ABC-Info = Inhaltsverzeichnis der Broschüre ABC

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ABC-Info = Inhaltsverzeichnis der Broschüre ABC-Texte (Anstelle eines
Programmheftes)
A wie Atmosphäre, Aufwand, AG
B wie Beate Uhse, Bühne
C wie Cadillac, Cascade, Computer
D wie Dachschaden, Double
E wie Erotik
F wie Film
G wie Geld
H wie Hubschrauber
I wie Investition
J wie Jalousie
K wie Kran, Kostüme, Kamera
L wie Licht
M wie Motivsuche
N wie Nachspann
O wie Organisation (Aufnahmeleiter)
P wie Props
Q wie Qual
R wie Rolls Royce, Requisiten
S wie Steadicam, Schnitt
T wie Theaterkunst, Tränen
U wie "Unter Ausschluß der Öffentlichkeit"
V wie Videoschnitt, Vase
W wie Wetter
X wie Xin Hua (Chinarestaurant)
Y wie Yes, YC (Videonorm)
Z wie Zeitungen, Zeit
A wie Aufwand, AG
Das letzte zuerst: AG.
Was soll Schule? Was nutzt Schule? Nun, im günstigsten Falle, denke ich, erstens, sollte
Schule etwas lehren, beibringen, in einem noch günstigeren Falle , zweitens, sollte dieser
Vorgang auch noch Spaß machen, und in dem für den Staat oder sagen wir das Schulamt
allergünstigsten Fall , drittens, sollte Bildung überdies auch völlig umsonst stattfinden. In dem
Fall werden den Schulen gewöhnlich AGs anempfohlen.
Unser Film ist fertig: Das Ergebnis von einem guten Schuljahr Arbeit der Spielfilm AG an
unserer Schule. Diese AG sollte, zumindest in meiner Planung, zwei der genannten drei Ziele
schulischer Arbeit in idealer Weise vereinigen, ich meine das Lernen und den Spaß. Nun,
Frage: Wie sieht es damit aus? Seien Sie sich klar darüber, daß Sie von mir - hier und jetzt nur einen total subjektiven Standpunkt zu hören kriegen werden.
Drei Ziele für diese Ag.
Das Lernen: Ziel Nr. 1 dieser Spielfilm-AG war, das Rezeptions-, also Sehverhalten
zumindest der beteiligten Schüler gegenüber Spielfilmen zu ändern. Diese AG sollte ein
Beitrag sein, den Schülern eine nachhaltige Erfahrung zu verschaffen, die dazu angetan wäre,
sie künftig einem jeden Spielfilm gegenüber, der aus dem Fernsehen oder von der
Kinoleinwand herab auf sie eintrommelt, kritischer, wacher, kenntnisreicher, im Notfall
widerstandsfähiger zu machen. Ein didaktisches Ziel, das in einer Zeit, da die Benutzung von
Büchern zuungunsten von Film (leider) rückläufig ist, durchaus dem ersten und vornehmsten
Paragraphen unseres Schulgesetzes entspricht, die Schüler zur Demokratiefähigkeit zu
erziehen. Dieses Ziel, denke ich in aller Bescheidenheit, war spätestens zu dem Zeitpunkt
erreicht, als eine der beteiligten Schülerinnen zu mir kam und sich beschwerte, daß sie bei
Filmen, die sie sehe, ständig nur noch von Fragen, wie die eine oder andere Szene gemacht
worden sei, geplagt werde. Das raube ihr den Genuß. Ich denke, Silke wird irgendwann sehen
oder hat es schon gesehen, daß sie nichts verloren, dagegen jedoch eine weitere Ebene, Film
zu genießen, dazugewonnen hat.
Der Spaß: Ziel Nr. 2. Wie sieht es aus mit Spaß? Wenn man Julia Roberts in "Pretty
Woman" zuguckt, wie sie im Nerzmantel durch den Hotelempfang schwebt, das macht
zweifellos Spaß. Aber wie sieht es aus mit Spaß, abends um halb zwölf, wenn die Eltern zu
Hause schon langsam unruhig werden, man den Text gerade zum zwölften Mal abspulen muß
und der Schmid immer noch nicht so ganz damit zufrieden ist, wenn man ein schweres
Metallbett die Treppe hochschleppt oder sich fast an einem brühheißen, mehrere hundert Grad
heißen Scheinwerfer verbrennt, wenn man zehn oder zwölf Stunden den Schlauch des
ständigen Umziehens, des ständigen Transports schwerer Stative und Kamerakästen, des
Umstellens von Lampen hinter sich hat - wie sieht's dann aus mit dem Spaß?
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Die beteiligten Schüler haben, immer wieder, Enormes geleistet. Beispiele: Wir drehten nach
der Zeugnisausgabe am letzten Schultag vor den Winterferien bis nachts um eins. Wir drehten
am nächsten, dem ersten Ferientag. Ferientag, das heißt ja wohl normalerweise: Freiheit von
schulischen Veranstaltungen. Wir drehten auch am nächsten Ferientag, dem zweiten, und auch
noch abends um neun, und das, obwohl es Sonntag war. Es wurde unseres Projektes wegen
eine Ferienabreise nach Teneriffa um einen Tag verschoben. Und es war ungeheuer produktiv.
Die Kalenderstatistik, die ich währendder "Dreharbeiten" in der Art eines Leistungs- oder
Grundkursheftes geführt habe, zeigt, daß 11 von den 43 Drehtagen in den Ferien (incl.
Sommerferien) stattfanden, weitere 14 am Wochenende. Und die Schüler machten das klaglos
mit.
Naja, wie dem sei, ich denke, auch das zweite Ziel, der Spaß, muß irgendwie erreicht worden
sein.
Ziel Nr. 3 wäre die "Umsonstheit" einer solchen AG. Die nun, in der Tat, die haben wir nicht
erreicht. Unterm Stichwort "Investition" findet sich mehr hierzu.
Eine AG. Ein Problem: Ein Filmprojekt der Größenordnung wie das vorliegende ist im
Rahmen einer AG eigentlich schlicht nicht leistbar, man vergleiche dazu neben "Investition"
die Stichworte......... Es ist natürlich mehr als bedauerlich, das es so ist. Ganz klar: die Schule
hat mich durch Freistellung an einigen Stunden, Tagen, für Vertretungen, so weit es geht,
zeitlich entlastet, so wie Kollegen für eine Chorreise, für Proben für Darstellendes Spiel oder
anderes entlastet werden. Und da dies nur eine AG war und eben kein Kurs, hat die Schule
(Sprich: Schulleitung) auf diesem Gebiet ganz sicher zum Entstehen des Films beigetragen,
was überhaupt beizutragen war. Die Frage ist, ob das genügt. Die Frage ist, ob es nicht eher
Sache unseres Bildungswesens wäre, Projekte wie das vorliegende zu unterstützen, ja, zu
ermöglichen, und zwar durch bedingte zeitliche Freistellung des Kollegen (ja, nur für eine
AG!) oder gar - man wagt in heutiger Zeit und auf dem Hintergrund der gesamten scheußlich
rückläufigen Entwicklungssituatuon des Bildungssystems schon gar nicht mehr daran zu
denken - etwa in finanzieller Hinsicht.
So bleibt uns - und hier schließt sich der Kreis: deshalb mußten wir im Rahmen des
Möglichen so "profi-like" wie irgend möglich sein - es bleibt uns zum momentanen Zeitpunkt
lediglich die Hoffnung, unser Endprodukt, unseren Film, irgendwie zu "vermarkten"
(widerliches Wort!), um ein weiteres Projekt zu finanzieren, um meine persönlichen
Außenstände für diese Arbeit (siehe "Investition") irgendwie hereinzuholen, wenn möglich,
um auch, das gebe ich zu, für die Tausende von Arbeitsstunden, die von meiner Seite in
diesem Projekt stecken, für die Abende, Nächte, Wochenenden, Ferien, einen Gegenwert zu
sehen. Das Argument, daß es mir doch Spaß gemacht habe (Ja, großen!) darf hier nicht ins
Gegenteil verkehrt werden! Das wäre, als gäbe ich einem Schüler, der ein ausgezeichnetes
Referat gemacht hat, aufgrund der Tatsache, daß er Freude daran gehabt hat, statt der
verdienten "eins" nur eine "drei"!
