Hannah Arendt Marginalia , [[Bracketed materials are keyed to Hannah Arendt “Philosophie und Soziologie,” Pp. 515-531 in Volker Meja und Nico Stehr, Der Streit um die Wissenssoziologie. Zweiter Band. Frankfurt/M: Suhrkamp, 1982.]] Karl Mannheim, “Die Bedeutung der Konkurrenz im Gebiete des Geistigen.” Separat-Abdruck aus Verhandlungen des Sechsten Deutschen Soziologentages vom 17.-19. September 1928 in Zürich. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1929. Dedication: “Frl. Arendt mit den herzlichsten Grüßen. KM” Underlinings (HA) and marginal emphases: “soziologische Theorie des Geistes” (38) “so möchte ich keineswegs einem übertriebenen Soziologismus verfallen und etwa die Behauptung aufstellen: man könnte auf Grund der soziologischen Genesis, ohne Weiteres, unmittelbar etwas über Wahrheits-und Geltungsgehalt der geistigen Gebilde bzw. Der Gedanken aussagen. Meine Stellungnahme befindet sich in dieser Beziehung in der Mitte zwischen zwei möglichen extremen Positionen.“ (39) „der Konkurrenz eine m i t k o n s t i t u i e r e n d e Rolle zuerkennen und sie in diesem Sinne darstellen“ (39) „So glaube ich, daß die sogenannte dialektische (also zunächst die nicht geradlinigkontinuierliche) Entwicklungs- und Bewegungsform des Geisteslebens weitgehend auf zwei ganz einfache Strukturbedingtheiten des gesellschaftlichen Lebens zurückzuführen ist: auf das Vorhandensein von G e n e r a t i o n e n und—wie ich es im heutigen Vortrag andeuten möchte—auf das Vorhandensein des Phänomens der K o n k u r r e n z.“ (41) „perspektivistisch sind, daß will aber besagen, daß n u r b e s t i m m t e n h i s t o – risch–sozialen Bewusstseinsstrukturen bestimmte quali– tative Eigenheiten am historisch lebendigen Objekte s i c h e r ö f f n e n. (42) “wurde zuerst sichtbar im Elemente des Oekonomischen” (43) „Das letzte Ziel muß sein, allmählich auch das spezifisch Oekonomische in der Kategorialapparatur abzustreifen, um das sui generis Soziale erfassen zu können.“ (43) „Wie hängt das theoretische Gegeneinander mit dem sozialen Gegeneinander zusammen?“ (44) „Die konkurrierenden Partner ringen stets um die öffentliche Auslegung des Seins“ (45) „uralte Funktion der Weltorientierung.“ (46) „Es handelt sich bei unseren Ueberlegungen nicht einfach um die sogenannte ‚öffentliche Meinung’ die auch im herrschenden Sprachgebrauch als eine Oberflächenerscheinung des geistigen Lebens empfunden wird, sondern um eine alle Poren des Daseins ausfüllende, die Außenwelt und unser Innenleben erfassende Sinngebung. (46) „[Der Mensch] . . . steht nicht in einer W e l t ü b e r h a u p t, sondern in einer in einem bestimmten Sinne ausgelegten Welt.“ (46) [Next paragraph begins “Der Philosoph (Heidegger) nennt dieses öffentlich auslegende Subjekt ,das Man.’] . . . „Der Philosoph sichtet dieses ‚Man’, dieses geheimnisvolle Subjekt, es interessiert ihn aber nicht, wie dieses ‚Man’ zustande kommt. Aber gerade hier, wo der Philosoph aufhört zu fragen, beginnt das soziologische Problem.“ **[[cit. 518, fn. 15]]** *[[p. 47 also cited: this whole passage is critical]]* “D e r e r s t e T y p u s , d a s a u f K o n s e n s u s b a s i e r t e D e n k e n , ist rein auffindbar in sozial homogenen Schichten oder Gesellschaften, derer Erfahrungsraum und Erfahrungsbasis einheitlich ist und in denen der zum Denken treibende Grundwille bei allen Individuen gleichgerichtet ist.“ (48) „Statik der Verhältnisse.“ (48) „ein jeder ist Träger der in der Tradition vorgegebenen Beobachtungsintentionen.“ (48) „Ganz stirbt dieses Denken nie ab“ (48) „’es’-Charakter“ (49) „sie affizieren in uns gleichmäßig stets dieselbe Bewußtseinshaltung—eine Bewußtseinshaltung, deren Vorhandensein auch [diese Theorie anerkennt].“ (49) „[Es bleibt aller Dynamik zu Trotz]. . . eine ganz breite Schicht der ureinfachen Beziehungen und der dazugehörigen Ureinstellungen bestehen. Der Gehalt der täglichen Lebensklugheit etwa, daß, wo sich zwei streiten, der dritte den Vorteil davon hat, bleiblt in einer allgemeinen Evidenz genau so unbezweifelt bestehen, wie es Stimmungen, der Heimlichkeit einerseits und Urängste auf der anderen Seite gibt, die jeder Dynamik zu Trotz sich wening ändern.“ (50) „Sensibilitätskreis“ (50) „[Die Denkbasis ist in einem auf Monopolsituation basierten Denken] v o r g e g e b e n. . . .[Das Denken bewegt sich vorwiegend in] Textinterpretationen. (51) Next to the following passage, HA writes in the margin. [“Das Denken besteht [in einer Monopolsituation] im wesentlichen darin, daß man jede auftauchende neue ‘Tatsache’ in eine vorgegebene, herangebrachte O r d o eingliedert. . . Von hier ist der teleologische und interpretative Charakter dieses Denkens verstehbar. Das beste Beispiel für eine solche Ordo ist etwa die ‚Summa’ des T h o m a s v o n A q uin. Bei ihm handelt es sich um eine grandiose Durchdenkung der Ordo. Was dabei zunächst auffällt, ist die scheinbar dialektische Denkweise. Die Art und Weise, wie hier Thesen stets gegen Einwände durchgesetzt werden, das errinert zumindest an Dialektik. Doch scheint mir dies keine wahre Dialektik in dem Sinne zu sein, daß in den Positionen wirkliche Polaritäten des Lebens kämpfen, sondern es werden in erster Linie jene Unstimmigkeiten aus dem Wege geräumt, die noch aus der vorangehenden Stufe der Konkurrenz mehrer weltauslegenden Gruppen enstanden sind, als die Monopolsituation der zur Herrschaft gelangten Ansicht noch nicht festgelegt war.“ (51) ] Marginal note:„Liegt bei Thomas ganz anders: Die pseudo-Dialektik baut auf formal-logischen Einsichten zunächst“ „nur bewegt sich diese Diskussion in einem vorher abgezirkelten Bereich. Bestimmte religiöse Forderungen sind unbestritten“ (51-2) [Note absence of highlighting on pages dealing with „atomistic“ competition and liberalism: Arendt has little interest in Mannheim’s “structural analyses” of ideologies] “Eine Philosophie, so könnte man dann sagen, die sich mit einer Politik verbindet depraviert sich zur Ideologie: d i e Philosophie in ihrer Reinheit hat aber mit diesen soeben beschriebenen Sozialprozessen im Geistigen nichts zu tun. Denkt einer so, sieht er die Dinge in dieser unaktivistisch unpolitischen Weise, so ist es schwer, ihn sehend zu machen. Man kann ihn immer wieder nur im einzelnen darauf stoßen, das auch die Philosophie, eine bestimmte Philosophie—bevor sie noch irgendwie bewußt mit einer politischen Strömung sich verbindet—noch eines b e s t i m m t e n G e i s t e s K i n d ist, daß in ihr—schon bei ihrer Geburt, bevor sie also noch in irgendeiner handgreiflichen Beziehung zur Politik geraten ist—ein bestimmter Betrachtungswille, ein bestimmter Denkstil lebt, der zumeist aus derselben tieferen Wurzel stammt wie auch der entsprechende politische Wille, mit dem sie sich später verbindet.“ (61) „Wir sind der Ansicht, daß die Fehlerquelle, von der Politik her die lebendige Geistesbewegung zu erfassen, viel kleiner ist, als umgekehrt, wo rein theoretisch eingestellte Menschen das Schema der theoretisch immanenten kontemplativen Gedankenentfaltung in das lebendige Leben projezieren . Ueberall im Leben wird von Willenzentren her gedacht, Konkurrenz, Sieg und daraus sich ergebende Selektion sind auch sonst weiter\gehend Prinzip und Bewegungsform des Denken.