Vielleicht könnten Sie sich einmal kurz vorstellen? B.K.: Ich heiße Barbara Kemmler, bin 55 Jahre alt, Regisseurin und Schauspielerin. 5 [Ich] mache seit 13-14 Jugendtheater und seit einigen Jahren Jahren sehr intensiv Jugendarbeit mit dem Schwerpunkt „Interkulturalität“. Welche Funktionen üben Sie beim Cactus Theater aus? 10 B.K.: Ich bin künstlerische Leiterin, Regisseurin, mache die Abrechnung und bin Geschäftsführerin. Die künstlerische Leitung teile ich mir mit Alban Renz, der sich aber auch mehr in die anderen Bereiche einarbeitet. Man ist schon in diesem Bereich der freien Theaterarbeit „Mädchen-für-alles“. 15 Wie sind Sie eigentlich zu diesem Bereich gekommen? B.K.: Zur Interkultur oder zur Jugend? 20 Beide Bereiche vielleicht, denn da wird es doch sicherlich Schnittstellen geben…. B.K.: Ich habe ja das Theater im Pumpenhaus mitbegründet, und war in dem hauseigenen Ensemble, und mir war klar, dass sich dieses als 25 Modell [einer freien Theaterbühne] auch totläuft, dass wir es an die Stadt zurückgeben müssen, und dies führte schon zu einer kleinen Krise bei mir. Aber ich hatte Bekannte wie auch Freunde, die intensiv Jugendtheater machten. Das erste Mal, dass ich mit Jugendlichen bewusst Theater gemacht habe, war ein Nebenprojekt von mir und wir 30 hatten „Katzelmacher“ vor 14 Jahren gespielt als Reaktion auf Rassismus. Da liegt auch wohl der Grundstein von „Cactus“ [Junges Theater]. Denn ich hab dann überlegt, also ich war Regisseurin und die Jugendlichen wollten nicht abhauen, und ich sagte: ‚Ok, ich mache Theatertraining oder besorge Euch mal einen Regisseur, ich gucke mal, 1 35 ob ich ein wenig Geld finde oder so’. Aber irgendwann war es aber auch so nach ein paar Jahren, dass ich merkte, so mit dem Theater, das mir wichtig war, mit Konzeption und so, dass ich mich das ein bisschen langweilte. Und habe mich in einer Krisenphase gefragt: ‚Woran hast Du eigentlich am meisten Spaß gehabt in der letzten Zeit’. 40 Und wo ich am meisten gelacht habe, war mit den Jugendlichen und hab mir dann gesagt: ‚Ja dann, machst Du das jetzt zu Deinem Schwerpunkt’. Und in die Zeit fiel auch das erste große Projekt, das so wie jetzt die Cactus-Projekte war, da hab ich ein großes internationales Projekt gemacht, also immer schon eigentlich die interkulturelle Ebene. 45 Jetzt nicht so auf dieser Ebene, hier so interkulturell sozial benachteiligt, sondern wirklich interkulturell. Da gab es ein Jubiläum anlässlich des westfälischen Friedens, und da haben wir ein Projekt gemacht mit Jugendlichen aus Partnerstädten in Tunesien, Russland, Polen und Frankreich. Und daraus hat sich dann das Konzept von 50 Cactus entwickelt, dass wir auch immer eine Ebene von physischer Arbeit drin haben, also wir haben auch immer eine besondere Körpertechnik, oder wir arbeiten mit Choreographen oder KarateLeuten, oder Thai-Chi-Meistern oder so. Ich suche immer irgendwas an physischer Arbeit, was irgendwo mit dem Thema in Verbindung steht, 55 und dass daraus eine sehr intensive persönliche Erfahrung wird, wo die Erfahrungen der Jugendlichen mit eingebracht werden können. Also nicht mehr so gestückelt abspielen, sondern im Prinzip collagenartig. Ich denke auch sehr stark so: wir umrunden, umkreisen ein Thema. Hinterher entstehen keine Theaterstücke, wo man sagen kann: ‚So und 60 so ist das’. Wir muten uns auch sehr schwere Themen wie Tod, Krankheit in Jugendzeit, also sehr verschiedene Themen, zu. Dieses Jahr wird es das Thema Väter sein, weil mich das Phänomen „der abwesenden Väter“ mich auch in der interkulturellen Arbeit sehr beschäftigt. Bei den Eltern geht es ganz viel um Geld, vor allem bei den 65 Vätern in ihrer Ernährerfunktion. Viele Männer sind noch nicht richtig angekommen in der Erziehung, dass muss man einfach sagen, sie sind nicht so präsent. Da gibt es Kinder, sagen wir mal in Afrika, und die Mutter geht nach Deutschland und heiratet und kriegt einen deutschen 2 Pass. Dann kommen die Kinder rüber, meistens noch in der Pubertät, 70 dann wird es ganz schwierig für sie, sich zu orientieren und einzugliedern. Es sind spannende Jugendliche, ich arbeite furchtbar gerne mit ihnen, aber die haben es zu schwer, die Arbeit kommt eigentlich Jahre zu spät. Man muss frühzeitig in der Pubertät, wo man gerade sein Ich, ‚wer bin ich überhaupt’, seine Individualität ausarbeitet, 75 eine andere Sprache erlernen muss, ansetzen. Das ist eine ganz, ganz große Schwierigkeit. Wie würden Sie denn die Arbeit des Cactus-Theaters, die Ziele und Ideale Ihrer Arbeit beschreiben? Das Cactus-Theater hat ja nicht 80 mehr einen Projektcharakter, sondern ist ja schon über Jahre hinweg fest etabliert…. B.K.: Ja, wir sind zwar fest etabliert, aber leben nur von Projektmitteln. Das ist der große Mangel, deswegen kam ich ja vorhin auch so 85 schreiend aus irgend so ´ner Abrechnungssitzung. Es ist ein großes Problem mit dem Geld, dass muss man immer wieder sagen. Das ist so ein aktuelles Thema, und das es so schwer ist, in dem Bereich zu arbeiten, ist fast nicht zu glauben. So! Wir haben ein Motto: Wir muten Jugendlichen Theater zu, Kunst, wir 90 muten Jugendlichen Kunst zu, und Erwachsenen Kunst mit Jugendlichen. Die Idee ist nicht, als Jugendtheater in einer Nische zu sein, wo man nur guckt, ob Bekannte, Freunde und Familie kommen, sondern auch Leute, die auch den Cactus-Stil mögen. Die also mögen, wie wir an Themen herangehen, und das geht quer durch alle 95 Altersschichten. Ich freue mich auch, dass immer mehr Jugendliche, ohne an die Hand genommen zu werden, von sich aus und aus Neugierde den Weg ins Theater finden. Und seitdem wir diesen interkulturellen Schwerpunkt seit ungefähr 4-5 Jahren haben und entsprechend noch mal gezielter arbeiten, erreichen wir auch 100 Jugendliche, die zum Theater bis dato keinen Zugang gefunden haben oder nicht so viel Geld dafür ausgeben wollen. Es wird auch nachgefragt, also ‚Wann können wir mal ins Theater kommen?’. Wir 3 haben letztes Jahr eine Kooperation unter dem Titel „MaulsonstAuge“ mit dem Stadttheater gemacht. Und unsere interkulturelle Gruppe fragte 105 anschließend immer wieder ‚Ja Barbara, wann können wir ins Stadttheater?’. Und das ist unser Ziel. Wir wollen sie aus den Vorstädten in die Zentren bürgerlicher Kultur bringen, so dass sie denken: ‚Das ist auch unser Ort, der ist auch für mich da, und der ist nicht für irgendeine bestimmte Gesellschaftsschicht da’. 