5.3 Sprachproduktion - - - Produktion und Rezeption von Sprache können gleichzeitig ablaufen (Durcheinanderreden), meist aber Zuhören oder Reden Durcheinanderreden und „peinliche Stille“ in unserer Kultur unerwünscht, eine Person sollte zu einer Zeit sprechen (dazu: Prinzipien des turn taking, Schegloff & Jefferson, 1974) Kommunikationsteilnehmer beziehen sich in ihren Äußerungen aufeinander o Wichtig dabei: von Diskurspartner aufgebauter common ground (Clark et al. 1977) Interpretation der Äußerungen basiert darauf Sprachproduktion und -rezeption sind nicht allein als gegenläufige Prozesse (Senden, Empfangen) zu verstehen o Kontrollschleife: Wir hören uns beim Sprechen zu o Sprechen und Verstehen greifen auf dasselbe sprachspezifische Wissen zu, möglicherweise aus einem gemeinsamen mentalen Lexikon 5.3.1 Drei Prozessstufen mentaler Prozess der Erzeugung von Sprachäußerungen in drei Stufen s. Abb. 5.6 S.317 1. Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis - Conceptualiser (Levelt, 1989) - Generierung einer zielführenden Botschaft (meist kognitiv-nonverbale Struktur= Begriff, Konzept) 2. Enkodierung - formulator (Levelt) - einzelsprachliche Verbalisierung/Enkodierung der Botschaft o Begriffen oder komplexeren Strukturen werden einzelsprachliche Wörter/Wendungen zugeordnet 3. Artikulation - Articulator (Levelt) - Erzeugung eines hörbaren Sprechsignals 5.3.1.1 Erste Stufe: Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis Untergliederung in 3 Teilprozesse - Fokussierung, Parameterfixierung, Formatierung Fokussierung - Sprecher fokussiert dasjenige, von dem er sprechen will - Dabei Selektion der zu enkodierenden kognitiven Inhalte - Und Linearisierung der ausgewählten Inhalte in eine bestimmte Reihenfolge o Bsp: Sprecher erwähnt von seinem Arztbesuch nur bestimmte Aspekte in einer bestimmten Reihenfolge (langes sorgenvolles Warten und spätere Erleichterung, nicht ein bestimmtes Diagnosegerät) o teilweise komplexe Planung vor dem Sprechen Bsp.: Wie beginne ich eine Rede, um jmd zum Kauf eines Dinges zu überreden, das er zunächst nicht haben will? o teilweise auch automatisch ohne Planungsprozesse Bsp.: Anreden verwenden, grüßen Parameterfixierung von Teilsystemen der Sprachproduktion - mentale Teilsysteme des Sprechersystems, in denen SPprozesse ablaufen, werden in situationsangemessener Weise eingestellt bzw. fixiert o Bsp. Teilprozess des Artikulierens wird auf bestimmte Lautstärke eingestellt o Parameter bleibt über eine Situation hinweg meist konstant (nicht notwendig, bei jedem Wort neu einzustellen) Formatierung - Enkodiermechanismus: kognitiver Teilapparat, zuständig für einzelsprachliche Enkodierung einer Srachäußerung - Mechanismus arbeitet sehr schnell Sprachproduktion muss in einen bestimmten Format liegen um als Prozessinput aufgenommen zu werden - gleiche Gedanken oder Äußerungsziele können zu sehr unterschiedlichen Formulierungen führen und - Gedanken, die als Enkodierinput vorliegen, sind unterbestimmt und müssen vereindeutigt werden - Bsp. Botschaft soll sein, dass ein bestimmter Junge ein Mädchen liebt o Proposition [Relation: lieben (Agent: Mädchen, Patient: Junge)] o Diese Proposition kann unterschiedlich formuliert werden o Z.B. „Das Mädchen liebt den Jungen“, „Der Junge wird vom Mädchen geliebt“, „Es ist der Junge, der das Mädchen liebt“ und VIELE mehr komplexe psychische Mechanismen nötig um eine und dieselbe Proposition in situationsadäquate, grammatisch korrekte kognitive Äußerungsbasis umzuwandeln - wenig beforscht 5.3.1.2 Zweite Stufe: Die sprachliche Enkodierung - Enkodierinput: fokussierte, formatierte kog. Äußerungsbasis, die Stück für Stück in Enkodiermechanismus eingegeben wird - Enkodiermechanismus erzeugt auf Basis