5.3 Sprachproduktion

Werbung
5.3 Sprachproduktion
-
-
-
Produktion und Rezeption von Sprache können gleichzeitig ablaufen
(Durcheinanderreden), meist aber Zuhören oder Reden
Durcheinanderreden und „peinliche Stille“ in unserer Kultur unerwünscht, eine Person
sollte zu einer Zeit sprechen (dazu: Prinzipien des turn taking, Schegloff & Jefferson,
1974)
Kommunikationsteilnehmer beziehen sich in ihren Äußerungen aufeinander
o Wichtig dabei: von Diskurspartner aufgebauter common ground (Clark et al.
1977) Interpretation der Äußerungen basiert darauf
Sprachproduktion und -rezeption sind nicht allein als gegenläufige Prozesse
(Senden, Empfangen) zu verstehen
o Kontrollschleife: Wir hören uns beim Sprechen zu
o Sprechen und Verstehen greifen auf dasselbe sprachspezifische Wissen zu,
möglicherweise aus einem gemeinsamen mentalen Lexikon
5.3.1 Drei Prozessstufen
mentaler Prozess der Erzeugung von Sprachäußerungen in drei Stufen
s. Abb. 5.6 S.317
1. Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis
- Conceptualiser (Levelt, 1989)
- Generierung einer zielführenden Botschaft (meist kognitiv-nonverbale Struktur=
Begriff, Konzept)
2. Enkodierung
- formulator (Levelt)
- einzelsprachliche Verbalisierung/Enkodierung der Botschaft
o Begriffen oder komplexeren Strukturen werden einzelsprachliche
Wörter/Wendungen zugeordnet
3. Artikulation
- Articulator (Levelt)
- Erzeugung eines hörbaren Sprechsignals
5.3.1.1 Erste Stufe: Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis
Untergliederung in 3 Teilprozesse
- Fokussierung, Parameterfixierung, Formatierung
Fokussierung
- Sprecher fokussiert dasjenige, von dem er sprechen will
- Dabei Selektion der zu enkodierenden kognitiven Inhalte
- Und Linearisierung der ausgewählten Inhalte in eine bestimmte Reihenfolge
o Bsp: Sprecher erwähnt von seinem Arztbesuch nur bestimmte Aspekte in
einer bestimmten Reihenfolge (langes sorgenvolles Warten und spätere
Erleichterung, nicht ein bestimmtes Diagnosegerät)
o teilweise komplexe Planung vor dem Sprechen
 Bsp.: Wie beginne ich eine Rede, um jmd zum Kauf eines Dinges zu
überreden, das er zunächst nicht haben will?
o teilweise auch automatisch ohne Planungsprozesse
 Bsp.: Anreden verwenden, grüßen
Parameterfixierung von Teilsystemen der Sprachproduktion
- mentale Teilsysteme des Sprechersystems, in denen SPprozesse ablaufen, werden
in situationsangemessener Weise eingestellt bzw. fixiert
o Bsp. Teilprozess des Artikulierens wird auf bestimmte Lautstärke eingestellt
o Parameter bleibt über eine Situation hinweg meist konstant (nicht notwendig,
bei jedem Wort neu einzustellen)
Formatierung
- Enkodiermechanismus: kognitiver Teilapparat, zuständig für einzelsprachliche
Enkodierung einer Srachäußerung
- Mechanismus arbeitet sehr schnell
 Sprachproduktion muss in einen bestimmten Format liegen um als Prozessinput
aufgenommen zu werden
- gleiche Gedanken oder Äußerungsziele können zu sehr unterschiedlichen
Formulierungen führen und
- Gedanken, die als Enkodierinput vorliegen, sind unterbestimmt und müssen
vereindeutigt werden
- Bsp. Botschaft soll sein, dass ein bestimmter Junge ein Mädchen liebt
o Proposition [Relation: lieben (Agent: Mädchen, Patient: Junge)]
o Diese Proposition kann unterschiedlich formuliert werden
o Z.B. „Das Mädchen liebt den Jungen“, „Der Junge wird vom Mädchen geliebt“,
„Es ist der Junge, der das Mädchen liebt“ und VIELE mehr
 komplexe psychische Mechanismen nötig um eine und dieselbe Proposition in
situationsadäquate, grammatisch korrekte kognitive Äußerungsbasis umzuwandeln
- wenig beforscht