110 Warum macht ihr ausgerechnet interkulturelle Projekte? Gab es da einen Auslöser? B.K.: Ja es gab einen Auslöser. Jugendtheater ist ja immer ein bisschen 115 interkulturell, da kommen wir nicht dran vorbei, dass es ist immer Jugendliche mit Migrationsgeschichte gibt. So, das ist einfach klar. Nichts desto trotz hatten wir ganz locker vor, ein Theaterstück mit nur jungen Männern zum Thema Rollenbilder zu machen, also meine ideale Frau, Weiblichkeitsbilder und so weiter. Man kann sich vorstellen, dass 120 es spannend ist, dies aus verschiedenen kulturellen Perspektiven zu beleuchten. Und siehe da, es war niemand mit Migrationsgeschichte da. Also doch, ein junger Mann, der hatte wohl irgendwo chinesische Vorfahren, aber das hatte auch nicht wirklich so eine große Auswirkung auf dieses Thema. Und das war so der Punkt, wo ich mir sagte ‚Ok, wir 125 müssen das wirklich ernst nehmen und interessiert angehen’. Wir müssen wir einen Schwerpunkt setzen und gezielt Methoden entwickeln. Das erste Projekt entstand unter dem Titel „Zungen“, wo ich mit einer Hauptschule und einem Gymnasium zusammengearbeitet habe. Von den Hauptschülern sind einige bei dem Theaterprojekt 130 geblieben, während 12 Jugendliche vom Gymnasium, die durch den Direktor auch animiert wurden, die sagten: ‚Jaja, großes Interesse’, nach ein, zwei Wochen nicht mehr kamen. Da weiß ich bis heute noch nicht, was da passiert ist. Vielleicht war es doch nicht so gut, sie als Ausländer zu outen. Es gab auf einmal ganz viele Gründe, und das ist 135 schon viel, wenn 12 vorher Feuer und Flamme sind und plötzlich gar nicht mehr wollen. Während von der Hauptschule einige dabei blieben, 4 konnten wir durch andere Kanäle, von anderen Schulen, durch Zufall noch drei Jugendliche, die von einer Gesamtschule und zwei von Gymnasien waren, gewinnen. 140 Wie sieht denn die Kooperation mit den in Münster ansässigen Schulen aus? B.K.: Also total einfach ist es mit Hauptschulen, die heben alle schon 145 ihre Finger und rufen: ‚Hallo Cactus, macht etwas mit uns’, und so. Also wir haben jedes Jahr ein niederschwelliges Angebot, dies Jahr zum dritten Male, eine Kooperation mit drei Hauptschulen. Es ist die Idee, dass wir in Gruppen arbeiten, um es Jugendlichen, die Schwierigkeiten mit ihrer Konzentration und/oder mit der deutschen Sprache haben, 150 einfacher zu machen. Ich habe zum Beispiel in der Geistschule einen Jungen, der ist 1 ½ Jahre in Deutschland, der ist sehr begabt, aber der spricht noch nicht so gut Deutsch. Also lieber zehn bis fünfzehn Minuten qualitativ spannend arbeiten, so dass es über ein persönliches ‚Guck mal, das ist ja nett’ hinaus geht. Das muss ja jetzt noch nicht 155 hohe Kunst sein, aber schon kunstvoll. Der Aufführungsapplaus sollte schon wirklich real sein für das, was da geleistet wird. Lieber fünfzehn Minuten pro Schule, das macht mit einer geschickten Verbindung eine Dreiviertel Stunde, und wir haben einen spannenden Abend über das, was die Schulen zum gleichen Thema, aber mit unterschiedlichen 160 Mitteln, erarbeitet haben. Das ist ein Teil unserer niederschwelligen Arbeit, aus der heraus dann wieder Jugendliche auch in andere CactusProduktionen kommen können. Es gibt jetzt kooperative Ansätze - ich habe bisher mit zwei Gymnasien gesprochen – einer schulinternen Schreibwerkstatt zu diesem neuen Väterstück, oder auch im Zuge mit 165 den demnächst vorherrschenden Ganztagsschulen, und da wollen wir mal gucken, wie und wo man so nach und nach anbieten kann. Es sind überall die Versuche da, dies miteinander zu verbinden. Aber Schule ist echt schwierig, also Gymnasium erst recht, die haben zu viel Stress, man erreicht auch niemanden. 170 5 Hr. Hoffmann von der BAG erklärte uns im Interview, dass sich im Rahmen ihrer empirischen Erhebung von theaterpädagogischen Gruppen und Projekten die Kooperationssituation mit Schulen anders herauskristallisiert habe, dass es einfacher sei, mit 175 Gymnasien, aufgrund ihrer höheren finanziellen und PersonalBudgets, als mit Hauptschulen zu kooperieren. B.K.: Für was für Projekte? 180 Projekte für Kinder und Jungendliche mit Migrationshintergrund. B.K.: Wären an Gymnasien leichter…. Die Ergebnisse der Erhebung spiegeln dies wieder, an der Sie mit 185 dem Cactus Theater auch teilgenommen haben. B.K.: Die haben auch vielmehr Geld. Sie möchten sehr gerne die Projekte an ihrer Schule, und wir machen übergreifende Projekte zum Beispiel. Wenn ich jetzt sagen würde ‚Schule Pipapo, wollt ihr nicht’ – 190 ich habe ja einen Namen – ‚wollt ihr nicht für dieses Projekt Kultur haben?’, würden die nicht unbedingt Nein sagen. Aber das würde nur im schulischen Rahmen und den entsprechenden Räumlichkeiten stattfinden. Was uns interessiert sind Partner, die vielleicht das Engagement der Jugendlichen trotzdem in ihrem Zeugnis vermerken, 195 z.B. im Rahmen eines offenen Ganztagsangebots, und sie auch zu Cactus schicken, weil sonst, das macht mir total Sorge, diese Schere immer weiter auseinander geht: das sind die Hauptschüler, das sind die Anderen, und die Anderen, die wissen überhaupt nichts von der Realität. Gar nichts, die sind voll mit Vorurteilen, mit Urteilen, mit 200 Meinungen, und die studieren dann, die sind dann hinterher noch Entscheidungsträger, und wissen nichts. Und ich merke das jetzt sehr, ich habe zum Beispiel jetzt einen Jungen, der wohl mehr ein schulischer Überflieger ist am Gymnasium, der macht in der interkulturellen Gruppe mit, und dem tut das so gut, weil der kriegt 6 205 einen Körper und umgekehrt, also es befruchtet sich unheimlich. Also ich erlebe schon viele Jugendliche mit Migrationsgeschichte, nicht alle, und bei den Jungs ist es mehr, dass sie sehr viel mehr physischer sind. Es tut anderen Jugendlichen ungeheuer gut, sich darauf einzulassen, es ist ja eine Bereicherung. Finanziell ist es ein großes Problem, weil, 210 die haben natürlich naturgemäß nicht so große Förderkreise und ich weiß nicht was. Das ist ein Problem. Aber Offenheit, Wünsche wie ‚Bitte, bitte macht etwas mit unseren Schülern’ ist bei Hauptschullehrern ganz groß. Die sind ganz, nicht alle, da gibt es auch Schreckliche, aber die sind schon ein bisschen flexibler im Kopf, muss ich sagen. 