des Input eine Folge von Phonemen, der zusätzlich Infos über Prosodie, Wortgrenzen und Silbensegmentierung beigegeben sind Output: Phonemsequenzen + Zusatzinfos bzw. Gestenpartituren : dient als Input für den Artikulationsprozess - unterschiedliche theoretische Konzeption der Funktionen des Enkodiermechanismus - Übereinkunft: einzelsprachliche Enkodierung besteht aus adäquater Wortwahl (inklusive Flexion=Beugung) und syntaktischer Strukturierung von Satzteilen/Sätzen (Satzbau) lexikalisch-morphologische und syntaktische Teilvorgänge Lexikalisch-morphologische Enkodierung - Ziel dieses Teilprozesses: Wortformen finden, die Konzepten der Äußerungsbasis entsprechen - Unterscheidung zwischen Zweikomponenten- und Dreikomponententheorien Dreikomponententheorien 1. nonverbale Begriffe (Konzepte)= mentale Repräsentationen von Dingen mit ihren Merkmalen, unabhängig von der Einzelsprache verarbeitbar 2. Einträge im mentalen Lexikon (Lemmata= sprachliche Verweise auf nonverbale Begriffe) 3. Wortformen bestehend aus Morphemen, Phonemen und Silben Vorgang beim einzelsprachlichen Enkodieren: Suche nach und Auswahl zwischen Lemmata für jeden zu verbalisierenden Begriff (lexikalische Suche), morphologische Enkodierung bringt das Lemma in die für den Satz passende flektierte Wortform Zweikomponententheorien 1. nichtverbale Begriffe 2. (flektierte) Wörter bzw. Morpheme nichtsprachliche Begriffe verleihen flektierten Wörtern ihre Bedeutung Modellierung - Genannte Theorien werden meist durch konnektivistische Netzwerke dargestellt o Z.B. Modell WEAVER (Levelt et al. 1999): lokalistisches Netz mit Produktionsregeln zur Aktivationsausbreitung, dessen Knoten für konzeptuelle Einheiten, Lemmata, Wortformen stehen Grammatisch-syntaktische Enkodierung - Äußerungen sind gemäß der Grammatik einer Sprache strukturiert Prozesse der Satzplanung müssen nichtverbale Konzepte und Lemmata zu zusammenhängender Äußerung verbinden - 2 Grundauffassungen: 1. Fertiges Schema zu Beginn der Satzgenerierung a. Z.B. als System von Leerstellen= slots (in welche die Wörter, die den nonverbalen Begriffen entsprechen, gefüllt werden) 2. Entwicklung des Satzschemas während der Generierung a. Je nach Beschaffenheit der Lemmata, die in einer bestimmten Reihenfolge verfügbar werden b. Genaues Satzschema liegt erst fest, wenn alle Lemmata gefunden Phonologische Enkodierung - Prozesse der Silbenstruktur, der Betonung und der Satzmelodie 5.3.1.3 Dritte Stufe: Artikulation - komplexe Sprechmotorik (und ihre neuronale Steuerung) nötig o beim Sprechen müssen pro Sekunde ca. 100 koordinierte Nervenimpulse erzeugt werden um die Phonation in Kehlkopfregion (Hauchlaute), Einstellung der Zunge (Konsonanten) und die Bereitstellung passender Resonanzräume zu besorgen o außerdem Lautkomposition einzelner Silben, Wörter, wortübergreifender Sprachrhythmus, Betonung - hörbares Sprechsignal =Resultat 5.3.2 Teilprozesse bei der kognitiven Äußerungsbasis 5.3.2.1. Fokussieren und Selektion - Meist beabsichtigt man etw. mit dem Sprechen - Man sagt nur einen Teil dessen, was man meint (Pars-pro-toto-Prinzip der Sprachproduktion (Laucht 1979) - Sprecher wählt als Äußerunsgsbasis formatierten Teil dessen aus, worauf sich seine Kommunikationsabsicht bezieht - Kommunikationspartner rekonstruiert Bedeutung o Dafür spezifisches Sprach- und Sachwissen bei beiden Partner nötig (v.a. shared knowledge, common ground, clark 1996) 5.3.2.2 Linearisieren - sequentielle Botschaft erzeugen - Sequenz einer Äußerung wird beeinflusst durch: o Einzelsprachliche Wortfolgeregeln o die kognitiven Äußerungsbasis, welche oft schon eine sequentielle Ordnung hat - kognitive Basis einer Äußerung ist leicht zu linearisieren, wenn zu verbalisierender Inhalt schon