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B wie Beate Uhse, Bühne
C wie Cadillac, Cascade, Computer
D wie Dachschaden, Double
E wie Erotik
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F wie Film
Ich bin ein Film-freak. Für einen Film gehe ich über Leichen. Weil es meiner Überzeugung
nach einfach nichts besseres gibt, als kreativ zu sein und so etwas wie Kino herzustellen. Und
weil ich halt weiß, daß es eine wahre Sysiphus-Arbeit ist, so einen Film herzustellen, kommt
man, fürchte ich, ohne ein gerüttelt Maß an Verrücktheit gar nicht aus, jedenfalls wenn man
unter Nicht-Profi-Zuständen so etwas wie einen richtigen Film bewerkstelligen will. Und es
ist ganz klar, daß ich meinen Schülern deshalb für dieses Projekt etwas von der Verrücktheit
abgeben mußte, die dieses Thema braucht.
Es gibt Leute, die beschäftigen sich mit Musik, andere, die malen, welche, die fotografieren,
welche die schreiben. Es gibt welche, die beschäftigen sich nur einfach gerne mit anderen
Leuten oder mit ihrem Computer, oder sie handwerkeln oder sehen sich etwas an oder fahren
mit ihrem Auto durch die Landschaft. Und das alles, all das und vieles mehr, das ist im
Filmemachen inbegriffen: Das Beschäftigen mit Literatur, einer Vorlage: das ist das
Drehbuch; dann die Kameraarbeit, die Bildkomposition, das Aussuchen der Musik, der
Schnitt, das Arbeiten mit Schauspielern, mit Menschen, das künstliche Herstellen von
Stimmungen, die gar nicht da sind, mit Stimmungen, die ja eigentlich nur das Ergebnis harter
Arbeit sind; und man guckt sich das Rohmaterial des Tages an und hat sein Erfolgserlebnis all das ist Film. Eine Menge. Und eine Menge mehr.
Filmen ist permanentes Problemlösen: Wo kriegen Sie an einem hellen Nachmittag ein
nächtliches Zimmer mit einem funkelnden Sternenhimmel hinter dem Fenster her, wo Sie
doch genau wissen, daß wirkliche Sterne viel zu dunkel sind, als daß man sie je auf einem
Film sehen könnte? Oder was ist, wenn der Sonnenuntergang zwar wunderschön ist, aber es
keine Kirche gibt, die unbedingt davor stehen muß? Was ist, wenn jemand eine schwere Vase
mit Blumen nach jemand anders schmeißen, seinen Kopf zwar knapp verfehlen, aber die
Wand voll treffen soll und sich Liter von Wasser die Wand herunter und auf den Fußboden
ergießen sollen, - na schön: Sie kaufen antiquarisch eine Vase für 35 Mark und sechzehn rote
Rosen - aber wie machen Sie das, ohne a) den Schüler durch die herumfliegende Vase oder
herumfliegende Splitter zu gefährden oder b) ohne das Zimmer dauerhaft zu ruinieren? Wie
wollen Sie das beim ersten Mal perfekt hinkriegen, wenn Sie nicht probieren können, weil Sie
nur eine Vase haben und vorher gar nicht wissen, wie weiträumig die Vase an der Wand
zerknallen wird.
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Wie gewährleisten Sie die Sicherheit der Schüler, wenn in akrobatischer Weise mit offenem
Feuer hantiert werden muß (siehe auch unter "Z" wie Zeitungen)? Wo kriegen Sie überhaupt
ein komplettes, milieugerecht unaufgeräumtes Büro der sechziger Jahre her, in dem natürlich
kein Computer stehen darf, wo kriegen Sie eine Polizeiwache, Uniformen, Autos etc. her?
Fast schade ist, daß der Filmlaie vielen unserer Bilder gar nicht ansehen wird, unter welch
technisch und organisatorisch ausnehmend schwierigen Umständen sie entstanden sind. Was
tun Sie, wenn die Mädchen in leichten Sommerkleidern spätnachmittags im schrägfallenden
Spätsommerlicht im Zimmer sitzen sollen, fernsehen, aber es ist gerade Dezember und
draußen trüb und regnerisch und fast schon dunkel? Was tun Sie, wenn hinter dem Bett eine
häßliche Zentralheizung ist statt des exotischen Sonnenuntergangsfensters, das Sie sich
vorgestellt haben?
Kurz gesagt, gehen Sie bitte davon aus, daß nichts, nichts, aber auch überhaupt gar nichts in
diesem, unserem Spielfilm so einfach gemacht werden konnte, wie es jetzt aussieht. Ich sehe
uns noch eines Morgens, es war ein Schultag, ein Mittwoch, wo ich die beteiligten Schüler
kurz nach sieben von zu Hause abgeholt hatte, unser aller Fehlen während der ersten zwei
Schulstunden dieses Vormittags war großzügig von der Schule durch Umlegen meines Leistungskurses geregelt, ich sehe uns um acht, und nachdem ich eine Viertelstunde Fußweg entfernt einen Parkplatz für das Auto gefunden hatte, mit unseren 70 kg Kameragepäck zu dritt
durch das düstere Labyrinth der Flure des Personaltraktes der Staatsbibliothek Unter den Linden zu dem mit der Generaldirektion der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Wochen vorher
schriftlich ausgehandelten Drehort buckeln - um neun waren wir im Kartenlesesaal noch
immer mit dem Aufbau der Technik und der Einrichtung der Szene beschäftigt, in 55 Minuten
sollten wir zurück in der Schule sein, Sylvia schrieb Klausur - gar nicht zu schaffen!, und
dann eine hübsche Kuß-Szene drehen sollen; Sehen Sie: das ist Streß.
Eine andere Sache war die, daß wir das gesamte Theater am Schiffbauerdamm, Foyer und
Zuschauerraum, und alles mit der vollen Beleuchtung und den dafür notwendig anwesenden
Bühnentechnikern, ja, das alte Brecht-Theater, für einen Nachmittag "gemietet" hatten. Und es
kostete nichts! Sie waren, wie auch die Leute von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
(besonders Frau Mittenzwei sei hier mit einem herzlichen Dank erwähnt) unglaublich
kooperativ (Herr Nieder als technischer Direktor des Hauses und Herr Sauerbaum als Leiter
der Verwaltung - vorab klärende Telefongespräche von sehr angenehmer Atmosphäre, toll,
wie manches auf Anhieb klappte). Schwierig genug blieb es, einen Termin zu finden zwischen
der Probe von Perter Zadecks neuer Inszenierung und der abendlichen Vorstellung. Um sieben
mußten wir raus sein.
Wir kamen gegen vier dort an, auf dem Wirtschaftshof wurden Theaterkulissen für die
Tournée des Berliner Ensembles verladen, Himmel und Menschen in Form von Bühnenleuten
war da unterwegs, dann die geheimnisvollen Gänge des Bühnenhauses, die Garderoben, die
Beleuchterbühne! Das ganze Theater für uns. Wir konnten uns frei bewegen. Wir bauten
unsere 70 Kilo auf (diesmal Jan, Tamara und ich), für eine weitere Liebesszene, und es wäre
nachgerade un-stressig gewesen, wäre nicht unangemeldet (die brauchen sowas nicht!) ein
typisch arrogantes Team vom ZDF unter Leitung von Frau Carola Wedel eingefallen und hätte
gleichermaßen versucht, Filmaufnahmen durchzuführen (Interview mit Frau May), und so
kam es, daß wir uns mit dem ZDF mit unseren Beleuchtungsaufbauten gegenseitig durch's
Haus hetzten ("Wollen Sie jetzt hier?... Sonst könnten wir zuerst ....?). --In unserer Ausstellung zum Film gibt es einen Gips-Buddha, der so aussieht wie ein BronzeBuddha, den wirft Jacqueline Antoine in einer bedeutenden Filmszene hinterher. Dadurch,
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daß er in der Ausstellung unbeschädigt steht, wird klar: Er ist nicht wirklich geworfen worden
- es ist lediglich eine Trickaufnahme, wie vieles in unserem Film. Er ist extra (antiquarisch)
für diesen Film erworben worden. Sie können ihn kaufen (20.-), wir brauchen ihn nicht mehr wenn Sie mutig genug sind, sich eine solche Scheußlichkeit hinzustellen.
Wir hätten in der Ausstellung auch gern die antiquarisch (für DM 35.) erworbene Vase mit
den 16 roten Rosen gezeigt, die Jacqueline nach Antoine wirft - aber die gibt es nicht mehr:
Die hat Jacqueline tatsächlich geworfen. Das heißt - geworfen hat sie Thomas. Er ist gut in
Handball. Wir mußten gewährleisten, daß der Werfer auch wirklich die winzig kleine
Markierung an der Wand trifft, auf die die Kamera gerichtet war: Bildmitte - und klirr! Und
daß er nicht Jans Kopf mit der Vase trifft, denn Jan steht davor und muß sich blitzschnell
bücken. (Und wie sorgen Sie dafür, daß er keine Splitter abkriegt?) Und wie kriegen Sie ein
Zimmer wieder in Ordnung, in dem soeben etliche Liter gefärbtes (damit man es sieht!)