215 Wie werben Sie die Jugendlichen für ihre Projekte überhaupt an? B.K.: Jetzt ist es so, dass wir durch dieses Zungen-Projekt, haben wir einen… Also ich muss es leider… Wir haben einen Jugendlichen, an 220 dem sich einfach viel festmacht. An dem kann man viel erklären. Er ist also sehr angesehen in bestimmten Szenen, der hat da durch gehalten, der hat seine Sache so beschrieben: er ist mal mit mir zu einer Tagung gefahren, und da saßen wir im Zug, weil wir wollten über Zonen ein Referat halten, aber es dialogisch machen. Er sollte auch seine 225 Perspektive erzählen. Also, er ist ein Hauptschüler. Ich fragte ihn ‚Warum bist Du eigentlich dabei geblieben?’, da sagte er: ‚Ich musste Euch ja helfen, ein gutes Stück zu machen.’ ‚Aha’ sage ich, ‚ gut’. Es fiel mir ein, dass ich ihn beauftragt habe, die Choreographie zu machen, also irgendwann hatte er das wohl ernst genommen, und da ist es 230 wieder, die Zumutung. Er hatte etwas übernommen, und ich hatte es ihm zugetraut, das war ganz wichtig. So, das Nächste: ‚Du hast uns geholfen, dass stimmt auch, aber vielleicht hast du ja auch was gelernt?’ ‚Ja, dass man sich nicht schämen muss.’ Und zwar hat dieser Junge, von dem ich vorhin geredet habe, der vom Gymnasium, eine 235 ziemlich alberne Nummer, die aber in sich hinterher sehr tiefkomisch, sehr absurd zeigte, wo er auch ganz blöde singen muss (B.K. singt). Also war ziemlich blöd, und irgendwelche coole Hiphopper standen da herum, und noch der eine oder andere und ‚Was ist das hier?’. Er hat 7 einfach den Prozess mitgekriegt, weil der Junge hat mir vertraut, dass 240 es eine richtig gute Nummer war, bei der er manchmal sogar Zwischenapplaus kriegte. Das ist natürlich ein Riesenschritt, man darf etwas tun im Theater, was scheinbar uncool ist, und wenn man es gut macht, hat man damit Erfolg. Also es gibt diese Ebene, also dass man sich nicht schämen muss. Das erzählt er jetzt auch, er arbeitet oft als 245 Co-Leiter mit mir zusammen, was er auch den Anderen immer wieder vermittelt. Durch ihn kommen schon eine ganze Menge Jugendliche, die sich interessieren. Also es gibt natürlich Leute ‚wenn die das machen..’. Es ist natürlich unheimlich nervig, das Handy geht immer wieder im Proberaum, zum zehnten Mal sage ich ‚Kein Handy! Das 250 nächste Mal müsst ihr fünf Euro bezahlen!’ und so weiter und so weiter. Aber ich merkte dann irgendwann, ach so, ‚Ich kann jetzt gerade nicht, ich bin jetzt im Theater!’, dass es jetzt einfach plötzlich was ganz Cooles war, also dass da eine ganz andere Bewertung von Theater stattfindet. ‚Ich hab jetzt Probe, ich kann nicht’ oder so. Und um ihn 255 herum, da gibt es einen relativ großer Freundeskreis, entweder sind es potentielle Besucher, die spielen selber nicht, ermutigen sich aber auch gegenseitig. Ich hatte ein Mädchen aus Georgien, da hat also die ganze Clique sie hinterher mit kleinen Glücksbringern versorgt. Sie ist sehr leise, sehr schüchtern, ein sehr, sehr, sehr kompliziertes Elternhaus, 260 ungeheuer verunsichert ist sie auch, wegen Duldung und im Moment läuft ein Härtefallantrag. Ganz viele sahen auch und fanden das auch wichtig, dass sie Theater spielte, und somit ganz viel Rückendeckung kriegte. Und aus diesen ganzen Sachen ist auch das zweite Stück entstanden, das hieß „Jemand da“, über die schwierige Situation in 265 Elternhäusern, dass eben niemand da ist, auch nicht, weil die Eltern so böse sind, sondern weil sie ja selber kämpfen, um Geld zu verdienen, zum Teil auch für Familien, die noch gar nicht in Deutschland leben, sondern, was weiß ich so, in Russland, in Georgien, in Afrika. Aber die können ihren Kindern wenig helfen, so dass es manchmal so ist, das 270 Cliquen, und auch bei dieser Clique, die ich kenne, durchaus auch im positiven Sinn ganz viel Elternfunktion übernehmen, was unendlich rührend zu sehen ist, wie sie sich gegenseitig unterstützen und Mut 8 machen. Das war das Thema vom zweiten Stück, das Erste hieß „Zungen“, da ging es darum, dass ich mit acht Jugendlichen in zehn 275 Sprachen ein Theaterstück gemacht habe, dass zeigte, das Mehrsprachigkeit ein kreativer Wert an sich ist. Und es hat auch funktioniert, zum Teil haben wir es mit einem Uniseminar zusammen gemacht, bei den Germanisten mit Konzepten zur Sprache usw., und die Jugendlichen waren zum Teil mit in dem Seminar, haben selber 280 wieder gezeigt, was sie machen, die Studenten mussten auch spielen, um zu sehen wie schwierig das ist. Zwei junge Männer haben das Programmheft mitentwickelt und so. Das war in der Verbindung. Das nächste hieß „Jemand da?“ und das Letzte „Schwarzweissremix“, wo ich mehr mit dem Thema Hautfarbe und den Themen gearbeitet habe. 285 Ist die Teilnahme der Jugendlichen freiwillig, verpflichten sie sich dadurch auch zu etwas? B.K.: Ich sage ihnen ‚Ihr seid moralisch verpflichtet’. Also wenn ich jetzt 290 für dieses Jahr über Väter nachdenke, sag ich ab März ‚Sagt ihr ja oder nein?’, aber nicht irgendwie. Über welchen Zeitraum? 295 B.K.: Sie sollten bis zur Premiere, das wäre dann im Herbst, und dann möglichst noch ein Jahr zur Verfügung stehen. Weil wir ja immer mal zwischendurch auch Gastspiele haben. Oder „Schwarzweissremix“ hatte im Herbst Premiere und wird auf jeden Fall jetzt noch mal im Pumpenhaus gespielt. Ein Gastspiel hatten wir in Dortmund. Man hofft 300 halt immer, aber wir haben nicht so viel Struktur, um jetzt gezielt die Stücke zu verkaufen, aber es ist ganz gut, ein bisschen mehr zu spielen. Gibt es für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit 305 Migrationshintergrund spezifische Schwierigkeiten? 