5.3.1.2 Zweite Stufe: Die sprachliche Enkodierung
- Enkodierinput: fokussierte, formatierte kog. Äußerungsbasis, die Stück für Stück in
Enkodiermechanismus eingegeben wird
- Enkodiermechanismus erzeugt auf Basis des Input eine Folge von Phonemen, der
zusätzlich Infos über Prosodie, Wortgrenzen und Silbensegmentierung beigegeben
sind
 Output: Phonemsequenzen + Zusatzinfos bzw. Gestenpartituren : dient als Input für
den Artikulationsprozess
- unterschiedliche theoretische Konzeption der Funktionen des Enkodiermechanismus
- Übereinkunft: einzelsprachliche Enkodierung besteht aus adäquater Wortwahl
(inklusive Flexion=Beugung) und syntaktischer Strukturierung von Satzteilen/Sätzen
(Satzbau)  lexikalisch-morphologische und syntaktische Teilvorgänge
Lexikalisch-morphologische Enkodierung
- Ziel dieses Teilprozesses: Wortformen finden, die Konzepten der Äußerungsbasis
entsprechen
- Unterscheidung zwischen Zweikomponenten- und Dreikomponententheorien
Dreikomponententheorien
1. nonverbale Begriffe (Konzepte)= mentale Repräsentationen von Dingen mit
ihren Merkmalen, unabhängig von der Einzelsprache verarbeitbar
2. Einträge im mentalen Lexikon (Lemmata= sprachliche Verweise auf
nonverbale Begriffe)
3. Wortformen bestehend aus Morphemen, Phonemen und Silben
Vorgang beim einzelsprachlichen Enkodieren: Suche nach und Auswahl zwischen
Lemmata für jeden zu verbalisierenden Begriff (lexikalische Suche), morphologische
Enkodierung bringt das Lemma in die für den Satz passende flektierte Wortform
Zweikomponententheorien
1. nichtverbale Begriffe
2. (flektierte) Wörter bzw. Morpheme
 nichtsprachliche Begriffe verleihen flektierten Wörtern ihre Bedeutung
Modellierung
- Genannte Theorien werden meist durch konnektivistische Netzwerke dargestellt
o Z.B. Modell WEAVER (Levelt et al. 1999): lokalistisches Netz mit
Produktionsregeln zur Aktivationsausbreitung, dessen Knoten für konzeptuelle
Einheiten, Lemmata, Wortformen stehen
Grammatisch-syntaktische Enkodierung
- Äußerungen sind gemäß der Grammatik einer Sprache strukturiert Prozesse der
Satzplanung müssen nichtverbale Konzepte und Lemmata zu zusammenhängender
Äußerung verbinden
-
2 Grundauffassungen:
1. Fertiges Schema zu Beginn der Satzgenerierung
a. Z.B. als System von Leerstellen= slots (in welche die Wörter, die den
nonverbalen Begriffen entsprechen, gefüllt werden)
2. Entwicklung des Satzschemas während der Generierung
a. Je nach Beschaffenheit der Lemmata, die in einer bestimmten
Reihenfolge verfügbar werden
b. Genaues Satzschema liegt erst fest, wenn alle Lemmata gefunden
Phonologische Enkodierung
- Prozesse der Silbenstruktur, der Betonung und der Satzmelodie
5.3.1.3 Dritte Stufe: Artikulation
- komplexe Sprechmotorik (und ihre neuronale Steuerung) nötig
o beim Sprechen müssen pro Sekunde ca. 100 koordinierte Nervenimpulse
erzeugt werden um die Phonation in Kehlkopfregion (Hauchlaute), Einstellung
der Zunge (Konsonanten) und die Bereitstellung passender Resonanzräume
zu besorgen
o außerdem Lautkomposition einzelner Silben, Wörter, wortübergreifender
Sprachrhythmus, Betonung
- hörbares Sprechsignal =Resultat
5.3.2 Teilprozesse bei der kognitiven Äußerungsbasis
5.3.2.1. Fokussieren und Selektion
- Meist beabsichtigt man etw. mit dem Sprechen
- Man sagt nur einen Teil dessen, was man meint (Pars-pro-toto-Prinzip der
Sprachproduktion (Laucht 1979)
-  Sprecher wählt als Äußerunsgsbasis formatierten Teil dessen aus, worauf sich
seine Kommunikationsabsicht bezieht
- Kommunikationspartner rekonstruiert Bedeutung
o Dafür spezifisches Sprach- und Sachwissen bei beiden Partner nötig (v.a.