zeitlich geordnet o Bsp. Film: man beginnt damit vom Anfang zu erzählen, endet mit dem Ende o Mit kognitivem Aufwand ist es möglich sich von vorgegebener Reigenfolge zu lösen - einige Sachverhalte besitzen keine zeitliche Ordnung o z.B. räumliche Anordnungen - 2 Arten von Gesichtspunkten nach denen linearisiert werden kann (Inhaltsbezogene und prozessbezogene Determinanten) Inhaltsbezogene Determinanten - Gegebenheiten mit eigener Zeitstruktur (natürliche Ordnung) - Bei Sachverhalten ohne natürliche Ordnung: Versuch plausible Sequenz herzustellen mittels Linearisierungsoperationen o o o Z.B. bei räumlicher Anordung: Beschreibung, als wandere man durch den Raum Ereignisschemata als Maßgabe (beim Arzt beschreibt man zuerst den Eingang und die Garderobe) Prozedurale Schemata nutzen (z.B. zum standardisierten Erzählen von Märchen oder Anfertigen von Kochrezepten) Prozessbezogene Determinanten - steuern vom Inhalt unabhängig die Äußerungsinhalte - Prinzip der Verbundenheit: räumlich benachbarte Gegebenheiten werden nacheinander verbalisiert - Stapelprinzip: (vgl. Tiefensuche): bei Raumkonstellationen mit Verzweigungen: vom Verzweigungspunkt aus eine der Wegstrecken bis zum Ende abarbeiten - Ökonomieprinzip: bei der Tiefensuche wird zuerst der kürzeste Ast abgearbeitet (Grund: man muss Verzweigungspunkt weniger lange im Gedächtnis behalten) - Genese- und Ankerprinzip (bei Raumkonstellationen) o Gegebenheiten werden in ihrer Erwerbsreihenfolge beschrieben (Genese) o Linearisierung entsprich der Ersterfahrung (Ankerprinzip) Z.B. beschreibt man einen Weg in der Richtung, wie man ihn zuerst gegangen ist Nachweis: wenn zwischen Ersterfahrung und freier Beschreibung einen erzwungene Beschreibung eines Weges erfolgt, wird der Weg, darf er frei beschrieben werden, in der Richtung der Ersterfahrung beschrieben 5.3.2.3 Parameterfixierung von Teilprozessen - Einstellung der mentalen Teilsysteme, in denen Teilprozesse der Sprache ablaufen Reizsteuerung der Sprachproduktion - Bereitstellung der kog. Äußerungsbasis kann in reizgesteuerter, erlernter, hochautomatisierter Bezugnahme auf Partneräußerung bestehen (z.B. „Danke!“) Sprachproduktion als bloße Sprachreproduktion - Was gesagt werden soll möglicherweise aus LZG in AG kopierbar o Z.B. bei Wiedergabe auswendiggelernter Lieder Schemasteuerung der Sprachproduktion - kognitive Schemata steuern in großem Maße Äußerungen o z.B. Festlegen des sprachlichen Teilregisters beim Märchenerzählen Ad-hoc-Steuerung der Sprachproduktion - nicht alles, was wir äußern wollen ist vorgefertigt konzeptualisierteingehende Planung der zu verschlüsselnden Botschaft nötig (Kontrollierte=bewusste, kognitive Prozesse) Unterschiede: - bei Ad-hoc-Steuerung wird im Gegensatz zur Reizsteuerung genaues mentales Protokoll über bereits gesagtes geführt und sie fordert größere Variablität der Wortwahl - Bei Ad-hoc-und Reizsteuerung ist Registerwahl (z.B. Tonfall) vom Partner abhängig, bei Schemasteuerung einige Register festgelegt 5.3.2.4 Formatierung der kognitiven Äußerungsbasis - eindeutige Formatierung der Äußerungsbasis nötig, da gleiche Gedanken zu unterschiedlichen Formulierungen führen können und Unterbestimmtheit nicht im Enkodiermechanismus beseitigt werden kann - Formatierung: arbeitet zu verbalisierendes unter Verwendung einzelsprachlicher Infos zu einem für Enkodiermechanismus passendem Input auf - Verschiedene theoretische Gesichtspunkte zur Formatierung: o o Z.B. Levelt (1989) Beschreibung nonverbaler Konzepte mittels Graphen (S. 326 Abb 5.7) mit lexikalischen Begriffen, die verbalisiert werden sollen als Glieder darin sind schon grammatische Strukturen enthalten, sogennannte proto-grammatische Infos (z.B. „Kind“ gehört der Klasse Person an), die