9 B.K.: Ja. Also, wir haben jetzt einen Antrag gestellt, wo ich hoffe, dass er im April durchkommt. Es geht schon darum, dass man Systeme schaffen muss, also das Eine ist die Arbeit an dem Theaterstück, und 310 das Andere ist das Drumherum. Da gibt es eine ganze Menge an Aufgaben, d.h. dass man auch mal was zu essen da haben muss, weil sie sich sonst nicht konzentrieren, sei es, dass man doch sehr viel gezielter, wie ich es auch anfangs nicht wahr haben wollte, auch mit Eltern Kontakt aufnehmen muss, das ist ganz viel Extraarbeit. Auch 315 Förderung muss man anders geben, sprachlich oder so. Da haben wir jetzt einen Antrag gestellt, wo wir hoffen, dass wir durchgängig einen Sprechlehrer einstellen können, der mit den Jugendlichen, aber auf einer künstlerischen Ebene, Sprachunterricht macht. Gleichzeitig merke ich, dass ich einige Jugendliche, die hier nichts lesen und in Deutsch 320 Lernen schlecht sind, vor allem bei Jungen, dass ich sie aber darüber erreiche, über Poesie, über künstlerische Texte, da haben sie total Lust, das auszuprobieren. Dass ich ihnen damit einen anderen Zugang zur deutschen Sprache eröffnen kann. Dass ich als Schauspielerin, die die deutsche Sprache auch mag, und weiß, wie sie auch gut klingen kann, 325 denen das auch vermittle, und nicht immer diese Sachtexte und Inhaltsangaben. Ich sage mal, die sitzen manchmal in dieser Gletscherspalte zwischen Muttersprache und deutscher Sprache, und wo ist die Sprache der Gefühle, also es wird zu kalt, wenn man keine Wörter hat. Das muss ich jetzt alles mit im Proberaum machen, und da 330 wollen wir jetzt ein bisschen gezielter gucken, dass wir nebenher so Unterrichte anbieten. Also einen Großteil habe ich in den letzten Jahren bisher ehrenamtlich gemacht, da das keiner bezahlt. Ich gehe auch mal zur Not in die Kirche, da ich weiß, da treffe ich die Eltern und dann gehe ich noch mal in die Kirche, da ist der Papa gerade sauer und da sagt er, 335 er kriegt Hausarrest, der darf nicht mehr zum Theater. Da kann ich dann aber wieder persönlich mit ihm reden, und sage ihm ‚Wir ziehen doch alle am gleichen Strang’, so little by little, peu à peu kommt man dann weiter und die Eltern fassen auch Vertrauen. Oder ich hatte heute Morgen auch fast eine halbe Stunde lang ein Gespräch mit der Mutter 340 eines Mädchens, wo es sehr kompliziert war letztes Jahr, die zum Teil 10 gar nicht mehr zu Hause gewohnt hat. Sozialarbeiter, Eltern, und ich weiß nicht wer noch, waren in heller Aufregung, aber was sie immer noch gemacht hat war Theater, und hier war sie pünktlich und regelmäßig. 345 Gibt es denn auch für Sie die Möglichkeit, Unterstützung zu holen, durch Ämter,... Ja. Es ist aber so, dass die Ämter froh sind, dass es Cactus gibt als 350 Unterstützung. Das ist deswegen, weil wir ja künstlerisch miteinander arbeiten. Ich bin keine Lehrerin und ich bin keine Sozialarbeiterin. Ich gehöre eigentlich zur Welt der Jugendlichen. Es gibt eine Form der Solidarität und dadurch erreichen wir manchmal Jugendliche, die es woanders schwer haben. Ich habe einen anderen Jugendlichen, der 355 auch Kleinigkeiten gemacht hat, aber in großer Ansammlung, das führt zu immer mehr Strafen, wo immer mehr Gerichtsverhandlungen eine Rolle gespielt haben, und der hat sich da jetzt raus gekrabbelt. Und das weiß ich, das lag an unserer Unterstützung und den positiven Erfahrungen und den Erfolgserlebnissen. 360 Das war jetzt ein schöner Einblick in die tägliche Praxis. Um das Ganze jetzt auch mal in die Bundesebene zu bringen, auf eine nationale Ebene, gerade den Einfluss von nationalen Vorgaben: Was meinen Sie, inwieweit spielen nationale integrationspolitische 365 Vorgaben eine Rolle für eure /Ihre Arbeit? Das weiß ich echt nicht. Ich kann nur hoffen. Wir haben jetzt einen Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt. Wenn der durchkäme, wüsste ich, dass ich wenigstens fundiert und nicht mit 370 ganz großen persönlichen Sorgen arbeiten kann, so wie es angemessen ist. Das habe ich ja gerade beschrieben. Es ist aber so, dass es unglaublich viele Projekte gibt - und ich hab mich mal mit jemandem vom Ausländeramt unterhalten, der sagte: „Wissen Sie Frau Kemmler, es geht ganz viel Geld in Hochglanzbroschüren. Und die 375 Leute die ganz konkret wirklich arbeiten, die haben es gar nicht so 11 einfach.“ Das ist noch immer so. Und ich habe selber auch solche Erfahrungen gemacht, weil ich in einem Lenkungskreis saß. Es gibt sehr viele Projekte, die hören sich sehr toll an und produzieren ungeheuer viel Papier, was ich schwierig finde, es braucht einfach 380 immer noch ganz klar Menschen, die mit Menschen in Kontakt treten und Prozesse moderieren. Und dafür ist nicht so viel Geld da. Wirklich nicht. Es sieht bei uns ganz furchtbar aus. Und von daher... wir haben auch schon Preise gewonnen beim Bündnis für Demokratie und Toleranz. Das ist wenig und viele Preise sind mehr oder weniger 385 Ehrenpreise. Aber es wird vielleicht auch so sein, wenn irgendeine Stiftung ein integratives Projekt ausschreibt, gibt es unglaublich viel Bewerber und wir müssen uns jedes Mal mit in die gleiche Reihe stellen. Da fragt doch niemand nach unserem Gesamtkonzept. Wir arbeiten ja extrem ganzheitlich. Das geht ja auch soweit, dass wir 390 gucken, dass Jugendliche mit im Team sind. Wir haben mal einen Preis gewonnen, endlich mal einen dotierten, von der Bürgerstiftung Münsters. Und da hab ich gesagt: „Ja, und das ist jetzt dafür, dass jemand bei uns ein freiwilliges kulturelles Jahr macht. Und zwar nicht ein Gymnasiast, sondern jemand von der Hauptschule. Und da geben 395 wir das Geld jetzt für aus.“ Aber normalerweise haben wir gar kein Geld für ein freiwilliges kulturelles Jahr. Trotzdem, es war zwar nicht immer einfach mit diesem Jugendlichen, aber es hat uns unheimlich viel weiter gebracht. Und es ist auch sinnvoll so was zu tun. Aber dafür ist keine Kohle da. 400 Aber es gibt ja jetzt seit dem Jahr 2006 den nationalen Integrationsplan, der auf Bundesebene besprochen wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen. 405 Ich hab da keine Ahnung von. Vielleicht können Sie mich aufklären. Es wurden Anregungen gegeben, wie man Integration in Deutschland in Gruppen und Institutionen weiter voranbringen könnte. Da gibt es einen Block Kulturarbeit in Deutschland, in dem 410 letztlich Zielvorschläge unterbreitet wurden und einige 12 ausgewählte Projekte auch intensiver vorgestellt wurden. Und darüber hinaus hat man eine Zielvorstellung gesetzt für die nächsten Jahre, wie man auch die Kulturarbeit als Integrationsarbeit als Basis und Integrationspotenzial besser 415 nutzen kann. Ich habe den Plan nicht gelesen. Tatsache ist, dass Kulturarbeit extrem viel, eine gezielte Kulturarbeit wirklich extrem viel zur Integration beitragen kann. Aber man muss auch wirklich kluge Konzepte haben 420 und es gibt auch viel Augenwischerei. Also es ist bei uns so, egal, was wir machen, wir versuchen Jugendliche aus der Peripherie ins Zentrum zu kriegen. Also ich arbeite nicht in einem sozialen Brennpunkt – tu ich allerdings trotzdem ein bisschen, weil wir ein bisschen Roma-Arbeit machen. Aber im Prinzip geht’s darum, dass ein Stadtmuseum, ein 425 Pumpenhaus, aber auch ein Stadttheater und auch ein Platz im Zentrum der Stadt allen gehört. Und den Jugendlichen zu helfen, das zu entdecken, das ist ja unglaublich anrührend, wenn man aus irgendeinem Grund im Rathaus ist, im Festsaal oder Friedenssaal, oder, oder, oder. „Ach ja, hier dürfen wir auch hin, hier sind wir jetzt 430 auch erwünscht.