spada-kap5-sprechen-und - Fachschaft Psychologie Freiburg

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Kapitel 5: Sprechen und Sprachverstehen (Strube)
5.1. Der Gegenstandsbereich: Sprache
-
Wichtiges Medium der Kommunikation und Reflexion – Denken ist jedoch nicht
notwendig auf Sprache angewiesen
Denken und Sprache beim Menschen eng verknüpft
Verbmobil
wir machen trotzdem viele Fehler beim Sprechen und beim Sprachverstehen
5.1.1 Sprachfähigkeit als Artspezifikum des Menschen
-
Kinder lernen innerhalb einer bestimmten Zeit ohne Probleme ihre Muttersprache
es existieren also von Geburt an bestimmte Vorraussetzungen zu diesem schnellen
Spracherwerb
Imitation scheidet als generelles Lernprinzip aus, da Kinder z.B. eine Phase der
Übergeneralisierung durchlaufen (gingte, gangte, is gegeht)
menschliche Sprachfähigkeit unterscheidet sich von tierischer Kommunikation vor
allem durch die höhere Komplexität, Flexibilität und den spontanen Spracherwerb
Kasten 5.1: Koevolution von Sprache und Denken
- Sprache für Evolution wertvoll, da Mittel zur Koordination einer Gruppe (Menschen
können gemeinsam planen und handeln)
- Frage ob, alle Sprachen so etwas wie eine Universalgrammatik kennzeichnet
(Chomsky)
- Chomsky (1981): biologische Verankerung der Universalgrammatik, durch
Muttersprache werden nur einige Parameter gesetzt
5.1.1.1 Sprachzentren im Gehirn
- bei 90% linkshemisphärisch lokalisiert
- Broca-Areal: Syntax; motorische Aspekte der Sprachproduktion (Hinterabschnitt des
Frontallappens – in Gyrus praecentralis integriert)
- Wernicke-Areal: Verstehen (obere Abschnitt Temporallappen – eng mit Hörrinde
verbunden)
- an Sprachproduktion sowie -rezeption sind noch viele andere Bereiche des Gehirns
beteiligt
Läsionen der Sprachzentren:
- Ausfälle der Sprachfähigkeit (Aphasien)
- Wernicke: sensorische Aphasie (Sprachproduktion flüssig aber unsinnig;
Sprachrezeption vollkommen gestört)
- Broca: motorische Aphasie (Sprechen mühsam langsam und stockend; Grammatik
der Sätze geht verloren; jedoch weitgehend sinnvoll)
- Fodor (1983): Sprachproduktion, –rezeption als Input-Output-Modul
- „Sapir-Whorf-Hypothese der linguistischen Relativität (Denken hängt von Sprache ab)
gilt als weitgehend widerlegt
1
5.1.1.2 Charakteristika der sprachlichen Kommunikation
Generativität: Sprache ist unendlich produktiv (kreativ)
Systematizität: Sprache unterliegt sprachlichen Regularitäten, dies sind Restriktionen;
syntaktische Restriktionen definieren korrekten Satzbau; pragmatische und phonologische
Restriktionen; semantische Restriktionen lassen bestimmte Sätze sinnlos erscheinen
Situationsunabhängigkeit: Sprache erlaubt uns von Dingen zu reden, die nicht anwesend
sind oder die gar nicht existieren
Diese drei Faktoren unterscheiden die sprachliche Kommunikation von allen anderen
biologischen Kommunikationen
Arten der Kommunikation:
1) Mitteilung: Beim mitteilen, erzählen, berichten halten wir uns im allgemeinen an das
Kooperationsprinzip: Wir berichten nicht ellenlang über wohlbekannte Sachverhalte
 Wissen über das Wissen des Kommunikationspartners ist wichig
2) Aufforderung: Wir können indirekt handeln, indem wir jmd. auffordern etwas zu tun
 Charakteristika der Situation und des Adressaten bestimmten die Formulierung
3) Expression: Ausdruck von Befindlichkeit/Gefühlen
 beeinflusst emotionale Beziehung zwischen Sprecher und Adressat
4) Handlungsvollzug: formelhafte Äußerung konstituiert Handlung selbst (z.B. Taufe,
Schwur)
5.1.2 Sprachspezifisches Wissen
- individuelle Grundlage muttersprachlicher Kompetenz
- schon bei Säuglingen ist besondere Sensitivität für Sprachlaute nachgewiesen
5.1.2.1 Sprachspezifisches und allgemeines Wissen
Sprachspezifisches Wissen:
- lexikalisches Wissen (Wortschatz)
- grammatikalisches Wissen (Wortstellung etc.)  primär prozedural
- pragmatisches Wissen (Stil, situationsadäquate Verwendungsweisen etc.)
Daneben nutzen wir deklaratives Wissen wie:
- begriffliches Wissen („Bedeutung von Wörtern)
- Weltwissen
Unterschied zwischen sprachspezifischem und Weltwissen: „Farblose grüne Ideen schlafen
wütend“  macht keine Alltagssinn, ist aber syntaktisch korrekt
Grammatikalisches Wissen: im linguistischen Sinn  wissenschaftliche Beschreibung des
Aufbaus der Äußerungen in einer bestimmten Sprache
Variabilität innerhalb von Sprachen: Lexik (Wortschatz einer Sprache) und Grammatik
können innerhalb einer Sprache variieren, dasselbe gilt für lexikalisches Wissen.
5.1.2.2 Kompetenz und Performanz
Sprachliche Kompetenz: Sprache zu verarbeiten (zuzuhören, zu verstehen, zu sprechen,
unterhalten und zu beurteilen)
Performanz: empirische Realität des Sprachgebrauchs (wird Kompetenz gegenüber gestellt),
zufällige Fehler, systematische Beschränkungen (z.B. Effekte der knappen AG-Kapazität)
Allgemein:
2
Kompetenz: Sprachfähigkeit eines idealen Sprecher-Hörers (Linguistik)
Performanz: sprachliches Verhalten realer Personen (Sprachpsychologie)
Kasten 5.2: Sprachpsychologie – historische Perspektiven
Linguistik: Unterscheidung von Sprache als ein System von Zeichen von der konkreten
Sprachverwendung
Behavioristische Sprachpsychologie: klassische Konditionierung; Bekräftigungslernen
- Sprachliches Verhalten als konditionierbares Verhalten
- Benennungsakte (Bezugnahme auf Objekte)
- Handlungsaufforderung
- Spracherwerb durch Imitation und Lernprozesse
 fulminante Kritik durch Chomsky (z.B. kann Behaviorismus die Produktivität der Sprache
nicht erklären,...)
Informationsverarbeitungsansatz und klassische Psycholinguistik:
- Nachweis der „psychologischen Realität“ der Transformationsgrammatik 
gescheitert
- heuristische Strategien beim Sprachverstehen (z.B. SVO-Wortstellung)
- Clark & Clark (1977): syntaktische oder semantisch orientierte Verstehensstrategien
Kognitive Sprachpsychologie (Psycholinguistik):
- Verarbeitungsmodelle, die linguistisch fundierte Prinzipien der Satzverarbeitung
formulieren und systematisch integrieren
- Sprechen und Sprachverstehen als Informationsverarbeitungsprozesse
- Orientierung an neurologischen Befunden
- kognitive Modellierung der menschlichen Sprachverarbeitung (Computerprogramme)
5.2. Rezeption sprachlicher Äußerungen
Ablauf der Sprachrezeption:
Sprachwahrnehmung  Worterkennung  syntaktische Analyse (lexikalisches Wissen u.
syntaktisches Wissen)  semantische Interpretation (Inhalt der Äußerung erfassen und in
Wissensstruktur überführen) hierfür wird deklaratives Wissen benötigt
- Vorgang läuft inkrementell ab (Wort für Wort)
- rückwärtsgerichtete Einflüsse: Misslingen der semantischen Interpretation kann
syntaktische Reanalyse initiieren
- Tendenz zur kognitiven Ökonomie: nur eine Lesart wird kognitiv repräsentiert
- nur das Resultat wird bewusst
Charakteristika der Rezeption von Sprache:
- automatischer Prozess (nur Verstandenes wird bewusst)
- kognitive Leistung selbstverständlich
- bei näherer Betrachtung höchst komplexer Vorgang
Ambiguität:
Fast jeder Satz ist wenigstens stellenweise mehrdeutig (lokal ambig): z.B. „Müllers sahen die
Störche auf ihrem Flug nach Afrika“
Syntaktische/Strukturelle Ambiguitäten: verschiedene Bedeutungen von Konstellationen von
Wörtern
Mehrdeutigkeiten einzelner Wörter: z.B. „mit“
 macht Sprachrezeption schwierig
Teilprozesse der Rezeption:
- Sprachwahrnehmung:
Erkennung
von
sprachlichen
Nebengeräuschen, von verschiedenen Sprechern, in Texten, ...)
