Self-Presentation in Malaysian Spirit Seances A dramaturgical Perspective on Altered States of Consciousness in Healing Ceremonies Raymond L.M. Lee Seit “altered states of consciousness”, also veränderte Bewusstseinszustände, eine anerkannter Begriff im wissenschaftlichen Diskurs geworden ist, wurde er analytisch verwendet, um therapeutische Aspekte von Besessenheit durch „Geistwesen“ zu untersuchen. Unter den Forschern in diesem Feld besteht die Annahme, dass ein veränderter Bewusstseinszustand zu einem reinigenden Ablassen der „Besetzung“ des jeweiligen Individuums verhilft. Bei der Analyse dieses Phänomens ist von besonderer Wichtigkeit eine Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Veranstaltungen zu machen. Lee erklärt, dass 1. mit den bestehenden Methoden der Beobachtung der aktuelle Zustand der besetzten Person nicht feststellbar sei. Denn die Erfahrung jeder Person ist einzigartig, um sie beschreiben zu können, müsse man aus eigener Erfahrung sprechen. 2. Sprache und Symbole, welche benutzt werden um diese Erfahrungen zu beschreiben, sind in einem bestimmten sozialen Raum durch einen größeren sozialen Kontext bestimmt. Lee nimmt außerdem vorweg, dass die Verhaltensweisen, welche beobachtet werden können, durch die Beziehung zwischen dem Darsteller, dem Medium und den Zuschauern determiniert wird. Sprich die Authentizität von privaten Gefühlen und persönlichen Aussagen der beteiligten Personen, kann niemals durch sich selbst verifiziert werden, sondern eher durch die Faktoren, die jenes beeinflussen. Lee spricht von „structure of expectations“, womit er auf die sozialen Regeln hinweist, welche die Beziehung zwischen besetzten und nicht-besetzten Individuen bestimmt. Diese soziale Abgrenzung ist wichtig, da sie Rollen und Rollenbilder für die teilnehmenden Personen definiert. Also ritualisierte Besessenheit basiert auf einer rollenspezifischen Beziehung zwischen dem Medium und dem Publikum. Diese drückt sich in einer Darbietung aus, welche sich auf einem allgemein akzeptierten Glauben an Übernatürliches stützt. Um den allgemeinen Glauben an Übernatürliches besser verstehen zu können, führt Lee verschiedene Formen von Geistmedien in Malaysia an. Malaysia ist ein Land mit einer Vielfalt von Ethnien. Die größten Gruppen bilden die Malays, Chinesen und Inder. Obwohl diese ethnischen Gruppen sich sehr voneinander unterscheiden, teilen sie doch einen gemeinsamen Glauben Geistbesessenheit und Geistmedien betreffend. Es herrscht ein ständiger Austausch zwischen den verschiedenen Stilen der malaysischen, chinesischen und indischen Medien. Auch die Klienten, probieren auf der Suche nach Heilung oder Problemlösung Medien verschiedener Ethnien aus. The malay spirit medium/Das malaysische Geistmedium: Ist bekannt als bomoh. Er wirkt nicht nur als Mediator zwischen Geistern und Menschen, sondern ist auch Spezialist in Kräuerheilkunde, Ratgeber in Alltagsproblemen oder malaysischer Kampfkunst. Malayische Geistheiler gewinnen einen (guten) Ruf als Spezialisten in einem gewissen Gebiet, wie z.B. Exorzismus, obwohl sie sich wahrscheinlich ein breites Band an esoterischem Wissen angeeignet oder geerbt haben. Ein Medium mit geerbten Fähigkeiten wird höher geschätzt, da er als auserwähltes Individuum gilt. Im heutigen Malaysia sind öffentliche Seancen eher eine Seltenheit, mit der Ausnahme vom nordöstlichen Staat Kelantan. Dort kann man einer öffentlichen Seance beiwohnen, die sich zu einer einzigartigen Kunstform entwickelt hat, genannt main puteri. Private Seancen finden in den Räumlichkeiten des Geistmediums oder des Patienten statt. The Chinese Spirit Medium/Das chinesische Geistmedium: Besser bekannt als dang ki hat im Großen und Ganzen dieselben Funktionen inne, wie das malaysische. Es gibt zwei allgemeine Kategorien von Medien: Medien, welche hauptsächlich in Tempeln bzw. in selbst eingerichteten Tempeln in ihren Heimen praktizieren und Medien, die ihre Klienten in privaten Häusern konsultieren. Geistmedien, die in Tempeln praktizieren haben meist ein größeres Klientel. Die chinesischen Medien haben außerdem die Aufgabe, bei jährlichen öffentlichen Riten, die Geister zu befrieden. Die Chinesen glauben daran, dass Geistmedien hochbegabte Personen seien, die ihre Profession entweder aufgrund einer Familientradition gewählt haben oder dazu „berufen“ wurden. Man sagt sie besäßen sin kuat („spiritual bone“) , welches ihnen die Fähigkeit schenkt mit Gottheiten oder andere geistigen Wesen zu kommunizieren. The indian spirit medium/Das indische Geistmedium: Die meisten in Malaysia lebenden Inder, sind Hindus, die Tamil sprechen. Sie definieren ein Geistmedium als samiyati (god dancer) oder arul vantu sollupavan (one who speaks through divine grace). Es existieren zwei Typen von Geistmedien: der erste Typ agiert bei Tempelfesten. Er/Sie begibt sich in Trance und kann dann um Prophezeiungen oder Segnungen gefragt werden. Indische Medien erlangen ihre Fähigkeiten, indem sie von einem erfahrenen Medium lernen, um dann nach dessen Pensionierung oder Tod seinen Platz ein zu nehmen. Oder eine Person wird zum Medium, nachdem sie einen göttlichen Ruf erfahren hat. Es gibt keinen Mangel an Geistmedien im heutigen Malaysia, denn sie spielen eine wichtige Rolle für die malaysische Bevölkerung, welche die „modern“ westliche Psychologie noch nicht voll akzeptiert hat. Auch medizinische Behandlung ist bis heute nur eine alternative Heilmethode. Frontal Performances Um die Beziehung zwischen Geistmedium und Publikum zu analysieren, ist es notwendig die Darstellung des Mediums nach außen zu betrachten. Die offensichtlichste Form der Präsentation nach außen ist das zeremonielle Kostüm, welches bei Seancen getragen wird. Das Kostüm dient als Kennzeichen für Prestige und soll eine gewisse Ehrerbietung hervorrufen. Einige Geistmedien tragen ein Kostüm jener Farbe und Symbole, die von dem Geist der gerufen wird, bevorzugt werden. Die Signifikanz des gewählten Kostüms liegt aber hauptsächlich in dem Willen sich individuell vom Publikum ab zu heben. Viel wichtiger aber als das Gewand des Mediums, ist dessen Verhalten vor, während und nach der Seance. Vor einer Seance zeigt sich das Geistmedium zuerst in seiner gewöhnlichen, weltlichen Gestalt, um dann den Übergang von natürlich zu übernatürlich besonders dramatisch zu inszenieren. Dieses Verhalten wird begleitet von verschiedenen Tätigkeiten, um das erfolgreichen Eintreten des Geistes in das Medium zu bewerkstelligen. Während der Seance, lebt jedes Medium den Charakter des Geistes, welcher in ihn gefahren ist, aus. Wenn ein Medium von mehreren Geistwesen besetzt wird, zeigt sich das Eintreten eines neuen Geistes in der Veränderung der Mimik und Gestikulation des Mediums, gut sichtbar für das Publikum. Am Ende einer Seance ist das Medium in Schweiß gebadet und total ausgepowert. Das Repertoire an Verhaltensweisen bildet die Stütze für die Unterscheidung zwischen übernatürlichen und natürlichen Selbst des Mediums. Das heißt, dass das dargebotene Selbst des Mediums in einer Seance, respektiert, gefürchtet und toleriert wird, weil es nicht als das normale, wache Selbst identifiziert wird. Audience Responses Das Publikum der Medien kommt aus verschiedensten backgrounds, von ganz armen Personen über Mittel-und Arbeiterklasse bis zu Personen aus