“ Oder bei der Bürgerstiftung, als wir den Preis machten, dass die einfach überhaupt wissen, dass es Institutionen gibt. Und da bin ich dann auch ganz gerne Deutsche, weil potenziell steht das wirklich jedem offen. Ja, ich bin in anderen Ländern gewesen, wo es dann doch rigidere Strukturen gibt, wo potenziell das nicht jedem 435 offen steht. Das man hier in einen Beratungsraum im Rathaus gehen kann, dass man da gucken kann, dass man empfangen wird von Bürgermeistern. Das sind ja auch unglaublich wichtige Erfahrungen. Und das kann man sehr wohl über Kultur erfahren. 440 Wie sehen Sie diese Trennung? Man hat ja immer das Problem, dass man unterscheiden muss, hat man ein kulturelles Projekt oder eher ein sozialpädagogisches Projekt? Oder ein künstlerisches? Das ist nicht so einfach. Das ist ja genau 445 dieses Schwierige, weswegen ich so hoffe, über diesen einen Antrag 13 Geld zu bekommen. Weil wir dann definiert haben, dass das künstlerische Arbeit ist, und das ist doch auch Sozialarbeit, die allerdings die Richtung hat, Jugendliche zu befähigen an der künstlerischen Arbeit teilzuhaben. Dazu gehört, irgendwie Mut zu 450 machen, empowerment, sagt man glaub ich auf Englisch, bzw. Elternarbeit. Also da gibt’s ganz viele kleinteilige Schritte, die man tun muss, und die sich eigentlich unglaublich mit Sozialarbeit berühren. Und wenn ich schon in dem Bereich bin, dann krieg ich halt mit, ein Jugendlicher ist durcheinander, weiß nicht woher er einen Praktikum 455 bekommen soll, dann besorg’ ich ne Praktikumsstelle. Also ich muss ganz viele Dinge tun, damit das Umfeld sich sicherer anfühlt und dann auch wirklich die Kraft und die Konzentration auf die Kunst da ist. Gleichzeitig ist wichtig, dass die Kunst gut ist und Kunst ist, weil das eben sonst nur in die nette Ecke „Ach, da machen ein paar Jugendliche 460 und dann auch noch mit Migrationsgeschichte was nettes“ gedrängt wird. Und da gibt’s ganz viele und auch wichtige Projekte, aber es wird nicht so wirklich Ernst genommen. Es ist immer noch von oben herab. Es ist immer noch nicht auf gleicher Augenhöhe, dass ich sage: „Okay, wir haben diesen klassischen Kanon im Theater, aber es gibt viele 465 Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden, und die aus ganz viel Erfahrung kommen. Wenn ich mir jemanden angucke mit 19 Jahren, der jetzt hier ist, was da an Geschichte und Geschichten schon hinter steht, die einfach ungeheuer spannend sind, vielleicht auch manchmal sehr leidvoll. Aber damit müssen wir gar nicht hausieren gehen. Dann 470 arbeite ich dafür, dass sich das öffnet. Also ich finde es immer wieder ungeheuer spannend. Warum? Ich bin nur deutsch, deutsch, deutsch, glaub ich. Es interessiert mich aber. Warum soll das andere Leute nicht auch interessieren? Weil es auch unser Spektrum erweitert. Also es ist nicht 475 so sehr nur Sozialarbeit, ich tu jetzt was Gutes für irgendjemanden. Es geht stumpf darum, die Wertschätzung rüber zu bringen, für das was an Erfahrung mitgebracht wird. Und da muss man leider durch, und das ist dann sozialarbeiterisch erstmal ein bisschen schaufeln. Ich hab noch mit nem Tänzer aus England gesprochen am Samstag, seine Eltern kommen aus Barbados. Und er sagte noch mal: 14 480 „They always thought, that you will fail. So you have to fight it.” Es wird erwartet, dass man versagt. Deswegen nutzt es niemandem, dem diese Erwartung entgegen gebracht wird, dass man immer sagt: „Ach du Armer, ach du Arme, ihr seid ja...“; sondern man muss sagen: „Hey, dann musst du doppelt so viel arbeiten. Es ist nicht nett, aber du kannst 485 dich drin suhlen, oder du haust rein.“ Und das sag ich denen auch. Ich sag: „Wir müssen ein gutes Theaterstück machen. Dass nützt nichts, wenn wir das ganz nett machen. Weil das führt nicht weiter. Überzeugungsarbeit, Selbstmitleid hilft nun mal nicht.“ Man kann sich gegenseitig unterstützen und auch mal bedauern, brauch ich auch, aber 490 dann ist es auch wieder gut gewesen, und dann muss man in die Hände spucken, und dann hat man ja auch ganz viel Spaß miteinander. Wie schätzen Sie das integrative Potenzial von Theaterarbeit denn ein? 495 Es sind natürlich nur einzelne Leute. Wen erreiche ich? Es hat trotzdem auch Vorbildcharakter und dadurch erreicht man wieder mehr. Ein anderes Beispiel: Wir haben dieses Theaterstück gemacht „Jemand da“ und es gibt von der Arge jetzt, also in verschiedenen Arges, [ich kenn 500 mich da nicht so aus,] neuerdings theaterpädagogische Projekte, für Jugendliche, die darüber Selbstbewusstsein lernen sollen und so. Und die sind zum Teil geschickt worden und haben gar nicht so furchtbar viel Lust. Und es gibt eine Theaterpädagogin, die, wenn es eben geht, mit den Jugendlichen in Cactus-Projekte geht. Und ich hab das mit 505 einem Projekt erlebt und die saßen im Zuschauerraum und kriegten hinterher ganz glänzende Augen und sagten: „Ach, das ist Theater. Ach, das hat ja was mit uns zu tun.“ Und dann ging so ein bisschen das Spiel mit sich dissen und so: „Ja passt mal auf, wir haben dann und dann Premiere und wir werden noch besser sein als ihr, und so.“ Auf 510 jeden Fall, sagte sie, die Proben nachdem sie gemeinsam da geguckt haben, waren komplett andere. Das heißt, denen wurde gezeigt, von Jugendlichen die genauso sind wie sie, dass man was auf die Beine stellen kann. Und dass es auch Spaß macht. Und sie haben auch gemerkt, dass es ne Qualität haben kann. Oder das andere, was ich 15 515 vorhin sprachlich angesprochen habe: Diese Ebene mit Deutsch, Deutsch [begreifen] auch wirklich als poetische Sprache, als Sprache die Emotionen ausdrücken kann und Gefühle, nur dann komme ich hier an. Es kann doch nicht nur sein, wie kann ich Verwaltungsdeutsch verstehen oder wie schreib ich eine Bewerbung. Wie soll ich denn 520 Deutsch werden oder mich in Deutschland zu Hause fühlen, wenn ich außer „Ich liebe dich!