass sicher daran
erinnern können und so hoffentlich eine langfristige Verbesserung im Miteinander
erzielen.
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