Einheiten
(bei
3
-
Lexikalischer Zugriff: Zuordnung der erkannten Einheiten zu bekannten Einheiten
im Gedächtnis
Syntaktische Analyse (Parsing): Erfassung der grammatikalischen Funktionen 
„wer mit wem...“
Semantische Interpretation (Verstehen): Konstruktion eines mentalen Modells des
Gesagtem im Kontext der bereits verarbeiteten Äußerungen sowie unter
Berücksichtigung des Weltwissen und der Diskurssituation
5.2.1 Schallsignal und Sprachwahrnehmung
- auditive Wahrnehmung für die Wahrnehmung sprachlicher Äußerungen spezialisiert
(vermutlich angeboren)
Kasten 5.3: Phoneme
Phoneme:
- kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten einer Sprache z.B. /r/
- linguistisch
- jede Sprache ca. 25.40 insgesamt ca. 10-65
- Phonologie
- Phone:
- die dazugehörigen Laute (phonetische Einheiten) z.B. [r]
- physiologisch und physikalisch-akustische Merkmale
- Phonetik
2.1.1 Kategoriale Wahrnehmung
Der kontinuierlichen Veränderung eines Signals enspricht phänomenal eine
diskontinuierliche, kategoriale Wahrnehmung (z.B. beim Übergang von /da/ zu /ta/ wird
abrupt /ta/ gehört)
ABER: In Wiedererkennungsexp. kann man doch Variationen innerhalb von Phonemgrenzen
unterscheiden
- kategoriale Wahrnehmung auch bei musikalischen Intervallen/ bei nicht sprachfähigen
Tierarten
- visuelle Wahrnehmung kann akustische Wahrnehmung beeinflussen (McGurkEffekt)
Auch unbewusste Erwartungen spielen Rolle beim Hören/Verstehen: Voraktivierungen
z.B.:
Warren (1970): Phonem-Restaurationseffekt:
- Löschung eines Phonems – wird in der Wahrnehmung wieder eingesetzt
 bottom-up- und top-down-Prozesse greifen ineinander!
5.2.1.2 Lesen
- muss erlernt werden
- Blick wird ruckartig (in Sakkaden) von Fixation (100-250ms; 2-4 Buchstaben links; 59 Buchstaben rechts) zu Fixation bewegt
- Asymmetrie
der
Fixationsspanne

Ergebnis
einer
lernabhängigen
Aufmerksamkeitslenkung
- Lesen ist wichtig, da hierbei direkt die Verarbeitungsgeschwindigkeit gemessen
werden kann
5.2.2 Lexikalischer Zugriff
- Begriffe werden als Inhalte des semantischen Gedächtnis aufgefasst
- sprachspezifisches Wissen über die Wörter wird als Inhalt d. menschlichen Lexikons
betrachtet
4
Inhalte des mentalen Lexikons:
- Gesamtheit des sprachspezifischen Wissens (auf Wörter bezogen)
- Wortstamm (Lemma) + morphologische Formen
- in Muttersprache
Worterkennung: Zuordnung des wahrgenommenen Schall- oder visuellen Musters zur
passenden mentalen Repräsentation im mentalen Lexikon
Kasten 5.4: Lemmata, Morpheme, Silben
Lemma (Lexem): lexikalischer Eintrag in seiner konventionell festgelegten, stichwortartigen
Zitierform; neben semantischen Merkmalen auch grammatische Merkmale
Morpheme:
- kleinste bedeutungstragende Sprachbausteine
- lexikalisch: Bedeutung
- grammatisch: dienen der Flexion und sprachlichen Ableitung
- Morpheme ≠ Silben
Silben: Silbenanfang – Silbenkern – Silbenende
zwei Arten von Lexika:
1) Stammformen + morphologische Varianten, wenn sie neue Bedeutung beinhalten
2) Vollform-Lexika – sämtliche Wortformen als eigene Lexikoneinträge
5.2.2.1 Worterkennung
Shadowing-Technik: Text (Kopfhörer) so schnell wie möglich nachsprechen
Kohorten-Modell (Marlsne-Wilson, 1985): Worterkennung: Phonem für Phonem schränkt
die relevante Menge des mentalen Lexikons immer weiter ein
 neuere Modelle: phonologische Merkmale werden auf unterspezifischere Wortformen
abgebildet
Segmentierung:
es existieren sprachspezifische Strategien zur Unterteilung von Wörtern und Sätzen; z.B.
scheint für deutschsprachige Kinder ein Wort mit einer betonten Silbe zu beginnen 
seltsame Wörter wie lade (Schokolade) oder mate (Tomate).
Prozessmodelle der Worterkennung:
Suchmodell von Forster (1985): durch Buchstabenmuster wird eine Teilmenge des Lexikons
ausgewählt, daraufhin seriell durchsucht (Wörter im Lexikon anhand ihrer
Vorkommenshäufigkeit angeordnet)  häufige Wörter werden schneller erkannt
konnektionistische Modelle (McCleland & Rumelhart): Knoten für Merkmale, Buchstaben
und Wörter; Zusammenspiel zwischen Aktivierung von Merkmalen mit Aktivierung von
bereits teilaktivierten Wortknoten  demonstrieren Zusammenspiel von bottom-up- und topdown-Prozessen (können z.B. Wortüberlegenheitseffekt erklären: „K“ wird schneller in
„work“ als in „orwk“ erkannt.
neuropsychologische Modelle: zwei modalitätsspezifische Lexika notwendig, da es z.B.