“ kein anderes Wort für Emotionen habe? Oder dann den anderen Jargon. Da gibt’s ja ganz viel mehr. Und wenn ich dann merke, „ich kann das“, dann komme ich hier auch an. Vorher komme ich hier nicht an. Also, von daher finde ich’s schon wichtig. Ich 525 hab mit einem Jugendlichen gesprochen, der hat ne Prüfung nachgemacht in Deutsch von Rosa Ausländer, das ist ganz wunderbar. Das wird dann wieder ein Projekt mit Migrationslyrik, von Deutschen, 2.Weltkrieg usw., mit Jugendlichen mit Migrationserfahrung gesprochen. Und da gibt’s ein wunderschönes Gedicht, 530 Manchmal flüstert ein Baum vor dem Fenster mir Mut zu, Manchmal leuchtet ein Buch als Stern auf meinem Himmel, Manchmal jemand der mich erkennt, der meine Sprache nicht kennt, ... 535 Und der wusste sofort, was gemeint war. Der konnte es mit Erfahrungen [besetzen], und was ein Baum ist, und warum ein Baum und die Metapher des Baumes und jemand der einen versteht ohne die Sprache usw. Der konnte ganz viel damit anfangen. Und hat dann glatt 540 ne zwei gemacht in der mündlichen Prüfung, obwohl er sonst immer zwischen 4 und 5 stand. Also einfach, weil da gibt’s ja Erfahrung. Und wenn man den Raum öffnet, und da denk ich, ist auch gerade Lyrik und gute Texte entscheidend, das ist einfach ungeheuer wichtig. Gut, da brauch man ein bisschen länger bis alle was verstehen. Ich hatte mal 545 ein Mädchen, die kam aus Kamerun, die war in einem Mädchenkreis, also in einer Mädchentheatergruppe, das war jetzt nicht extra ein interkulturelles Projekt. Die ist hochintelligent, aber sie kannte nicht ein einziges Fremdwort. Und alle anderen Mädchen waren gutbürgerlich. 16 Und da merk’ ich dann so, „Projekt“ schon allein, oder kommunizieren, 550 was wir alles so jeden Tag benutzen. Und bei jedem Fremdwort ging der Arm hoch. „Was heißt das?“ Und wir haben das geübt in dem Jahr. Und hinterher haben wir das Fremdwort benutzt und die Erklärung gleich mitgeliefert, war ja auch ne gute Übung im Kopf. Also es war dann auch eigentlich gar nicht so schlimm und so hat sich auch meine 555 Sprache im Laufe der Zeit verändert. Ich wiederhole oft Dinge, so dass niemand gezwungen ist ständig zu fragen: „Was heißt das?“. Sondern wie schaff ich ne Situation und guck, kriegt jeder jetzt alles mit? Das krieg ich im Team bei Cactus nicht so hin, aber im Probenraum schon. Man muss immer nachfragen, niemand sagt von selber, „ich hab es 560 nicht verstanden.“ Das kann man auch nicht ständig, ich war auch oft genug im Ausland. Dann sag ich „Jaja, jaja“ und denk ein Drittel reicht jetzt auch, mehr schaff ich auch einfach nicht. Das ist auch ne Zumutung, das kann man sich ja kaum vorstellen. Ich mein, hier im Team, mit diesem Jugendlichen, der das freiwillige kulturelle Jahr 565 gemacht hat, der fehlte hinterher immer freitags. Und ich dachte schon, der hat nen anderen Job oder arbeitet donnerstags in der Disco oder was ist los? Der war auch mit dem Handy nicht zu erreichen. Er war einfach nicht da. Mich hat’s die Wände hochgetrieben. Ich war natürlich auch wütend, weil es gibt ja auch Arbeitsstrukturen und so geht es aber 570 nicht, usw. Nach dem Jahr haben wir noch ne Besprechung gemacht und da hatte er sich sehr gut vorbereitet und hat gesagt, warum ihm das geholfen hätte und er sagte: „Es gab nur ein Problem. Diese Sitzungen. Ihr redet alle durcheinander. Kein Satz wird zu Ende gesprochen. Ich bin damit beschäftigt zu verstehen, worüber ihr 575 überhaupt redet und da fragst du mich noch am Schluss, ob ich auch noch was zu sagen hätte.“ „Ach“ sag ich, „deshalb hattest du freitags keine Zeit.“ Da sagt er: „Nee!“ Soweit hatte er nicht gedacht, aber jeden Freitag überkam ihn eine grenzenlose Unlust her zu kommen. Und das war an sich in vielen Bereichen wirklich jemand der auch pünktlich war. 580 Also es ist nicht jemand der grundsätzlich zu spät kommt. Aber freitags schaltete er alle Telefone ab und kam erstmal nicht aus dem Bett, oder was weiß ich, weil er einfach mit so einem Stress konfrontiert war. Und 17 seitdem hoff’ ich wird’s auch im Team besser oder generell. Das ist ein wichtiger Hinweis, dafür muss man nicht Ausländer sein, um das 585 Problem zu haben. Weil wir haben ja hier einen Jargon mit Anträgen und Stellen und so. Den kann man so schnell gar nicht verstehen. Wie sehen Sie denn letztlich auch die Nachhaltigkeit eurer Projekte, also nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch unter 590 den Jugendlichen? B.K.: Tja, mein Gott, müssen wir mal in zehn Jahren gucken. Nein, also es ist natürlich noch was anderes hier, das ist ja nicht nur interkulturell. Man kann ja bei Theater einfach wahnsinnig viel üben und ich erfülle 595 mir hier einfach noch so nen Traum, so ein Ideal, wo man gemeinsam arbeitet. Also ich komme ja so ein bisschen aus der Generation, dass man gemeinsam zusammen und mit andern [etwas macht], aber das kann sehr nach hinten losgehen, da gibt’s ja oft durchaus auch versteckte hierarchische Strukturen. Aber, dass man ein gemeinsames 600 Ziel hat, dass man – und das ist bei Cactus auch so, es muss niemand was auf der Bühne vertreten, was er nicht verstanden hat und wo er nicht dahinter steht; also wenn ich mitkriege, dass ein Jugendlicher sagt, „weiß ich auch nicht, hat die Barbara so gewollt“, dann wird’s mir ganz schlecht – das heißt, wir produzieren unser gemeinsames Stück 605 und in dem Rahmen haben wir – und da ist nicht nur „gemeinsam“ – unterschiedliche Verantwortungen. Also eine Übung ist z. B., - und das ist gerade für Jugendliche, die meinethalben von der Hauptschule kommen wichtig zu üben – dass man einmal nicht jemand anders auslacht, wenn er einen Fehler macht oder etwas falsch ausspricht oder 610 so, der zweite Schritt ist noch viel schwerer: Ich sag nicht die ganze Zeit „Scheiße“ zu dem was ich gemacht hab, also ich kritisiere mich selber auch nicht die ganze Zeit, sondern ich sag „du spielst und ich mecker’. Ich mecker sowieso, ich bin nie zufrieden, also entspann dich, es reicht ja wenn hier einer im Raum meckert.