Wasser die Wand heruntergelaufen ist?
Das Umgehend-Reinigungsteam (vier Mann hoch) stand in Bereitschaft und nahm die Arbeit
auf: 30 sek. nach dem geglückten Wurf.
Sie sehen sich einen Film an. Sie sehen da z. B. eine Szene, wo ein Mann einer Frau, die ihn
übrigens gerade verlassen hat, aus einem Fenster hinterherschaut, Sie sehen ihn von draußen
durchs Fenster hinter der Jalousie stehen. Und Sie sehen, was er sieht, durch die Jalousie: wie
die Frau unten über die Straße geht. Eine einfache Szene, kein Dialog, zwei kurze
Einstellungen. Nichts leichter als das, so etwas für einen Film zu drehen?
Aber was machen Sie, wenn Sie niemanden kennen, der eine solche Jalousie an seinem
Fenster hat und der überdies im Erdgeschoß wohnt, denn obwohl der Mann der Frau
offensichtlich aus einem höher gelegenen Fenster hinterherschaut, muß es in Wirklichkeit
natürlich im Erdgeschoß sein, damit Sie mit der Kamera dicht genug herankommen.
Nun schön, Sie kaufen für 100 Mark eine Jalousie, die Sie provisorisch an einem passenden
Fenster Ihres Hauses, und zwar im Erdgeschoß befestigen und filmen das. So weit so gut.
Was aber machen Sie, wenn nun einerseits unterhalb dieses Fensters, abgesehen einmal
davon, daß es im Erdgeschoß und nicht im ersten Stock liegt, nicht die benötigte
Kopfsteinpflasterstraße vorbeiläuft, über die die Frau jetzt geht, und andererseits draußen in
den neuen Bundesländern zwar die richtige Kopfsteinpflasterstraße ist, die Sie sich ja auch
schon längst ausgeguckt haben, aber an der Stelle sich überhaupt kein Haus befindet, von dem
aus man aus dem ersten oder zweiten Stock hinunter auf die Straße gucken könnte. Da wird,
das werden Sie zugeben, die Sache schon komplizierter und teurer.
In dem Fall mieten Sie nämlich eine fahrbare Hebebühne am Wedding (vergleichsweise
billig), fahren nach Kremmen, und bauen auf der Hebebühne die Kamera und die besagte
provisorische Jalousie auf, durch die Sie, dort oben im Freien stehend, filmen. Ein Schirm
wirft den benötigten Schatten auf die Jalousie, und "draußen", unten geht die Frau über die
sonnige Straße. Und das war's schon: Ein Mann guckt einer Frau hinterher. Aber erzählen Sie
mir nichts mehr von einfachen Aufnahmen ....
Was ist die Faszination von Kino? Für mich zumindest zweierlei. Daß man künstlich
Stimmungen herstellen kann, eigentlich alles herstellen kann, und daß man diese
Stimmungen, die der fertige Film enthält, während der Dreharbeiten ja eigentlich gar nicht
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spürt. Es ist der Unterschied, der Abstand, die Diskrepanz zwischen der harten Arbeit und der
durchaus schönen, aber eben anderen Stimmung am Drehort - und dem fertigen Produkt. Das
ist ein unvergleichlicher Moment. Man hat etwas hergestellt, und eigentlich, irgendwo tief
darin, wundert man sich selber darüber, daß das Ergebnis einer Arbeit derart von der
eigentlichen Arbeit abgehoben scheint. Die Beteiligten, zumindest die großen Rollen, werden
sicher verstehen, was ich meine. Ihnen, den anderen, fürchte ich, bleibt nur eine Hälfte des
Spaßes, die Spitze des Eisbergs: sich den Film anzusehen.
G wie Geld
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H wie Hubschrauber
Lassen wir das Künstlerische zunächst mal beiseite. Nehmen wir einfach kurz an, es muß sein:
Ein Hubschrauber für die Filmaufnahmen, ein Hubschrauber, der für drei Filmszenen
notwendig ist: Zweimal soll er als Hubschrauber, als handlungsnotwendiges sogenanntes
Großrequisit im Film selbst mit den betreffenden Akteuren, die darin sitzen, im Flug zu sehen
sein (einmal von innen, einmal von außen) und drittens brauchen Sie ihn , nicht unerheblich,
für die Schlußeinstellung des Films, Sie brauchen eine Flugaufnahme. - Was tun.
Sie fragen bei der Polizei. Die hat Hubschrauber. Es soll ja nicht so teuer werden.
Gewissermaßen von Behörde zu Behörde. Die Polizei rät Ihnen weiter. Sie setzen sich also
telefonisch mit der Flugleitstelle der Polizei Berlin/Brandenburg, die sitzt in Schönefeld, in
Verbindung. Die sagt Ihnen, daß nur der Polizeipräsident höchstpersönlich eine Genehmigung
aussprechen kann. Na gut, danke schön. Sie schreiben in Ihrer Freizeit einen ausführlichen
Brief an "Sehr geehrter Herr Polizeipräsident", stellen ihm die Bedeutung des Projekts
("Jugend gegen Gewalt - Jugendkulturarbeit") auf dem Hintergrund steigender
Jugendkriminalität als geeignete Alternative im Sinne sozialer Maßnahmen ganz allgemein
und der Verbrechensprävention im besonderen in glühenden Farben dar. Er antwortet (nach
den Sommerferien) freundlich, bedankt sich für den netten Brief (!) und teilt knapp mit, daß
die Hubschrauber der Polizei ausschließlich polizeilichen Belangen vorbehalten seien.
(Originalbrief liegt vor.) Macht nichts. Sie starten einen zweiten Anlauf.
Der ADAC! Der Leiter der Pressestelle in der Bundesallee legt die Gründe dar, warum der am
Klinikum Steglitz stationierte Helikopter nicht in Frage kommt. Gründe einzusehen, die hatte
ich mir fast selber gedacht. War ja auch nur ein Versuch gewesen. Aber, fährt er fort, es gebe
in Senftenberg einen ADAC-Hubschrauber, bei dem sei das ganz anders. Gibt mir den Namen
des Arztes und gleichzeitig Piloten der Luftrettungs-Leitstelle Senftenberg. Anruf dort. Es
meldet sich die Dresdner Bank in Erfurt. Aha, die Nummer ist falsch. Schließlich hilft die
Auskunft weiter. Ich rufe nun wirklich in Senftenberg an. (Auf die Weise kann man, wenn
vielleicht nicht nur ein Hubschrauber, sondern auch die Termine von acht anderen Leuten und
der Erhalt weiterer Requisiten zu koordinieren sind, Nachmittage verbringen!) Der Anruf
jedenfalls ergibt: Dr. Hanschak ist verreist, kommt Mitte September wieder. Neuer Anruf
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Mitte September, ein längeres Gespräch, sehr freundliche Atmosphäre, der Arzt ist - schlicht
gesagt - begeistert von der Idee. Er wird sich umhören. Anruf nächster Tag, Ziel erreicht,
Glückseligkeit, wie es denn mit einem Mitflug bei einer Krankenüberführung von Ungarn
nach Schönefeld wäre. Aber ja! Termin, pipapo. Der Rückschlag zwei Tage später, München
hat Bedenken. Anruf in München beim obersten Geschäftsführer. Nein, sagt der, es geht nicht.
Verrückt der Grund: Sollte, was der Himmel verhüten möge, etwas passieren, sei der
Hubschrauber - nicht die Insassen - aufgrund zweckfremder Benutzung nicht versichert, und
der ADAC säße buchstäblich auf einem unversicherten Haufen Schrott. Also nicht. Ob denn
die Firma Eurocopter in Ottobrunn bei München, die bauen Hubschrauber, nicht weiterhelfen
könnte. Kurz gesagt, etliche Ferngespräche später war klar, nein auch Eurocopter war nicht
der Weg. Dabei sind auch Eurocopter die Insassen, scheint`s, ziemlich egal.
Anruf auf dem Flughafen Finow. Ich hatte etwas von Rundflügen gehört. Rundflüge, ja, aber
nicht mit Hubschraubern. Wer denn einen Hubschrauber vermietet. Zögerliche Auskunft (er
möchte uns lieber eine Cessna andrehen - viel billiger!) Grohmann Air auf dem Flughafen
Strausberg sei der geeignete Anlaufpunkt. Anruf bei Grohmann Air, ein Herr Baas sei
zuständig, momentan aber nicht da. Schließlich bekomme ich sogar die Privatnummer. Seine
Frau sagt, mein Mann kommt in einer halben Stunde. Aufregend! Anruf halbe Stunde später.