shared knowledge, common ground, clark 1996)
5.3.2.2 Linearisieren
- sequentielle Botschaft erzeugen
- Sequenz einer Äußerung wird beeinflusst durch:
o Einzelsprachliche Wortfolgeregeln
o die kognitiven Äußerungsbasis, welche oft schon eine sequentielle Ordnung
hat
- kognitive Basis einer Äußerung ist leicht zu linearisieren, wenn zu verbalisierender
Inhalt schon zeitlich geordnet
o Bsp. Film: man beginnt damit vom Anfang zu erzählen, endet mit dem Ende
o Mit kognitivem Aufwand ist es möglich sich von vorgegebener Reigenfolge zu
lösen
- einige Sachverhalte besitzen keine zeitliche Ordnung
o z.B. räumliche Anordnungen
- 2 Arten von Gesichtspunkten nach denen linearisiert werden kann (Inhaltsbezogene
und prozessbezogene Determinanten)
Inhaltsbezogene Determinanten
- Gegebenheiten mit eigener Zeitstruktur (natürliche Ordnung)
- Bei Sachverhalten ohne natürliche Ordnung: Versuch plausible Sequenz herzustellen
mittels Linearisierungsoperationen
o
o
o
Z.B. bei räumlicher Anordung: Beschreibung, als wandere man durch den
Raum
Ereignisschemata als Maßgabe (beim Arzt beschreibt man zuerst den
Eingang und die Garderobe)
Prozedurale Schemata nutzen (z.B. zum standardisierten Erzählen von
Märchen oder Anfertigen von Kochrezepten)
Prozessbezogene Determinanten
- steuern vom Inhalt unabhängig die Äußerungsinhalte
- Prinzip der Verbundenheit: räumlich benachbarte Gegebenheiten werden
nacheinander verbalisiert
- Stapelprinzip: (vgl. Tiefensuche): bei Raumkonstellationen mit Verzweigungen: vom
Verzweigungspunkt aus eine der Wegstrecken bis zum Ende abarbeiten
- Ökonomieprinzip: bei der Tiefensuche wird zuerst der kürzeste Ast abgearbeitet
(Grund: man muss Verzweigungspunkt weniger lange im Gedächtnis behalten)
- Genese- und Ankerprinzip (bei Raumkonstellationen)
o Gegebenheiten werden in ihrer Erwerbsreihenfolge beschrieben (Genese)
o Linearisierung entsprich der Ersterfahrung (Ankerprinzip)
 Z.B. beschreibt man einen Weg in der Richtung, wie man ihn zuerst
gegangen ist
 Nachweis: wenn zwischen Ersterfahrung und freier Beschreibung
einen erzwungene Beschreibung eines Weges erfolgt, wird der Weg,
darf er frei beschrieben werden, in der Richtung der Ersterfahrung
beschrieben
5.3.2.3 Parameterfixierung von Teilprozessen
- Einstellung der mentalen Teilsysteme, in denen Teilprozesse der Sprache ablaufen
Reizsteuerung der Sprachproduktion
- Bereitstellung der kog. Äußerungsbasis kann in reizgesteuerter, erlernter,
hochautomatisierter Bezugnahme auf Partneräußerung bestehen (z.B. „Danke!“)
Sprachproduktion als bloße Sprachreproduktion
- Was gesagt werden soll möglicherweise aus LZG in AG kopierbar
o Z.B. bei Wiedergabe auswendiggelernter Lieder
Schemasteuerung der Sprachproduktion
- kognitive Schemata steuern in großem Maße Äußerungen
o z.B. Festlegen des sprachlichen Teilregisters beim Märchenerzählen
Ad-hoc-Steuerung der Sprachproduktion
- nicht alles, was wir äußern wollen ist vorgefertigt konzeptualisierteingehende Planung der
zu verschlüsselnden Botschaft nötig (Kontrollierte=bewusste, kognitive Prozesse)
Unterschiede:
- bei Ad-hoc-Steuerung wird im Gegensatz zur Reizsteuerung genaues mentales