“ So, ne? Und wenn einer vorne 615 was zeigt, sollen alle anderen gefälligst zugucken und nicht nachdenken ob sie es gleich besser machen. Und das ist erst mal ein 18 ganz so, basic, aber ein unheimlicher Übungsprozess und ich glaube trotzdem, dass daraus so was wie Selbstbewusstsein und Spontaneität entwickelt wird. Und ob das jetzt weiter in Theater mündet oder in 620 andere Dinge, ist ja eigentlich auch nicht so wichtig. Also ich glaube schon, dass man eine Menge einüben kann, und es ist eben NICHT Casting-Show, sondern genau das Gegenteil. Also, was es gibt, es gibt unterschiedliche Talente, und ich finde das soll man auch sehen, es muss nicht alles gleich gemacht werden, das heißt aber nicht, dass.. 625 vielleicht ist da einer, der schreibt gute Texte und jemand anders kann sie gut spielen. Aber jeder hat seinen Teil an dem ganzen. Ja, das ist wichtig, dass eine Gruppe das versteht. Und da glaub ich auch immer noch ein bisschen dran. 630 Und wie ist das, wenn ein Projekt abgeschlossen ist mit den Jugendlichen, also ist es bei vielen so, dass sie bei weiteren Projekten dann noch dran teilhaben, oder..? B.K.: Wir haben nen relativ hohen Prozentsatz von solchen, die 635 weitermachen, und wir haben jetzt dieses Jahr das Problem, also nicht nur in den ausgewiesen interkulturellen, (weil das fängt sich zum Glück an, immer mehr zu mischen,) dass wir Leute mit mehr Erfahrung haben und ab nem bestimmten Punkt ist es ein bisschen blöd, wenn die... na ja, irgendwann machts vielleicht auch keinen Spaß mehr, immer nur mit 640 reinen Anfängern wieder... also wir brauchen diese Mischung erfahren/ unerfahren, weil die Erfahrenen ziehen die andern schon mit oder sagen „ja, die Barbara bellt, aber die ist nicht so schlimm, also das kann man überleben“. Ne, die können ja auch intern ne Menge vermitteln. So, aber es bleiben ne Menge dabei. 645 Und die Jugendlichen, fungieren die auch als Multiplikator? Also auch innerhalb ihres sozialen Umfeldes? B.K.: Ja, also wir machen gezielt diese Sachen in Schulen, aber... also, 650 eine Sache ist, das ist jetzt auch nicht unbedingt interkulturell, 19 Mädchentheater. Da könnten wir 20.000 Gruppen aufmachen, glaub ich. Also wenn wir dafür noch Werbung machen würden, dann könnten wir jeden Tag hier ne Theatergruppe haben. Weil wir den Mut haben auch mit Jugendlichen eben in der Pubertät zu arbeiten, bei uns geht’s 655 mit 13-14 zum Teil schon los und da fallen die woanders überall raus. Und das ist so ne Entdeckung die ich mal gemacht hab, es ist manchmal anstrengend, aber ehrlich gesagt ist es ne Zeit auch von reiner Energie, ne? Also wenn man die aufnimmt kann man damit ganz auch viel und ganz toll arbeiten. 660 Gibt es denn viele von solchen Angeboten oder solchen Projekten in Münster? B.K.: Weiß ich nicht, also es gibt schon so Angebote, ich mein gut, in 665 Münster ist jetzt Cactus schon so etabloert, dass man dann sagt „ja, ich will jetzt schon bei Cactus“... Es gibt ne ganze Szene, die schöpfen auch viel stärker die Gymnasien ab, also so diese Theater- und Jugendclubs, das sind andere, die meinen auch immer noch, es wäre was wichtigeres, am Stadttheater was zu machen. Die haben noch 670 nicht ganz verstanden, dass wenn sie bei uns sind... also es ist keine Konkurrenz, weil die wirklich anderes machen, aber das spielen die zwei mal und bei uns sind es mindestens zehn Aufführungen. Gibt’s denn noch weitere Kooperationen die ihr habt, also nicht 675 nur mit Schulen, sondern auch mit anderen Theatergruppen, nicht nur auf nationaler Ebene...? B.K.: Ja international sehr, das ist mir auch wichtig, das ist auch für die interkulturelle Arbeit wichtig, weil in dem Moment wo ich eine Gruppe 680 aus dem Kongo hier habe und man zum Beispiel zusammen nen Workshop macht oder so... also wir hatten mal ne Gruppe aus Argentinien hier, da waren noch Jugendliche aus Rumänien und aus der Slowakei und weiß ich jetzt nicht - wenn die Jugendlichen, die andere Geschichten haben, kulturelle, plötzlich zu den Spezialisten 20 685 werden, dann erleben die sich als besonders kompetetent, weil sie dieses Mehrkultur, also die Erfahrungen schon gemacht haben, ne? Also ein Julio kann Spanisch, dann hat der sofort Kontakt zu den Argentiniern. Ein Jugendlicher aus Afrika, Kana, versteht also die Kongolesen. Wenn man jetzt mal nen Dorfchef spielen soll, weiß der 690 sofort was gefragt ist, also er ist plötzlich kompetent auf vielen Ebenen und das ist auch sehr wichtig, dass man so dieses Erlebnis hat. Oder Nana spricht russisch und kann sich dann mit den Bulgarinnen aber gut verstehen, weil die auch noch ein bisschen [verbunden sind]. Also, man kann plötzlich übersetzen, und das find ich auch wichtig in dieser 695 Verbindung „interkulturell und international“. Weil das ist ja auch interkulturell, ne. Also das eine ist Integration, aber ich glaube, wenn Jugendliche plötzlich Gastgeber werden können, hier, für Jugendliche aus anderen Ländern und sie sich auch darüber definieren, ist das schon integriert. Wenn ich Gastgeber bin in Deutschland, bin ich 700 integriert. Ja! Vielleicht zum Abschluss noch eine Frage: Dieses Schlagwort, „Interkulturelle Arbeit“,man verwendet das ja immer wieder gerne, bloß ist es nicht so konkret definiert, was man sich tatsächlich 705 drunter vorstellt. Also vielleicht so in ein-zwei Sätzen, was Sie sich unter „interkulturelle Arbeit“ selber vorstellen, was Sie auch selber machen, bzw. was Sie auch gerne damit erreichen möchten. B.K.: Also interkulturelle Arbeit hat nichts damit zu tun, was oft damit 710 verstanden wird, Arbeit mit Jugendlichen, die in prekären Situationen sind und so weiter. Interkulturelle Arbeit heißt erstmal per se mit Menschen arbeiten, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Da gibt es durchaus andere Muster, sei es, was man über Familie denkt, über die Geschlechterrollen denkt, über die Art wie man lacht, 715 sich in die Augen guckt, oder nicht in die Augen guckt, wie man Geschichten erzählt.. Im Kongo ist Theater nie so wie Cactus, das war komplett neu, dass wir zwölf Themen ansprechen mit einem Titel: Da nimmt man ein Thema, meinethalben AIDS, und dann macht man dazu 21 nen Tanz und dazu ne Story und walzt das auf – das hört sich negativ 720 an, ist gar nicht so gemeint, weil es ist sehr kunstfertig – eine Stunde. Bei uns wird über Frauen ein Stück gemacht und da spielt auch AIDS ne Rolle. Und da spielt Witwenschaft ne Rolle und da spielt das ne Rolle und das ne Rolle, also das war komplett was Neues. Gleichzeitig, wenn ich jetzt hier arbeite mit Roma, ich merke, die haben, wenn die 725 was selber entwickeln, immer irgendwas märchenhaftes, da gibt es ne Zaubermütze, oder jetzt hatten sie wieder ne Idee, was ich mit