“ (63) „den e s c h a t o l o g i s c h e n A h i s t o r i s m u s , für den sich das Geschichtliche in seiner Immanenz gar nicht artikuliert“ (65) „[kommt man zu dem Ergebnis,] daß (letzten Endes) die Denkbewegungen sich von dem grundlegendsten Spannungen des sozialen Raumes her regulieren. (66) [Für den, der die Seinsrelativität der Erkenntnisse überblickt und nicht mit einer Ausschließlichkeit, einer bestimmten Sicht sich hingibt,] sondern sich gewissermaßen reserviert, [dem stellt sich bereits die heutige Denklage so dar: ein existentielles Experimentieren der einzelnen Gruppen mit lauter partikulären Ordnungsschemen, von denen keines einzeln ausreicht, um die heutige Wirklichkeit in toto zu erfassen.“] (67) „[philologisch-historischen Analysen] müßten die wichtigsten Bedeutungselemente (Begriffe, Vorstellungen und Kategorien) unseres Denkens daraufhin untersuchen, ob in ihnen sich eine Tendenz zur Polarität aufweisen läßt, ob es sich—d e r T e n d e n z n a c h —zeigen läßt, daß der Konservative Probleme anders sieht, Begriffe in anderer Bedeutung benutzt, die Welt in anderen Kategorien ordnet, als der Liberale oder der Sozialist usw.“ (67) Underlined passages in context: „D e r L i b e r a l i s m u s , von Anfang an durch eine typisch intellektualistische Seelenhaltung charakterisiert, sah sein Ziel darin, das Rationale vom Irrationalen reinlich zu trennen.“ (68) „D e r K o n s e r v a t i s m u s , als Rechtsopposition zu der Moderne, beharrt gerade auf dem Primat des Irrationalen. Dieses Irrationale ist für ihn das Weltanschauliche.“ (69) „D e r S o z i a l i s m u s . . . sieht, daß das Denken beim G e g n e r im Element des Irrationalen sich bewegt. . . . Das Irrationale, das den Durchbruch der Rationalität hindert, weil es mit ihr unheilbar verflochten ist, ist hier nicht das Weltanschauliche, sondern das I n t e r e s s e . . . (69) [Lebe ich einfach im Sinne dieser Institutionen, so muß ich persönlich in meinem Bewußtsein und Seelenleben diese Motivationen gar nicht reproduzieren, aktualisieren. . . . Von hier aus ist der auch oft absolut sublimierte (jedem Egoismus fremde) Seelenhabitus sehr reicher Menschen (insbesondere von Frauen) verstehbar.] Den zu ihrem Leben nötigen Egoismus nimmt ihnen sozusagen die Gesellschaftsstruktur ab.“(70) „(Das besondere Klasseninteresse des Proletariats ist das adäquat richtige Bewußtsein, Linie: Marx-Lukács.)“ (71) [NB that KM cites this as one route by which Marxists protect own thinking, resting on premise of pre-established harmony between class interest and historical truth] No marginal highlighting on several pages introducing possibility of “synthesis.” “Was ich hier an einem entscheidenden Punkt aufzuweisen versuchte—die synthetische Tendenz—, durchdringt das Hegelsche Denken in allen seinen Elementen.“ (76) [(Für bestimmte) Generationen. . . . verlagert sich unter Umständen die noch unerledigte und zunächst noch unauflösliche Problematik in ganz andere Bezirke des Seins,] aber die alten Gegensätze nehmen an Schärfe ab, und es entsteht die Möglichkeit, einen weiter zurückliegenden Blickpunkt zu finden, von wo aus die bisherigen Partialaspekte gerade in ihrer Partialität erkannt, durchschaut und damit zugleich auch weitgehend überwunden werden.“ Marginal note: “Synthesen” (77) [Damit ist bereits ausgesprochen, daß wir an keine absolute Synthese glauben. . . .] Diese Selbsttäuschung, der noch Hegel völlig verfallen war, müssen wir nicht mitmachen, auch wenn wir die Synthese für das beste halten, was das Denken vom Standpunkt der Sozialisierbarkeit der Erkenntnisse hervorzubringen imstande ist. (Wohlgemerkt, vom Standpunkt der Sozialisierbarkeit der Erkenntnisse). (78) [Wir sahen schließlich, daß diese letzte Synthese in einem abschließenden Sinne zwar nie gelingt, daß aber hierbei langsam] ein zum gemeinsamen Gut werdender Fond gesiebt wird, der gleichsam als ein Consensus ex post sich niederschlägt.“ (79) „Neben dem Urkonsensus also, neben diesem Fond ererbter Urängste, Urgefühle und schlichtester Alltagsweisheit erscheint ein erkämpfter, ein errungener, ein werdender Consensus ex post—zwischen beiden aber liegt das ringende, das problematische Leben, für das noch alles fraglich ist.“ (79) “Ist das Brauchbare auch das Wahre?“ **[[cit. 515, fn. 3]]** „Erkenntnistheorie. . . .gibt sich, als wäre sie absoluter Maßstab, Richterstuhl, Kritik, dabei ist sie de facto Substruktion, Rechtfertigungswissen für eine schon daseiende Denkweise.“ (81) [Offprint copy breaks off at bottom of p 82] Karl Mannheim, Ideologie und Utopie. Bonn: Verlag von Friedrich Cohen, 1929 Unbound Galley (NB 1930 Reviews by both Hannah Arendt and Gunther Stern). Unsigned KM photo affixed to top page. Ideologie und Utopie. Als Einleitung “unsere fraglich gewordene Lebenslage neu auszulegen und zu klären (1) „Wie kann der Mensch in einer Zeit, in der das Problem der Ideologie und Utopie einmal radikal gestellt und zu Ende gedacht wird, überhaupt noch denken und leben?“ (3) “Hier wird der Versuch unternommen, alle Standorte im Denken auf das utopische und ideologische Element hin zu sichten, um überhaupt einmal zu einer bereinigten Fragestellung zu kommen. . . . Radikalisierung . . . .[wie auf dieser Stufe des Denkens überhaupt noch] erkannt werden könne, wie auf dieser Stufe des Seins geistige Existenz noch möglich sei.“ (4) „[nicht auf ein Rechthaben, sondern] auf entschiedeneres Sichtbarmachen eines jeden Widerspruchs“ (5) „während der frühere naive, ungebrochene Mensch auf ‚Ideengehalte’ fixiert lebte, wir diese Ideen der Tendenz nach immer mehr als Ideologien und Utopien erleben.“ (6) “partikularen Ideologiebegriff . . . der sich nur ganz allmählich von dem einfachen Begriff der Lüge abgehoben hat“ (8) „[radikalen, totalen Ideologiebegriff. . . Ideologie] eines Zeitalters oder einer historischsozial konkret bestimmte Gruppe . . . . totalen Bewußtseinsstruktur“ (8) **[[cit. 517 fn. 7]]** „nicht durch eine direkte verstehende Versenkung . . .einer immanenten Interpretation. . . sondern auf dem Umweg des Verstehens jenes kollektiven oder individuellen Subjektes [das diese ‚Ideen’ ausspricht und] auf dessen Seinslage wir dann diese Ideen funktionalisieren“ (8-9) *[[cit. 520, n. 23]]* „so meint man noch immer –was die noologische (theoretische) Geltungsebene betrifft— mit ihm auf derselben Basis zu stehen. Das Funktionalisieren spielt sich bei dem partikularen Ideologiebegriff nur auf der psychologischen Ebene ab.“ (9) *[[cit. 520, n. 22]]* „[Es wird eben] die noologische Ebene funktionalisiert [so oft man mit den Inhalten und Aspekten auch die Form, letzten Endes die kategoriale Apparatur auf eine Seinslage bezieht.] (10) „Derjenige dagegen, der mit dem totalen Ideologiebegriff arbeitet und also Zusammenhänge im noologischen Bereich funktionalisiert, wird nicht auf ein psychologisches, reales, sondern auf ein ‚Zurechnungssubjekt’ hin funktionalisieren. (11) „Nur weil in der modernen Welt die entscheidenden sozialen Polaritäten von einem grundverschiedenen Weltwollen getragen sind, wurde auf der geistigen Ebene eine solche Vertiefung und Auflockerung möglich.“ (18) „[das Bürgertum . . .vertrat ein neues] ‚Wirtschaftssystem’ (im Sinne Sombarts), und dazu gehörte (wie wir es nennen wollen) ein neuer Denkstil.