Es ist sehr nett. Ja, das geht. Kann er auch sehr tief fliegen? Selbstverständlich. Wieviel
Passagiere? Bis zu 6. Herrgott, es ist kaum zu glauben, aber ich sehe Land. (Da kann ich sogar
noch meine Tochter und einen interessierten Kollegen mitnehmen und die zwei Schüler der
AG, die ihre Rolle für den Film spielen sollen.)
Wir machen drei Termine als Option ab, Montag, Dienstag, Mittwoch. Es kommt sehr aufs
Wetter an: Ich brauche unbedingt Sonne, es ist das letzte Bild des Films: Man wird dort unten
eines unserer Filmautos fahren sehen. Also abgemacht!
Konsultation des Wetterberichtes, als der Termin naht. Montag, Dienstag, Mittwoch sehen
sehr schlecht aus, Samstag, Sonntag dagegen gut. Anruf bei Grohmann Air, Termin
vorverlegen. Sie sind sehr kooperativ und machen das Theater anstandslos mit. Also Sonntag:
Um halb vier wird uns der Pilot am Flugplatz erwarten, ca. zwei Stunden Vorbesprechung
wegen der geplanten schwierigen Flugmanöver sind notwendig. In der Zeit wird auch das
Auto auf seine Position im Oderbruch gefahren sein. Vorher werden die Schüler von zu Hause
abgeholt. Es wird alles klappen.
Jetzt brauche ich nur noch unser Auto, das, die betreffende Landstraße entlangfahrend, von
oben gefilmt werden soll. Was höre ich? Das Auto, bislang immer problemlos verfügbar, ist
momentan fahruntauglich und wird erst Montag repariert. Ansätze von Panik. Außerdem ist
die Besitzerin über das Wochenende verreist. Ruhig Blut! Also beschafft man sich die
Schlüssel des Autos vorher. Alles rechtzeitig bedacht! Gut. Und sie soll nicht vergessen, die
falschen französischen Nummernschilder im Auto zu hinterlassen, wenn sie das Auto zur
Reparatur abgibt. Alles klar.
Kontakt mit der Werkstatt, für einen Fünfzigmarkschein ist das Auto auch schon Samstag
fertig. Der Samstag kommt, das Wetter ist herrlich, das Auto ist allerdings noch nicht fertig,
aber morgen, Sonntag, bestimmt. Man nutzt die Zeit, fährt zum Flughafen, erkundet das
Filmgelände, die mögliche, in Ost-West-Richtung verlaufende Landstraße, 273 Kilometer
insgesamt, spät abends nach Hause, aber man ist glücklich, der Wetterbericht für morgen
ausgezeichnet. Das Wochenende ist angebrochen.
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Der nächste Tag. Sonntag. Der Tag X. Heute fliegen wir. Es ist neblig, das war so angesagt,
das ist der Morgennebel, der wird sich bis mittags verziehen. Früh morgens ab nach Neukölln,
das Auto aus der Werkstatt abholen. Die Nummernschilder liegen nicht darin. Also das Auto
ohne Nummernschilder abholen, nach Hause, auf Schleichwegen die Wohnungsschlüssel der
Besitzerin des Wagens besorgen, ab nach Steglitz (da Marathonlauf quer durch die Stadt, kein
Durchkommen mit dem Auto, das letzte Stück zu Fuß). Die Nummernschilder finden und
mitnehmen. Nach Haus fahren. Es sind noch zwanzig Minuten, bis ich die Schüler abholen
will. So schnell ist ein Vormittag um. Ich will los, sehe aus dem Fenster.
Der Morgennebel, statt sich wetterberichtgemäß zu verziehen, hat, wie ich entsetzt feststelle,
dicken, grauen, trüben Wolken Platz gemacht. Wie dick? Ich erfahre es genau, denn schon
klingelt das Telefon, Grohmann Air am Apparat. Sie machen mir den Vorschlag, das ganze zu
verschieben, heute sei die Situation folgendermaßen: Wolkenbasis bei dreihundert Fuß,
Wolkenstärke 2100 Fuß, Flugsichtweite 1500 Meter. Ich bitte mir eine Stunde Bedenkzeit aus.
Nun gut, eine Stunde. Länger geht es nicht, denn schließlich will der Pilot ja wissen, ob er
heute zum Flugplatz kommen soll und gebraucht wird oder nicht.
Fieberhaftes Überlegen, fieberhafte Anrufe. Haben bei eventueller Verschiebung die anderen
überhaupt Zeit? Ist dann das Auto verfügbar? Ist dann das Wetter noch schlechter? Das
jedenfalls meint der Wetterbericht. Anruf bei Meteosat. Die Frechheit von einer
Gebühreneinheit alle 12 Sekunden. Sie bleiben übrigens dabei und behaupten, draußen sei der
Himmel heiter. Gucken die für 1,92 DM pro Minute nicht mal aus dem Fenster?! Soll ich auf
den mir teuren Sonnenuntergang am Filmschluß verzichten? Für heute war alles organisiert,
alles klar. Was habe ich? Das Wochenende ist passé, ich bin fast 400 km mit dem Auto
gefahren, habe ca. 60 Mark vertelefoniert, für nichts und wieder nichts. Ich überlege. Stress.
Ich stehe unter Druck. In knapp zwei Monaten soll der Film schon vorgeführt sein. Und da
sind noch drei andere Drehtage bei Sonne, die letzten, wo wir Sonne brauchen. Dann noch
vier Drehtage ohne Sonne, Innenaufnahmen. Und dann der Schnitt, die Synchronisation. Die
Entscheidung, die man trifft, ist sowieso die falsche. Ich überlege eine Stunde die Wenns und
Abers.
Schließlich sage ich den Flug für heute ab, ja, mache alles rückgängig, sage es meiner
Tochter, die sehr traurig ist, telefoniere dem Kollegen, den Schülern, dem Piloten ab. Bis
morgen. Vielleicht morgen. Morgen, Montag, mittags nach dem Unterricht dann das nächste
Telefonat mit Grohmann Air in Strausberg, eventuell ist das der Tag. Der Wetterbericht klingt
sehr wenig zuversichtlich. Man wird sehen. Man wird überhaupt sehen.
Jetzt sitze ich hier und schreibe. Das Wochenende ist vorbei, wichtige Arbeit liegengeblieben
wegen des Films, und ich bin nicht einen Schritt weiter. Wird der Film letztlich überhaupt den
erhofften Schluß bekommen? Ich weiß es nicht. Ich denke nur, falls nicht, es wäre doch
jammerschade, bei all den schönen Bildern, die wir schon haben. Und ich denke nur, selbst
wenn das mit der traumhaften Flugaufnahme doch noch klappt, bevor die Blätter von den
Bäumen sind, falls die Sonne noch mal scheint in diesem Herbst (was sie den ganzen
September durch nicht getan hat), und falls die Leute Zeit haben und das Auto und die
Nummernschilder da sind, und falls, und falls, und falls ... falls das wirklich alles jemals
klappen sollte, dann, ja, dann .... was wird der Zuschauer dann bestenfalls sehen?
--- Einen Hubschrauber...
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I wie Investition
(Vgl. auch Stichwort "AG")
Vielleicht einen Wermutstropfen zu Beginn dessen, was ich hierzu sagen kann: Wie auch
immer der Film, den wir zeigen wollen, bei Ihnen ankommt, wie Sie ihn finden, ob er Sie
gleichgültig läßt oder ob Sie ins Staunen geraten, ob Sie begeistert sind oder empört, dieses
Ergebnis der AG "Herstellung eines Spielfilms" an der Gabriele-von-Bülow-Schule, so ehrlich
muß ich sein, wird ein Einzelereignis bleiben. Die, die an diesem Projekt beteiligt waren,
haben, denke ich, Glück und ich glaube auch einen Riesen-Spaß gehabt, und da schließe ich
mich zuallererst ein. Aber andere zukünftige Schüler bzw. AGler werden diesen Spaß leider
nicht haben - denn eine Wiederholung, einen weiteren Film wird es, zumindest unter diesen
Voraussetzungen und zumindest mit meiner Beteiligung, nicht geben.
Die Gründe dafür zu nennen sollte man vielleicht Ihnen gar nicht zumuten, sondern es dabei
belassen zu sagen: es ist mir letztlich einfach zu teuer, es ist mir eigentlich und in meinem
Alter auch zu anstrengend und zu zeitraubend, und es ist mir schließlich psychisch und
physisch ein zu harter Kampf gegen Widrigkeiten der verschiedensten Konvenienz, einen
solchen Film im Rahmen einer AG (siehe Stichwort) zu machen. Natürlich planten wir zu
Beginn - wir hatten ja kaum Leute, die Interesse bekundeten mitzumachen -, ein wesentlich
kleineres Projekt. Aber den Umfang eines Films vorher richtig vorauszusehen, das bringen ja
nicht einmal die Herren in Hollywood so recht fertig, wie an den ständig steigenden
Produktionssummen der Filme ablesabar ist - wie sollten wir alle das besser können, die wir,
Schüler und Lehrer, an so etwas gewissermaßen nur nebenberuflich arbeiten?
