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Gembris, H. Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung. (260 ff). Kapitel 13.8 Die Theorie
musikalischer Begabung und Entwicklung von E. Gordon. (2002). Augsburg: Wißner.
Nach Gordons Theorie ist das angeborene musikalische Potential bis zum Alter von
etwa neun Jahren entwicklungsfähig. Es ist daher im Positiven sowie Negativen sehr
beeinflussbar. Dies bezeichnet Gordon als Begabung im Entwicklungsstadium.
In diesem Stadium muss die musikalische Begabung durch frühzeitige musikalische
Erfahrungen und Förderungen aufrechterhalten werden.
Hier nun ein Auszug aus Gordon, 1990a, S.331 f: „Je höher die musikalische
Begabung ist, mit der ein Kind geboren wird, desto reichhaltigere und
verschiedenartigere informelle musikalische Erfahrungen sind erforderlich, um das
Niveau der Begabung aufrechtzuerhalten. Je geringer das angeborene Maß
musikalischer Begabung ist, desto weniger sind frühe informelle und informale
musikalische Erfahrungen notwendig, um das Begabungsniveau aufrechtzuerhalten.“
Nach dem neunten Lebensjahr verfestigt sich die musikalische Begabung; Gordon
bezeichnet sie deshalb als „stabilisierte musikalische Begabung“. Der Gedanke
einer nicht ausgenutzten Kapazitätsreserve an musikalischer Begabung ist wiederum
für die musikalische Entwicklung im Erwachsenenalter von Bedeutung, denn sie
besagt, dass auch Erwachsene über eine ausbildungsfähige Musikalität verfügen.
Grundlage und Basis musikalischer Begabung ist nach Gordon die Fähigkeit, Musik
zu hören und zu verstehen, die nicht tatsächlich physikalisch erklingt, sondern
imaginativ vorgestellt wird. Diese Fähigkeit bezeichnet er als Audiation. Hier
unterscheidet er einerseits sieben verschiedene Typen (= diese repräsentieren
unterschiedliche musikalische Bereiche), andererseits auch verschiedene Stufen (=
die hierarchisch gegliedert sind).
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Der erste Typ der Audiation vollzieht sich beim Hören bei bekannter und
unbekannter Musik.
Der zweite Typ ist das musikalische Verständnis durch das Lesen von Noten.
Der dritte Typ ist das musikalische Verständnis, das sich durch das Schreiben von
Noten ausdrückt.
Der vierte Typ ist das musikalische Erinnern/Gedächtnis ohne die Hilfe von
Noten.
Der fünfte Typ ist das Notieren von Musik, die wir aufgrund des musikalischen
Gedächtnisses erinnern.
Der sechste Typ ist das Neu-Erschaffen von Musik durch Improvisation,
Komposition oder in der Vorstellung.
Der siebente Typ ist das Aufschrieben von Musik, die wir neu erschaffen,
komponiert oder improvisiert haben.
 Die erste Stufe der Audiation besteht nach Gordon in der Erinnerung an eine
Reihe von Tonhöhen und –dauern, die kurz vorher gehört wurde.
 Die zweite Stufe ist das stumme Imitieren der Tonfolgen, die man kurz vorher
gehört hat.
 Auf der dritten Stufe werden aufgrund der Interaktion der gehörten
musikalischen Muster Tonalität und Metrum der Musik konstruiert.
 Auf der vierten Stufe werden die tonalen, rhythmischen, harmonischen Merkmale
erinnert und bestimmten Ton- oder Taktarten zugeordnet.
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 Auf der fünften Stufe können musikalische Muster, die Tage, Wochen und Jahre
zuvor gehört wurden, erinnert werden.
 Auf der sechsten Stufe können tonale und rhythmische Muster der Musik, der wir
gerade zuhören, vorhergesagt werden.
Den unterschiedlichen Typen und Stufen der Audiation geht eine Folge von
mehreren, sich überschneidenden Entwicklungsstufen (Preparatory Audiation)
voran, welche die Voraussetzungen für die Fähigkeiten zur Audiation schaffen
(Akkulturation, Imitation, Assimilation). Dazu siehe eine zusammenfassende und
übersichtliche Tabelle 13.2.
Die praktische Bedeutsamkeit der Theorie Gordons für die Musikpädagogik liegt vor
allem darin, dass sie die Bedeutung frühzeitig musikalischer Förderung sehr betont
und auch eine weitere musikalische Entwicklung im Erwachsenenalter nicht
ausschließt.
Im Zusammenhang mit der Begabungstheorie hat Gordon auch eine musikalische
Lerntheorie und ein Lehrmodell entwickelt. Beispielsweise empfiehlt Gordon für die
Phase der Akkulturation, den Kindern möglichst viel und unterschiedliche klassische
Musik und Instrumentalmusik vorzuspielen. Da diese Musikrichtungen eine sehr
große Verschiedenartigkeit und Vielfältigkeit der musikalischen Muster anbieten.
Weitere Entwicklungstheorien werden im Zusammenhang mit dem ExpertiseModell, der Entwicklung des Singens und der musikalischen Entwicklung
im Erwachsenenalter behandelt. Ein gemeinsames Merkmal der hier skizzierten
Theorien besteht darin, dass sie sich aus dem Erwerb von kognitiv-musikalischen
Grundfähigkeiten beziehen.
Eins ist aber zu beachten, und zwar, dass diese Modelle teilweise noch recht
spekulativ sind, und dass noch umfangreiche Forschungen und Verbesserungen
notwendig sind.
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