Bürgerliche Literatur vor dem Ersten Weltkrieg Die Zeit von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg bildet keine literaturgeschichtliche Einheit. Es gibt unterschiedliche Epochen wie z. B. den Naturalismus, den Symbolismus, den Impressionismus oder den Expressionismus. Heinrich und Thomas Mann sowie Carl Sternheim lassen sich keiner dieser literarischen Bewegungen zuordnen. Gemeinsam ist den drei Autoren eine kritische Sicht der bürgerlichen Gesellschaft. Was wird gelesen? Die Heimatkunst steht für Zivilisationsfeindlichkeit, Antiintellektualismus, Antikapitalismus und verherrlicht den heimatbezogenen, bodenständigen und gesunden Menschen der ländlichen Gesellschaft. Die Heimatkunst verklärt die Provinz, richtet sich gegen die „verkommene Großstadt“ und gegen die moderne Technik. Sie lehnt literarische Strömungen wie den Naturalismus oder die politische Literatur ab. Erfolgreiche Vertreter dieser Literatur sind z. B. Ludwig Ganghofer und Peter Rosegger. Auch Dichter wie Karl May oder Eugenie Marlitt verkaufen Millionenauflagen, ihre Werke vermitteln Illusionen und Identifikationsangebote. Thomas Mann (1875–1955) Die Hauptfiguren der frühen Werke bis 1914 (Königliche Hoheit, Tristan, Der Tod in Venedig, Tonio Kröger) sind allesamt Künstler, die ein gespanntes Verhältnis zur Gesellschaft haben und scheitern. Die Romane und Erzählungen sind unpolitisch, soziale Themen werden kaum berücksichtigt. Thomas Mann beschreibt die bürgerliche Welt, die Welt der Gründerzeit, als Zeit der bürgerlichen „Sicherheit“ und des Friedens. Mit seinem Roman „Buddenbrooks“ (1902) ist er erfolgreich, für ihn bekommt er auch 1929 den Nobelpreis. Vergleiche dazu Stichwort Literatur, S. 305–308. Den Ersten Weltkrieg begrüßt Thomas Mann als Exponent des kriegsbegeisterten deutschen Bürgertums. 1918 wendet er sich in seiner Schrift „Betrachtung eines Unpolitischen“ gegen die Demokratie, die er als „Fortschrittsradikalismus“ bezeichnet. Thomas Mann spricht sich für eine „konservative Revolution“ aus. 1922 votiert er aber überraschend in seiner Rede Von deutscher Republik für die Demokratie. 1933 muss Thomas Mann in die Schweiz und später in die USA emigrieren. Wichtige Werke: „Der Tod in Venedig“ (Novelle, 1912) „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“ (1902), „Der Zauberberg“ (1924), „Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde“ (1947), „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1954); viele Erzählungen, Novellen und Essays. Heinrich Mann (1871–1950) Das Frühwerk Heinrich Manns ist vom „Fin de siècle“ und Tendenzen zum Konservativismus geprägt. Ab 1904 wird er aber zum engagierten politischen Schriftsteller, der sich gegen Militarismus und Chauvinismus wendet. 1933 flieht Heinrich Mann nach Frankreich, 1940 emigriert er in die USA. Wichtige Romane: „Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen“ (1905), „Der Untertan“ (1918; vgl. dazu Stichwort Literatur, S. 308–310) Die Literatur der Weimarer Republik (1918–1933) Die politische und wirtschaftliche Situation Die Weimarer Republik, die erste demokratische Republik auf deutschem Boden, ist von vielen Krisen, Widersprüchen und politischen Kämpfen gekennzeichnet. wirtschaftliche Stabilisierungsphase von 1924 bis 1929, als die „goldenen zwanziger Jahre“ bezeichnet, dauert nur kurz; wird von amerikanischen Krediten finanziert; durch Kündigung der Kredite bricht das wirtschaftliche System