Das Geheimziel Nr.3 unserer AG war es, anspruchsvoll genug, unter Nicht-ProfiBedingungen einen Film herzustellen, der Profimaßstäben so weit wie möglich genügt. Das
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war mein persönlicher Wunsch, diese Ernsthaftigkeit des Projektes war ich, denke ich, den
sich hart einsetzenden Beteiligten schuldig.
Nun, was heißt Profimäßigkeit. Das Problem ist, daß sich nach kurzer Zeit des Nachdenkens
stets herauszustellen scheint, daß das irgendwie leider, und zwar ausschließlich, mit einer
Sache zu tun hast, nämlich mit Geld. Profimäßigkeit ist zunächst mal leider nur eine Frage des
Etats. Heute, wo die Herstellungskosten eines Films ohne weiteres die Hundert-MillionenMark-Marke überschreiten, wo der Begriff "Billigproduktion" oder B-Picture bereits all jene
Filme bezeichnet, die es wagen, unter einer Million gekostet zu haben, heute, wo der Drehtag
beim ZDF an einem normalen Film bzw. Fernsehspiel mit 70.000 Mark gerechnet wird, drei
bis vier Wochen übliche Drehzeit, - Serien kommen etwas billiger, weniger Kostüme, weniger
Kulissen, etc,: der Grund, warum das Fernsehen so gerne Serien macht! - in einer solchen Zeit
sich an einem Film, der sich Profimaßstäbe zum Vorbild setzt, zu versuchen, das setzt genau
jene Prise Verrücktheit voraus, die der Nicht-Filmer nicht begreift, - dies, und eine gesunde
Sparkalkulation.
Wo also kann man bei einem solchen Projekt Geld sparen? Nicht bei dem, was der Zuschauer
zu sehen kriegen, jedenfalls, das müßte klar sein. Die Autos, die Sie sehen werden, sind alle
echt und echt gemietet. Ebenso die Nummernschilder an den Autos, die Fernsehkameras (wir
haben in diesem Film mehr für Versicherungen bezahlt, als unser ganzer letzter Film gekostet
hat), die Kostüme - kein einziges Kostüm ist eine Faschingsanfertigung. Die Häuser, die
Räume, die Büros, die der Zuschauer sieht, sind alle echt. Die wollen übrigens erst mal
gesucht und irgendwo gefunden werden. Was die technische Seite betrifft, die, die eigentlich
nicht gesehen werden soll: Was das Equipment, von Lampen über Kameras über
Schneidemöglichkeiten, Tricktisch usw. betrifft: Wir haben soweit wie irgend möglich auf
Profigerät zurückgegriffen. Da wo wir es leihen mußten - ich denke besonders an den Kran
und das Steadicam - das waren die Stellen, wo es dann vom Groben her richtig teuer wurde.
Das Essen, die Getränke, die getrunken werden, die Sie sehen werden, sind alle echtjedenfalls bis auf die "harten" Spirituosen, die vorkommen. Also schön, die sind auch echt,
aber sie werden zur Beruhigung aller nicht "in echt" getrunken. Einige Leute haben sich
darüber verwundert, ob es denn wirklich nötig gewesen wäre und man nicht wenigstens beim
Essen und beim Trinken auf Attrappen hätte zurückgreifen können, denen sage ich: Nein,
eben nicht. Das Essen und das Trinken spielen in diesem durchaus sinnlichen Film eine zu
wichtige Rolle, und selbst von Profis könnten Sie nicht verlangen, mit einer Pappscheibe
Wurst im Mund ein Gelage zu mimen. Die reale Anwesenheit solcher - in Anführungsstrichen
- Kostbarkeiten am Drehort zeigt den Schauspielern, denke ich mir, daß man es ernst meint,
mit dem Film und mit ihnen, und das letztlich, eigentlich ein böser Trick, fordert sie heraus,
ihr Bestes zu geben und schafft so erst diese Atmosphäre, aus der dann all diese Stimmungen
entstehen können, die man im fertigen Film zeigen möchte.
Wo also könnte man letztendlich noch sparen? Na, man bezahlt natürlich keine Schauspieleroder Komparsengagen, obwohl die Leute - Sie werden es sehen - ununterscheidbar von Profis
spielen. Und man brauchte keine Ateliers, wenn man echte Häuser zur Verfügung gestellt
bekommt. Man kann einzig und allein hier sparen und, krass gesagt, so die Arbeitskraft und
den guten Willen der Beteiligten ausbeuten, und das allein, und nur das, macht den
Unterschied aus zwischen unserem nach Profimaßstäben doch letztlich unwahrscheinlich
billig produzierten Film und den sogenannten Profis.
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J wie Jalousie
K wie Kran, Kostüme, Kamera
L wie Licht
M wie Motivsuche
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N wie Nachspann
Ich bin mal ehrlich. Am Abend, wenn wir den Film zeigen, würde ich mich freuen, wenn ich
das Erlebnis, das für mich mit jedem Kinobesuch verbunden ist, nicht haben würde, daß
nämlich, wenn die Kamera zur letzten Einstellung nach oben fährt und der Held in den
Sonnenunter- oder .-aufgang reitet, die Leute von den Kinositzen aufspringen und zum
Ausgang drängen, in einer Weise, daß man sich unweigerlich und mit Rührung fragt, wie die
es überhaupt haben einrichten können, hier und jetzt zwei Stunden so gut wie unbeweglich im
Kino gesessen zu haben, und die übrigens so im Hinausgehen versäumen, was meines
Erachtens das durchaus Interessanteste am ganzen Film sein kann, sich nämlich den
Nachspann anzusehen. Da kann ein aufmerksamer Mensch eine Menge über Film lernen.
Auch unser Film wird einen Nachspann haben, der - im Unterschied zum Vorspann (und
obwohl das sowohl hinsichtlich des eigentlich altmodischen Charakters des Films als auch
somit des Stils einen Bruch bedeutet) den Vorspann in modernerer Weise und auf Deutsch
wiederholen wird. Unser Film hat einen Vorspann in altmodischer Manier, vergleichbar etwa
denen der ersten Pink-Panther-Filme. Es ist eine Computeranimation (auf dem Amiga, ca.
6MB, ca. 1000 Stunden Arbeit, alles selbstgemalt, 7892 Bilder), und er erzählt eigentlich
schon ein bißchen die Geschichte des Films. Achten Sie mal darauf: Da ist diese Frau, die von
der nächsten aus dem Rennen geboxt wird, die wieder von der nächsten und die wieder von
der nächsten und so fort. Und die Herzchen, die diese Frauen zurücklassen, umschwärmen
und umschmusen den Mann, den Haupthelden. Und dann kommt unser zweiter Hauptheld,
Marcelin, ein Würstchen, ein richtig armes Würstchen, so daß er überhaupt nur unter der Lupe
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lesbar wird. Und gleichzeitig repräsentiert die Lupe natürlich irgendwo seinen Beruf, in alter
Tradition, denn er ist Privatdetektiv. Dann kommt der Erzähler mit dem Buch, die Musik (auf
dem Wort spielt die gemalte Hand Klavier), die Presse, die Polizei, die Kostume (BH) und so
weiter und so fort.