Ausfälle gibt, bei denen Patienten Gehörtes niederschreiben müssen, um es zu verstehen und
umgekehrt
Beispiel: Logogen-Modell
Tempo der Worterkennung abhängig von: Wortlänge, Häufigkeit des Vorkommens,
semantischen Faktoren und kontextuelle Aspekte (z.B. Charakteristika des Sprechers)
5
5.2.2.2 Inhalte des mentalen Lexikons
Levelt (1989):
Lemmata (Stammwörter): z.B. „sing
lexikalische Formen ohne eigenen Eintrag: (Flexionsmorpheme – zusammen mit Lemmata
werden aus ihnen Wortformen gebildet): z.B. sing-en; sing-t
Derivationen (eigenständige Einträge): z.B. das durch das Morphem –ung modifizierte
Lemma bild  bildung
Inhalte der Lexikoneinträge
Semantische Informationen (Wortbedeutung): Bedeutung eines Lexikoneintrags: Verweis
auf entsprechende begriffliche Repräsentationen im semantischen Gedächtnis 
Arbeitsteilung zwischen mentalem Lexikon und semantischem Gedächtnis
morphologische Informationen (Stammformen/Wortfamilien): ein Eintrag im mentalen
Lexikon kann mehrere morphologische Varianten enthalten
syntaktische Informationen: syntaktische Eigenschaften eines Wortes (syntaktische
Kategorie – Nomen, Verb etc.) + Subkategorisierungen (z.B. Subjekt, direktes/indirektes
Objekt bei „geben“)
Kodierungen für Rezeption und Produktion: phonologische bzw. graphemische Struktur
der Wortformen muss im Lexikon verzeichnet sein  Kodes – Funktion einer Indexierung
unseres lexikalischen Wissens
bei der Produktion hingegen muss vom begrifflichen Wissen ein Zugriff möglich sein
mentales Lexikon: nützliches theoretisches Konstrukt, man kann ihm aber keine einheitliche
neuronale Struktur zuweisen (über sprachdominante Hemisphäre verteilt)
5.2.2.3 Wortsemantik und semantisches Gedächtnis
Semantisches Gedächtnis: Begriff aus Gedächtnispsychologie wird vom mentalen Lexikon
unterschieden
Zweitspracherwerb (jenseits des frühen Kindesalters)
- zunächst: Wort-zu-Wort-Verknüpfungen
- später: indirekte Verknüpfungen (über die gemeinsamen begrifflichen
Repräsentationen im semantischen Gedächtnis)
- eigenes mentales Lexikon wird gebildet; vorhandene begriffliche Repräsentationen im
semantischen Gedächtnis werden dann von beiden mentalen Lexika genutzt
Wortbedeutung:
Alternativen zur Auffassung „Wortbedeutung als Relation von Wörtern und Konzepten“:
Allgemein:
extensionale Bedeutung: Objekte in der Welt durch Wort bezeichnet
 Referenzsemantik (Referenz = sprachliche Bezugnahme auf Objekte und Sachverhalte)
intensionale Bedeutung: Folgerung aus einer sprachlichen Benennung (z.B. wenn etwas
„Tomate“ bezeichnet wird  rund, essbar, ...)
Denotation: wörtliche Bedeutung (intensional und extensional)
Konnotation: affektiv getönter Bedeutungs-“Hof“
Chomsky (1965): Modell einer vollständigen Taxonomie (Versuch nach einer systematischen
Ordnung nach festen Regeln) von Wortbedeutungen durch semantische Primitive
(Elementarmerkmale)
 jedes Konzept durch eine Hierarchie semantischer Merkmale charakterisiert  ungeeignet
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Statistische Analyse von Ähnlichkeitskoeffizienten: bieten keinen direkten Einblick in
Struktur d. semantischen Gedächtnisses
LSA: Bestimmung von Ähnlichkeitsstrukturen in einer Menge von Wörtern durch
Vorkommen im gleichen Textabschnitt  erfasst kaum Bedeutung von Wörtern
5.2.2.4 Phonologisches und semantisches Priming
Wörter im Kontext anderer Wörter werden besser erkannt (Vgl. Wortüberlegenheitseffekt)
Erkennungszeit eines Wortes verkürzt sich, wenn diesem ein semantisch ähnliches Wort
vorausgeht
- phonologisch: phonologische Ähnlichkeit (z.B. Burg-Buch)
- semantisch: Ähnlichkeit der Bedeutung (Zeitung-Buch)
- assoziatives Priming (Prime- und Zielwort sind assoziativ verknüpft) (lesen-Buch)
- mediiertes Priming (Löwe-Streifen; über „Tiger“)
- polyseme (mit mehreren Bedeutungen) Wörter bewirken für alle ihre Bedeutungen
einen Priming-Effekt (nach ca.500ms bewirkt nach einem Satz nur noch ein der
kontextangemessenen Bedeutung entsprechendes Zielwort einen Priming-Effekt)
Erklärung des Priming-Effekts:
- Repräsentation im mentalen Lexikon wird aktiviert (durch Primewort)
- ist also bei Darbietung des Zielworts noch teilaktiviert
- Aktivierungsgrad bei dem das Zielwort erkannt wird, ist somit schneller erreicht
 hervorragend zur Untersuchung des semantischen Gedächtnisses geeignet
5.2.2.5 Anwendungen
- diagnostische Bedeutung: bei Hirntraumen  Störung der Sprachverarbeitung
- Zweitspracherwerb: zweites mentales Lexikon entsteht (s.o.)
5.2.3 Syntaktische Verarbeitung (Parsing)
Vergangene Verarbeitungsschritte: Segmentierung des kontinuierlichen Sprachsignals in
Wörter
 Zwischenergebnis ist nun eine ständig wachsende Sequenz von Wörtern
 zum frühestmöglichen Zeitpunkt setzt weitere Verarbeitung ein:
1) Rekonstruktion der Struktur einer Äußerung (Parsing)
2) Interpretation der Äußerung (beginnt mit Aktivierung von Konzepten durch die Wörter
(5.2.4)
Syntaktische Analyse:
Ergebnis eines Parsingschritts: - z.B. als Phrasenstuktur in Baumdarstellung (wichtig?)
Das Bild mit den Pferden gefällt mir:
S (NP (NP(Det: das N: Bild) PP (Prep: mit NP (Det: den N: Pferden)) VP (V: gefällt NP (Pro: mir)))
S: Satz; NP: Nominalphrase; PP: Präpositionsphrase; VP: Verbalphrase; Det: Artikel; N: Nomen; V:
Verb; Prep: Präposition; Pro: Pronomen
 mental repräsentiert sind die identifizierten Bestandteile der Satzstruktur (Konstituenten) und
ihre Abhängigkeitsverhältnisse untereinander
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Parsing ist ein automatischer Prozess: ist auch gut so, denn oft gibt syntaktische Info den
entscheidenden Anhaltspunkt für die Interpretation
5.2.3.1 Syntax + Lexikon = Grammatik
Gesamtheit des lexikalischen Wissen und des Wissen um syntaktische Regularitäten =
grammatisches Wissen
Grammatik: adäquate Beschreibung sprachlicher Regularitäten (kein Katalog von
Vorschriften)
Kombinationen lexikalisierter syntaktischer und semantischer Informationen in:
- LFG (lexical-functional grammar)
- HPSG (head-driven phrase structure grammar)
Hier: einfache Phrasenstrukturgrammatik (einfache Beschreibungsform der sprachlichen
Oberfläche):
- generative Grammatik
Erzeugungsregeln:
S  NP, VP; NP  Det, N; PP  Prep, NP; VP  V; VP  V, NP; VP V, NP, PP
Mit diesen simplen Regeln können bereits einfache Sätze gebildet werden:
- wesentliche syntaktische Abhängigkeiten werden allerdings von diesen Regeln nicht erfasst:
- Numerus: Singular oder Plural
- Genus (Geschlecht): maskulin, feminin, Neutrum
- Kasus (Zeit): Akkusativ, Dativ usw.
Funktionale und thematische Rollen:
- Satzsubjekt und die Objekte: funktionale Rollen der Verbkomplemente
- thematische Rollen: bereits semantischen Charakter (Agent, Patient bzw. Rezipient, Thema,
Lokation, Zeit usw.)
- Aufgabe der Satzverarbeitung: funktionale Rollen in thematische Rollen umsetzen (z.B.
„Lena gibt dem Kind ein Buch“: Lena (Subjekt)  thematisch:Agent; dem Kind (indirektes
Objekt) thematisch: Rezipient, ...