zusammen. Viele Menschen, viele politische Parteien glauben nicht an die Weimarer Verfassung. Wichtige Kräfte der Industrie, der Justiz und des Militärs sind anti-republikanisch eingestellt. Auch die demokratischen Parteien empfinden die Weimarer Republik nicht als funktionsfähig. Dem gegenüber steht die neue nationalsozialistische Bewegung, ihr gehört nach eigenem Verständnis und dem großer Bevölkerungskreise die Zukunft. Das politische System der Weimarer Republik ist instabil: von Ende 1923 bis Frühjahr 1930 wechseln sich sieben Regierungen ab. Die letzten Jahre der Weimarer Republik sind von politischem Terror und Mord, von Straßenschlachten zwischen nationalsozialistischen Schlägertrupps und politisch Andersdenkenden geprägt. Die Arbeiterbewegung ist in Sozialdemokraten und Kommunisten aufgespaltet, die untereinander verfeindet sind. Sie können gegen die NSDAP keine gemeinsame Front bilden. Die Reparationszahlungen sind eine zusätzliche Belastung und verschärfen die wirtschaftliche Situation. Politisch benutzen die Nationalsozialisten den Versailler Vertrag als Hauptargument gegen die Weimarer Koalition, die Deutschland in den Untergang treiben würde. Die Massenarbeitslosigkeit radikalisiert die Bevölkerung, verschärft die politischen Gegensätze und erleichtert den Nationalsozialisten den Weg an die Macht. Literarische Öffentlichkeit und Literaturtheorien In einer gesellschaftlich und kulturell unübersichtlichen Situation existieren unterschiedlichste literarische Programme und Richtungen. Literatur wird politisiert und hat Appellcharakter. Kommunistische Schriftsteller sehen die Kunst als „Waffe der Klassen im Klassenkampf“. Dichtung wird zur „Agitationsliteratur“. Eine Sonderstellung nimmt dabei Bertolt Brecht ein, der die politisch-soziale Aufgabe immer in Verbindung mit künstlerischen Anforderungen sieht. Die so genannte völkische Literatur fördert die faschistische Kulturpolitik. Die Literatur des Nationalsozialismus hat ihre Wurzeln in der Weimarer Republik und ist in der 1927 gegründeten „Nationalsozialistischen Gesellschaft für deutsche Kultur“ organisiert. Der Begriff bürgerliche Literatur umfasst konservative und so genannte linksbürgerliche Autoren (Heinrich Mann, Alfred Döblin, Kurt Tucholsky) oder heute bereits zu Klassikern gewordenen (Thomas Mann, Hermann Hesse, Gottfried Benn). Der Zeitroman der Neuen Sachlichkeit Der Zeitroman erlebt seine Blüte gegen Ende der Weimarer Republik und ist prinzipiell nur aus der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation verstehbar. Er gehört in die literarische Bewegung der Neuen Sachlichkeit, die die „objektive“ Wirklichkeit sachlich, fast dokumentarisch und reportagenhaft darstellen will, indem sie die gesellschaftlich-soziale Realität, den Alltag, beschreibt. Ein experimenteller Großstadtroman: Berlin Alexanderplatz Der Held in Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ ist der Arbeiter Franz Biberkopf, der ein hartes Schicksal erleidet und am Ende als Fabrikportier arbeitet. Das wichtigste Strukturmerkmal ist die Montage von Sprache, Form und Erzählgegenständen. Diese neuartige Erzählweise fügt Lieder, Reklame, Formeln, Statistiken, Wettervorhersagen, Fahrpläne und anderes zu einem Mosaik der Wirklichkeit zusammen. Eine Vielfalt der Stile, bei der die Technik des Stream of Conciousness, der innere Monolog, Parodie, Erzählerkommentare, Lieder miteinander vermischt werden, kommt zur Anwendung. Der Kriegsroman der Weimarer Republik Diese Gattung ist epochenspezifisch für die Literatur der Weimarer Republik. 