Der Nachspann unseres Films gibt Aufschluß über das Ergebnis von einem guten Jahr Arbeit
der Spielfilm AG an unserer Schule, einer erstaunlichen Ag, wie ich wohl glaube behaupten
zu dürfen. Sie sehen das Ergebnis von, ich habe das nach den Kalenderdispositionen und
Drehprotokollen mal spaßeshalber ausgerechnet, 43 Drehtagen mit insgesamt 242
Drehstunden und 1863 sogenannte Mannarbeitsstunden. Auf die einzelnen Schüler
umgerechnet heißt das: jeder hat zwischen 40 und 90 Stunden an diesem Film gearbeitet. Die
Drehzeit pro Drehtag schwankte zwischen zwei und vierzehn Stunden (Wochenende, Ferien) bei Profis hätten da die Gewerkschaften nicht mitgemacht, die durchschnittliche Drehzeit pro
Drehtag war also 7,2 Stunden. In dieser Zeit wurden fast 30 Stunden Rohmaterial hergestellt,
aus denen dann der Film, den wir letztendlich vorführen, zusammengeschnitten wurde: Das
Zusammenschneiden dauerte abermals über 2500 Stunden, über 2500 Stunden nachträglicher
Rohmaterialbearbeitung, es gab, bedingt durch die Video-Technik, insgesamt 20 VorVersionen zum endgültigen Film. 2500 Stunden Arbeit mit der Synchronisation, am
Schnittplatz, mit dem Computer, unter Einsatz im Laufe des Projekts von 122 Leuten,
Schauspielern, Eltern, Helfern. Ich bin mit meinem Auto für diesen Film etwa 14000 km weit
gefahren. Der Film hat mich, die Benzinkosten nicht eingerechnet, etwa ein Viertel dessen
gekostet, was ich das letzte Jahr überhaupt verdient habe, eine Sache, die privat gar nicht
leicht durchzusetzen ist, aber an einem bestimmten Punkt angelangt, will man das Projekt
natürlich unter allen Umständen fertigstellen. Sie sehen also, das alles ist nicht unbedingt zur
Nachahmung geeignet, und Sie sehen andererseits vielleicht auch, warum ich trotz des
ungeheuren Spaßes und trotz des immensen Lernzuwachses bei den Schülern und bei mir
Gleiches nicht wiederholen kann. Es ist auch lästig zu hören: "Was beklagst Du Dich, ist doch
Dein Hobby, bist selbst schuld, wenn Du es machst, Du Depp!".
Eltern und Helfer waren oftmals identisch, und Kollegen, und ich habe einzelnen
diesbezüglich herzlich zu danken, Herrn und Frau Klare (die Organisation des Picknicks für
Szene 37 und der mehrmalige Einsatz des Mercedes mit Anhängerkupplung, um den Kran zu
ziehen), Frau Kabisch (Rasenmäher), dem Kollegen Fleck und seiner Familie für die
unglaublich selbstlose Zur-Verfügung-Stellung seines kompletten Hauses für unsere
Dreharbeiten während insgesamt sechs ganzer Tage - da bleibt das Familienleben höllisch
außen vor - jenen anderen, die uns mit Rat und Tat, ihren Wohnungen, Kellern, Dachböden,
ihren Büros und unbezahlbaren Ideen zur Seite standen.
Nachspanne sind Dankeschöns an die Leute, die sich für das Projekt eingesetzt haben.
Deshalb heißen sie auf englisch Credits.
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O wie Organisation
Organisation fängt damit an, daß man als Lehrer die AG "Herstellung eines Spielfilms
anbietet (liebevoll computergefertigte Einladungsplakate) - und niemand kommt. Geht damit
weiter, daß man, ist das Projekt erst einmal ein halbes Jahr am Laufen und hat genügend
Mundpropaganda erzeugt, Schüler an einen herantreten mit der Frage, ob man mitmachen
könne. Das ist auf dem Hintergrund dessen, wozu AGs da sind, ein schönes Gefühl.
Organisation umschreibt eigentlich alles, was an Arbeit da ist, wenn man einen Film macht,
Arbeit, die nachher im fertigen Endprodukt leider nur mittelbar, und für den Laien sicher gar
nicht zu sehen ist, und ohne die doch ein Film gar nicht einmal bis ins Anfangsstadium
gedeihen würde.
Organisation heißt eine Geschichte entwerfen oder aus dem Literaturangebot auswählen, die
man verfilmen will, dann diese Geschichte zum Drehbuch weiterentwickeln, dabei
gewissermaßen vor dem inneren Auge oder schriftlich (Exposé und Treatment) immer die
Realisierbarkeit vor Augen behalten, schließlich konkret der Entwurf der Umsetzung, die
Motivsuche ("Wo filmen wir die berühmte Liebesszene auf dem Autokühler?!"), die
Beschaffung der Drehorte und Requisiten (Fahrten mit dem Auto, Telefonate, bis die Leitung
glüht), dann in medias res: Haben sieben Leute gleichzeitig Donnerstag abend um 6 Zeit?
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(weitere Telefonate) - und dann braucht man nur noch die Filmausrüstung zu schultern, und
fertig ist alles für den ersten Drehtag. - Das schildert sich so einfach ....
Apropos: Natürlich wäre es besser, so etwas die Schüler machen zu lassen, wie auch diese
unendlichen Stunden am Computer und am Schneidetisch, hinterher, wenn dreißig Stunden
Rohmaterial fertig sind. Aber hier muß die Quadratur des Kreises noch erfunden werden.
Sollte die beschriebene Art von Organisation wirklich durch Schüler geleistet werden, wäre
ein Projekt wie das vorliegende billigstenfalls innerhalb von zwei, drei Jahren durchzuführen und in zwei, drei Jahren machen Menschen, zumal Schüler, äußerliche Wandlungen durch, die
dem beabsichtigten Film mit Sicherheit abträglich wären.
Diese Arbeiten, die hier als notwendig genannt sind, sie werden übrigens beim "richtigen"
Film, wie ein jeder zünftige Filmnachspann beweist, von wahren Hundertschaften von
Filmschaffenden ausgeführt. Wie dann unter diesen Umständen?
Arbeiten, die dem Film zugrunde liegen, die kein Filmzuschauer sieht .... das Drehbuch gibt
einen möglichen Einblick.
Das Original-Drehbuch, es ist in unserer "Ausstellung zum Film" zu sehen - man sieht, es ist
damit gearbeitet worden im Laufe eines und eines Viertel Jahres. (Die Drehbücher der Schüler
sind etwas weniger dick und sehen jetzt auch noch viel ordentlicher aus.) Warum ist das
Drehbuch, als es in den Beginn eines liederlichen Zustandes eintrat, nicht ersetzt worden? So
ein Schnellhefter kann doch nicht die Welt kosten?
Es gibt einen Aberglauben beim Film: Sobald man ein Orginaldrehbuch ersetzt, glücken die
weiteren Aufnahmen nicht mehr.
Das Drehbuch (mindestens 200 Arbeitsstunden) enthält drei Teile: erstens das sogenannte
Arbeitsdrehbuch, das während der Produktion wuchs und wuchs, es enthält
Tagesdispositionen, Aufstellungen über jeweils noch zu drehende Szenen, den Drehkalender,
das Drehprotokoll mit jeweiligen Daten, Szenen, Drehdauer, Schauspieleraufstellungen (wer,
wann, wie lange), die Stabliste (die Liste der Schauspieler, Firmen, Organisationen, die
"angeworben" werden mußten und an der Herstellung des Films beteiligt waren), sämtliche
Textentwürfe für den Nachspann, die Werbung, Planungsprotokolle und ein Tage-buch usw.,
zweitens die Verwaltung: die Kostenaufstellung, die Rechnungen für Mietfahrzeuge,
Kostüme, den Kran, eßbare Requisiten etc. (soweit vorhanden: Viel Geld wechselte "schwarz"
den Besitzer. Es ist filmüblich - man kann etwas bekommen mit Rechnung - oder ohne: für
den halben Preis - da fällt bei einer Produktion wie dieser die Wahl trotz Schmälerung des
Bruttosozialprodukts nicht schwer), drittens: natürlich das eigentliche Drehbuch: Text und
Kameraeinstellungen des Films. - Hätten Sie gedacht, daß Film mit so viel "Verwaltung"
verbunden ist?
Apropos Verwaltung: Die 53 Cassetten (Fuji-30-KBW) mit dem Rohmaterial, die insgesamt
20 Schnittversionen des Films, die Zwischenstadien des Films und des Vorspanns - all das
nebst der Planung der Drehtage und der Katalogisierung der Drehergebnisse war schließlich
nur noch mit einem PC und einem AMIGA 3000 zu sortieren, zu ordnen, zu verwalten - der
Überblick drohte verloren zu gehen, insgesamt hielt der Film zum Schluß (incl.
computergefertigter Vorspann-Animation, Nachspann, div. Schnittsimulationen etc.) fast 30
MB Speicherplatz auf dem PC und dem Amiga besetzt - nicht eingerechnet die im Programm
PHOTOEDIT erstellten "Zeitungsfotos" des Kollegen Hoffmann.
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Übrigens: Sie können ein Faksimile des Originaldrehbuches für DM 20.- kaufen (melden Sie
sich bei mir; wir brauchen Geld!), es wird dann extra für Sie in Handarbeit ausgedruckt. Sie
können zum gleichen Preis auch die komplette Computerverwaltung incl. Zeitungsartikel,
Marmeladenglasetikett und was wir sonst noch für den Film auf dem Computer hergestellt
haben, auf drei Disketten kaufen (PC). Oder den Original-Zeichentrick-Vorspann zum Film
auf 5 Disketten (Amiga). Oder zum gleichen Preis das Drehbuch auf einer Diskette.