Sprachtypologische Unterschiede:
Jede Sprache hat charakteristische Regularitäten:
z.B. Wortstellungsregeln + Kasusmorphologie
Mentale Repräsentationen syntaktischen Wissens:
- implizites Wissen
- aber: man kann auch einige explizite Grammatikregeln im Kopf haben; dies geschieht aber
normalerweise nur bei zusätzlich gelernten Fremdsprachen, oder bei nachträglich gelernten
Grammatikregeln
Grammatikalität von Äußerungen:
- viele Äußerungen grammatisch unkorrekt, allerdings werden meistens lokal grammatische
Regularitäten eingehalten
- Ellipsen (Verkürzungen): oft nur noch in speziellen Kontexten verständlich
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5.2.3.2 Experimentelle Paradigmen zur Analyse der Satzverarbeitung
Offline-Verfahren: Erfassung der Informationsverarbeitung nach der Satzverarbeitung:
- Urteilsverfahren wie Bewertung von Grammatikalität und Akzeptabilität von Sätzen 
große interindividuelle Unterschiede
- Satzergänzungsverfahren
- Lückentechnik
 relativ unaufwendige Techniken, da sie per Fragebogen appliziert werden können
Online-Verfahren: Erfassung der Informationsverarbeitung während des Hörens/Lesens:
- Blickbewegungsregistrierung
- EEG
Erfassung der Lesezeit: kumulative vs. nicht-kumulative Darbietung  kann allerdings den
normalen Leseprozess stören
Blickbewegungsregistrierung: Fixationspunkte und -zeiten beim Lesen werden gemessen 
benötigt allerdings sehr sorgfältige Auswertung
EEG-Technik:
- Messung der Hirnaktivität an unterschiedlichen Stellen der Schädeloberfläche
- Methode der evozierten Potentiale: Signal wird über Einzelmessungen summiert;
 P600: auffällige positive Zacke nach 600ms, N400: auffällige negative Zacke nach 400ms
- EEG löst allerdings kaum räumlich auf  z.B. fMRI (löst allerdings schlecht zeitlich auf)
Materialkonstruktion:
- Satzmaterial muss mit höchster Sorgfalt konstruiert werden
- Varianten eines Testsatzes müssen entworfen werden
Darbietung: 1. einleitender Kontextsatz
2. Testsatz
3. ausleitender Kontextsatz
Experiment (S.302): Testsatzvarianten:
- Faktor 1: verzögerte vs. sofortige Disambiguierung
- Faktor 2: Relativpronomen Subjekt vs. Objekt
 man versucht die gewünschten Varianten mit minimalen Unterschieden zu
realisieren bzw. nach Gebrauchshäufigkeit, Länge, ... zu parallelisieren
5.2.3.3 Hauptergebnisse der Parsing-Forschung
Inkrementalität:
- Wir warten nicht bis zum Ende einer Äußerung, bis wir beginnen sie zu analysieren und zu
verstehen (z.B. können wir oft jemandem, der um ein Wort „ringt“, aushelfen)
- zum frühestmöglichen Zeitpunkt, also am Disambiguierungszeitpunkt, wird begonnen
 Wir verarbeiten Äußerungen inkrementell und zwar Wort für Wort
Bedeutung für Zeitverlauf d. Sprachverstehens:
Verarbeitungsstufen des Sprachverstehens (Worterkennung, Parsing, semantische
Interpretation) müssen also kaskadenähnlich (stufenförmig) ablaufen
Anbindungs-Ambiguitäten:
Erhöhte Lesezeiten:
- am Satzende aufgrund der abschließenden Interpretation
Bei global ambigen Sätzen („Anna verzierte die Torte mit den Kirschen“):
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Differentiell ist Lesezeit für PP abhängig von 2 Bedingungen:
a) das Verb geht der PP voraus
b) das Verb kommt erst nach der PP
- am Disambiguierungspunkt
- bei falschen Anbindungen an Teilsatzgrenzen
- Lesezeiten innerhalb ambiger Regionen nicht erhöht, nur am DA
Weitere Ambiguitäten:
- Ambiguität zwischen Nominativ und Akkusativ (Peter hat die Ärztin gestern sehr genervt)
5.2.3.4 Theoretische Modelle des menschlichen Parsers
„Peter hat die Ärztin gestern im Krankenhaus sehr geholfen“
-
„Peter“ beim lexikalischen Zugriff als Nomen im Singular erkannt (Kasus
unterbestimmt)
Aufbau von SVO-Satz (wegen höherer Häufigkeit)
„hat“ als passende Verbform erkannt – Interpretation von Peter (Referenzobjekt:
Person)
Ärztin: direktes Objekt (Akkusativ)
geholfen  passt nicht
Reanalyse: Peter – Dativobjekt; Ärztin – Nominativ und Subjekt
lange Reanalyse nötig + falsche Analyse bereits durch vorherige passende
Zusammenhänge stabilisiert  Holzweg-Effekt
Grundannahmen:
- Parsing vollzieht sich inkrementell
- Aufbau einer vorläufigen syntaktischen Analyse ohne Berücksichtigung des Inhalts
- Frequenzinformation wird beim Parsing verwendet (Erfahrung über Häufigkeit von
Wortlesarten)
- Unstimmigkeiten  Reanalyse (im Normalfall: automatisch, schnell und unbemerkt)
Parsingmodelle ohne Reanalyse:
- Aufbau multipler Analysen (parallel)
- Aufschub der Analyse bei Ambiguitäten bis der Disambiguierungspunkt erreicht ist
Unterschiedliche Vorhersagen der Modelle ohne bzw. mit Reanalyse:
- parallel: erhöhte Lesezeit während ambiger Regionen
- Aufschub: erhöhte Lesezeit am Disambiguierungspunkt (nur dann, aber immer)
- Reanalyse: erhöhte Lesezeit am Disambiguierungspunkt (manchmal, wenn Analyse
falsch)
 empirische Ergebnisse passen gut zu Reanalyse-Modellen: erhöhte Zeiten zeigen sich am
Disambiguierungszeitpunkt, wenn die präferierte Analyse scheitert
Hahne (1997):
- semantisch inkorrekte Sätze: N400
- syntaktisch inkorrekte Sätze: ELAN-Komponente und P600
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Reanalyse-Modelle:
Prinzipien denen zufolge bestimmte Analysen präferiert werden:
- syntaktische Prinzipien: Wenn ein neu gelesenes Wort sich in das aktuelle Element
auf der untersten Ebene der gerade erstellten Analyse einfügen lässt, dann wird dies
präferiert. (z.B. das „rechts anschließen“-Prinzip in: „Manuel empfahl dem
Feinschmecker den Spargel und das Schnitzel dem Kritiker.
- Modularität des Parsers: werden nur syntaktische Informationen oder auch schon
semantische Informationen berücksichtigt?  semantische Info wird insofern genutzt,
als sie wortbezogen im mentalen Lexikon vorliegt (z.B. Argumenationsstruktur von
Verben)  zunächst nur lexikalische Information
- Frequenzinformation: Häufigkeit lexikalischer Einträge wird berücksichtigt (z.B.
raced 50x häufiger als aktives Verb denn als Verb („The horse raced past the barn
fell.“)
- Prinzip des referentiellen Erfolgs: Reanalyse kann durch vorher gegebene
Information erleichtert werden
 diese Prinzipien funktionieren nicht als Heuristik (denn dann müssten verschiedene
Alternativen vorhanden sein), sondern Parsing funktioniert so, als ob die Prinzipien
befolgt würden.
Rein frequenzbasierte Parsing-Theorien:
- Auswahl der präferierten Analyse anhand von erlernten Häufigkeiten (nicht nur von
Wörtern, sondern auch von syntaktischen Konstruktionen)
- Präferenz entwickelt sich durch früheren Input während des Spracherwerbs
ABER: menschlicher Parser arbeitet nicht ausschließlich frequenzbasiert
Constraint-Satisfaction-Modelle:
- syntaktische und semantische Faktoren und andere Faktoren gleichzeitig
unterschiedlich stark und verschieden lang wirksame Kräfte in einem auf Ausgleich
bedachten konnektionistischen Modell
 kaum noch falsifizierbar
„Besser“:
- stärker strukturierte Modelle, die auch noch Performanzgrenzen menschlichen
Parsings einbeziehen
z.B. Lewis und Gibson (1998): Bestimmung der aktuellen Belastung des AG beim Parsing
Anwendungen der Parsing-Forschung:
- Erkennung von stilistischen Eigenheiten, die das Verständnis von Sätzen fördern oder
Behindern
- es sollten also solche Formulierungen bevorzugt werden, die den Präferenzen des
menschlichen Parsers entsprechen - z.B. in Lehrbüchern, wo die Information
möglichst unmissverständlich sein soll
Kasten 5.5: Satzverarbeitung und Arbeitsgedächtnis
Die semantische Interpretation belastet AG, aber wird es auch durch die syntaktische
Analyse belastet?