200 Romane über den Ersten Weltkrieg erscheinen. Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ (Vergleiche Stichwort Literatur, S. 321ff.), der den Krieg nicht verherrlicht, löst heftige politische Diskussionen aus (Antikriegsroman). Die Kriegsromane werden meist aus autobiografischer Ich-Perspektive erzählt. Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ schildert in Form von Kriegstagebüchern typische militärische Aktionen wie Stoßtrupps, Patrouillen und der Stellungskrieg. Jüngers Interpretation des Krieges, seine Funktion für die Soldaten sind streckenweise kriegsverherrlichend. Seine Nähe zu den Nationalsozialisten und seine elitäre Einstellung führen 1982 bei der Verleihung des Goethe-Preises zu Skandalen. Drama und Lyrik Das Drama erfährt durch die Theatertheorien von Erwin Piscator und Bertolt Brecht und das sozialkritische Theater Ödön von Horvaths eine tief greifende Veränderung. Zeitstücke lösen die idealistischen Stücke der Expressionisten ab. Themen sind Alltagsverhältnisse wie Inflation, Revolution, Gleichberechtigung der Frau, Kleinbürgertum, politische Kämpfe. Die Zeitstücke wollen den Zuschauer aktivieren, zum Nachdenken und zum politischen Handeln motivieren. Die Vorstellungen der Schriftsteller von Lyrik sind sehr oft von politischen Positionen geprägt. Gottfried Benn sieht allerdings Dichtung als unpolitisch an. Erich Kästner (Vergleiche S.326!) und Kurt Tucholsky (Vergleiche S. 327f.!) verfassen gesellschaftskritische Lyrik. Sie wenden sich gegen Militarismus, gegen den aufkommenden Faschismus und die zensurierende Weimarer Justiz, sind aber parteipolitisch nicht festgelegt. Hugo von Hofmannsthal, Stefan George und Rainer Maria Rilke sehen Lyrik als ein artistisches Ereignis an. Österreichische Literatur zwischen 1918 und 1938 Politisches, soziales und wirtschaftliches Umfeld 1918 entstehen aus dem Vielvölkerstaat der österreichisch-ungarischen Monarchie mehrere Nachfolgestaaten, darunter Deutsch-Österreich, das den Anschluss an Deutschland erreichen will. Von 1918 bis 1922 kommt es zu einer großen Inflation. Die Folge davon ist eine Verelendung großer Teile der österreichischen Bevölkerung. Die totale Entwertung der Staatspapiere (etwa der Kriegsanleihen) führt zur Verarmung des Mittelstandes, der späteren potentiellen Wählerschaft der Nationalsozialisten. Zwischen 1918 und 1938 stellt die Arbeitslosigkeit eines Großteils der Bevölkerung das größte gesellschaftliche Problem dar. Eine politische Radikalisierung der Menschen ist die Folge. In Österreich herrscht ein latenter Bürgerkrieg; es gibt drei bewaffnete Wehrverbände: die Frontkämpfervereinigung, den Republikanischen Schutzbund und die Heimwehr. 1927 erreichen die Unruhen ihren ersten Höhepunkt. Im Februar 1934 kommt es zum Bürgerkrieg, den die Sozialdemokraten verlieren. Der autoritäre Ständestaat des Austrofaschismus wird gegründet. Am 11. und 12. März 1938 wird Österreich von deutschen Truppen besetzt und an das großdeutsche Reich angeschlossen. Literarische Tendenzen In der Ersten Republik gibt es wenige politische Autoren, aber solche mit radikal ethischem Anspruch, z. B. Karl Kraus, Robert Musil und Hermann Broch. Ab 1927 werden Werke geschrieben, die eine Rückschau auf Österreich-Ungarn bieten: Franz Werfel „Barbara oder die Frömmigkeit“, Joseph Roth „Radetzkymarsch“, Alexander Lernet-Holenia „Die Standarte“ Franz Theodor Csokor „Dritter November 1918“. Der Ständestaat bringt keine eigenständige Literatur hervor. Die Dichtung, die gefördert wird, ist nicht antisemitisch und katholisch orientiert. Mit der faschistischen Literatur gemeinsam hat sie Feindbilder (Stadt, Intellektualismus, Wurzellosigkeit) und Vorbilder (ländliches Leben, Bauerntum, Bodenständigkeit). Deshalb ist der Übergang in den NS-Kulturbetrieb 1938 für viele im Ständestaat geförderte Autoren nicht schwierig. Autoren Hermann Broch beschreibt in seiner Trilogie „Der Schlafwandler“ in 30 Jahren dargestellter Romanwirklichkeit den Zerfall der deutschen bürgerlichen Gesellschaft. Franz Werfel ist beim Publikum äußerst beliebt, seine Kollegen kritisieren seine pathetische und gefühlsgeladene Sprache. Stefan Zweig schreibt Novellen, die psychisch-emotionale Prozesse beschreiben, und viele biografische Essays. Besonders bekannt ist die „Schachnovelle“. Ödon von Horvaths Volksstücke und Romane kritisieren das Kleinbürgertum und dessen Mentalität durch die Sprache, z.B. „Geschichten aus dem Wienerwald“ Jura Soyfer schreibt Gedichte, Lieder und Stücke für Wiener Kleinkunstbühnen, er verwendet Elemente des Volkstheaters und der politischen Satire. Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil und Karl Kraus stellen Autoren dar, die aus der Monarchie in die Republik literarische Kontinuität verkörpern. Karl Kraus gründet 1899 die Zeitschrift „Die Fackel“, die er fast völlig allein schreibt. Sie behandelt hauptsächlich gesellschafts- und pressekritische Themen. Sein Antikriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ ist ein früher Vorläufer des Dokumentarstücks. Es stellt die Gesellschaft des Ersten Weltkriegs mit Techniken der Collage, des Filmschnitts, des Dokumentarismus, der Satire und der Allegorie dar.(Vergleiche Stichwort Literatur, S. 353f.) Zu Robert Musils Lebzeiten findet nur seine Novelle „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“ Anerkennung. Erst nach seinem Tod löst sein Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ eine spektakuläre Rezeption aus. Schauplatz des Romans ist die k.u.k. Monarchie. Auch Elemente der Ersten Republik, des Austrofaschismus, des deutschen Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs werden verarbeitet. Die Figuren verkörpern verschiedene Machtgruppen, Denkweisen, Ideologien oder Weltanschauungen. „Ohne Eigenschaften“ bedeutet, dass die Identifikation mit sich selbst fehlt. Darum versucht der Held Ulrich verschiedene Utopien um in einen Zustand zu kommen, in dem er sich akzeptieren kann. (Vergleiche Stichwort Literatur, S. 355f.) Joseph Roth stammt aus Galizien, das auch den Hintergrund für seine Romane „Radetzkymarsch“ und „Juden auf der Wanderschaft“ bildet. Glossen, Feuilletons und Berichte bestimmen seine literarische Tätigkeit. Er ist politisch linksorientiert. 1933 emigriert Roth nach Paris und arbeitet verstärkt gegen den Nationalsozialismus. Er sieht die Rettung Österreichs vor dem Faschismus in der Wiedereinführung der Habsburgermonarchie. Sein Roman „Radetzkymarsch“ verarbeitet den Anschluss Österreichs. (Vergleiche Stichwort Literatur, S. 357f.) Franz Kafka stammt aus Prag. Diese Stadt prägt sein Leben und Werk. Dort leben drei Gruppierungen nebeneinander: Tschechen, Deutsche und Juden. Die Deutschen sind wohlhabend, die Juden leben im Getto. Kafka hat Anteil an allen drei