“ (18) [exclamation point in margin] “[Die Philosophie . . . als letzte und radikalste Ausdeuterin eines Wandels im gesamten zeitgenössischen Kosmos] der ja selbst nichts anderes ist als die bis zur höchsten Differenzierung getriebene Auseinandersetzungsform der Seele und des Geistes mit den stets sich anders gestaltenden Kollektivereignissen und entscheidenden Strukturwandelungen. (19) [marginal question mark and exclamation point] “erste wichtigste Schritt . . . Bewußtseinsphilosophie“ (19) „Die Welt ist also von jetzt an nur auf ein Subjekt bezogen als ‚Welt’ da und die Bewußtseinstätigkeit dieses Subjektes ist für das Weltbild konstitutiv. Das ist, wenn man will, bereits der totale Ideologiebegriff, [nur noch unhistorisch und unsoziologisch gesehen.] (19) “Zweite Schritt . . . historisiert“ (20) Next to the following passage, HA writes in the margin. „So hat nicht die Philosophie die Historizität des Geistes (das sog. Historische Bewußtsein) entdeckt, sondern das politische Leben jener Zeit.“ (20) HA: “erst d[ie] Philos[ophie] kann das <unmittelbar im> politischen Leben sich gebildeten hist[orischen] Bew[ußtseins] entdecken’.“ (20) Over the next dozen or so pages, points of emphasis are marked by pencilled circles (○) in the margin. It is important to note that both Arendt and Stern almost certainly worked with the same book. Since Stern was the sole reviewer for the highly respected Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, and Arendt only one of several for Die Gesellschaft), the unbound reviewer’s galley in the Bard collection probably belonged to him . Yet the pattern of emphases, as well as the handwriting in the comments, point to Arendt. daß beide Strömungen auch äußerlich sich immer mehr nähern. (○) Der partikulare Ideologiebegriff vereinigt sich mit dem totalen . . . .Jetzt wird der Angriff dadurch vertieft, daß man ihm die Möglichkeit des richtigen Denkens nimmt, indem man seine Bewußtseinsstruktur, (○) und zwar in ihrer Ganzheit, diskreditiert. . . . und auch diese noologische Ebene der gegnerischen Aussagen durch soziale Funktionalisierung in ihrer Geltung destruiert. . . .[Der totale Ideologiebegriff verlebendigt (das)] Problem der Möglichkeit eines ‚Falschen Bewusstseins. (○) (23) Taucht dagegen in uns der Verdacht auf, ein falsches Bewußtsein zu haben, so fürchten wir ein Versagen vor einer innerweltlichen Instanz. (○) (25) [Diese] Entwertung meint die Irrealität des gegnerischen Denkens. Man kann aber noch weiter fragen: Irreal welchem Faktor gegenüber? Die Antwort wird lauten: der Praxis . . .des Politikers gegenüber.“ (26) (○)„Napoleon hatte in seinem Kampfe ‚von oben nach unten’ seine Gegner durch das Wort ‚Ideologen’ zu entwerten und zu vernichten versucht. In späteren Stadien der Entwicklung finden wir gerade umgekehrt das Wort Ideologie als entwertende Waffe bei den in Opposition befindlichen Schichten, hauptsächlich bei dem Proletariat.“ (○) (28) „[Erst im Marxismus . . . wird der Gedanke von der Prävalenz der politischen Praxis neben dem Ökonomismus] zur entscheidenden Instanz dafür, was am Gedankengut bloß ideologisch und was wirklichkeitsrelevant sei.“ (○) (29) *[[cit. 523, n. 36]]* „niemand konnte es dem Gegner verbieten, auch den Marxismus auf seine Ideologiehaftigkeit hin zu analysieren.“ (30) (○) Under bottom margin on p. 31: “Soziologie als Ideologie und Utopie” “Es gibt kaum einen Denkstandort, und hierin bildet auch der Marxsche keine Ausnahme, der nicht historisch wandelbar gewesen ware und von dem man nicht aufweisen könnte wie auch er sich in der Gegenwart sozial differenziert. (○) (32) „Mit dem Auftauchen der allgemeinen Fassung des totalen Ideologiebegriffs ersteht a u s der bloßen Ideologienlehre die W i s s e n s s o z i o l o g i e .“ (32) „’S e i n s g e b u n d e n h e i t’ eines jeden lebendigen Denkens“ (32) „Wir haben also neben dem bisher behandelden Gegensatzpaar p a r t i k u l a r – t o t a l noch den Gegensatz s p e z i e l l – a l l g e m e i n . (etc.) (32n1) (○) „Durch den Terminus ‚s e i n s g e b u n d e n e s D e n k e n ,’ versuche ich den rein wissenssoziologischen Gehalt des Ideologiebegriffs aus der speziellen politischagitorischen Einkapselung herauszulösen.“ (32fn2) „Die zweite Möglichkeit besteht darin (○○), daß man diese ‚wertfreie’ Haltung nachträglich doch mit einer erkenntnistheoretischen Haltung verbindet. Das Eingehen auf die Wahrheitsproblematik von dieser Stufe aus kann aber seinerseits wieder zu zwei verschiedenen Lösungen führen: entweder zu einem R e l a t i v i s m u s oder zu einem R e l a t i o n i s m u s , die nicht miteinander zu verwechseln sind.“ Der Relativismus entsteht hiebei stets, wenn man die moderne historisch-soziologische Einsichte in die faktische Standortsgebundenheit jedes historischen Denkens mit einer Erkenntnistheorie älteren Typus’ verbindet, die das Phänomen des seinsverbundenen Denken eigentlich noch gar nicht kennt, sich mit ihm noch gar nicht ernstlich auseinandergesetzt hat und daher, sich an einem statischen Denkparadigma (etwa im Urbild: 2 x 2 = 4) orientierend, notgedrungen zum Verwefen eines jeden standortgebundenen Wissens als einem bloß ‚relativen’ kommen muß.“ (33) *[[cit. 522, n. 27]]* ▬▬ „Die Erkenntnistheorie ist eben genau so in den Werdestrom eingebettet" (34) „denn Verstehbares ist nur mit Beziehung auf Problemstellungen und Begriffssysteme, die dem historischen Strom erwachsen, formulierbar.“ (34) (○) „[Für das folgende, ist nun entscheidend, daß wir auf der Stufe des allgemeinen und totalen Ideologiebegriffes zwei Typen unterscheiden, den w e r t f r e i e n und ] den w e r t e n d ( e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h – m e t a p h y s i s c h ) o r i e n t i e rt e n“ (34-5) „[Man wird an den wertfreien totalen und allgemeinen Ideologiebegriff. . . bei historischen Forschungen festhalten]“ (35) Marginal query: „Windelband?“ „Man wird sich stets fragen müssen, wie bestimmte sozial strukturierte Seinslagen zu bestimmten Seinsauslegungsarten drängen.“ (35) Marginal question mark. **[[“Seinsauslegung” cit. 516, fn. 5 (with different page reference: 45)]]** „Genau so wie der Mensch, der zu gewissen anderen Menschen oder zu deren Verhältnissen eine vitale Beziehung hat, die Chance besitzt, diese auch wissensmäßig genauer durchdringen zu können, so wird die soziale Gebundenheit einer Sicht, einer Katagorialapparatur gerade durch diese vitale Bindung einer größere Chance für die zugreifende Kraft dieser Denkweise in bestimmten Seinsregionen bedeuten.“ (○) In bottom margin: „Die Beziehung durch Chance und [Überholtheit??] nicht treffbar“ (35) *[[cit. 521, n. 25]]* „Sozial-vitale Bindung bedeutet aber nicht nur Chance, sondern auch vitale Schranke.“ (36) [○] „Die jeweilige Partikularität der einzelnen Standorte und ihr gegenseitiges Aufeinanderbezogenseins im Zusammenhang mit dem sozialen Gesamtgeschehen zu erforschen, wird die Aufgabe einer solchen ‚wertfreien’ Ideologieforschung sein.“ (36) „[Aber noch radikaler wird die Frage werden, wenn es sich zeigen lassen wird, daß das Auftreten der Moral und Ethik selbst an bestimmten Situationen gebunden ist,] wie denn auch ihre Grundbegriffe: Pflicht, Vergehen, Sünde nicht immer da waren, sondern Korrelate bestimmter Lagen sind.“ (36) Marginal annotations next to the following: „Die Vorstellung des ganzen Kulturlebens als ein Sich-Orientieren an objektivierten Normen ist ein typisch modern-rationalisierendes Verdecken der Urstrukturen [in left margin: !!!; in right margin: „Was bringt das hier noch?