Weiteres zum Thema Organisation findet man übrigens hier unter den Stichworten "Motive",
"Props" und überall zwischendurch.
P wie Props
"Props" ("properties") ist das etwas albern klingende englische und deshalb im "Filmbusiness"
üblicherweise benutzte Wort für das, was der Deutsche "Requisiten" nennt. Unter Requisiten
versteht man alle irgendwie transportablen Gegenstände, die in dem Film für ihn gebraucht
werden, die man häufig dank ihrer Seltenheit in der normalen Alltagswelt extra für den Film,
meist mühevoll, besorgen muß (das macht beim "richtigen" Film der Requisiteur, manchmal
auch der Aufnahmeleiter. Requisit ist also alles außer den ebenfalls benötigten "Immobilien",
Häusern, Straßen, Feldern. Bei denen spricht man deshalb von den "Motiven" oder, ebenfalls
englisch, von den "Sets". Hier einige bunte Beispiele.
Uniformen (z.B. frz. Gendarmerie) liehen wir bei der "Theaterkunst", dem Kostümfundus des
ZDF in Berlin. Als wir für Julia ein "aufregendes" Kleid brauchten und hinfuhren, gab es die
Enttäuschung der Woche: Das ZDF drehte im Sommer eine Produktion, die im Bordell spielt
(müßte jetzt bald gesendet werden, also aufpassen!) - die Kleider, die letzte Woche noch
dagewesen waren, waren alle weg.
Was tun? Wir hatten noch eine gute Stunde bis zum angesetzten Drehtermin (Cadillac-Szene,
das Auto war zum Drehort bestellt und ließ sich nicht mehr stornieren). Streß und Eile, wie
meist! Zum Glück sind Schüler da. Einer, dessen Namen wir anstandshalber verschweigen,
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hatte die Idee mit Beate Uhse und besaß den dazugehörigen Katalog. So erfuhr ich (auch ein
Lehrer lernt täglich dazu), daß die Firma neben Strapsen und Porno-Videos auch regelrechte
Kleider (oder doch zumindest so etwas ähnliches) im Angebot führt.
Also? 'ran an'n Sarg, und mitgeweint! Beate Uhse führt ein ausgezeichnetes Sortiment in jener
Baracke, die vor der Wende als Intershop hinter dem Kontrollpunkt Invalidenstraße diente.
Dort kreuzten Julia und ich also dieses heißen Sommernachmittags auf. Julia (noch nicht 18)
sorgte bei der Belegschaft für helle Panik: Sie mußte draußen warten. So war das Verfahren
etwas kompliziert. Unter Hinterlegung einer Kaution an der Kasse reichte ich Julia zwei
hinreißende Exemplare von sogenanntem Kleid nach draußen - sie probierte sie auf dem
versteckten Parkplatz hinter der Baracke im Auto an - das eine paßte, das man auch in unserer
Ausstellung hängen sieht - und löste mich und Kaution anschließend im Laden aus; und dann
blieb nur noch eine Geschwind-Tour durch den Berufsverkehr nach Frohnau, wo der Cadillac
auf uns wartete.
Aber so finden sich schon merkwürdige "Posten" auf der Kostenliste unseres Films.
Dann sind da die Kleider, die uns Julias Mutter dankenswerterweise zur Verfügung gestellt
hat. Die ursprünglichen Ideen des Schneiders sind nun geringfügig variiert, denn für eine
Szene mußten die Mädchen diesen Stücken mit der Schere zuleibe rücken. Ziel war, ein
Optimum an Frivolität zu erreichen (es ist ja [hoffentlich] auch ein erotischer Film geworden).
So war die Phantasie der Mädchen gefordert, und ebenfalls in der Ausstellung hängen die
Ergebnisse der Schneidekunststücke.
Kommentar?
Früher, als die Luft noch sauber war und unter der Decke diese Fliegenfänger aus gerollt
herabhängendem braunen Klebeband hingen, die nachher mit klebenden toten Fliegen besetzt
waren, hatte sich bis auf's Land auch die Erfindung des fließenden Wassers noch nicht
allenthalben herumgesprochen. Ich kann mich noch an Reisen als Kind mit meinen Eltern
erinnern, irgendwo in die bayrische Provinz, da gab es auf den Zimmern der Pensionen diese
Waschgeschirre: frisches Wasser in der Kanne, zum Waschen wurde ein Teil in die Schüssel
gegeben, dann wurde gewaschen, und dann das Wasser aus der Schüssel ausgeschüttet. Wohin
eigentlich? Aus dem Fenster, wie im Mittelalter, auf die Gasse? Wohl kaum - aber ich kann
mich nicht erinnern.
Jetzt ist es hart, an so ein Requisit zu kommen. Niemand, den man fragt, hat so etwas noch.
Rettung brachte der Sonntags-Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni, irgendwann im April.
Hundert Mark - völlig überteuert - aber er hatte es, und ich wollte es: wieder ein
merkwürdiger Posten auf der Kostenliste.
Auch eine Jalousie ist nunmehr, da der Film fertiggestellt ist, wieder verkäuflich (erworben
für 89.- Mark bei Wand & Boden). Wenn Sie die richtigen Maße am Fenster haben, gerade
umgezogen sind, renovieren wollen? Wir können um den Preis feilschen.
Wir haben sie für den Film extra angeschafft.
Sie hat sich gelohnt. Sie kommt viermal vor: einmal als Sonnenschatten auf der Wand in dem
Zimmer, in das Jan am Anfang des Films flüchtet, einmal am Fenster, durch das er Katrin
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nachschaut (an dem Fenster gab es nämlich keine Jalousie), einmal vor der Szenerie, die Jan
vorgibt zu sehen (Katrin geht unten über die Straße - nur daß wir das wo ganz anders
aufnehmen mußten, denn unterhalb des Fensters, durch das Jan guckt, ist in Wirklichkeit ein
Garten, keine Straße) und viertens als malerischer Schattenwerfer, um eine langweilige weiße
Wand interessanter zu gestalten, und exotischer Fensterhintergrund in der "Arztpraxis" in
unserem Film,.
Es war übrigens keine Arztpraxis - es war ein Klassenraum in der Filiale.
Man sieht, nichts liegt näher: Für Filmzwecke ist es geradezu notwendig, immer eine
transportable Jalousie dabei zu haben.
Ein Teil unseres "Wagenparks":
Man muß unterscheiden: Der Kleinbus und das Wohnmobil waren nur Produktionsfahrzeuge,
sind also nicht im Film zu sehen, waren nur als fahrbare Garderobe für Szenen in Wald und
Flur und als Transportmittel (bei 6 Schülern reicht ein PKW nicht) gemietet.
Der Cadillac und der Rolls-Royce waren unsere vornehmsten Film-Autos. Dazu kommt noch
ein schwarzer Mini Morris, ein 1967er Citroën DS 19 und ein 2CV, die alle kann man im
Film sehen (und die wollen erst mal beschafft sein).
Nicht gerechnet in dieser Aufstellung der Mercedes mit Anhängerkupplung, mit dem Herr
Klare zweimal den Kran durch Berlin schleppte, mein eigenes Auto, mit dem ich für
Motivsuche und für Außenaufnahmen in Frankreich und zum Filmen mit Schülern (täglich
teilweise über 300 km) insgesamt fast 18 000 km zurücklegte und noch einige andere.
Man sieht, für unseren Film wurde fahrzeugmäßig durchaus etwas bewegt: viel Mühe, die
man zweifellos dem Film nicht ansieht.
Auch die Autonummern für jedes der im Film sichtbaren Autos sind Extra-Anfertigungen
durch eine Schilderfirma in Kreuzberg direkt gegenüber von der Kfz-Meldestelle der Polizei.
Einer erklärte sich bereit, auch französische Nummern herstellen zu können.
Da französische Autos keine TÜV-Plakette auf den Nummernschildern haben (sie haben
einen Aufkleber an der Windschutzscheibe), sind unsere Nummernschilder also OriginalNummernschilder. Die Doppelzahl hinter den Buchstaben gibt das Département an, woher das
Auto
stammt
(vergleichbar
den
Städte-Buchstabenkombinationen
deutscher
Nummernschilder).
Wir haben also meist Pariser Nummernschilder (die 90er-Nummern), einmal Département
Loire (42) und eine 13 (Marseille), weil das die Orininalnummer des noch heute in Marseille
zugelassenen Citroën war. Ein pensionierter Präfekt fährt ihn. Deshalb liegt die Nummer auch
nicht hier, sie ist nur im Film an dem Auto zu sehen, an das sie gehört. Inzwischen fährt sie
schon längst wieder durch Marseille.
