Homilie zum 4. Ostersonntag – Lesejahr A (Joh 1,1-14)10,1-10) Luis Gurndin Kurzexegese: Die „Hirtenrede“ ist (auch) Teil der Auseinandersetzung Jesu mit den Schriftgelehrten und Pharisäern. Es geht dabei „um den Anspruch Jesu, der wahre Heilsbringer zu sein, den die Pharisäer in Frage stellen… Die ‚Hirtenrede‘ ist der Höhepunkt und der Abschluss der Offenbarungsreden Jesu vor dem Volk. Diese lassen auch die Gemeindesituation zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums durchscheinen. Damals gab es Richtungsstreitigkeiten unter den Gemeinden um die Person Jesu, zudem Irrlehrer, falsche Messiasse und allerlei Heilsbringer aus eigenen Gnaden, die die Gemeinden durcheinanderbrachten“ ((aus: Gottes Volk, Heft 4/2014, Seite 90). Zielsatz: Die Hörerinnen und Hörer verstehen, was Jesus mit dem Bild des Hirten für sich selbst und für alle aussagt, die auf seinen Namen getauft, mit seinem Geist besiegelt und – gegebenenfalls – durch das Weihesakrament mit besonderer Befähigung und Verantwortung für seine Herde ausgestattet sind. Motivation: Eine Anekdote erzählt: Bei der Dichterlesung durch einen Schauspieler war auch ein Pfarrer anwesend. Im Rahmen der anschließend gebotenen Möglichkeit des Gesprächs zwischen Publikum und Schauspieler stellte der Pfarrer sich vor und ersuchte dann den Schauspieler, den Psalm 23 vorzutragen (das ist der bekannte Psalm: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“). Der Schauspieler antwortete: „Gern, aber nur unter der Bedingung, dass Sie, Herr Pfarrer, den Psalm nachher auch rezitieren.“ So sprach zunächst der Schauspieler den Text des Psalms, dann kam der Pfarrer an die Reihe. Atemlose Stille begleitete das Sprechen des Pfarrers. Als er geendet hatte, fragte der Schauspieler ins Publikum: „Sie haben sicher den Unterschied in Ihrer Reaktion auf unser Sprechen bemerkt. Wissen Sie auch, worauf er zurückzuführen ist?“ Schweigen im Saal. Darauf der Schauspieler: „Ich kenne den Text, der Pfarrer kennt den Hirten.“ Problemfrage: Was ist die Botschaft des Bildes Jesu als des guten Hirten? Problemlösung: Das Bild des Hirten drückte für die damalige Zeit Fürsorge und Verantwortungsbewusstsein im Sinn einer rundum zufriedenstellenden und befriedeten Situation der einem Hirten anvertrauen Herde aus und wurde schon im Alten Testament (vgl. Ez 34) zur Kennzeichnung idealer Machtausübung des Königs verwendet. Die konkrete Erfahrung Israels mit seinen Königen war freilich oft eine andere, und die Erfahrung vieler Menschen heute mit denen, deren Verantwortung sie anvertraut sind, ist leider auch oft eine andere. Darum heißt es schon im Alten Testament, dass Gott den Führern des Volkes ihr Hirtenamt entziehen und es selbst übernehmen will. In diesem Sinn stellt Jesus sich im Evangelium selbst als guter Hirt vor, der seine Herde im Namen Gottes führt. Zugleich stellt er sich als Türe vor, die jene als legitime Hirten ausweist, die den Hirtendienst in seinem Namen ausüben. Weil das Bild vom guten Hirten jedes Jahr im Evangelium des vierten Ostersonntags auftaucht, trägt dieser Sonntag auch die Bezeichnung: „Der Gute-Hirten- Sonntag“. Das ist auch der Grund dafür, dass in der katholischen Kirche dieser Sonntag zum Weltgebetstag für geistliche Berufe bestimmt wurde: So wie Jesus Christus dargestellt wird im Bild des Hirten, dem das Wohl und Wehe seiner Herde so sehr am Herzen liegt, dass er zu deren Schutz sogar sein Leben aufs Spiel setzt, so sollten und sollen die, die in seinem Namen dem Volk Gottes in einem geistlichen Beruf dienen, diesem Bild und der damit gemeinten Haltung entsprechen, so dass man ihnen das Zeugnis ausstellen könnte, das in der Anekdote der Schauspieler dem Pfarrer ausstellte. Lösungsverstärkung: In einem weiteren Sinn sind damit selbstverständlich alle Getauften gemeint, weil die Taufe alle zu Geistbegabten, also zu „Geist-lichen“ macht. Und viele von diesen getauften Hirtinnen und Hirten – ob in einem engeren Sinn „Geist-liche“ oder nicht – werden auch in diesem Jahr „den Herrn der Ernte“ wieder um „Arbeiterinnen und Arbeiter für seine Ernte“ bitten. Und alle – ob „amtliche“ Hirten oder nicht – sind mit der Frage konfrontiert, ob sie sich ihrer Hirtenaufgabe bewusst sind und sie auch wahrnehmen, da sie von Taufe her den Namen des guten Hirten Jesus Christus tragen, von der Firmung her mit seinem Geist für diesen Auftrag gestärkt und gegebenenfalls vom Weihesakrament her mit einer besonderen Gabe beschenkt und dadurch mit einer besonderen Verantwortung für die Herde betraut sind.