“], in denen sich der Mensch zu seiner ‚Welt’ viel ursprünglicher verhält.“ (37) „[Der Forscher . . . . wird sich. . .zunächst die Bewegungsform] die Genesis möglicher Wahrheit im Zusammenhang mit dem Sozialprozeß beobachten.“ (39) „seinsgebundene Erkenntnis greift nicht ins Leere, seinsgebundene Norm ist nicht unverbindlich.“ (41) *[[cit. 521, n. 26]]* „wenn es sich um das ‚Verstehen’ handelt, wo durch Durchdringung des Gegenübers eine ontische Verwandtschaft des Verstehenden und Verstandenen Voraussetzung ist“ In right margin: !? „aber es ist meistens nicht der Tätige, der heute das Absolute, das Unbezügliche sucht, sondern derjenige der das Geschehene stabilisieren möchte zugnunsten seines bereits eingelebten Wohlergehens, Das Behaglichte möchte allzu gerne das zufällige Sosein des Alltags, wozu heutzutage romantisierte Gehalte (‚Mythen’) gehören, zum Absolutum hypostatisieren und stabilisieren, damit es ihm nicht entgleitet.“ (43) „[Es wird also auch hier. . . ] jene latente Motivation sichtbar, die schon von Anfang an zur Methode des alles Dynamisierens und zum Durchhalten des historischen Gesichtspunktes trieb.“(43) Dieses Sichtbarwerden einer metaphysisch-ontologischen Entscheidung, die auch dann wirkt, wenn man von ihr nichts weiß“ (43-4) „Ex-post Ontologie“ (43n1) *[[footnote cited 523, n. 34, but different language quoted]]* „[Hier an dieser Stelle scheint sich etwas in der Richtung der ‚Lösung’ zu lichten. . . : Die Ideologie- und Utopie-Enthüllung kann nur Gehalte zersetzen mit denen wir nicht identisch sind, und es taucht die Frage auf, ob nicht unter bestimmten Umständen in der Destruktion selbst schon das Konstruktive liegt, ob der neue Wille und der neue Mensch nicht schon in der Richtung des Fraglichmachens gegenwärtig sind.“ (43-4n1) [Mystiker:] „das Unbezügliche als geschichtstranszendent“ (46) [Zweite Motivationsreihe:] „[daß man in diesem] Wandel der Bezüglichkeiten . . . .eine . . . Notwendigkeit [auzuweisen unternimmt.]“ (47) Marginal comment to this paragraph: Man wird zwar zugeben . . . daß jenes ekstatische Auserhalb irgendwie [first a question mark, and then marginal note begins here] existiert, als etwas, was auch dem Geschichtlichen und Sozialen immer wieder gleichsam den Anstoß gibt, auch daß die Geschichte immer wieder von diesem abfällt, aber man wird deshalb in der Geschichte selbst nicht nur ein allein durch seine Negativität Charakterisierbares sehen, sondern einen Schauplatz, an dem sich auch ein wesentliches Werden abspielt.“ (47) *Note hard to decypher: wesentlich, ---- -------- ! „Er wird unter den Normen, Denkweisen, Orientierungsschemen ein und derselben Zeit wahre und unwahre, echte und unechte unterscheiden. Nicht einem absoluten, ewig gleichen Sein gegenüber versagt hier das ‚falsche Bewußtsein’, sondern einem in stets neuen seelischen Vollzügen sich neugestaltenten Sein gegenüber.“ (50) „Falsch ist demnach im Ethischen ein Bewußtsein, wenn es sich an Normen orientiert, denen entsprechend es auch beim besten Willem auf einer gegebenen Seinsstufe nicht handeln könnte [wenn also] . . . das Fehlhandeln durch eine falsch angelegte moralische Axiomatik begründet [und erzwungen ist.] Falsch ist in der seelischen Selbstauslegung ein Bewußtsein, wenn es durch die eingelebte Sinngebungen . . . neauartiges seelisches Reagieren und neues Meschwerden überhaupt verdeckt und verhindert. Falsch ist ein theoretisches Bewußtsein, wenn es in der ‚weltlichen’ Lebensorientierung in Kategorien denkt, denen entsprechend man sich auf der gegebenen Seinsstufe konsequent sich gar nicht zurechtfinden könnte.“ (51) *[[cit. (and quoted in part) p. 523, n. 23]]* „Falsch und ideologisch ist von hier aus gesehen ein Bewußtsein, daß in seiner Orientierungsart die neue Wirklichkeit nicht eingeholt hat und sie deshalb mit überholten Kategorien eigentlich verdeckt.“ (52-3) **[[cit. 518, fn. 9]]** *[[cit. 523, n. 33]]* „[Im Ideologie- und Utopiegedanken]. . .wird eigentlich letzten Endes die Realität gesucht.“ (54) **[[cit. 515, fn.2]]** *[[page cited, 522-3, but different passage quoted]]* „Die ‚Tatsachen’ konstituieren sich für die Erkenntnis jeweils in einem Denk- und Lebenszusammenhang. Ihrer jeweilige Erfaßbarkeit und Formulierbarkeit impliziert bereits eine Begriffsapparatur.“ (59) „Nur wenn man die Teilhaftigkeit aller Standorte sieht und sie immer wieder herausstellt, ist man zumindest auf dem Wege zur gesuchten Totalität.“ (62) Marginal comment to this paragraph: „Totalität bedeutet Partikularsichten [in sich aufnehmende, diese immer wieder sprengende Intention auf das Ganze, die sich schrittweise [marginal comment here] im natürlichen Prozeß des Erkennens erweitert...“ (63) Comment: Hegel ! nur ohne dessen Optimismus. „[Diese Art der] Situationsorientierung [enthält] . . . die Intention zur Totalität.“ (64) Ist Politik als Wissenschaft Möglich? (Das Problem der Theorie und Praxis) „Denn von der Soziologie aus gesehen kann auf die Dauer das Auftauchen und das Durchdenken eines Problems nicht allein vom Vorhandesein bestimmter großen Individuen und Begabungen abhängig gemacht werden, sondern von der Gestalt und Reife eines Problemzusammenhangs, in dem das besondere Problem entsteht.“ (67) NBBB No emphases anywhere in conceptual discussion of „das Politische“ –over twenty pages without any markings „[Bei jeder historisch-politischen Leistung kann man feststellen, von wo aus die Dinge gesehen wurden.] Dabei muß Seinsgebundenheit des Denkens nicht unbeding eine Fehlerquelle bedeuten, sondern sie macht im Gegenteil oft erst dem politischen Geschehen gegenüber hellsichtig.“ (87) „W a s i s t a b e r d i e s e R e a l d i a l e k t i k [des geschulten Kommunisten]?. . . Das dialektische Verhältnis zwischen Theorie und Praxis besteht darin, daß zunächst die Theorie –aus einem sozialen Willensimpuls erwachsend – d i e S i t u a t i o n k l ä r t. Und indem man in diese so geklärte Situation hinein handelt, verändert sich bereits die Wirklichkeit . . . .[Die Bewegung ist also folgende:] 1. Theorie ist Funtion der Realität, diese Theorie veranlaßt zu bestimmten Handeln, 3. das Handeln verändert die Realität oder zwingt beim Nichtgelingen zur Revision der vorangegangenen Theorie. Die durch Handeln veränderte Real situation läßt eine neue Theorie entstehen.“ (88) [KM cites Lukács on class consciousness] „[in dieser] . . . Verflechtung der dreifachen Problematik, der ökonomischen, der sozialen und der ideologischen, besteht die besondere Intensitität des marxistischen Gedankens.“ (93) Marginal note here: „[Gruppen vorkapitalistischen Ursprungs . . . können schon durch Traditionen oder] gemeinsam tradierte Gefühlsgehalte zusammengehalten werden. Die Theoretisierung hat dort nur eine völlig sekundäre Funktion. Bei Gruppen dagegen, die primär nicht durch Lebensgemeinschaften zusammengeschweißt sind, sondern aus einer verwandten Strukturlage sich konstituieren, kann nur ein stark theoresierendes Element den Zusammenhang gewährleisten.“ (94) *Note: Also <Klassenkampf?>: Ideol.[ogie] erst aus d[en] Klassikern verstehbar und erst da <verfremdet?