schon vor der einzelsprachlichen Enkodierung feststehen Gemeinsamkeit der wiss. Positionen: kognitive Inhalte werden bei Formatierung in einzelne Begriffe zerlegt und in die Form propositionaler Konzepte gebracht 5.3.3 Einzelsprachliche Enkodierung Levelts Sprachproduktionsmodell Modell WEAVER (1999, s.o.)beruht auf folgenden Grundpositionen (Garett, 1988): Serialität - An Sprachproduktion beteiligte Teilprozesse arbeiten seriellserielle, aufeinanderaufbauende Verschaltung o Z.B. muss erst ein bestimmter Begriff auf Ebene der Botschaft vorliegen und als Input an Ebene der lexikalischen Enkodierung gegeben werden, bevor auf dieser Ebene passende Lemmata gesucht werden können Modularität - Abgekapseltheit der beteiligten prozeduralen Teilstrukturen - für jeden Teilprozess benötigte Information ist spezifisch o z.B. kann auf Lemmata nur während Prozess der lexikalischen Enkodierung zurückgegriffen werden 5.3.3.1 Teilprozesse der einzelsprachlichen Enkodierung in Levelts Modell Produktion einzelner Wörter (nur die Enkodierung und unmittelbare Vorbereitung) im Blick dieser Ausschnitt der Sprachproduktion zerlegt in 4 Prozessebenen: o Aktivierung von Konzepten (lexical concepts) o Auswahl der passenden Lemmata im mentalen Lexikon o Morphologische und phonologische Enkodierung der Wortform o Phonetische Enkodierung (Artikulation) - Auswahl passender Lemmata schneller, wenig fehleranfälliger Prozess Morphologisch-phonologische Enkodierung: o morphologisch: richtige Wortform im Lexikon finden: auf Basis eines Lemmas und anderer Markierungen, sich ergebend aus der Botschaft (z.B. Tempus) werden Morpheme gebildet o phonologisch: auf diese Morpheme greift phonologischer Prozess zu, der metrische Wortmerkmale (Länge, Betonung) generiert, zuletzt Silbenbildung (Silbengrenzen ungleich Morphemgrenzen) Resultat: abstrakte Repräsentation der Wortformen 5.3.3.2 Grammatisch syntaktische Enkodierung - Levelt (1989): proto-grammatische Strukturen einer Botschaft bilden Input für Prozess , der zur Aktivierung der Lemmata und dem Aufbau einer Satzstruktur führt (hier: Annahme einer allmählichen Entstehung des Satzschemas, s.o.) - Prozess der grammatischen Enkodierung wird als formaler grammatikbasierter Algorithmus beschrieben - Unterscheidung zweier Stufen (Levelt, Bock, 1994) o Funktionszuweisung: Zuordnung funktionaler Rollen (Objekt, Verb, Subjekt) zu thematischen Rollen (Agent, Rezipient etc.) o Satzkonstruktion - Satzkonstruktion: o - Teilstrukturen einer Botschaft werden strikt nacheinander als Input für die lexikalische Enkodierung verfügbar o zu Begriffen passende Lemmata werden in strikter Reihenfolge aufgesucht, Merkmale der aufgerufenen Lemmata (z.B. Genus) lösen Operationen zur Herstellung von Satzphrasen aus o generierte Lemmata stoßen Aufruf anderer Lemmata an Stück für Stück wird Satzstruktur erzeugt o Bsp. Um den Satz „The child gave the mother the cat“ zu erzeugen (vgl. Abb 5.7 S.526): 1. Input: Teilstruktur mit „Kind“zum Konzept „Kind“ wird Lemma gesucht Einstellung auf englische Sprache: „child“ (samt grammatischer Merkmale) kann als Nomen nur Kopf einer Nominalphrase sein und es muss verbunden sein mit einem Artikel, also: „the child“ Satzsubjekt „child“ verursacht etwas besitzergreifendes propositionales Prädikat(goposs) Lemmazuordnung „give“... u.s.w bis der Satz vollständig ist Kempen-Hoenkamp-Produktionsalgorithmus (1987): System einzelner Produktionsregeln, die auf Unifikationsgrammatik basieren o Algorithmus enthält viele Prozesskomponenten: jede übt eine spez. Tätigkeit y aus, wenn sie in den Zustand x gerät (wobei diese Komponenten sich gegenseitig bedingen) o hochkomplexe, zeitlich parallele(nur innerhalb der strikt seriellen einzelnen Prozessstufen) Dynamik der multiplen Ausführung von Befehlen 5.3.3.3 Einige empirische Befunde zur Unterscheidung spezifischer Prozessstufen beteiligt an der einzelsprachlichen Enkodierung und zur Serialität der Sprachverarbeitung - früher v.a. Analyse spontaner Sprechfehler und ihrer Korrektur - Beweis, dass sprachliche Äußerungen nicht Wort für Wort sondern in Form grammatischer Satzteile erzeugt wird: Wenn sich jmd verspricht, geht er zum korrigieren meist zum Beginn der Satzphrase zurück („Gib mir mal den groben hm den großen Stift!