gehobeneren Schichten. Alle diese Individuen glauben an die Wirksamkeit von göttlicher Intervention bei Heilung, Änderung eines Schicksals oder anderen weltlichen Problemen. Die Auseinandersetzung mit Geistmedien erfordert ein Festhalten an ein breites Set von übernatürlichen Glaubensvorstellungen, um überhaupt empfänglich zu sein für Trance Darstellungen. Die Reaktionen des Publikums variieren im Zusammenhang mit dem Charakter des herabsteigenden göttlichen Wesens. Also der Kontext der Besessenheit bestimmt das Verhalten des Publikums. Klienten tendieren dazu vertraut zu werden mit dem Ablauf einer Seance und entwickeln bestimmte Erwartungshaltungen von einer Trance Darstellung. Aber alle diese Erwartungshaltungen setzen den Glauben voraus, das die Seele des Mediums den Körper verlassen hat und ein Gott den Körper nun als temporäres Behältnis benutzt. Ein Patient nimmt eher den Rat eines Mediums in Trance an, als den eines Mediums in „normalen“ Zustand. Der Grad an Empfänglichkeit für Trance Darstellungen ist maßgeblich für den Ruf eines Geistmediums. Klienten messen die Moralität eines Geistmediums am Verhalten in Trance. (Bsp. Moralisch rein weil kein Schmerz und bluten) The Rules of Trance Performance Lee stellt drei Regeln für die Rollendarstellung fest: Änderung der Stimmung, distanzierter Status und Machtdarstellung. Eine Änderung der Stimmung zeigt an, dass das Geistmedium in einen anderen Bewusstseinzustand übergeht. Die Klienten hinterfragen normalerweise nicht die Authentizität der Veränderung der Gemütslage des Mediums, v.a. nicht bei einem Medium mit ausgezeichnetem Ruf. Auf die Änderung des Gemütszustandes folgt ein anderer Status. Wenn ein Medium in einer Seance das weltliche Ich abgibt, wird er/sie zur Verkörperung der göttlichen Macht und erwartet eine Behandlung, passend zum veränderten Status. Hier treten ein oder mehrere Assistenten in Aktion, welche eine Vermittlerrolle einnehmen zwischen den Klienten und dem Medium. So nimmt das Medium einen distanzierten Status zum Klienten ein und die Klienten kommunizieren nur indirekt über eine dritte Person mit dem Medium, ansonsten herrscht nur visueller Kontakt. Die Anwesenheit des Assistenten unterstützt den Eindruck von heiligen Grenzen, die das Medium von den Klienten abschirmt. Der/Die Assistenten nehmen die Rolle eines Interpreten ein, bleiben aber in einem normalen Bewusstseinszustand. Einem Assistenten sind die Veränderungen der Gemütslagen des Mediums sehr gut bekannt und kennt daher die Bedürfnisse des Mediums in jedem Zustand. Aber nicht jedes Medium hat Assistenten, v.a. jene nicht mit einem eher schlechten Ruf und/oder kleinem Klientel. Sobald ein Medium in Trance ist, per Definition also ein Individuum mit übernatürlichen Kräften, er/sie muss die Erwartungen der Klienten einhalten. Machtbeweise hierfür sind u.a. Genauigkeit der Vorraussagungen und physische Verschandelung. Letzteres hat hauptsächlich den Zweck die Klienten ein zu schüchtern. Spezielle Substanzen, welche vom Körper des Mediums während der Seance abgesondert werden, gelten als besonders wirkungsvolle Heilmittel. Eine Genauigkeit der Vorhersagungen ist schwieriger zu erreichen, denn es wird Beständigkeit der Wahrsagefähigkeiten des Mediums erwartet. Viele Medien stehen unter dem Druck Eindruck zu schinden damit einen orakelhaften Rekord auf zu stellen, um im Geschäft zu bleiben. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Eintreten in andere Bewusstseinzustände bei Heilungsritualen nicht nur ein physiologisches oder psychisches Ereignis ist, sondern auch eine Funktion ausübt in der sozialen Beziehung zwischen dem Medium und den Klienten.