> {Handwriting uncertain: G. Stern is possible author} *[[cit. 529, 44]]* No annotations for sections dealing with most non-Marxist ideologies, and only a single light marginal line in the long Fascism discussion. Eighteen pages. „Das geschichtliche Geschehen erscheint als ein Prozeß nur so lange, als die beobachtende Klasse von diesem noch etwas zu erwarten hat. Nur aus diesen Erwartungen entstehen ‚Utopien’ einerseits und ‚Prozeß’-Konzeptionen andererseits. Das Emporkommen zerschlägt aber das utopische Element und drängt immer mehr die à-la-longue-Aspekte in den Hintergrund, um die geistig-seelischen Kräfte den unmittelbaren Aufgaben der Verwirklichung zuwenden zu önnen. Daraus folgt aber, daß strukturell an Stelle eines Gesamtgebildes, das früher an Tendenzen und Totalstrukturen orientiert war, ein Weltbild tritt, das nur Unmittelbarkeiten, eine Reihe von Faktizitäten kennt: die Lehre vom Prozeß, von der struturellen Durchleuchtbarkeit der Geschichte wird numehr zum bloßen ‚Mythus’.“ (112) No annotations during presentation of political sociology as non-particularistic knowledge Wie soll man sich den sozialen und politischen T r ä g e r der jeweiligen Synthese vorstellen? (121) [„eine politische Haltung, die eine progressive Weiterbildung der Geschichte in der Weise fördert, daß in ihr möglichst viel von den akkumulierten Kulturgütern und sozialen Energien erhalten bleibt; zugleich muß sich aber der neue Status in voller Breite und um so organischer durchsetzen und seine umbildende Kraft zur Geltung bringen können.] Diese Haltung erfordert ein eigentümliches Wachsein dem historischen Jetzt gegenüber. Das räumliche ‚hic’ und das zeitliche ‚nunc’ im historischen und sozialen Sinne müssen stets gegenwärtig sein, und man muß von Fall zu Fall wissen was nicht mehr nötig und was noch nicht möglich ist. Eine solche stets experimentierende, eine soziale Sensibilität in sich entwickelnde, a u f d i e D y n a m i k u n d G a n z h e i t a u s g e r i c h t e t e H a l t u n g wird aber nicht in eine in der Mitte gelagerte Klasse, sondern nur eine relativ klassenlose, nicht allzu fest gelagerte Schicht im sozialen Raume aufbringen. Betrachtet man daraufhin die Geschichte, so wird man auch hier eine ziemlich prägnante Einsicht erhalten.“ (123) **[[cit. 520: fn. 21] „vereinheitlichendes soziologisches Band zwischen den Intellektuellengruppen: eben die Bildung. (124) „Man kann es eben als eine der eindrücklichsten Tatsachen des modernen Lebens festhalten, daß in ihm das Geistige nicht (wie in den meisten vorangehenden Kulturen) von einem sozial streng gebundenen Stande (von der Priesterkaste etwa) getragen wird, sondern von einer sozial weitgehend freischwebenden Schicht, die der Tendenz nach sich aus einer stets sich erweiternden sozialen Basis erneuert. Diese soziale Tatsache bestimmt im wesentlichen die Eigenart moderner Geistigkeit“ (125) „weil für sie, und nur für sie, die Wahlmöglichkeit bestand, während klassenmäßig eindeutig bestimmte Individuen nur im Ausnahmefällen über ihre soziale Bindung hinaus zu handel imstande sind.“ (127) marginal note here „daß die häufig erfahrbare ‚Gesinnungslosigkeit’ der Intelligenz nur die Kehrseite der Tatsache ist, daß nur sie wirklich Gesinnung haben könnte. Historisch gesehen, experimentiert eben auch in den Verfehlungen die Geschichte, die den Geist in unserer Gesellschaft zu einer Heimatlosigkeit verurteilt hat. (128) *Note: Daher erst soziologisch zu Recht möglich, aber <unsinnig?> wo das nicht der Fall ist, also in Griechenland, Mittelalter, etc. Vgl. <M[ax] W[eber]?> Entstehen <dieser Herrschaft> im Kapitalismus-- einer religiösen Utopie **[[cit. 520: fn. 20]]* *[[cit. 522, n. 30]]* *[[cit. 528, n. 43] „Und der z w e i t e W e g besteht in nichts anderem, als in der k o n k r e t e n B e w u ß t m a c h u n g d e r e i g e n e n s o z i a l e n P os i t i o n und der daraus entstehenden Mission.“ (129) „[Der Umstand aber, daß Politik als Wissenschaft . . . unserer Wissenschaftskonzeption widerspricht, kann nicht zuungunsten der Politik] ausgelegt werden, sondern es muß vielmehr als Ansporn dazu dienen, unsere gesamte Wissenschaftsauffassung zu revidieren. Denn auch ein nur flüchtiger Blick auf unsere Wissenschaftskonzeption und auf den Wissenschaftsbetrieb zeigt, daß man in keinem Gebiet gerade mit jenen Wissenschaften in der Theorie fertig geworden ist, die irgendwie auf die Praxis ausgerichtet sind. Es gibt genau so wenig eine Pädagogik in adäquater Weise, wie es eine wirkliche wissenschaftliche Politik gibt. Denn damit ist sicher nichts gewonnen, daß man, nachdem man it den wesentlichsten Problemen dieser Wissenszweige nicht fertig werden kann, das eigentlich Pädagogische und Politische als ‚Kunst’ als ‚intuitive Fertigkeit’ abtut und damit aus dem verpflichtenden Problemkreis entfernt.“ (135) „Daraus folgt, daß unser Wissenschaftsbegriff viel enger als der Bereich der tatsächlich vorhandenen Wissensarten ist und daß das mögliche und mitteilbare Wissen keineswegs dort aufhört, wo das Feld unserer heutigen Wissenschaften abschließt.“ (135) „Es mußte also immer sichtbarer werden, daß auch der ‚ganze Mensch’ dort ein Wissen hat, wo der theoretische—scil. Der modern intellektualistisch-theoretische Mensch aufhört zu wissen.“ (137) „[E]s ist leicht möglich, daß es Wahrheiten, richtige E i n s i c h t e n g i b t , d i e n ur einer persönlichen Disposition oder einer bestimmten Art von Gemeinschaft oder bestimmt gerichteten W i l l e n s i m p u l s e n z u g ä n g l i c h s i n d . “ (138) *[[cit. (and quoted) 521]]* „Hier hatte man das Gefühl, eine Plattform gefunden zu haben, an der jeder Mensch als Mensch teil hat, und man trachtete genau so danach, einen zeit- und rasselosen homo oeconomicus, einen homo politicus, etc. Auf Grund einer axciomatischer Eigenschaften zu konstruieren. . . . Alles andere war die schlechte Mannigfaltigkeit des Wirklichen, um die sich die ‚reine’ Theorie nicht zu bekümmern hat. Die zentrale Sorge dieses Denkstils war also, eine gereinigte Plattform des allgemeingültig erkennbaren und mitteilbaren Wissens zu schaffen.“ (139) „daß aber Weltanschauung nicht unbedingt eine Fehlerquelle, sonder umgekehrt geradezu eine Chance ist, zu bestimmten Wissensgebieten den Zugang zu gewinnen.“ (140) „Es spielt sich hier beim Menschen ein dynamischer Prozeß ab, die Eigenschaften werden erst im Handeln und im Sich-Auseinandersetzen mit der Welt. Auch unsere Selbsterkenntnis klärt sich nicht in einer kontemplativen Selbstbetrachtung, sondern erst in der Auseinandersetzung mit der Welt, also in einem Prozeß, in dem wir auch für uns selbst erst werden.“ (141) *[[cit. 522, n. 29]]* „[Im Gebiet der Politik] muß man Willensimpuls, Wertung und Weltanschauung nicht vom Denkergebnis loslösen, sondern dieses in seiner ursprünglichen Verflochtenheit belassen oder, wenn es sich von hier schon abgelöst hat, diese Rückverankerung von neuem vollziehen. Dies tut aber die Soziologie als Wissen vom politischen Felde. (143) Die hauptsächliche Unterscheidung besteht darin, daß der Wissenschaftler überall eine s c h e m a t i s c h o r d n e n d e Tendenz an die Dinge heranbringt, der Praktiker—in unserem Falle der Politiker—aber von einem a k t i v o r i e n t i e r e n d e n Bestreben geleitet wird. (146) NB that there is no highlighting at 150n1, where KM cites „Sein und Zeit“ as one of the „phenomenological“ writings that contribute to the recognition of plural Wissensformen. „Eine richtige Situationsanalyse eines Denkstils müßte das Maß seiner Geltung bestimmen können.