Gruppierungen, er schreibt Deutsch, ist Jude und umgeben von tschechischem Volkstum. Auf Wunsch des Vaters studiert er Jus, er arbeitet erfolgreich, aber todunglücklich in einer Versicherungsanstalt. Unter dem Zwiespalt zwischen Beruf und Familie einerseits und seiner Berufung als Schriftsteller, die einen dauernden Kampf um die Selbsterhaltung bedeutet, leidet er besonders. Problematisch ist das Verhältnis zu seinem Vater, der sich einen „starken“ Sohn erwartet, ein Bild, dem Kafka nicht entsprechen kann. Auch seine Beziehung zu Frauen gestaltet sich problematisch. Mit 34 erleidet Kafka einen Blutsturz. Die Krankheit stellt sich als Lungentuberkulose heraus, an der er schließlich stirbt. (Vergleiche Stichwort Literatur, S. 359ff.) Wichtige Werke sind die Romane „Der Prozess“, „Das Schloss“ und „Amerika“ und die Erzählungen „Die Verwandlung“ und „Das Urteil“. Ein zentrales Thema von Elias Canettis Roman „Die Blendung“ (1935) ist Sprachkritik und das Nicht-Funktionieren der Kommunikation zwischen den Personen, die monologisieren. Wenn sie miteinander reden, führt das nur zu Missverständnissen. (Vergleiche Stichwort Literatur, S. 362f.) Literatur im deutschen Faschismus 1933–1945 Der Kulturkampf Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden am 10. Mai 1933 an vielen deutschen Universitäten die Bücher von politisch missliebigen und „nicht-arischen“ Autoren verbrannt. Diesen Bücherverbrennungen folgen schwarze Listen „verbrennungswürdiger“ Bücher. In den Kulturinstitutionen besetzen Nationalsozialisten alle wichtigen Positionen. Es kommt zu einer Gleichschaltung des kulturellen Sektors. NS-Institutionen wie z. B. das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda bestimmen die Literaturpolitik, die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer ist Voraussetzung, um publizieren zu können. Das Ziel der nationalsozialistischen Kulturpolitik ist es, Kunst und Literatur für die nationalsozialistische Propaganda einzusetzen. Die nationalsozialistische Literatur Vorläufer und Vorbilder der „Blut-und-Boden-Literatur“ des Dritten Reichs finden sich bereits in der Heimatkunstbewegung des 19. Jahrhunderts. Ein weiterer Vorreiter der NSLiteratur ist die völkisch-konservative Dichtung der Weimarer Republik. Wie die Heimatkunstbewegung verdammen auch die Nationalsozialisten die Stadtkultur und idealisieren im Gegenzug das Landleben, die „Volksgemeinschaft“ wird idealisiert. In dieser „Volksgemeinschaft“ erscheint der Bauer als Grundlage des Staates, er garantiert die „Reinheit des Blutes“. Die NS-Schriftsteller gehen sozialdarwinistisch davon aus, dass das stärkste Volk überlebt. Eine „Krankheit des Volkskörpers“ gilt es zu heilen, um die biologisch „guten Kräfte“ zu retten. Nationalsozialistische Literatur ist Propagandakunst, ihr Ziel ist es auch, die Emotionen der Menschen zu mobilisieren. Sprachlich geschieht das mit Metaphern und Phrasen, mit Schlüsselwörtern wie Volksgemeinschaft, Rasse, Blut, arteigen, artfremd, heroisch, heldisch. Das Drama als Beispiel für faschistische Literatur Im Zentrum des NS-Dramas steht meist der Idealtyp des nationalsozialistischen Helden mit typischen Tugenden wie Willens- und Entschlusskraft, Opferbereitschaft und soldatischem Gehorsam. Frauen spielen selten eine tragende Rolle im NS-Drama. Wenn sie vorkommen, sind sie zarte Frau und/oder Mutter, deren Platz der heimische Herd ist. Die negativen Figuren im Drama sind der ideologische