- Strube (1997): Existenz eines speziellen Arbeitsspeichers für syntaktische Analyse
 „normales“ AG bleibt unbeeinflusst bei syntakt. Analyse
- MacDonald (1992): undifferenziertes Modell des AG, das auch durch Parsing belastet
wird
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Gathercole & Baddeley (1993): modales Modell des AG  phonologische Schleife
durch Parsing belastet
- Gibson (1998): zwei Komponenten der Belastung:
1. Integration neuer Wörter in die bisher aufgebaute Satzstruktur
2. Zwischenspeicherung von Strukturvorhersagen, die noch nicht erfüllt sind
- Caplan & Walters (1999): Existenz eines auf Sprachverarbeitung spezialisiertes AG
Insgesamt: Sprachwahrnehmung einschließlich Parsing: automatischer und modularer
Prozess
-
5.2.4 Semantische Interpretation und Textverstehen
Was heißt es „etwas zu verstehen“?
- mentale Repräsentation des Gehörten/Gelesenen erstellen, die mit unseren
gedanklichen Repräsentationen übereinstimmt  Verbindung mit unserem Wissen
- Textinhalt wird als Wissensstruktur repräsentiert
5.2.4.1 Mentale Modelle
(Situationsmodell und mentales Modell kann für die Zwecke hier synonym verwendet
werden)
Construction-Integration-Modell (CI-Modell) von Kintsch:
nach Parsing:
1) Erstellung einer textnahen Repräsentation
2) Verbindung zu Vorwissen
 Situationsmodell: Repräsentation des Inhalts
zweistufiger Prozess nach der syntaktischen Analyse:
1. Konstruktion einer propositionalen Textbasis (siehe Kasten 5.6)
- Sätze des Textes werden in ihre elementaren Aussagen (Propositionen) zerlegt
- Konstruktion eines propositionalen Netzwerks (kann bei Ambiguitäten auch
widersprechende Infos enthalten
2. Integration der Textbasis mit dem Vorwissen
- Propositionen der Textbasis in Propositionen des Vorwissens integrieren
 Fokussierung auf Inhalt trägt der Umstand, dass die sprachliche Form im Normalfall
schnell vergessen wird, Rechnung
Diskursmodell: z.B. bei Gesprächen spielt auch die Gesprächsituation eine große Rolle
 Erstellung weiterer Repräsentation  Diskursmodell
- Repräsentation des Diskurses
- Repräsentation der Gesprächsituation
Forschungsmethoden:
- Online: Priming; Rekognitionszeit
- Offline: Reproduzieren oder Zusammenfassen von Texten aus der Erinnerung; Beantworten
von Fragen zum Textinhalt
Kasten 5.6: Propositionale Repräsentation:
Propositional: jede Repräsentationsform, die einer logischen Formel oder einem Aussagesatz
in natürlicher Sprache ähnlich ist
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Struktur von Propositionen:
- Funktoren/Relationen: Adjektive und Verben
- Argumente: Referenzobjekte
- Verwendung propositionaler Schemata ist üblich
- strikte Trennung von Objekten und Klassen notwendig
- Notbehelf, um Inhalt natürlichsprachlicher Äußerungen darzustellen
5.2.4.2 Referenzobjekte, Eigenschaften und Ereignisse
Komponenten eines Situationsmodells:
-
Objekte (Entitäten): konkrete, physikalisch fassbare Objekte
Eigenschaften: werden Objekten als Prädikate zugeschrieben
Ereignisse: mehrstellige Prädikate, die übersichtlich als Schemata dargestellt werden
können
-
Inhalt komplexer Sätze wird aus Kombinationen einfacher Propositionen dargestellt
Kompositionalitätsprinzip: Die Bedeutung eines komplexen Satzes ergibt sich aus
der Bedeutung, der ihn ihm enthaltenen einfachen Aussagen
 Aufgabe der semantischen Interpretation:
1. Identifikation von Prädikaten und Argumenten
2. Aufbau einer propositionalen Repräsentation
5.2.4.3 Anaphorische Referenzen und Textkohäsion
Referenzobjekte sind: Nomen bzw. NP einer Äußerung
Anaphorische Referenz: Bezugnahme auf etwas vorher schon Erwähntes
Kataphorische Referenz: Bezugnahme auf etwas noch nicht Erwähntes
Bei der Suche nach den Antezedenten von Anaphern werden syntaktische und
Diskursinfos herangezogen.
syntaktische Restriktion: pronominale Anaphern und Referent muss in Genus und Numerus
übereinstimmen
Wichtige Ergebnisse zur Interpretation anaphorischer Referenzen:
-
-
-
Art der Bezugnahme (Eigenname, Pronomen oder indirekt) spielt psychologisch keine
Rolle (setzt voraus, dass die Referenz vor Darbietung des Pronomens interpretiert
wurde – bezieht sich auf Exp. v. Tyler et al.)
anaphorische Referenz als (NP)-Referenz formuliert  sofortige Auflösung,
pronominale Referenzen werden nur sofort aufgelöst, wenn sie sich auf die
Hauptperson von
Erzähltexten beziehen
es gibt einzelne Ausnahmen, bei denen Genus und Numerus des Anaphern nicht mit
den des Referenten übereinstimmen muss
Anaphorische Referenzen sind das hauptsächliche Mittel, um inneren Zusammenhang
eines Textes herzustellen
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Kohäsion/Kohärenz: Zusammenhang des Textes – bei Kintsch: Bezugnahme einer
Proposition auf eine andere
Zentrale Proposition: Proposition mit vielen Bezugnahmen  länger im AZG  langfristig
besser erinnert
5.2.4.4 Einige Probleme der semantischen Interpretation
Metaphorische und wörtliche Ausdrucksweise:
- semantische Interpretation nichtwörtlicher Ausdrücke (Metaphern; Metonymien) sollte
schwieriger sein als die wörtlicher  falsch
- Black (1962): Erst durch Interaktion von Topos und Vehikel werden, die zum Verständnis
einer Metapher relevanten Merkmale  Entstehung von neuen Bedeutungen
- Kintsch (2000): Anreicherung des dem Topos entsprechenden Vektors
semantischer Merkmale mit ausgewählten Merkmalen des Vehikel-Vektors
Skopus von Quantoren und Verneinung:
Skopus: Geltungsbereich eines Funktors (z.B. Negation)
Quantor (jeder, manche, ein paar):
- bestimmte Quantoren verhalten sich kontextabhängig  Beispiel: Ähnlichkeiten
von Adjektiven werden relativ zur durchschnittlichen Größe ihres Referenzobjekts
interpretiert (ein großer Schlüssel ist kleiner als ein kleines Haus)
- multiple Quantifikation: „Zehn Millionen Besucher tranken 400000 Tassen Kaffee
- auch im logischen Schließen zeigen sich Auswirkungen der sprachlichen
Interpretation („typisch menschliche Fehler“)
Deindexierung deiktischer Ausdrücke:
Deiktische Ausdrücke:
- zeigende Ausdrücke, relativ zur Äußerungssituation definiert
- zeitliche und räumliche Bestimmungen und auch die Zeitform des Verbs sind deiktischer
Natur (z.B. „Morgen treffen wir uns um 10 Uhr“)
 deiktische Bezugnahmen müssen durch explizite ersetzt werden um zu unserem Wissen
kompatibel zu sein (geschieht bei Kintsch werden sie beim Übergang ins Situationsmodell
interpretiert)
Unterbestimmtheit und Standardannahmen:
Was passiert, wenn ein Satz („zwei Männer sahen drei Boote“) zu viele Interpretationen
hat?