“ (156n1) „Es ist nicht ausgeschlossen, eher wahrscheinlich, daß es auch [Gebiete im politischhistorischen Wissen, die eine autonome Regelhaftigkeit enthalten] gibt; ihr ‚wertfreier’, ‚überhistorischer’, und ‚übersozialer’ Charakter wird aber erst dann radikal gewährleistet sein, wenn wir auch die Axiomatik, den Kategorienapparat, mit dem wir hierbei arbeiten, auf dieses weltanschauliche Verankertsein hin analysieren.“ (163) *[[page cited at 524, n. 38, but concept quoted not highlighted here]]* „[Es ist ja nichts selbstverständlicher, als daß gerade jene Denkformen, in denen wir selbst denken, für uns am allerwenigsten sich in ihrer Partikularität enthüllen, und daß nur der sich weiterentfaltende historisch-soziale Strom die Distanz schafft, aus der heraus die etwaige Partikularität sichtbar wird.“ (163) „Da wir aber nicht im Stadium der Erlösung und Außergeschichtlichkeit leben, ist unser Problem nicht, wie man mit einem Wissen, daß im Elemente einer ‚Wahrheit an sich’ konstituiert ist umzugehen hat, sondern wie der Mensch in seinem zeitlich standortsgebundenen Wissen mit den Erkenntnisaufgaben fertig wird.“ (164) „die Entscheidung zur dynamischen Mitte“ (165) „Denn darin scheint doch das Allereigentümlichste politischen Wissens zu liegen, daß durch ein Mehr-Wissen die Entscheidung nicht aufgehoben wird, sondern sich nur immer weiter zurückschiebt, was aber in diesem Rückzug erobert wird, als Erweiterung des Blickfeldes, als erobertes Wissen bestehen bleibt.“ (165) *[[cit. 524, n. 39]]* „Ob am Ende einer solchen [steten Reflexiwerden früher unbeherrschter Faktoren und das immer mehr nach rückwarts Verschieben der Entscheidung] eine völlig rationalisierte Welt steht, wo Irrationales und Entscheidung überhaupt nicht mehr bestehen können, oder ob damit nur die soziale Determination aufhört, kann hier nicht erörtert werden“ (166) „Im Geschichtlichen spiegelt sich dies darin wider, daß der Mensch anfangs das SozialWeltliche genau so als Schicksal, d.h., als unbeherrschbar erlebt, wie wir wohl auch immer die naturhaften Grenztatsachen (das Faktum des Geborenwerdens und des Todes) erleben werden. Zu dieser Art des Welterlebens gehört eine Ethik, die man ‚Schicksalsethik’nennen könnte.“ (167) *[[cit. 522, n. 28]]* Das Utopische Bewusstsein „Utopisch ist ein Bewußtsein, das sich mit dem es umgebenden ‚Sein’ n i c h t in Deckung befindet. (169) Marginal note: „vgl. S. 52“ **[[cit. 318, fn. 9, with comparison of same two passages]]** *[[page but different passage cit. 523, n. 35]]* „Jede historische Seinsstufe war stets umwoben von Vorstellungen, die dieses Sein transzendierten, sie wirkten aber nicht als Utopien, vielmehr als zu dieser Seinsstufe gehörenden Ideologien, solange sie in das zu ihr gehörende Weltbild ,organisch’ (d.h. ohne umwälzende Wirksamkeit) eingebaut waren.“ (170) **[[cit. 519-20: fn. 18-19]]** „’Sein’ ist vom Soziologen aus gesehen nur erfaßbar als eine ,k o n k r e t geltende’, das will hier besagen—als eine sich ausw i r k e n d e und in diesem Sinne als w i r k l i c h bestimmbare Lebensordung.“ (171) „Jede konkrete ‚sich auswirkende Lebensordnung’ ist zunächst am klarsten erfaßbar und charkterisierbar durch die ihr zugrunde liegende besondere Art des wirtschaftlichmachtmäßigen Gefüges;“ (171) *[[cit. 521, n. 24]]* Marginal note: „fraglich!“ „Den seinskongruent adäquaten Vorstellungen gegenüber gibt es die beiden großen Gruppen seinstranszendenter Vorstellungen: die der Ideologien und die der Utopien.“ (172) Marking in ink. „[Das] ,Abfallen’ des ideologiebestimmten Handelns vom vorgestellten Gehalte kann mehrer Formen haben. . . . Als erster Typus muß jener Fall gelten, wo das vorstellende und denkende Subjekt die Inkongruenz seiner Vorstellungen mit der Wirklichkeit deshalb nicht entdecken kann, weil die Gesamtaxiomatik seines historisch und sozial bedingten Denken so gelagert ist, daß die Inkongruenz prinzipiell nicht sichtbar werden kann. Als zweiter Typus könnte . . .das cant-Bewußtstein gelten. . . . Als letzter Typus hat aber das auf bewußte Vortäuschung basierte ideologische Bewußtsein zu gelten, wo Ideologie im Sinne der bewußten Lüge zu interpretieren ist,“ (173) „So ist die Bestimmung dessen, was in concreto, im gegebenen Falle als Ideologie und Utopie anzusprechen sei, unglaublich schwierig.“ (174) „Wir wollen im folgenden, sooft wir schlechtweg von Utopie reden, stets die bloß relative, d.h., nur die von einer bestimmten bereits da seinde Stufe als unverwirklichbar erscheinende Utopie meinen.“ (174-5) „ein für die bestehende, geltende Sozialordnung . . . optierender Betrachter [hat] einen . . . unbestimmten und undifferenzierten Begriff des Utopischen.“ (175n1) „Indem man ohne Unterschied alles utopisch nennt, was über das Gegebene hinausragt, vernichtet man die Beunruhigung, die aus dem in anderen Seinsordnungen verwirklichbaren ‚relativ Utopischen’ entstehen könnte.“ (175n1) „für den Anarchisten . . . [ist] eben diese Seinsordnung ein völlig undifferenziertes Element.“ (175n1) „Der Verdienst [dieser Weltsicht und Begriffsbildung] besteht . . . darin, daß sie im Gegensatz zu der die jeweils bestehende Seinsordnung vertretenden (‚konservativen’) Denkweise die Verabsolutierung der jeweiligen Seinsordnung verhindert, indem sie diese nur als eine der möglichen ‚Topien’ betrachtet.“ (176n) „Das Kriterium für Ideologie und Utopie is die Verwirklichung.“ (182) „Wunschräume als Utopien und Wunschzeiten als Chiliasmen“ (184) „die jeweilig spätere Form der Utopie [ist]. . . in ihrem Ansatz an bestimmte historische Stufen und dort auch an bestimmte soziale Schichten gebunden.“ (184) „[Es gehört zu den landläufigsten Mißverständnissen der Soziologie, zu meinen, sie müsse] das Schöpfertum des Individuums leugnen. Ganz im Gegenteil, wo sollte denn das Neue entstehen, wenn nicht in dem neuartigen ‚charismatischen,’ den bestehenden Seinsstatus durchbrechenden Bewußtsein des einzelnen? Was die Sociologie aber stets nachzuweisen hat, ist, daß der Ansatzpunkt des Neuen (sei es auch oft in Gestalt einer Opposition zum Bestehenden) gerade an dem Bestehenden orientiert ist, in dessen Element wurzelt, daß dieses Bestehende selbst aber stets verankert ist in den Kräftrespannungen des Sozialkörpers. Ferner, daß das Neue an der Leistung des ‚charismatrischen’ Individuums sich nur dann für den Strom retten läßt, wenn diese schon im Ansatz seiner Leistung eine Berührung mit irgendeiner Strömung, \von Anfang an eine sinngenetische Verwurzelung in den treibenden Tendenzen der Kollektivwollungen hat. (185) „Das wesentlichste Formierungsprinzips eines konkreten Bewußtseins ist stets in dessen utopischer Schicht zu finden.“ (188) das wichtigste Symptom für die jeweilige Organisation der Struktur eines Bewußtseins [ist] diese in ihm inhärierende Form des historischen Zeiterlebens. (188) „von diesen Zinnzielen. . . [aus, gliedert es] . . .auch die vergangene Zeit.“ (189) „Das in bloß chronologischer Kumulation sich zunächst bietende Geschehen gestaltet sich von hier aus erst zum Schicksal; Fakta distanzieren sich. (189) „Daß in diesem Zusammenhang, das historische Zeiterleben transzendental-subjektiv formuliert ist, will nicht besagen, daß ihm objektiv-ontisch nichts entspricht. Nur besteht in unserem Zusammenhang keine Gelegenheit, die Frage in objektiv-ontologischem Sinne zu stellen.