Aber alle unsere Nummer-Sonderanfertigungen
"Geheimbotschaften".
enthalten
darüber
hinaus
auch
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Z.B. die Nummer "2763 GB 94" (rechts oben). Es ist (von hinten) die 94er Film-AG an der
Gabriele-von-Bülow-Schule, Tile-Brügge-Weg 63 in ehemals Berlin 27.
Können Sie weitere Nummern entschlüsseln?
Q.wie Qual
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R wie Rolls Royce, Requisiten
S wie Steadicam, Schnitt
T wie Theaterkunst, Tränen
U wie "Unter Ausschluß der Öffentlichkeit"
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V wie Videoschnitt, Vase
W wie Woyzeck, Wetter
Übrigens: ich wollte eigentlich auch einen ganz anderen Film machen, Büchners "Woyzeck",
brauchbar, sehr brauchbar, allerbrauchbarst für Unterrichtszwecke (Deutsch Oberstufe);
warum es dazu nicht kam, wäre eine andere Geschichte. Für diesmal haben wir also etwas
zweifellos literarisch Anspruchsloseres genommen, aber: "Unter Ausschluß der
Öffentlichkeit" von Boileau/Narcejac ist, denke ich, andererseits ein Film geworden, den Sie
bitte nicht mit irgend einem x-beliebigen Fernsehfilm vergleichen wollen, sondern mit dem,
was Schulen, Schüler, in Berlin oder irgendwo, und zwar irgendwann innerhalb eines Jahres
erarbeitet haben, und was das betrifft, denke ich, stehen wir gut da.
24
X wie
Y wie
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Z wie Zeitungen, Zeit
Die Zeitungen in unserem Film kosteten annähernd die ganzen Osterferien Arbeit. Zeitungen
im Film: Das heißt Titelseiten verändern: Überschriften erfinden, Artikel schreiben - ja, ganze
Artikel - in unserem Film sollte jedes kleine Detail stimmen. Selbst wenn niemand auf der
Filmleinwand die Artikel lesen kann - aber es hätte doch sehr gestört, wenn irgend jemandem
durch Zufall das Wort "Berlusconi" oder "Tapi" (der skandalumwobene Trainer von
26
Olympique Marseille) in der diesjährigen Januarausgabe von "Le Monde", "Le Figaro",
"France Soir" oder "La Libération", die wir benutzt haben, ins Auge gefallen wäre.
So sind auch die Überschriften der Nachbarartikel geändert, falls es not tat, statt des im Januar
aktuellen Konfliktes über Somalia eben etwas über die 60er Jahre, wo unser Film spielt, über
Algerien also und die OAS.
Schreiben von Artikeln, ganze Artikel über unseren "Fall" (daß Jan sechs Frauen umgebracht
haben soll), jeder stilistisch der jeweiligen Zeitung angepaßt und anschließend von einer
Französisch-Fachfrau auf Fehler hin korrekturgelesen, anschließend auf dem PC mit Micosoft
Word nach der Vorlage der Originalzeitung ge-layoutet, dementsprechend gekürzt oder
gelängt. Dann:
Florian (der übrigens auch im Film selbst als Fotograf auftritt) macht Fotos von den
Beteiligten und entwickelt selbst (aufgenommen im Klassenraum bei schlechter Beleuchtung,
um zu der miesen Fotoqualität von Original-Zeitungsfotos zu kommen), Kollege Hoffmann,
zusätzlich, rastert die Bilder auf dem Computer und bringt sie auf die richtige Größe, davon
Fotokopien auf Umweltpapier (das kommt Original-Zeitungspapier am nächsten), dann
Einkleben ins Original -und schon (?!) ist eine Zeitungsseite fertig.
Im Film kommen sechs verschiedene Zeitungen vor.
Leider sind in den Wirren des Juli '94, als wir in elender Hetze die letzten Drehtermine vor
den Sommerferien absolvierten, täglich Wohnmobile oder Kleinbusse mieteten, um um 4 Uhr
morgens, wo das richtige Licht herrschte, zum Stechlinsee oder sonstwo in die Mark zu
gelangen, einige Zeitungen spurlos verloren gegangen, worüber mein Herz blutet, blutet,
blutet. In unserer Ausstellung können wir "Le Monde", "Le Figaro" und das Prachtstück, die
französische BILD-Zeitung "France Soir" mit dem schwarz-gerahmten Mörderfoto von Jan
auf der Titelseite neben einer immensen Balkenüberschrift "La Bête" ("Das Tier") nicht mehr
zeigen. (IM FILM KÖNNEN SIE SIE SEHEN!!!) Sie sind weg.
Was wir zeigen, ist der andere "Figaro", mühevoll für diese Ausstellung rekonstruiert, denn in
der einen Szene wird er ja von Maja zerschnitten - und die gefälschten Meldungen zur gefl.
Kenntnisnahme.
Änderungen des Originals, Anpassungen: Auf "Libération" haben z.B.wir das Originalfoto so
belassen, wie es war, aber wir haben den Text des Artikels an das vorhandene Foto angepaßt.
Übersetzung des geschriebenen Artikels (als Probe):
(Überschrift)
"Massenmord? Sechs junge Frauen immer noch verschwunden
(Kleine Überschrift) Frankreich in heller Aufregung
(Artikel) Frankreich trägt Trauer. Inmitten unserer Gesellschaft, die sich so gern als
menschlich bezeichnet, hat sich offensichtlich ein abscheuliches Geschehnis ereignet, ein
brutales Verbrechen, das allgemeine Verzweiflung und immensen Abscheu unter der
Gemeinschaft der anständigen Franzosen hervorgerufen hat. Uns bleiben der Schmerz, das
Mitleid und die Verachtung gegenüber einer erbarmungslosen, unbegreiflichen Gewalttat,
derengleichen wir seit den düsteren Tagen jenes finsteren Mörders namens Landru nicht mehr
erleben mußten. In der Mitte unserer Gesellschaft gibt es zweifellos einen bestialischen
Massenmörder, der das Leben sechs junger Frauen aus der Umgebung von Paris gewaltsam
beendet hat. Gestern abend hat die Gendarmerie die Tourraine nahe der Ufer der Loire (siehe
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Foto unten) durchkämmt, immer noch einer der wildesten der großen französischen Flüsse,
auf der Suche nach den Leichen der Opfer, nachdem es einige Hinweise aus der lokalen
Bevölkerung gegeben hatte - bedauerlicherweise ohne jedes Resultat. Lesen Sie Seite 2."
Eine blutige Geschichte! Aber es ist ja alles nur Film.
Übrig geblieben und heute der liebevollen Requisitensammlung einverleibt ist übrigens der
kümmerliche Rest der Zeitung, die Ralf (als der Privatdetektiv Marcelin gleich in seiner
zweiten Szene) in der Hand hielt und die er möglichst vollständig verbrennen lassen muß.
Keine ganz ungefährliche Aufnahme, gebe ich zu - aber Eltern, die jetzt unruhig werden, sei
gesagt:
Rechts und links außerhalb des Bildes standen zwei Schüler, deren Aufgabe lediglich war
aufzupassen, daß der weite Mantel, den Ralf während der Aufnahme trug, kein Feuer fing,
und außerdem stand ein im Lokal gegenüber geborgter gefüllter Wassereimer für etwaige
Löschungen unmittelbar außerhalb des Bildes zur Verfügung.
Die Einwohner des Kolk, Spandau, wo wir die Aufnahme machten, waren dankbar für die
Live-Show und hingen reihenweise aus den Fenstern ("Kommt der Film im Fernsehen?" Man hielt uns für Profis !!!) Ein kleines Mädchen, das man in der Szene im Hintergrund auch
stehen sehen kann, tritt allerdings, wenn das Feuer in Ralfs Hand auflodert, ängstlich ein paar
Schritte zurück. (Es war wirklich furchterregend...)
Ein weiteres aufgehobenes Requisit (kann in unserer Ausstellung bewundert werden) ist
übrigens die Originalzeitung zum zweiten Mal (wir hatten sie zweimal gekauft, falls wir eine
zweite Aufnahme benötigt hätten.)Apropos: Der Eimer war nicht nötig. Die Einstellung
klappte beim ersten Mal. (Für eine Wiederholung wären meine Nerven auch nicht fest genug
gewesen.)
Und ebenfalls in der Ausstellung betrachtet werden kann der Computer-Cache für
"Mitterand". Denn selbstverständlich konnten wir für unseren Film, der in den 60er Jahren
spielt, Mitterand auf der Titelseite auch nicht brauchen.
Feuer, Mord, eine blutige, gefährliche Geschichte!
Trotz alledem, übrigens - unser Film ist eine Komödie!
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