Empirisch naheliegende Modelle:
- Leser/Hörer bilden eine Repräsentation, die hinsichtlich der Interpretation
unterbestimmt ist
- Repräsentation wird gebildet als ob von nur einer einzigen Situation gesprochen wird
 Standardannahme
-
-
Analog zum Parsing wird bei der Interpretation immer die am wenigsten aufwendige
(hier die 2.) Lesart benutzt ( Stabilisierung nach einiger Zeit, wenn keine Korrektur
erfolgt)
mentales Modell muss konkret sein (deshalb Standardannahmen)  Ursache typischer
Fehler bei logischer Schlussfolgerung (siehe Kapitel 4, mentale Modelle)
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Analoge Modelle von Zeit und Raum
- räumliche Distanz wird direkt in mentalen Modellen beim Textverstehen repräsentiert
 Reaktionszeiten von Vpn, auf die Frage ob ein Gegenstand im selben Raum oder im
anderen Raum war, nachdem sie zuvor zwei Räume „gelernte“ hatten, waren umso kürzer je
näher bestimmte Objekte von der Hauptperson entfernt waren
5.2.4.5 Inferenzen beim Textverstehen
In welchem Ausmaß ziehen Leser von Texten Inferenzen?
Normalerweise ziehen Leser lediglich, die zum Verständnis eines Textes unbedingt
notwendigen Schlussfolgerungen:
- „Brücken-Inferenzen“  Herstellung der Textkohärenz
- zeitliche Schlussfolgerungen (Kausalität)
ABER: bei entsprechender Aufgabenorientierung werden viel mehr elaborative Inferenzen
gezogen (Textaussagen mit Vorwissen verbinden)  empfohlene Lernstrategie
Allgemein: Leser begrenzen ihre Inferenzen sehr eng
- Anzahl der benötigten Inferenzen beim normalen Textverständnis ist aber dennoch relativ
hoch, dabei hilft Hintergrundwissen bzw. Kenntnis über Textsorten
Ereignisschemata: auch diese so genannten Scripts oder MOPs (Wissensstrukturen über
Ereignisse) helfen beim Ziehen von Inferenzen  Versetzt uns in Lage, auch lückenhafte
Berichte zu verstehen.
5.2.4.6 Anwendungen
-
Pädagogische Psychologie: z.B. bei Problemen mit Textaufgaben in Mathe 
Schwierigkeiten im Textverständnis, nicht in Rechnung
hohe Bedeutung von Kohärenz von Lehrtexten
anaphorische Referenzen eindeutig  sonst Missverständnis
5.3. Sprachproduktion
- Diskurskonventionen: Durcheinanderreden sowie peinliche Stille sind unerwünscht
- turn taking: Verhalten der Kommunikationsteilnehmer ist eng aufeinander bezogen
- common ground: gemeinsamer Verstehenshintergrund der Gesprächspartner
Sprachproduktion und Sprachrezeption sind nicht einfach reziproke Prozesse! (z.B. hört
man sich beim Sprechen selbst zu)
Aber: Zugriff auf gleiches sprachspezifisches Wissen, z.B. auf ein gemeinsames mentales
Lexikon.
5.3.1 Drei Prozess-Stufen
(sehr pauschale Einteilung)
1. Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis: Sprecher generiert möglichst
zielführende Mitteilung: gedankliche, non-verbale Struktur (in Form von Begriffen)
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2. Enkodierung: Zuordnung von Wörtern zu den vorher gebildeten Begriffen; Bildung
einer einzelsprachlichen Enkodierungsbasis
3. Artikulation: Erzeugung der Sprachäußerung
bei Levelt (1989): conceptualizer – formulator – articulator
5.3.1.1 Erste Stufe: Die Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis
3 Teilprozesse:
- Fokussierung
- Parameterfixierung von Teilsystemen der Sprachproduktion
- Formatierung
Fokussierung:
- Auswahl kognitiver Inhalte, die verbalisiert werden sollen (Selektion)
- Kognitive Inhalte werden in eine bestimmte Reihenfolge gebracht (Linearisierung)
- Bereitstellung der kognitiven Äußerungsbasis kann automatisch oder geplant erfolgen
Parameterfixierung von Teilsystemen der Sprachproduktion:
- Fixierung bzw. Instantiierung von bestimmten Systemparametern (leise – laut; Sie –
Du; best. Wörter können ausgeblendet werden, usw.)
- Systemparameter bleiben normalerweise über eine Kommunikationssituation hinweg
konstant, muss aber nicht (z.B. wenn sich jemand entfernt werden wir lauter)
Formatierung:
- gleiche Äußerungsinhalte können zu höchst unterschiedlichen Formulierungen führen
o die bis zu diesem Zeitpunkt erzeugten Inhalte müssen nun noch eindeutiger
gestaltet werden
- zu diesem Zweck werden sie in eine eindeutige Formulierung transformiert
- es resultiert der Enkodierinput
5.3.1.2 Zweite Stufe: Die sprachliche Enkodierung
-
auf Basis des Enkodierinputs wird nun eine Folge von Phonemen erzeugt
spezifische Informationen (wie Morphem- und Wortgrenzen usw.) sind dabei bereits
enthalten
Output: Phonemsequenzen mit Zusatzinformationen  Input für artikulatorischen
Prozess
Unumstritten ist, dass die einzelsprachliche Enkodierung zum einen aus der adäquaten
Wortfahl (inklusive Flexion) und zum anderen aus der syntaktischen Strukturierung besteht.
Teilvorgänge:
1. lexikalisch-morphologische Enkodierung: Wortflexion und Wortwahl
2. grammatisch-syntaktische Enkodierung: Strukturierung von Satzteilen und Sätzen
3. phonologische Enkodierung: Zuordnung von Phonen zu den Konzepten
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zu 1): Lexikalisch-morphologische Enkodierung
- den konzeptuellen Einheiten der Äußerungsbasis werden Wortformen zugeordnet (mit Hilfe
des lexikalischen Gedächtnis)
Dreikomponententheorien:
1. nicht-verbale Begriffe: können unabhängig von der Einzelsprache kognitiv verarbeitet
werden
2. Lemmata: stellen Verweise auf non-verbale Begriffe dar
3. Wortformen (Morpheme, Phoneme, Silben)
-
zunächst werden für jeden zu verbalisierenden Begriff Lemmata gesucht (lexikalische
Suche)
- morphologische Enkodierung transformiert dann das Lemma in die gesuchte
Wortform
 bekanntestes Modell wird unter 5.3.3 vorgestellt.
Zweikomponententheorien: (mentales „Vollform-Lexikon“)
1. nicht-verbale Begriffe
2. (flektierte)Wörter bzw. Morpheme
-
nichtsprachliche Begriffe sind mit den Wörter bzw. Morphemen assoziativ verknüpft
und verleihen ihnen damit Bedeutung
Modellierung
Zwei- und Dreikomponententheorie werden meistens über konnektionistisches Netzwerke
modelliert
z.B.
WEAVER++:
- lokalistisches Netzwerk mit Knoten für konzeptuelle Einheiten, Lemmata,
Wortformen, …
- Aktivationsausbreitung durch Produktionsregeln
zu2): Grammatisch-syntaktische Enkodierung
- nichtverbale Konzepte (Lemmata und Wortformen) müssen in eine zusammenhängende
Äußerung überführt werden (in einen grammatisch korrekten Satz)
2 Grundauffassungen:
1. Fertiges Satzschema zu Beginn einer Satzgenerierung:
- Bei der Formulierung eines Satzes liegt bereits zu Beginn der Satzgenerierung ein
syntaktisches Satzschema vor.