“ (189n1) „Konstruktiv sind die reinen Typen und Stufen des utopischen Bewußtseins nur insofern, als sie als Idealtypen [^ marginal note begins here] gemeint sind. Kein einzelner Mensch war je reine Verwirklichung irgendeines der aufgezählenden historisch-sozialen Bewußtseinstypen, vielmehr wirkten in in jedem einzelnen konkreten Menschen—oft mit anderen Typen vermischt—bestimmte Elemente einer bestimmten Art von Bewußtseinsstruktur. Als methodisch und nicht als erkenntnistheoretisch oder metaphysisch gemeinte Konstruktionen sind die her aufzuzeichnenden, im historisch-sozialen Stufenbau dargestellten Idealtypen utopisches Bewußtseins zu verstehen. Nie entsprach das konkrete Bewußtsein eines einzelnen Menschen in voller Reinheit den zu schildernden Idealtypen und deren strukturellen Zusammenhängen, aber stets tendierte in seiner Konkretheit jeweils gewesenes individuelles Bewußtsein (trotz allen vorhandenen „Mischungen“) in der Richtung des strukturellen Aufbaus eines dieser historisch wandelbaren Typen.“ (190) Note: Idealtyp <verflachte> <Ähnlichkeit> mit Bew<ußtsein> [der] Int<elligenz?> das auch von dem konkreten Durcheinander des Vorhandenen auf „bestimmte Elemente“ reduziert. Aber diese <bestimmten?/historischen?> Elemente werden gerade in der Reduktion verfälscht da sie abstrakt werden. Methode ändert an der Abstraktheit nichts. Fraglich das heuristische Prinzip in den <Geisteswissenschaften?> überhaupt. Das <Ineinandersein?> wird erst nach der Abstraktion feststellbar. „Die Konstruktionen dienen im Sinne der Max Weberschen Idealtyps allein zur Bewältigung gewesener und vorhandenen Mannigfaltigkeit [marginal note: s. S. 190] und beabsichtigen in unserem Falle noch außerdem, nicht nur psychologische Tatsächlichkeiten, sondern in ihren historisch sich entfaltende und auswirkende „Strukturen“ in ihrer Reinheit zu erfassen.“ (191) Note: Diese im Idealtypus herausabstrahierten „Strukturen“ sind dann jeweils, d.h. im Prinzip auf den gerade aktuellen historischen Verlauf doch <........> *[[cit. 528, 42]]* I. Die erste Gestalt des utopischen Bewußtseins: Der orgiastische Chiliasmus der Wiedertäufer. „Der entscheidende Punkt in der neuzeitlichen Entwicklung war ... der Augenblick, wo das „Chiliastische“ mit dem aktiven Wollen unterdrückten Schichten ein Bündnis schloß. Note: also eventuell erst von diesen Punkt ab soziologisch möglich. <?> bindet der Geist sich an bestimmte <Schichten> der Gesellschaft und zwar bewusst [Footnote to preceding sentence:] “….. auch die Tatsache ist ohne weiteres zuzugeben, daß Münzer aus religiösen Motiven sozial umwälzend wurde. Der Soziologe muß aber gerade diese Bewegung besonders hervorheben, weil in ihr Chiliasmus und soziale Revolution strukturell verbunden sind.“ (191n1) Note: was aber bringt das ?!!! Das utopische Bild erweckt das Gegenbild, der chiliastische Optimismus der Revolutionäre gebar letzten Endes das konservative Resignationserlebnis und verlieh dem politischen Realismus später endgültige Gestalt. (193) Aber nicht nur für das Politische war dieser Augenlick entscheidend sondern auch für jene Seelenregungen, die hier mit dem Handeln ein Bündnis schlossen und auf ihre freischwebende Art verzichteten. (193) Denn in keiner Sphäre des Seins besteht die Erfahrung so zu Recht wie [beim Chiliastischen], daß das Geformte, der Ausdruck die Tendenz hat, sich vom Ursprung abzuheben und eigene Wege zu gehen; liegt doch gerade das Wesentlichste am Phänomen selbst darin, von den Bildern, Taten, Gleichnissen und Kategorien abzufallen. (194) Mit ideengeschichtlicher Methode arbeitend verfolgt man allzu leicht an Stelle der Geschichte der chiliastischen Substanz die Geschichte ihrer leer gewordenen Gehäuse, die Geschichte der bloß chiliastischen Ideen. (195) Note: ! Für das absolute Erleben der Chiliasten wird das Gegenwärtige zur Einbruchstelle, wo das, was früher innerlich war, nach außen schlägt und die Außenwelt plötzlich mit einem Schlage verändert ergreift. (195) Was der Chiliast erwartet, ist diese Vereinigung mit dem Jetzt; deshalb füllen nicht optimistische Zukunfthoffnung und romatische Erinnerung seine alltäglische Zeit aus, sondern es handelt sich hier um ein Harren, um ein Auf-dem-Sprung-Sein, weshalb sich auch die sonstige Zeit für ihn nicht differenziert. (197) [Footnote] Wie später zu zeigen sein wird, lebt u. E. In der Moderne im Anarchismus Bakunischer Spielart die chiliastische Einstellung am ehesten weiter. (199n1) Note [Gunther Stern]: richtig Nichts ist so geschensjenseitig wie das rational geschlossene System, nichts birgt unter Umständen mehr irrationale Wucht als das völlig in seine eigene Welt gebannte Gedankengebilde. (200) Marginal line in uniquely red, with cross hatches at top and bottom. High probability that marking is by Gunther Stern. II. Die zweite Gestalt des utopischen Bewußtseins: Die liberal-humanitäre Idee In ihrer adäquaten Form stellt auch [die liberal-humanitäre Utopie] der „schlechten“ Wirklichkeit ein „richtiges“ rationales Gegenbild gegenüber. Sie gebraucht aber dieses Gegebild nicht, um von hier aus zu jedem beliebigen Zeitpunkte den Durchbruch in die Welt zu sichern, sondern nur um einen „M a ß s t a b“ zu haben, mit dem man dem Geschehenden eher abwägend engegentritt. Die Utopie des liberal-humanitären Bewußtseins ist die „Idee“. (201) Corrects „Chairos“ to „Kairos“ Die chiliastische, sofort im jeweiligen Nu durch Einbruch in die Geschichte zu vollziehende Sinnerfüllung bekommt hier einen Ort in diesem Geschichtsprozeß selbst. Nur eines leistet das chiliastisch-absolute Jetzt-Erleben, das eine jede Möglichkeit des Entwicklungserlebnisses verdrängt: eine qualitative D i f f e r e n z i e r u n g der Zeit. (208) Es gibt hier sinnerfüllte und sinnentleerte Zeiten; hierin liegt ein wichtiger Ansatz zur geschichtsphilosophischen Diffenzierung des historischen Geschehens. (208) Das normativ-liberale Bewußtsein enthält auch diese qualitative Diffenzierung des historischen Geschehens und verachtet ferner jedes historisch Gewordene und das Jetzt als schlechte Wirklichkeit. Es verschiebt nur die volle Sinerfüllung in die ferne Zukunft und läßt sie zugleich . . .aus dem hier und jetzt Werdenden, aus dem Alltäglichen entstehen. (208) Die tiefste treibende Kraft der liberalen Aufklärungsideen lag aber ....noch darin, daß sie stets ... ein Unbedingtheitserlebnis wach hielten. (212) III. Die dritte Gestalt des utopischen Bewußtseins: Die konservative Idee Angstachelt und angeregt durch die oppositionellen Theorien, entdeckt das konservative Bewußtsein erst nachträglich seine Idee. (213) Es ist eben kein Zufall, daß, ....für den konservativen Hegel die Idee einer historischen Wirklichkeit erst nachträglich, wenn die Welt bereits innerlich fertig geworden ist, zur Sichtbarkeit gelangt. (214) Nun ist es interessant zu beobachten, wie ... die Entdeckung der konservativen Idee Aufgabe der sich den Konservativen anschließenden Ideologen wird. (215) Wir haben bei der liberalen Utopie ...bereits ein relatives Näherrücken an das „hic et nunc“ beobachten können. Hier beim Konservativen ist dieser Prozeß des Näherrückens bereits vollendet, die U t o p i e i s t i n d a s S e i n b e r e i t s v o n v o r n h e r e i n v e r s e n k t. (216) Wurde [beim Liberalen] das S o l l e n emphatisch erlebt, so