ihnen machen soll, ich sollte irgendwie ein Märchen erzählen, also das gibt ganz viel so was... ganz romantisch, fast kitschiges. Wenn ich das machen würde, sähe das auch kitschig aus. Wenn die das machen, 730 machen die das mit ner Art von Präsenz und auch physischen Präsenz – es ist anrührend, aber nicht kitschig. So, und das alles miteinander zu vermischen und das auch als was Spannendes anzusehen, das ist für mich Interkultur. Und das andere ist, wenn ich interkulturell arbeite, muss ich vielleicht auch das Andere machen, zu gucken, wie kann ich 735 integrierend sein, wie kann ich sozial unterstützend sein und so weiter. Aber man sollte das ein bisschen getrennt halten. Noch eine kurze Frage: Wir haben ja vor einer Minute drüber gesprochen, das Thema Nachhaltigkeit und was Jugendliche 740 mitnehmen aus den Projekten. Was können Sie denn dazu sagen? Oder haben Sie vielleicht Feedback gekriegt, was die integrative Nachhaltigkeit angeht? Also haben Sie den Eindruck, dass Jugendliche, die ein- oder mehrmals an den Projekten teilgenommen haben, dass sie in ihrem Alltag in der Konfrontation 745 mit der deutschen „Aufnahmegesellschaft“ leichter zurecht kommen? B.K.: Ich glaub, dass denen das hilft, ganz klar. Ganz klar. 750 Auf welcher Ebene? 22 B.K.: Also einmal sich auszudrücken, innerlich vielleicht ruhiger zu sein, weil man eben sich in Deutschland auch zu etwas zugehörig fühlt, solche Sachen. Also es ist sprachliche, soziale Kompetenz, irgendwo 755 auch angekommen zu sein, so was, von zu Hause auch. Mal überlegen... jaja, es ist schon wichtig, das immer wieder versuchen genau zu definieren und nicht einfach zu sagen „Theater spielen tut gut, nä?!“. Ja, es hilft auch zum Teil berufliche Perspektiven zu entwickeln. Meine 760 Eltern waren dagegen, dass ich Theater spiele. Ich hab da sehr drunter gelitten. Ich musste immer all mein Geld selber verdienen und so. Und ich seh das durchaus bei den Jugendlichen, dass einige auch ne musische Begabung haben, dadurch, dass sie dann aber doch mehr in dieser prekären Situation sind, das als Bild überhaupt nicht vorgesehen 765 ist. Also sie sollen halt irgendwie Köchin werden oder AutoMechatroniker. Das kann aber zu unglaublich innerlichen Konflikten führen, wenn es denn dann auch diese andere Ader gibt. Was nicht heißt, dass sie vielleicht nicht ein singender Auto-Mechatroniker werden können, aber vielleicht der Gesang extrem wichtig ist. Und das finde ich 770 wird auch unterschätzt. Was ist mit jemandem, der unheimlich guter Beatboxer ist und zwei Studenten, die fertig sind, die haben n abgeschlossenes Musikhochschul-Studium, die musizieren mit dem zusammen, ich sag der hat im kleinen Finger mehr Musikalität und Rhythmusgefühl als die meisten Mitstudenten von meiner Hochschule. 775 Aber das ist für so einen Menschen nicht vorgesehen. Und das ist das Problem. Also dadurch entsteht auch... also ich sag immer, wenn ich das mit dem Theater nicht entdeckt hätte und wie ich meine Dynamik kenne, ich war immer hyperaktiv, ich muss auch ein bisschen zehn Sachen gleichzeitig machen, und hin- und herspringen mental, dann 780 hätte ich vielleicht wie meine Mutter jeden Tag Migräne oder wär inner Klapse gelandet. Also, ich mein jetzt wirklich, es gibt ja auch Menschen, die das haben, wie ausgeprägt auch immer, aber wo man auch nen Kanal für finden muss. Oder das Mädchen mit den Fremdwörtern, die ist echt hochbegabt, die hat mit zwölf Jahren schon ein kleines 785 Theaterstück gespielt, das wir inszeniert haben. Das hätte nie jemand 23 gedacht, dass das ne Zwölfjährige ist, über Kommunikation. Also ich glaub das Mädchen hat Schwierigkeiten mit sich weil sie auch ihren kreativen und auch intellektuellen Potenzialen gemäß gar nicht gefördert wird. Und deswegen läuft das alles hier so ein bisschen 790 Amok. Also da denk ich, kann Theater auch integrieren, also ich mein jetzt nicht nur Menschen mit Integrationsgeschichte, ich hab auch oft Jugendliche, die einsam sind in ihrer Klasse, in ihrer Schule und die hier das erste Mal Gemeinschaft erleben. Weil die Leute die dann doch 795 über nen längeren Zeitraum Theater durchhalten sind alle irgendwie besonders und alles irgendwo anders vielleicht gar nicht so angekommen gewesen. Oder jetzt bei s/w remix, das sagte Jose, die ist in Deutschland aufgewachsen, hat eben Blockflöte studiert, ist aber fertig, sagt sie „am Anfang waren das die zwei kleinen Hip-Hoper mit 800 14,“ sie ist 25, „aber am Ende waren wir alle Kollegen.“ Also da war plötzlich ganz viel Wertschätzung gegenseitig. Und jeder sah, „Mensch, du kannst was, das kann ich nicht, du kannst was, das kann ich nicht“. Als wir gespielt haben waren von den Hip-Hopern ein Bruder und ein Cousin da, die laut sich unterhielten „Boah, der Musiker ist ja klasse“, 805 „ja, das ist ein Jazzmusiker aus Holland“ und so. Und durchaus auch Musik, die bis dahin noch nicht so „in“ war, so solche Gemeinschaften zu bilden, das ist eigentlich wichtig. Also da kann man die Deutschen auch sehr gut reinintegrieren. Denn die Frage ist ja immer, wer soll eigentlich integriert werden? 810 Tatsache ist, dass wir in einer Gesellschaft mit verschiedenen Kulturen leben und Integration muss einfach auch in diese Richtung gedacht werden. „Wie integrieren wir uns in diese Gesellschaft, die es nun mal gibt?“ So, also so lange ich noch – und das ist mir letztens passiert – in nen Bus steige mit vier Afrikanern, einer Afro-Deutschen, einem 815 Jugendlichen der auch ein bisschen orientalisch aussieht und die Leute nur in einer Mischung von skeptisch bis aggressiv einen angucken und ein alter Mann, bloß weil er zufällig mit einem Instrument angetippt wird gleich zuschlägt – frag ich mich, wer muss integriert werden? Und das Schlimme war, unser Versehen war, dass wir total gute Laune hatten, 24 820 wir waren einfach lebendig. Das war das was... „was sind das für welche?“. Ich mein zwei weißhaarige Damen gehörten zu der Gruppe, man hätte ja wenigstens sagen können, „es ist doch nicht ganz so fremd“. Das mein ich wirklich noch mal, zum Begriff der Integration, da muss 825 man auch noch mal drüber nachdenken, so lange sich die weiße Mehrheitsgesellschaft, die vielleicht deutsch-deutsche Hintergründe hat, nicht in diese Gesellschaft, die es nun mal gibt, integriert, wird es auch Schwierigkeiten geben. 830 25