“ statt „Gib mir mal den groben hm ßen Stift!“) - Weiteres Bsp. „ The squeaky wheel gets the grease“ (S.330) - Zur Serialität: Beweis, dass zuerst Lemmata und dann Wortformen generiert werden (Schriefers et al. 1990) o Vpn sollten einfache Objekte, die auf Bildschirm erscheinen, möglichst schnell benennen z.B. Maus o Über Kopfhörer Distraktorwörter mit entweder semantischer Ähnlichkeit (z.B. Ratte) oder mit phonologischer Ähnlichkeit (z.B. Haus) o Distraktorwörter entweder 150 ms vor oder nach dem Erscheinen des Objekts auf dem Bildschirm o Kontrolle: Wörter, die dem Zielwort nicht ähnlich sind o Vorraussetzungen Interferenzeffekt (Reaktion auf Reiz S1 können verlangsamt werden, wenn gleichzeitig ein S1 ähnlicher Reiz S2 dargeboten wird) Priming-Effekt (ähnlicher Reiz S2 kann Reaktion auf S1 auch verschnellern) o Befunde semantisch ähnliche Distraktoren üben bei Exposition vor dem Zielobkjekt verlangsamende Wirkung aus (semantischer Interferenzeffekt), werden sie nach dem Zielobjekt dargeboten, haben sie keine Wirkung phonologisch ähnliche Distraktorwörter beschleunigen Benennungsprozess, wenn sie nach der Bildexposition dargeboten werden (phonologischer Erleichterungseffekt) Schlussfolgerung: zuerst lexikalische Teilprozesse, dann phonologische 5.3.4 Zur Kontrolle der Sprachproduktion Korrektur von Sprechfehlern setzt Kontrolle der eigenen Sprachproduktion voraus (Vergleich von Soll- und Ist-Werten) 5.3.4.1 Kontrolle nur am Ende des Sprachproduktionsprozesses? - Levelt (1983): Kontrolle der Sprachproduktion durch mehrstufige Rezeption (als innere oder gesprochene Sprache) des Endergebnisses und dadurch mögliche Korrektur von Fehlern (Editoren-Theorien) o Vorraussetzung: Überwachungsinstanz außerhalb des Sprachproduktionssystems (Bewertung des Ergebnisses) - andere Modelle gehen von Regulation innerhalb des Sprachproduktionssystems aus und das Kontrollvorgänge schon vor der Endfertigung existieren (z.B. Dell, 1986) o Argumente dafür: Fehler bei Phonemerzeugung werden schnell erkannt und korrigiert (nicht mit Editoren-Theorie erklärbar), Aufmerksamkeit des Sprechers generell auf Inhalt gerichtet: trotzdem werden Phonemfehler im Vergleich zu inhaltlichen Fehlern häufiger korrigiert 5.3.4.2 Regulationsebenen der Sprachproduktion - es gibt auch komplexere Ist-Soll-Vergleiche (außer Sprechfehlerkorrektur), die zur Neuplanung der SP führen - Unterscheidung der Regulationsebenen der SP: Generelle Handlungsregulation - Sprecher überwachen ihre eigenen Äußerungen durch personenrelevante Kriterien(z.B. inhaltliche/logische Richtigkeit, Selbstbild, Übereinstimmung mit Normen etc.) und korrigieren sie ggf. - Personenrelevante Kriterien werden nicht nur Kontrolle der SP sondern generell zur Handlungsregulation verwendet Situationsbezogene Regulation - Äußerungen des Sprechers bewirken Veränderungen in situativer Umgebung werden registriert neuer Ist-Soll-Vergleich o Z.B. Sprecher stellt sich im Gespräch auf Reaktionen des Partners ein o Partner ebenfalls 2 gekoppelte regulierte Systeme, dessen Stelloperationen Störgrößen des jeweils anderen sind bei gelungener Kommunikation: Zustand der Ist-Soll-Minimierung: Gleichgewichtszustand (z.B. zu verstehen als „Konstitution von Bedeutung“ bei Clark 1996) Regulation mit Hilfe des Kommunikationsprotokolls - Sprecher speichert kurzzeitig eigene und fremde Äußerungen im Gespräch - Außerdem Speicherung eines „Sinnprotokolls“ - Korrektur der SP anhand der Protokollinfos - Wichtig z.B. damit Äußerungen nicht zweckwidrig wiederholt werden, weil man vergessen hat, dass sie schon gesagt wurden Auf das Sprecherziel bezogene Regulation - Sprecher prüfen ständig, ob ihre Äußerung ihr Kommunikationsziel angemessen darstellt Elementare Fehlerregulation - während einzelsprachlicher Enkodierung können fehler und ihre Korrektur auftreten - folgende Fehler: o Lexikalische Fehler (Da kam Thomas hm Niko) o Grammatische Fehler (Die Kinder ist hm sind nett) - o Phonetisch-metrische Fehler ( Das ist imkonpatibel hm inkompatibel) Korrektur dieser Fehler meist automatisch, meist nicht deklarativ repräsentiert Seit langem wesentliches Forschungsthema der Sprachproduktionspsychologie Sprache als Form des Handelns- Sprechfehler als Handlungsfehler? Kasten 5.7 Sprachpsychologie des Aufforderns Auffordern: Klasse von Handlungsweisen, mit denen Personen versuchen Kommunikationspartner zu einer Handlung zu verpflichten (Kasper, 1990) - Gewünschte Handlung im Interesse des Sprechers, nicht unbedingt im Interesse des Partners - Gewünschte Handlung kann im aktiven Tun, im Unterlassen oder in einer Erlaubnis bestehen (im folgenden beschränkt auf aktives Tun) - Aufforderungen können auf dreierlei Arten erfolgen: 1. direkter Imperativ 2. direkt, dadurch, dass man sagt, dass man auffordert („Ich fordere Sie auf, den Rasen zu mähen!“) 3. Nennung von/Frage nach Bedingungen, die nach Konventionen der Sprachgemeinschaft Aufforderung rechtfertigen a. Behauptung des Vorliegens einer notwendigen Bedingung für die Aufforderung („ Ich will, dass du den rasen mähst.“) b. Bezug auf explizite Regeln/Gesetze (deontische Bedingungen) c. Bezug auf notwendige partnerseitige Bedingungen des Könnens/der Bereitschaft (nur bei Vorliegen ist Aufforderung gerechtfertigt), man kann auffordern, indem man diese Bedingungen behauptet („Du willst doch bestimmt grade den rasen mähen!“) d. Indirekte Aufforderungen, Bezug auf defizitären zu behebenden Zustand („Der Rasen sieht mal wieder schlimm aus.“) oder auf das Zielzustand („Es geht doch nix über einen gut gemähten Rasen.“) e. Versteckte Fingerzeige (hints) : „Morgen will sich Mutti hinterm Haus die Rosen ansehen.“ - Einteilung dieser Aufforderungen in drei Gruppen o Direkte D-Aufforderungen (1., 2., 3a), mäßig direkte M-Aufforderungen (3b und 3c) und indirekte I-Aufforderungen (3d und 3e weder auf den Partner noch auf gewünschtes Tun wird explizit hingewiesen) - Wissen über verschiedene Arten der Aufforderung gehört zu kommunikativer Kompetenz von Menschen - Niemand sagt beim Auffordern alles, was er meint, er wählt aus Gesamtstruktur Auffordern bestimmten teil aus (verbalisierte Aufforderungsvariante, die dann- par pro toto für die Gesamtstruktur steht) Partner rekonstruiert Gesamtstruktur (bei gelingender Kommunikation) - welche Aufforderungsvariante gewählt wird, ist von vielen Bedingungen abhängig o z.B. von der Kultur (in Israel ist es oft nicht unhöflich direkt aufzufordern) o für den deutschsprachigen Raum Unterscheidung von Standard-Situationen (alltäglich, Bereitschaft des Partners und Legitimität der eigenen Forderungen als hoch eingeschätzt I- oder M-Aufforderungen) und NichtStandardsituationen (höhere Anforderungen an Partner Bereitschaft des Partners nicht unbedingt gegeben; bei eingeschätzter hoher Legitimität DAufforderungen, bei niedriger Legitimität höfliche M-Aufforderungen) Legende SP: Sprachproduktion Kursiv: Wörter, die mir wichtig erscheinen, oder Fachwörter