- System von Leerstellen, in das Wörter nacheinander eingebaut werden
 Satzschema steuert Satzgenerierung
2. Entwicklung des Satzschemas während der Satzgenerierung:
- syntaktische Satzschema wird erst allmählich aufgebaut, abhängig von den
verwendeten Lemmata und deren Reihenfolge
zu 3): Phonologische Enkodierung
-
metrische Phänomene
Phoneme in bestimmter Reihung
wortbezogene (Betonung) und wortübergreifende Phänomene
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 heute geht man davon aus, dass es ein durch die Artikulationskomponenten ausführbares
motorisches „Programm“ gibt („Gestenpartitur“)
5.3.1.3 Dritte Stufe: Die Artikulation
- Umsetzung der „Gestenpartitur“
- komplexe Sprechmotorik: Phonation in der Kehlkopfregion; Einstellung von Zunge, Lippen
und anderen Artikulatoren; Bereitstellung der jeweils passenden Resonanzräume
- zudem die Lautkomposition einzelner Silben, die phonet. Gestaltung der gebundenen Rede
(Sprachrhythmus, Pausen, …), …
5.3.2 Teilprozesse bei der Erzeugung der kognitiven Äußerungsbasis
Dieser Teilprozess und die einzelsprachliche Enkodierung werden jetzt noch mal detaillierter
dargestellt.
5.3.2.1 Fokussieren und Selektion
- Fokussierung eines bestimmten Sachbereichs  Beabsichtigung des Sprechens ist zu
beachten
- Pars-pro-toto-Prinzip: man sagt nicht alles, was man meint – Sprecher wählt einen
formatierten Teil dessen aus, worauf sich seine Kommunikationsabsicht bezieht – der Partner
rekonstruiert aufgrund der Sprachäußerung was gemeint/beabsichtigt ist
 erfolgreiches Kommunizieren: gemeinsames Wissen beim Sprecher und beim Partner
- Verbalisieren eines Teils gewährt zusätzliche Informationen (Nebenabsichten, etc.)
 Kasten 5.7: Sprachpsychologie des Aufforderns
Auffordern: Klasse von Handlungsweisen, mit denen
Kommunikationspartner zu einer Handlung zu verpflichten
Veranlasste Handlung: Aktives Tun, Unterlassen oder Erlaubnis
Aktives Tun:
- D-Aufforderungen: direkt
- M-Aufforderungen: mäßig direkt
- I-Aufforderungen: indirekt
Personen
versuchen,
Der kompetente Sprecher weiß, dass man nach unseren sozialen Regeln nur ernsthaft
auffordert, wenn man eine best. partnerseitige Handlung überhaupt initiieren will, wen man
hinreichend dazu befugt ist, wenn man den Partner für zureichend bereit und in der Lage hält
und wenn man z.B. einen defizitären Zustand beseitigen will.
-
-
pars-pro-toto: Auswahl einer Aufforderungsvariante steht für die
Gesamtstruktur AUFFORDERN – Partner muss dann aus der ausgewählten
Aufforderungsvariante die Gesamtstruktur rekonstruieren
Standardsituation: häufige, alltägliche Aufforderungssituationen (meist IAufforderungen; manchmal M) – Ansprüche gering; Bereitschaft und
Legitimation hoch
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-
Nichtstandardsituationen: sind nicht häufig und nicht üblich (meist DAufforderungen; manchmal M) - hohe Anforderung; Bereitschaft zweifelhaft;
Legitimation hoch
5.3.2.2 Linearisieren
Bestandteile in eine sequentiell geordnete Botschaft bringen  sequentierte sprachliche
Äußerung resultiert
Sequenz wird durch mehrere Determinanten beeinflusst:
- sie beinhaltet bereits grammatische Wortfolgeregeln (von Sprache zu Sprache
unterschiedlich)
- richtet sich nach kognitiver Äußerungsbasis (entweder besitzt von vornherein oder
durch mentale Operationen sequentielle Ordnung)
o Herstellen der (konzeptuellen) Ordnung
- wenn zeitlich geordnete Repräsentation vorliegt, kann Linearisierung fast ohne
kognitiven Aufwand geschehen
- meist richtet sich die Anordnung nach einer immanenten zeitlichen Ordnung
Was aber, wenn keine immanente zeitliche Ordnung besteht (z.B. bei räumlicher Info)?
Levelt (1989): inhalts- und prozeßbezogene Determinanten
inhaltsbezogene Determinanten:
- Zeitstruktur (falls vorhanden)
- Abfolge erstellt durch erlernte Linealisierungsoperationen (z.B. als imaginärer
Wanderer durch Räumlichkeiten
- Ereignisschemata werden genutzt, um z.B. Räumlichkeiten einer Arztpraxis zu
beschreiben
- auch erlernte prozedurale Schemata können verwendet werden (z.B. Anfertigen von
Aufsätzen, …)
prozessbezogene Determinanten:
- unabhängig vom Inhalt
- Prinzip der Verbundenheit: räumlich benachbarte Gegebenheiten werden
nacheinander angeordnet
- Stapelprinzip: Verzweigunspunkte von denen aus Abfolgen gebildet werden
(Tiefensuche: Rückkehr zum VP und Beschreibung anderer Wegstrecken)
- Ökonomieprinzip: bei Tiefensuche wird erst der kürzere Ast abgearbeitet, dann muss
der VP nicht so lange im Gedächtnis behalten werden
- Geneseprinzip: Linearisierung ist durch Erwerbsreihenfolge festgelegt
- Ankerprinzip: Linerarisierung entspricht der Ersterfahrung
5.3.2.3 Parameterfixierung von Teilprozessen
- Einstellung der Artikulationsorgane und des Sprechersystems / Instantiierung der
Prozessparameter
Einige Gesichtspunkte der Instantiierung von Prozessparametern, die auf globale
Steuerungsvarianten des Sprechersystems rückführbar sind
Reizsteuerung der Sprachproduktion
- hochautomatisierte Bezugnahme auf eine in dem Moment gehörte Äußerung des
Partners (z.B. Bitte! – Danke!)
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Sprachproduktion als bloße Sprachreproduktion
- auswendig gelernte Sprüche
- Wort für Wort wird aus dem LZG ins AG überführt
Schema-Steuerung der Sprachproduktion
- kognitive Schemata können auch unsere Äußerungsproduktion beeinflussen (z.B.
Festlegung des passenden sprachlichen Teilregisters)
Ad-hoc Steuerung der Sprachproduktion
- wenn noch keine fertige oder routinierte Konzeptualisierung des zu Äußerndem
besteht, dann müssen wir eine eingehende Planung vollziehen, wie wir etwas äußern
wollen  benötigt kognitive Prozesse
Bei allen verschiedenen Steuerungen ist das Sprechersystem unterschiedlich eingestellt – es
werden unterschiedlich große Variabilitäten z.B. der Wortwahl „erlaubt“.
5.3.2.4 Formatierung der kognitiven Äußerungsbasis
Wahl eines bestimmtes Format des bisher erzeugten, um die weitere Verarbeitung zu
ermöglichen bzw. damit es vom Enkodiermechanismus als Prozessinput angenommen wird
 als letzter Schritt der Konzeptualisierung wird eine eindeutige Formatierung durchgeführt
Levelt: nonverbale konzeptuelle Strukturen (mittels Graphen) – lexikalische Begriffe, die
verbalisiert werden sollen, sind Glieder dieser Struktur  enthalten bereits grammatische
Information (proto-grammatische Information)
Herrmann: Die nonverbale Botschaft wird also mittels interagierender Regelsysteme so
aufbereitet, dass aus ihr ein eindeutig formatierter Input für den Enkodiermechanismus
entsteht
Allgemein: kognitive Inhalte werden in einzelne Begriffe bzw. Konzepte zerlegt, um dann
eine propositionale Struktur zu bilden; dann können sie ihre thematischen Rollen erhalten
5.3.3. Einzelsprachliche Enkodierung
Dreikomponentenmodell WEAVER++ (Levelt (1999)
Grundpositionen (nach Garrett):
Serialität: Teilprozesse arbeiten strikt seriell, kein Informationsrückfluss an vorherige Ebene
Modularität (Abgekapseltheit): für Teilprozesse benötigte Informationen ist spezifisch 
nur auf der jeweiligen Ebene verfügbar (z.B. kann auf Lemmata nur während der
lexikalischen Enkodierung zurückgegriffen werden)
5.3.3.1 Teilprozesse der einzelsprachlichen Enkodierung
Enkodierung von Wörtern und deren unmittelbare Vorbereitung:
4 Prozessebenen:
1. Aktivierung von Konzepten
20
2. Auswahl des passenden Lemmas im mentalen Lexikon (lexikalische Enkodierung)
 Beleg für Unterscheidung zwischen semantisch-grammatikalischer und
morphologisch-phonologischer Domäne: „Auf der Zunge liegen“ – die dem Lemma
zugehörige Info ist zugänglich (z.B. Geschlecht), aber nicht die genaue Wortform!