Protokoll über bereits gesagtes geführt und sie fordert größere Variablität der
Wortwahl
- Bei Ad-hoc-und Reizsteuerung ist Registerwahl (z.B. Tonfall) vom Partner abhängig,
bei Schemasteuerung einige Register festgelegt
5.3.2.4 Formatierung der kognitiven Äußerungsbasis
- eindeutige Formatierung der Äußerungsbasis nötig, da gleiche Gedanken zu
unterschiedlichen Formulierungen führen können und Unterbestimmtheit nicht im
Enkodiermechanismus beseitigt werden kann
- Formatierung: arbeitet zu verbalisierendes unter Verwendung einzelsprachlicher Infos
zu einem für Enkodiermechanismus passendem Input auf
- Verschiedene theoretische Gesichtspunkte zur Formatierung:
o
o
Z.B. Levelt (1989) Beschreibung nonverbaler Konzepte mittels Graphen (S.
326 Abb 5.7) mit lexikalischen Begriffen, die verbalisiert werden sollen als
Glieder
 darin sind schon grammatische Strukturen enthalten, sogennannte
proto-grammatische Infos (z.B. „Kind“ gehört der Klasse Person an),
die schon vor der einzelsprachlichen Enkodierung feststehen
Gemeinsamkeit der wiss. Positionen: kognitive Inhalte werden bei
Formatierung in einzelne Begriffe zerlegt und in die Form propositionaler
Konzepte gebracht
5.3.3 Einzelsprachliche Enkodierung
Levelts Sprachproduktionsmodell Modell WEAVER (1999, s.o.)beruht auf folgenden
Grundpositionen (Garett, 1988):
Serialität
- An Sprachproduktion beteiligte Teilprozesse arbeiten seriellserielle,
aufeinanderaufbauende Verschaltung
o Z.B. muss erst ein bestimmter Begriff auf Ebene der Botschaft vorliegen und
als Input an Ebene der lexikalischen Enkodierung gegeben werden, bevor auf
dieser Ebene passende Lemmata gesucht werden können
Modularität
- Abgekapseltheit der beteiligten prozeduralen Teilstrukturen
- für jeden Teilprozess benötigte Information ist spezifisch
o z.B. kann auf Lemmata nur während Prozess der lexikalischen Enkodierung
zurückgegriffen werden
5.3.3.1 Teilprozesse der einzelsprachlichen Enkodierung
in Levelts Modell Produktion einzelner Wörter (nur die Enkodierung und unmittelbare
Vorbereitung) im Blick
dieser Ausschnitt der Sprachproduktion zerlegt in 4 Prozessebenen:
o Aktivierung von Konzepten (lexical concepts)
o Auswahl der passenden Lemmata im mentalen Lexikon
o Morphologische und phonologische Enkodierung der Wortform
o Phonetische Enkodierung (Artikulation)
- Auswahl passender Lemmata schneller, wenig fehleranfälliger Prozess
Morphologisch-phonologische Enkodierung:
o morphologisch: richtige Wortform im Lexikon finden: auf Basis eines Lemmas
und anderer Markierungen, sich ergebend aus der Botschaft (z.B. Tempus)
werden Morpheme gebildet
o phonologisch: auf diese Morpheme greift phonologischer Prozess zu, der
metrische Wortmerkmale (Länge, Betonung) generiert, zuletzt Silbenbildung
(Silbengrenzen ungleich Morphemgrenzen)
 Resultat: abstrakte Repräsentation der Wortformen
5.3.3.2 Grammatisch syntaktische Enkodierung
- Levelt (1989): proto-grammatische Strukturen einer Botschaft bilden Input für Prozess
, der zur Aktivierung der Lemmata und dem Aufbau einer Satzstruktur führt (hier:
Annahme einer allmählichen Entstehung des Satzschemas, s.o.)