verschiebt sich beim Konservativen die Emphase zugunsten des S e i n s. (218) Vollends im Gegensatz zum Liberalismus steht bei dieser Erlebnis- und Denkweise d i e A r t d e r Z e i b e w e r t u n g. War dem Liberalen die Zukunft alles, die Vergangenheit nichts, so findet das konservative Zeiterleben, die wichtigste Bestätitgung des Bedingtheiterlenisses in der Entdeckung der Bedeutung der Vergangenheit, in der Entdeckung der Werte zeugenden Zeit. . . . Die D a u e r. . .das Gegenwärtigsein alles Vergangenen wird hier zum Erlebnis. (219) Nicht nur Zeitstrecke ist nunmehr die historische Zeit, nicht etwa wird zu dem Gegenwart-Zukunftsabschnitt der andere Vergangenheit-Jetztabschnitt einfach hinzugefügt, sondern das v i r t u e l l e P r ä s e n t s e i n d e r V e r g a n g e n h e i t verleiht dem Zeiterleben eine imaginäre Dreidimensionalität. (219) Einen weiteren, von den erwähnten abweichenden Weg schlägt [das Chiliasmus] ein, wenn es durch Verinnerlichung seine außerhalb der Zeit stehende ekstatische Tendenz bewahrt, den Durchbruch in die Welt nicht mehr wagt und den Kontakt mit dem weltlichen Geschehen verliert. ... [z. B.,] die pietistische Unterströmung [in Deutschland]. (221) IV. Die vierte Gestalt des utopischen Bewußtseins: Die sozialistischkommunistische Utopie. Was früher nur als schlechter Widerstand erlebt wurde—die „materiellen Bedingungen“ --, wird hier im Sinne eines zum Materialismus uminterpretiertem Ökonomismus zum bewegenden Prinzip im Weltgeschehen hypostasiert. (227) Ein eigentümilches Eiverleiben des konservativen B e d i n g t h e i t s b e w u ß t s e i n s in die progressive, die Welt verändern wollende Utopie. Im sozialistischen Bewußtsein handelt es sich um eine die liberale Idee weit überholende prinzipielle Herabsenkung der Utopie in die Wirklichkeit. (230) Auch hierdurch diffenziert sich das h i s t o r i s c h e Z e i t e r l e b e n : Was beim Liberalen nur pfeilgerade Zielstrebigkeit war, die zukünftige Zeit, distanziert sich, man unterscheidet (wofür es bei Condorcet bereits Ansätze gab) sowohl vital als im Denken und Handeln, Nah und Fern. Eine solche Differenzierung hat der Konservative bereits für die Vergangenheit. (230) Allerdings wird dadurch der Spielraum der freien Entscheidung immer enger, immer mehr Determinanten werden entdeckt, denn nunmehr ist niocht nur die Vergangenheit bestimmend, auch die wirtschaftlich soziale Lage bedingt das mögliche Geschehen. (232) Aus der Erforschung der gesellschaftlichen Geschichtsbedingungen wird Soziologie, diese wieder wird immer mehr zur Zentralwissenschaft. (233) *[[cit. 524, n. 37]]* Je breitere Schichten in die konkrete Seinsbeherrschung hineinwachsen und je größer die Chance für einen in Evolution erringbaren Sieg ist, um so mehr gehen diese Schichten den vom Konservatismus vorgezeichneten Weg. Das bedingt aber eine in mehreren Richtungen sich auswirkende Aufsaugung der Utopie. (234) Man hält dem Gegner nicht so sehr das Falsche an seiner Gottheit entgegen, sondern man zerstört die sozial-vitale Intensität seiner Idee von der Basis des Aufweisens ihrer historischen und ihrer sozialen Bedingtheit. (236) Die Soziologie arrivierender Schichten transformiert sich in einer eigentümlichen Richtung. In ihr—genau wie in unserer gegenwärtigen alltäglichen Weltansicht— kämpfen die in mögliche Gesichtspunkte“ transformierende Reste gewesener Utopien. Hierbei ist das Eigentümliche, daß in diesm Konkurrenzkampfe um die richtige soziale Sicht alle sich kämpfenden Aspekte und Gesichtspunkte sich keineswegs „blamieren“, d.h. sich keineswegs als nichtig und falsch erweisen, sondern es zeigt sich vielmehr immer deutlicher, daß man von jedem Standorte aus mit dem Grade nach verschiedener, aber dennoch stets vorhandener Fruchtbarkeit denken kann. Jeder dieser Standorte macht nämlich in einem jeweils anderen Querschnitt Zusammenhänge im Gesamtgeschehn sichtbar, und die Vermutung wird immer wahrscheinlicher, daß der Geschichtsprozeß stets etwas Umfassenderes ist als alle vorhandenen Standorte und daß die Denkbasis in ihrer gegenwärtigen Zersplitterung der gegenwärtigen Erfahrbarkeit nicht gewachsen ist. (238) Dieser Prozeß der völligen Destruktion aller spirituellen Elemente, des Utopischen und des Ideologischen zugleich, findet seine Parallele in unseren neuesten Lebensformen. (242) Muß denn das Verschwinden des Humanitären aus der Kunst, die in Erotik und Baukunst durchbrechende „Sachlichkeit“, das Hervorbrechen der Triebstrukturen im Sport [^marginal note placed here] nicht als ein Symptom gewertet werden für den immer weiteren Rückzug des Utopischen und Ideologischen aus dem Bewußtsein der in die Gegenwart hineinwachsenden Schichten? Muß nicht die—der Tendenz nach zumindest erstrebte—allmähliche Reduktion des Politischen auf Ökonomie, das bewußte Verneinen der Vergangenheit und der historischen Zeit, das bewußte Beiseiteschieben eines jeden „Kulturideals“ als ein Verschwinden des Utopischen in jedweder Gestalt auch aus dem politischen Aktionszentrum gedeutet werden? (242) Note: Nein Vielleicht ist für eine fertig gewordene Welt (auf unserer Stufe des Selbstbewußtseins) dies die einzige Form des wahrhaften Bestehens. Vielleicht ist das Beste was wir im ethischen haben, ein auf „Echtheit“ abgestelltet Sein ...das in das Ethische projizierte Prinzip der Sachlichkeit. (243) Auf der einen Seite stehen die im Sozialismus und Kommunismus noch nicht arrivierten Schichten. (244) Diese immer mehr auf sich selbst zurückgeworfene Geistigkeit flankiert von der anderen Seitre her die soeben charakterisierte, auf eine Spannungslosigkeit hin tendierte Gesamtsituation. (246) Für diese vom Prozeß freigebene Geistigkeit eröffnen sich die vier folgenden Möglichkeiten: Die erste Gruppe der Geistigen . . .wird von jen en gebildet, die noch im Bündnis mit dem radikalen Flügel des sozialistisch-kommunistischen Proletariats stehen. Für sie besteht noch keine Spaltung zwischer geistiger und sozialer Bindung. Die zweite Gruppe ...wird skeptisch und vollzieht in der Wissenschaft im Namen der Echtheit die soeben charakterisierte Ideologiedestruktion. (M. Weber, Pareto) Die dritte Gruppe flüchtet in die Vergangenheit. Die vierte Gruppe vereinsamt und gibt bewußt den historischen Prozeß auf. (246) Denn die Form, in der die Zukunft allein sich gibt, ist die der Möglichkeit, das Soll aber ist die adäquate Wendung zu ihr. Notes: in one margin: !! in the other: <Moralisch<?> (247) Was die Zukunft betrifft, so hängt potentiell alles (weil wir Menschen und nicht Dinge sind), der Wahrscheinlichkeit nach vieles von unserem Willen ab. Für unseren engeren Zusammenhang, aber, der eigentlich im Zeichen einer soziologischen Bewußtseinsgeschichte steht. (249) Für die Zukunft ergibt sich daraus, ... daß aber die völlige Destruktion der Seinstranzendenz in unserer Welt zu einer Sachlichkeit führt, an der der menschliche Wille zugrunde geht. (249) Während der Untergang des Ideologischen nur für bestimmte Schichten eine Krise darstellt und die durch Ideologieenthüllung entstehende Sachlichkeit für die Gesamtheit immer eine Selbstklärung bedeutet, würde das völlige Verschwinden des Utopischen die Gestalt der gesamten Menschwerdung transformieren. Das Verschwinden der Utopie bringt eine statische Sachlichkeit zustande, in der der Mensch selbst zur Sache wird. (249)