3. morphologische und phonologische Enkodierung
- morphologische Aufgabe: richtige Wortform im Lexikon finden
- phonologisch: Aktivierung metrisch-segmentaler Wortmerkmale (Betonung,
Länge)
- Resultat ist eine abstrakte Repräsentation von Wortformen, die noch nicht
phonetisch-artikulatorisch spezifiziert sind
4. phonetische Enkodierung: Erzeugung phonetischer Pläne
5.3.3.2 Grammatisch-syntaktische Enkodierung
Proto-grammatische Struktur bildet die Inputinformation für den nächsten Prozess
 Aktivierung passender Lemmata und inkrementelle Generierung einer syntaktischen
Satzstruktur (Satzschema entsteht allmählich)
2 Stufen der grammatischen Enkodierung:
1. Funktionszuweisung: Zuordnung funktionaler Rollen zu den in der Botschaft
spezifizierten thematischen Rollen (Agent, Rezipient, …)
2. Satzkonstruktion: Gibt unterschiedliche Vorschläge; Hier: (für generelles Verständnis)
Teilstrukturen einer Botschaft werden in einem strikten Nacheinander verfügbar  Suche
nach Lemmata im mentalen Lexikon in strikter Reihenfolge
- die grammatischen Merkmale des jeweils aufgerufenen Lemmas lösen Operationen
aus, die zur Herstellung vollständiger Satzphrasen und zum Aneinanderbauen
mehrerer Satzphrasen zum Gesamtsatz führen.
Kempen und Hoenkamp (1987):
Produktionsalgorithmus (System von einzelnen Produktionsregeln)
- Botschaft wird nach den Regeln der Phrasenstrukturgrammatik in eine syntaktische
Oberflächenstruktur umgewandelt
- aus vielen Prozesskomponenten entsteht hochkomplexe Dynamik der multiplen
Ausführung bedingter Befehle, wobei es keine zentrale Entscheidungsinstanz gibt.
5.3.3.3 Einige empirische Befunde
Untersuchungen spezifischer Prozessstufen:
- Analysen spontaner Sprechfehler: hieran kann man zeigen, dass sprachliche Äußerungen
nicht Wort für Wort, sondern in Form von grammatischen Satzteilen
erzeugt zu werden scheinen – z.B. „Gib mir mal den groben hm den
großen Stift  Sprecher geht bei Korrektur bis zum Beginn der
Satzphrase (den großen Stift) zurück
Unterscheidung von drei Prozessstufen
Erzeugung von: nichtsprachlicher Botschaft, Lemmata, Wortformen
Die Unterscheidung d. drei Prozessstufen hat ihr Korrelat u.a. in der Unterscheidung von
nichtsprachlichen und sprachlichen Operationen sowie von Sprechfehlern unterschiedlicher
Art.
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Beispiel von Dell:
Jemand sagt statt „The squeaky wheel gets the grease“ „The skreaky gwease gets the wheel”
Erklärung:
- Die Generierung der nichtsprachlichen Botschaft enthält keinen Fehler, stellt aber die
Umwandlung der Ausgangsidee des Sprechens in eine Metapher dar.
- Die Botschaft ruft die Lemmata wheel und grease auf, sie werden jedoch falschen
Satzteilen zugeordnet
- außerdem werden auf der Ebene der Wortformen bei den unmittelbar nebeneinander
angeordneten Wortformen zwei Phoneme vertauscht
Levelt et al. (1990):
Erzeugung zunächst von internen Lemmata, erst danach Generierung von Wortformen
- semantisch ähnliche Distraktorwörter haben nur vorm Ansehen des Objekts eine
verlangsamende Wirkung (semantischer Interferenzeffekt)
- phonologische Distraktorwörter haben nur nach dem Ansehen eines Objekts eine
Wirkung (phonologischer Erleichterungseffekt)
 zuerst lexikalisch-semantischer Teilprozess und dann phonologischer Teilprozess (seriell)
5.3.4. Zur Kontrolle der Sprachproduktion
Korrektur von Sprechfehlern jeder Art setzt die Kontrolle der eigenen Sprachproduktion
voraus  Vergleich von Ist- und Soll-Werten
- kann auch zur Modifikation der Sprachproduktion führen  Regulation statt
Korrektur
5.3.4.1 Kontrolle nur am Ende des Sprachproduktionsprozesses?
Verschiedene Ansätze
- Sprachproduktion dadurch kontrolliert, dass das Endergebnis mehrstufig rezipiert wird
und durch diese Rezeption Fehler bemerkt und behoben werden können.
 Überwachungssystem außerhalb des Sprachproduktionssystems (Editoren-Theorien)
-
Regulation innerhalb des Sprachproduktionssystems: Kontrollvorgänge zeitlich vor
der Endfertigung
 Teilergebnisse werden kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert
Argument dafür: Fehler bei Phonemerzeigung werden sehr schnell korrigiert – nach
Editoren-Theorie sollte es länger dauern
5.3.4.2 Regulationsebenen der Sprachproduktion
Komplexere Ist-Soll-Vergleich, die nicht unbedingt darin bestehen, dass Sprechfehler durch
andere Formulierungen ersetzt werden.
Unterteilung der Regulationsebenen:
Generelle Handlungsregulation: Sprecher überwachen ihre eigenen sprachlichen
Äußerungen unter personrelevanten Kriterien von der Art der diskursiven Rationalität, des
Selbstbild und der sozialen Faktoren…  gehört zu Grundlagen der individuellen
Handlungskontrolle.
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Situationsbezogene Regulation: Sprecher stellt sich während Kommunikation ständig auf
neue bestimmte Gegebenheiten ein  Gleichgewichtszustand zwischen Sprecher und Partner
 gelungene Konstitution von Bedeutung im Gespräch
Regulation mit Hilfe des Kommunikationsprotokolls: Erstellung eines Gesprächsprotokolls im Gedächtnis  Überwachung und Korrektur dessen was man sagen will, im Lichte
dessen, was bereits gesagt worden ist
Auf das Sprecherziel bezogene Regulation: Sprecher prüfen laufend, ob sie den zufolge
ihres Kommunikationsziels entwickelten Gedanken in angemessener Weise in eine
Sprachäußerung umsetzen. (Das Fell war schwarz – nein eigentlich eher dunkelbraun)
Elementare Fehlerregulation: elementare Fehler:
- Lexikalische Fehler: da kam Thomas, nein Nico rein
- Grammatische Fehler: Die Kinder der ganzen Klasse ist – sind verspätet gekommen
- Phonetisch-metrische Fehler: Das ist völlig imponkatibel hm inkompatibel
 Korrektur erfolgt automatisch und meist unbewusst
Seit langem sind elementare Sprechfehler ein wesentliches Forschungsthema
 Aufschluss über generelle kognitive Architektur der Sprachproduktion
 Nachweis der Unterscheidung von Teilprozessen
ABER: können auch einfach Handlungsfehler sein
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