- Prozess der grammatischen Enkodierung wird als formaler grammatikbasierter
Algorithmus beschrieben
- Unterscheidung zweier Stufen (Levelt, Bock, 1994)
o Funktionszuweisung: Zuordnung funktionaler Rollen (Objekt, Verb, Subjekt)
zu thematischen Rollen (Agent, Rezipient etc.)
o Satzkonstruktion
- Satzkonstruktion:
o
-
Teilstrukturen einer Botschaft werden strikt nacheinander als Input für die
lexikalische Enkodierung verfügbar
o zu Begriffen passende Lemmata werden in strikter Reihenfolge aufgesucht,
Merkmale der aufgerufenen Lemmata (z.B. Genus) lösen Operationen zur
Herstellung von Satzphrasen aus
o generierte Lemmata stoßen Aufruf anderer Lemmata an  Stück für Stück
wird Satzstruktur erzeugt
o Bsp. Um den Satz „The child gave the mother the cat“ zu erzeugen (vgl. Abb
5.7 S.526):
 1. Input: Teilstruktur mit „Kind“zum Konzept „Kind“ wird Lemma
gesucht Einstellung auf englische Sprache: „child“ (samt
grammatischer Merkmale) kann als Nomen nur Kopf einer
Nominalphrase sein und es muss verbunden sein mit einem Artikel,
also: „the child“ Satzsubjekt „child“ verursacht etwas
besitzergreifendes propositionales Prädikat(goposs)
Lemmazuordnung „give“... u.s.w bis der Satz vollständig ist
Kempen-Hoenkamp-Produktionsalgorithmus (1987): System einzelner
Produktionsregeln, die auf Unifikationsgrammatik basieren
o Algorithmus enthält viele Prozesskomponenten: jede übt eine spez. Tätigkeit y
aus, wenn sie in den Zustand x gerät (wobei diese Komponenten sich
gegenseitig bedingen)
o  hochkomplexe, zeitlich parallele(nur innerhalb der strikt seriellen einzelnen
Prozessstufen) Dynamik der multiplen Ausführung von Befehlen
5.3.3.3 Einige empirische Befunde
zur Unterscheidung spezifischer Prozessstufen beteiligt an der einzelsprachlichen
Enkodierung und zur Serialität der Sprachverarbeitung
- früher v.a. Analyse spontaner Sprechfehler und ihrer Korrektur
- Beweis, dass sprachliche Äußerungen nicht Wort für Wort sondern in Form
grammatischer Satzteile erzeugt wird: Wenn sich jmd verspricht, geht er zum
korrigieren meist zum Beginn der Satzphrase zurück („Gib mir mal den groben hm
den großen Stift!“ statt „Gib mir mal den groben hm ßen Stift!“)
- Weiteres Bsp. „ The squeaky wheel gets the grease“ (S.330)
- Zur Serialität: Beweis, dass zuerst Lemmata und dann Wortformen generiert werden
(Schriefers et al. 1990)
o Vpn sollten einfache Objekte, die auf Bildschirm erscheinen, möglichst schnell
benennen z.B. Maus
o Über Kopfhörer Distraktorwörter mit entweder semantischer Ähnlichkeit (z.B.
