Chemische Grundlagen: Proteine Proteine oder Eiweiße bilden den größten Anteil aller organischen Substanzen im Körper. Sie sind an fast allen Lebensprozessen beteiligt. Die Funktion vieler Proteine beruht darauf, dass sie andere Moleküle erkennen, an sich binden und diese Bindung wieder lösen können. Der rote Blutfarbstoff zum Beispiel, das Eiweiß Hämoglobin, bindet Sauerstoff, transportiert ihn durch den Körper und setzt ihn am Ort des Sauerstoffbedarfs frei (—> S. 96). Proteine in der Zellmembran ermöglichen die Signalübermittlung und den Stoffaustausch zwischen Zellen (-> S. 44). Auch für die Bewegung des Körpers und von Zellen sind Proteine verantwortlich (-> S. 53). Andere Proteine spielen als Hormone, Antikörper und Enzyme {—» S. 64) eine wichtige Rolle bei der Regulation von Körperfunktionen und des Zellstoffwechsels. Strukturproteine sorgen für die Festigkeit und Elastizität des Körpers. Keratin, das in Fingernägeln, Haaren, Hörn und Federn vorkommt, ist eine besonders widerstandsfähige Gerüstsubstanz. In Eiern und Milch sowie in vielen Pflanzensamen sind Proteine als Nährstoffreserven gespeichert. Aufbau der Proteine. Im menschlichen Körper kommen mehrere Tausend verschiedene Proteine vor. Alle diese Proteine bestehen aus nur 20 Aminosäuren, die in unterschiedlicher Anordnung zu langen Ketten, den Polypeptiden, verknüpft sind. Eine oder mehrere Polypeptidketten zusammen bilden das Protein. Bereits für sehr kleine Proteine wie zum Beispiel Insulin, das aus nur 51 Aminosäuremolekülen besteht, ergeben sich rechnerisch mit 2051 ~ 1066 eine unvorstellbar große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten. Die meisten Proteine sind jedoch sehr große Makromoleküle aus mehreren Hundert oder Tausend Aminosäure-Monomeren. Alle Aminosäuren zeigen einen prinzipiell einheitlichen Bau (-> Bild 1): An ein zentrales Kohlenstoffatom ist jeweils eine Aminogruppe (-NH2), eine Carboxylgruppe (-COOH), ein Wasserstoffatom (-H) und ein Rest (-R) gebunden. Dieser Rest, auch als Seitenkette bezeichnet, ist charakteristisch für die jeweilige Aminosäure. Er kann aus einem einzelnen Wasserstoffatom bestehen - wie bei Glycin - oder verschiedene funktionelle Gruppen tragen (—> Bild 3). Die Seitenketten der Aminosäuren unterscheiden sich unter anderem in ihrer Säure-Base-Reaktion, ihrer Polarität und ihrer Ladung. Peptidbindung. Die Carboxylgruppe einer Aminosäure kann sich mit der Aminogruppe einer anderen Aminosäure unter Wasserabspaltung zu einem Dipeptid verbinden (—> Bild 2). Diese Bindung bezeichnet man als Peptidbindung. Sie ist das grundlegende Bauprinzip aller Proteine. Durch die Verbindung vieler Aminosäuren entstehen Polypeptidketten. Die Kette der Peptidbindungen nennt man das Polypeptidrück-grat des Proteins. Primärstruktur. Die Reihenfolge oder Sequenz der Aminosäuren in der Kette ist für jedes Protein einzigartig. Diese Aminosäuresequenz wird auch als Primärstruktur des Proteins bezeichnet. Sie ist durch die genetische Information festgelegt. Die Primärstruktur eines Proteins bestimmt seine spezifischen Eigenschaften. Jedes Polypeptid oder Protein hat eine spezifische Raumstruktur oder Konformation. Sie kommt dadurch zustande, dass sich zwischen den Seitenketten der Aminosäuren in der Polypeptidkette chemische Bindungen ausbilden. Sekundärstruktur. In der Aminosäuresequenz vieler Proteine treten bestimmte sich wiederholende Abschnitte auf, die jeweils einem räumlichen Muster entsprechen. Häufig sind schraubige Anordnungen, so genannte a-Helices (Einzahl aHelix), und gefaltete Abschnitte, die als ß-Faltblatt-Struktur bezeichnet werden. Diese Windungen und Faltungen machen die Sekundärstruktur des Eiweißes aus. Sie basieren auf Wasserstoffbrückenbindungen entlang des Polypeptidrückgrats. Tertiärstruktur. Die dreidimensionale Anordnung aller Moleküle eines Proteins nennt man Tertiärstruktur. Sie beruht ebenfalls auf Wechselwirkungen zwischen den Seitenketten der Aminosäuren. Dabei handelt es sich vor allem um schwache Wechselwirkungen: Wasserstoffbrückenbindungen, Ionenbindungen zwischen sauren und basischen AminosäureResten und hydrophobe Wechselwirkungen. Kova-lente Bindungen zwischen Schwefelatomen können die räumliche Struktur zusätzlich stabilisieren. Proteine wie das Lyosozym (—> S. 66), die eine annähernd kugelige Gestalt annehmen, bezeichnet man als globuläre Proteine. Sie weisen meist eine Abfolge von a-Helix- und ß-Faltblatt-Bereichen auf. Andere Proteine sind dagegen lang gestreckt, zum Beispiel Kollagen oder Keratin. In solchen Faserproteinen wiederholt sich oft eine bestimmte räumliche Anordnung über die gesamte Länge des Moleküls hinweg. Quartärstruktur. Viele Proteine sind aus mehreren Untereinheiten zusammengesetzt. Die Untereinheiten - Polypetidketten, die jeweils in ihrer Tertiärstruktur vorliegen - lagern sich zu einem noch größeren Molekül zusammen (—> Bild 2). Ihre Anordnung im Raum nennt man Quartärstruktur. Struktur und Funktion als Einheit. Die Konformation eines Proteins bestimmt seine Funktion: Ein Rezeptorprotein in der Zellmembran bindet nur ein ganz bestimmtes Signalmolekül, das wie ein Schlüssel zum Schloss passt (—> S. 44); die Eiweißfäden der Spinnen-Seide verbinden sich an der Luft zu extrem stabilen Faltblatt-Bändern. Sekundär-, Tertiär- und gegebenenfalls Quartärstruktur des Proteins sind durch die Aminosäuresequenz festgelegt. Temperatur, pH-Wert und Ionenkonzentration beeinflussen die Konformation eines Proteins. Je nach den Bedingungen in seiner Umgebung kann das Eiweiß biologisch inaktiv werden. Unter Umständen, zum Beispiel bei zu großer Hitze und unter Einwirkung von Schwermetallen, kommt es auch zur irreversiblen Denaturierung. Dabei wird die Raumstruktur vollständig zerstört. Bei der Sichelzellenanämie, einer Erbkrankheit des Menschen, ist im Hämoglobin eine Aminosäure gegen eine andere ausgetauscht. Informieren Sie sich über die Auswirkungen. Erklären Sie, weshalb selbst eine geringfügige Änderung der Primärstruktur die Funktionsfähigkeit eines Proteins beeinträchtigen kann.