Gegner, der „dunkle Hintergrund“ für den „positiven Helden“. Oft sind es „Rassenfeinde“, Slawen und Juden, „biologisch Minderwertige“; sie besitzen ein ekelhaftes Äußeres, sie werden als Mörder, Plünderer und Feiglinge dargestellt – im Gegensatz zum nationalsozialistischen Helden. Faschistische Prosa Der faschistische Geschichtsroman dient natürlich der Propaganda. Deutsche Geschichte – ver- und gefälscht – erscheint hier als eine Abfolge von heroischen deutschen Herrscher- und Heldengestalten, die sich oft für die deutsche „Volksgemeinschaft“ aufopfern. Neben dem so genannten SA-Roman, einer kurzlebigen Gattung, sind noch der affirmative Kriegsroman (Führerprinzip, Kampf und Opfer) und der Bauernroman weit verbreitet. Die „innere Emigration“ Als „innere Emigranten“ bezeichnen sich Schriftsteller, die nicht emigrierten, aber auch nicht mit dem Regime zusammenarbeiteten. In den Geruch eines illegitimen Rechtfertigungsversuchs kommt die „innere Emigration“ deshalb, weil viele dem System angepasste Schriftsteller versuchten, sich damit nachträglich als eine Art Widerstandskämpfer hoch zu stilisieren. Keine Autoren der „inneren Emigration“ sind Ernst Jünger und Gottfried Benn, obwohl oft dazu erklärt. Zu offensichtlich ist ihre Nähe zum Nationalsozialismus. Literatur des Exils Flucht und Emigration 1933 müssen 2 500 Schriftsteller, tausende Künstler und Akademiker aus politischen und rassischen Gründen flüchten. Vielen missliebigen Kulturschaffenden wird die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Die Flüchtlinge sind keine einheitliche Gruppe, ihre Flucht ist unterschiedlich motiviert. Je nach ideologischer Einstellung bilden sie verschiedene Exilfraktionen. Die Massenflucht erreicht ihren Höhepunkt, als die deutschen Truppen in fast alle der europäischen Emigrationsländer einmarschieren. Da nur wenige europäische Länder als Exil in Frage kommen, flüchten viele nach Nord- und Südamerika oder Shanghai. In den USA sehen sie sich gezwungen, sich in eine völlig neue Kultur einzuleben, die Sprache zu erlernen und damit ihr vorläufiges Exil beenden. Nach 1945 kommen nur manche Exilanten sofort nach Deutschland zurück, ein Großteil bleibt im Ausland. Lesen und Schreiben im Exil Die Emigranten werden nur anfangs freundlich aufgenommen, später machen ihnen die Behörden Schwierigkeiten, besonders jene der Schweiz: es werden Aufenthaltsgenehmigungen, Dokumente, Pässe, Visa, Transitvisa und ähnliche Papiere verlangt. Die Arbeitsbedingungen werden durch die Bürokratie erschwert, oft unmöglich gemacht. In der Schweiz ist die befristete Aufenthaltsgenehmigung an ein politisches und publizistisches Betätigungsverbot gebunden. Zu den rechtlichen Problemen kommen noch finanzielle. Der überwiegende Teil muss an der Grenze zum Existenzminimum leben. Einige wenige können in Exilverlagen und zeitschriften publizieren. Psychisch leiden die Exilanten unter der fremden Lebensumgebung, unter dem Abgeschnittensein von der eigenen Sprache und Kultur und vom gewohnten Leserpublikum. Sie verlieren ihr Publikum, der Absatzmarkt für deutschsprachige Literatur ist klein. Österreichische SchriftstellerInnen im Exil Bereits 1934 emigrieren führende Sozialdemokraten und Kommunisten; das System des Ständestaats vertreibt z. B. Stefan Zweig und Hilde Spiel. Der Anschluss bedeutet für angesehene Literaten Österreichs das Exil: Robert Musil, Franz Werfel, Joseph Roth, Hermann Broch, Alfred Polgar.