Ratte) oder mit phonologischer Ähnlichkeit (z.B. Haus)
o Distraktorwörter entweder 150 ms vor oder nach dem Erscheinen des Objekts
auf dem Bildschirm
o Kontrolle: Wörter, die dem Zielwort nicht ähnlich sind
o Vorraussetzungen
 Interferenzeffekt (Reaktion auf Reiz S1 können verlangsamt werden,
wenn gleichzeitig ein S1 ähnlicher Reiz S2 dargeboten wird)
 Priming-Effekt (ähnlicher Reiz S2 kann Reaktion auf S1 auch
verschnellern)
o Befunde
 semantisch ähnliche Distraktoren üben bei Exposition vor dem
Zielobkjekt verlangsamende Wirkung aus (semantischer
Interferenzeffekt), werden sie nach dem Zielobjekt dargeboten, haben
sie keine Wirkung
 phonologisch ähnliche Distraktorwörter beschleunigen
Benennungsprozess, wenn sie nach der Bildexposition dargeboten
werden (phonologischer Erleichterungseffekt)
 Schlussfolgerung: zuerst lexikalische Teilprozesse, dann phonologische
5.3.4 Zur Kontrolle der Sprachproduktion
Korrektur von Sprechfehlern setzt Kontrolle der eigenen Sprachproduktion voraus (Vergleich
von Soll- und Ist-Werten)
5.3.4.1 Kontrolle nur am Ende des Sprachproduktionsprozesses?
- Levelt (1983): Kontrolle der Sprachproduktion durch mehrstufige Rezeption (als
innere oder gesprochene Sprache) des Endergebnisses und dadurch mögliche
Korrektur von Fehlern (Editoren-Theorien)
o Vorraussetzung: Überwachungsinstanz außerhalb des
Sprachproduktionssystems (Bewertung des Ergebnisses)
- andere Modelle gehen von Regulation innerhalb des Sprachproduktionssystems aus
und das Kontrollvorgänge schon vor der Endfertigung existieren (z.B. Dell, 1986)
o Argumente dafür: Fehler bei Phonemerzeugung werden schnell erkannt und
korrigiert (nicht mit Editoren-Theorie erklärbar), Aufmerksamkeit des
Sprechers generell auf Inhalt gerichtet: trotzdem werden Phonemfehler im
Vergleich zu inhaltlichen Fehlern häufiger korrigiert
5.3.4.2 Regulationsebenen der Sprachproduktion
- es gibt auch komplexere Ist-Soll-Vergleiche (außer Sprechfehlerkorrektur), die zur
Neuplanung der SP führen
- Unterscheidung der Regulationsebenen der SP:
Generelle Handlungsregulation
- Sprecher überwachen ihre eigenen Äußerungen durch personenrelevante
Kriterien(z.B. inhaltliche/logische Richtigkeit, Selbstbild, Übereinstimmung mit
Normen etc.) und korrigieren sie ggf.
- Personenrelevante Kriterien werden nicht nur Kontrolle der SP sondern generell zur
Handlungsregulation verwendet
Situationsbezogene Regulation
- Äußerungen des Sprechers bewirken Veränderungen in situativer Umgebung
werden registriert neuer Ist-Soll-Vergleich
o Z.B. Sprecher stellt sich im Gespräch auf Reaktionen des Partners ein
o Partner ebenfalls 2 gekoppelte regulierte Systeme, dessen Stelloperationen
Störgrößen des jeweils anderen sind bei gelungener Kommunikation:
Zustand der Ist-Soll-Minimierung: Gleichgewichtszustand (z.B. zu verstehen
als „Konstitution von Bedeutung“ bei Clark 1996)
Regulation mit Hilfe des Kommunikationsprotokolls
- Sprecher speichert kurzzeitig eigene und fremde Äußerungen im Gespräch
- Außerdem Speicherung eines „Sinnprotokolls“
- Korrektur der SP anhand der Protokollinfos
- Wichtig z.B. damit Äußerungen nicht zweckwidrig wiederholt werden, weil man
vergessen hat, dass sie schon gesagt wurden
Auf das Sprecherziel bezogene Regulation
- Sprecher prüfen ständig, ob ihre Äußerung ihr Kommunikationsziel angemessen
darstellt
Elementare Fehlerregulation
- während einzelsprachlicher Enkodierung können fehler und ihre Korrektur auftreten
- folgende Fehler:
o Lexikalische Fehler (Da kam Thomas hm Niko)
o Grammatische Fehler (Die Kinder ist hm sind nett)
-
o Phonetisch-metrische Fehler ( Das ist imkonpatibel hm inkompatibel)
Korrektur dieser Fehler meist automatisch, meist nicht deklarativ repräsentiert
Seit langem wesentliches Forschungsthema der Sprachproduktionspsychologie
Sprache als Form des Handelns- Sprechfehler als Handlungsfehler?
Kasten 5.7 Sprachpsychologie des Aufforderns
Auffordern: Klasse von Handlungsweisen, mit denen Personen versuchen
Kommunikationspartner zu einer Handlung zu verpflichten (Kasper, 1990)
- Gewünschte Handlung im Interesse des Sprechers, nicht unbedingt im Interesse des
Partners
- Gewünschte Handlung kann im aktiven Tun, im Unterlassen oder in einer Erlaubnis
bestehen (im folgenden beschränkt auf aktives Tun)
- Aufforderungen können auf dreierlei Arten erfolgen:
1. direkter Imperativ
2. direkt, dadurch, dass man sagt, dass man auffordert („Ich fordere Sie auf, den
Rasen zu mähen!“)
3. Nennung von/Frage nach Bedingungen, die nach Konventionen der
Sprachgemeinschaft Aufforderung rechtfertigen
a. Behauptung des Vorliegens einer notwendigen Bedingung für die
Aufforderung („ Ich will, dass du den rasen mähst.“)
b. Bezug auf explizite Regeln/Gesetze (deontische Bedingungen)
c. Bezug auf notwendige partnerseitige Bedingungen des Könnens/der
Bereitschaft (nur bei Vorliegen ist Aufforderung gerechtfertigt), man
kann auffordern, indem man diese Bedingungen behauptet („Du willst
doch bestimmt grade den rasen mähen!“)
d. Indirekte Aufforderungen, Bezug auf defizitären zu behebenden
Zustand („Der Rasen sieht mal wieder schlimm aus.“) oder auf das
Zielzustand („Es geht doch nix über einen gut gemähten Rasen.“)
e. Versteckte Fingerzeige (hints) : „Morgen will sich Mutti hinterm Haus
die Rosen ansehen.“
- Einteilung dieser Aufforderungen in drei Gruppen
o Direkte D-Aufforderungen (1., 2., 3a), mäßig direkte M-Aufforderungen (3b
und 3c) und indirekte I-Aufforderungen (3d und 3e weder auf den Partner
noch auf gewünschtes Tun wird explizit hingewiesen)
- Wissen über verschiedene Arten der Aufforderung gehört zu kommunikativer
Kompetenz von Menschen
- Niemand sagt beim Auffordern alles, was er meint, er wählt aus Gesamtstruktur
Auffordern bestimmten teil aus (verbalisierte Aufforderungsvariante, die dann- par pro
toto für die Gesamtstruktur steht) Partner rekonstruiert Gesamtstruktur (bei
gelingender Kommunikation)
- welche Aufforderungsvariante gewählt wird, ist von vielen Bedingungen abhängig
o z.B. von der Kultur (in Israel ist es oft nicht unhöflich direkt aufzufordern)
o für den deutschsprachigen Raum Unterscheidung von Standard-Situationen
(alltäglich, Bereitschaft des Partners und Legitimität der eigenen Forderungen
als hoch eingeschätzt I- oder M-Aufforderungen) und NichtStandardsituationen (höhere Anforderungen an Partner Bereitschaft des
Partners nicht unbedingt gegeben; bei eingeschätzter hoher Legitimität DAufforderungen, bei niedriger Legitimität höfliche M-Aufforderungen)
Legende
SP: Sprachproduktion
Kursiv: Wörter, die mir wichtig erscheinen, oder Fachwörter
Herunterladen